031. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 17.03.2016 Rede von MdL Sebastian Scheel zum Prioritätenantrag der Fraktion DIE LINKE in Drs 6/4434 „‘So geht sächsisch‘ - geht nicht mehr. Standortkampagne sofort einstellen, Kampagnenbudget zur Demokratieförderung verwenden.“ Auszug Protokollmitschrift / Es gilt das gesprochene Wort! Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Am Montag dieser Woche bin ich fast vom Stuhl gefallen, als ich den Pressespiegel aufschlug und mir die Schlagzeile entgegensprang: "Totgesagte leben länger". Das ist offensichtlich der Versuch des Herrn Staatskanzleiministers, diese Imagekampagne wiederzubeleben. Ich fürchte nur, Sie werden sich in dieser Frage nicht mit Floskeln retten können, Herr Staatsminister - aber es ist schön, dass Sie heute anwesend sind. Wir reden über diese Imagekampagne, weil es dringend notwendig ist. Wir müssen darüber reden, ob es möglich ist, auf das Gesamtstimmungsbild, das über Sachsen herrscht, mit der Imagekampagne "So geht sächsisch", die seit 2013 im Freistaat durchgeführt wird, positiv Einfluss zu nehmen. Wir reden davon, dass Images natürlich Verhalten steuern. Sie steuern das Verhalten in der Frage, wer wohin reist, welches Unternehmen sich wo ansiedelt und natürlich auch, welcher Kongress in welcher Stadt stattfinden wird. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass man als Freistaat versucht, auf dieses Verhalten steuernd einzuwirken, nämlich sie positiv für uns zu gewinnen. Aus dieser Grundüberlegung heraus ist dieses Imagekampagne wohl auch als Dachmarke entstanden: "So geht sächsisch" soll in alle Welt hinausgetragen werden und natürlich positiv mit dem Freistaat assoziiert sein. Es gibt auch viele positive und gute Gründe, die es wert sind, innerhalb und außerhalb von Sachsen beworben zu werden - beispielsweise die reichhaltige Kulturlandschaft, Bibliotheken, Orchester, Museen, Burgen und vieles mehr. All das wird draußen wahrgenommen und ist natürlich ein Aushängeschild für den Freistaat. Die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Landschaft, die wir haben, sind es wert, nach außen getragen zu werden. (Beifall bei den LINKEN) Diese sind aber auch ohne Werbung herausragend, weil sie für sich selbst stehen. Nun haben wir in den letzten Monaten etwas im Freistaat Sachsen erlebt, was wohl niemand von uns erleben wollte, was aber trotzdem Realität ist. Realität ist, dass sich in Dresden mit der Pegida-Bewegung jede Woche aufs Neue eine rassistische und fremdenfeindliche Bewegung trifft, ohne dass eine große zivilgesellschaftliche Gegenbewegung entstanden ist Es ist auch Realität in Sachsen, dass sich in Freital die Aggression einiger Bürgerinnen und Bürger vor einer geplanten Flüchtlingsunterkunft Bahn gebrochen hat - auch dies ist in die Welt ausgestrahlt worden. Es ist Realität, dass wir in Heidenau mit den dortigen bürgerkriegsähnlichen Zuständen für "So geht sächsisch" nicht gerade geworben haben. Gleiches gilt auch für die Unterkünfte in Clausnitz und Bautzen sowie die Art und Weise, wie mit Menschen, die vor Krieg und Vertreibung sowie vor Not und Elend flüchten, umgegangen wurde - wie sie in Angst versetzt wurden, ist durch die Welt gegangen. Das muss man so klar sagen. Das heißt, wir befinden uns in einem Widerspruch - einem Widerspruch zwischen dem, was über Sachsen geredet wird, und dem, was wir versuchen, mit der Imagekampagne zu verkaufen. Wir führen am Ende des Tages einen Kampf um den Ruf unseres Landes, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei den LINKEN sowie vereinzelt bei den GRÜNEN) Nun sagte der Herr Staatskanzleiminister, "So geht sächsisch" müsse überarbeitet werden. Wir müssten glaubwürdig und authentisch die vorhandenen Problemlagen nach außen kommunizieren. Wir haben nur ein Problem - darum geht es in dieser Debatte heute -: "So geht sächsisch" geht nicht mehr, weil "So geht sächsisch" inhaltsleer ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den LINKEN sowie vereinzelt bei den GRÜNEN) Wir werden nämlich nur eines erreichen: Wir streiten uns mit den Pegidisten und den so genannten „besorgten Bürgern" darüber, wer die Deutungshoheit über das Bild von Sachsen in der Öffentlichkeit hat (Vereinzelt Beifall bei den LINKEN) Es werden ihnen hierbei keine Hochglanzbroschüren helfen und Sie werden auch noch so tolle Videos, die sehr schön anzusehen sind, produzieren können - wir werden damit nur eine Parallelwelt erzeugen. Diese Parallelwelt wird uns allen nicht helfen. Deshalb fordern wir in dem Antrag: Stellen Sie diese Kampagne ein! Verwenden Sie das Geld lieber, um eines zu produzieren, nämlich eine starke Zivilgesellschaft! Denn daran hapert es leider in Sachsen. Dort wäre das Geld sehr gut angelegt. Unabhängig davon möchte ich noch eines zum Ausdruck bringen: Es ist schon bezeichnend, dass wir für diese Imagekampagne 8 Millionen Euro ausgeben, aber für "Weltoffenes Sachsen" nicht einmal 2 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Daran müssen wir dringend arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei den LINKEN sowie vereinzelt bei den GRÜNEN) Hören wir also auf mit den Parallelwelten - dieser Claim ist tot. Wir sollten ihn jetzt durch zivilgesellschaftliches Handeln ersetzen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN) Schlusswort Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zunächst einmal vielen Dank für die Debatte, auch wenn klar war, dass wir einen Widerspruch haben würden. Dieser steckt vor allem in einem Kern - das haben Sie gerade angesprochen -: Ist dieser Claim noch tragbar oder nicht? Nun versuchen Sie, mit Durchhalteparolen "Wir müssen jetzt erst recht mit ‚So geht sächsisch‘ werben" die Hoffnung zu stärken, dass man damit das Image noch verbessern könnte. Natürlich können Sie das alles tun. Ich hätte mir nur gewünscht, dass ein kleiner Prozess eintritt, dass nicht die Sturheit gewinnt, sondern ein Prozess hineinkommt, indem man sagt: Können wir nicht darüber nachdenken, ob wir einen Claim finden, der unser Bild, das wir nach außen transportieren wollen, schon im Namen trägt? Denn das Dumme an diesem Claim - um bei der Kritik zu bleiben - ist, dass er keinen Inhalt vermittelt, sondern erst über das, was man hineinsteckt - Gutes wie Schlechtes -, mit Leben erfüllt wird. Dabei sind die Baden-Württemberger und auch andere Bundesländer einfach weiter. Sie haben Claims, die auch Aussagegehalt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Zurufe der Abg. Ines Springer und Svend-Gunnar Kirmes, CDU) Wenn wir über diese Frage sprechen, sage ich Ihnen nur eines: Sie können gern stur bleiben. Aber am Ende des Tages ist die Gefahr groß, dass Sie sich lächerlich machen und dass Sie damit unser Land lächerlich machen. Das ist die große Gefahr, meine Damen und Herren. Stimmen Sie bitte dem Antrag zu! (Beifall bei den LINKEN)
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