Falk Neubert - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

031. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 17.03.2016
Rede von MdL Falk Neubert zum Prioritätenantrag der Fraktion DIE LINKE in Drs 6/4434 „‘So
geht sächsisch‘ - geht nicht mehr. Standortkampagne sofort einstellen, Kampagnenbudget zur
Demokratieförderung verwenden.“
Auszug Protokollmitschrift / Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Mein Kollege Scheel hat die Grundkritik an dieser Kampagne bereits ausgeführt. Gerade die angesprochene Inhaltsleere des Slogans "So geht sächsisch" und die damit mögliche Verknüpfung mit
negativen Bildern ist eines der großen Probleme dieser Kampagne. Brennende Asylbewerberheime, wutverzerrte Gesichter von sogenannten besorgten Bürgern, die montäglichen PegidaDemonstrationen vor der Semperoper oder das Interview von Tillich bei Klaus Kleber im "heute
journal" - so geht sächsisch auch. Im August 2015 war die Kampagne in der .heute-show"
Anlass einer unfreiwilligen Häme. Diese Kampagne ist zu einem Bumerang geworden.
Christian Hose hat in einem Interview ebenfalls im letzten August bei "Sputnika" gesagt: "Wir sind
der Meinung, dass Werbung die Wirklichkeit abbilden muss." Wenn wir zurzeit in den Medien fast
ausschließlich Bilder aus Sachsen sehen, die Rassismus zeigen, ist das nicht der richtige Weg.
Es hilft eben nicht, schöne Bilder zu produzieren und mantraartig das weltoffene Sachsen von
Marketingexperten auf allen Kanälen verkünden zu lassen.
Vielmehr erscheinen nun ein kollektives Sich-auf-die-Schultern-Klopfen der stolzen Sachsen und
ein Verkünden von - ich zitiere die Staatsregierung -: "typisch sächsischen Tugenden, Pragmatismus, Machermentalität, Innovationsfreude, Herzlichkeit und Weltoffenheit", die sich durch die
Kampagne ziehen sollten. Na ja, die Glaubwürdigkeit um die sächsischen Tugenden wie Herzlichkeit und Weltoffenheit hat stark gelitten, und der Rest ist sächsischer Chauvinismus: Wir Sachsen
sind etwas Besseres. Und nein, ein bisschen Kampagne ist rausgeschmissenes Geld. Daher dieser
Antrag, die Kampagne sofort zu beenden.
Sehr geehrte Damen und Herren' Da die Kampagne nicht erst durch die aktuellen gesellschaftlichen Situationen in den Fokus unserer Kritik geraten ist, möchte ich unsere Grundkritik gern noch
einmal darlegen. Es fehlt dieser Imagekampagne immer noch das Konzept. Es gab diesbezüglich
verschiedene Nachfragen an die Staatsregierung, die Antwort dieser reduziert sich auf: "Aufgabe
der Standortkampagne ist es, unter dem Slogan ,So geht sächsisch' die Bekanntheit und Attraktivität des Freistaates Sachsen zu erhöhen unter Einbeziehung der Themen Wirtschaft, Wissenschaft,
Tourismus, Kultur und Sport." - Es ist ein Textbaustein, der sich in der identischen Form gleich in
mehreren Drucksachen wiederfindet und der ebenfalls inhaltsleer und absolut beliebig ist.
Man will sowohl die Bekanntheit als auch die Attraktivität für alle Menschen in Sachsen und alle
Menschen außerhalb von Sachsen erhöhen, und das unter Einbeziehung aller Themen. Das heißt
also, die Staatsregierung kann das Geld für die Imagekampagne für alles ausgeben. Konzeptionell
subsumiert es sich ganz sicher darunter, und die Staatsregierung macht es auch, das Geld nach
eigenen Bedürfnissen für alles auszugeben.
Ich kann Ihnen als Lektüre die Auflistung der detaillierten Ausgaben 2013, 2014 und 2015 tatsächlich
nur empfehlen; es ist wirklich ausgesprochen interessant: Es wird für 122 000 Euro im Jahr ein Bobschlitten mit .sachsen.de" oder ein Flugzeug für 280 000 Euro im Jahr beklebt. In Berlin wird für einen
Monat ein Großplakat aufgehängt: 250 000. Bei der Japan-Reise von Tillich gibt es ein Spontankonzert des Gewandhausorchesters Leipzig: 50 000 Euro. Für eine Woche WorldSkilis in Leipzig stand
die Imagekampagne hilfreich mit 180 000 Euro zur Seite. Eine ehemalige Büroleiterin des CDUGeneralsekretärs bekommt im Jahr für "Recherche und Erstellung von Erfolgsgeschichten für die
Homepage" 32 000 Euro. Es werden jedes Jahr erhebliche Summen für die Immobilienmesse "EXPO" in München oder für eine Investorenkonferenz ausgegeben. Warum eigentlich? Es werden
Schnuller, Plüschfüchse und Schutzengel für einen Haufen Geld hergestellt. Allein für Folienluftballons wurden im Jahr 31 000 Euro ausgegeben.
(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU - Daniela Kuge, CDU: Werbearbeit ist billiger!)
Übrigens: Halbminütige Werbespots der Tagesschau kosten bis zu 65 000 Euro. Für die Imagekampagne ist das selbstverständlich nicht zu teuer.
Zusätzlich werden viele protokollarische Veranstaltungen der Staatskanzlei, die eigentlich über
andere Töpfe finanziert werden müssten, über die Imagekampagne mit bezahlt, wie der "Tag der
Deutschen Einheit", der Festakt in der Prager Botschaft, der "Tag der Sachsen", Veranstaltungen
zu 25 Jahre Sachsen und auch andere Veranstaltungen, beispielsweise das .Lichtfest" in Leipzig
mit 135 000 Euro, erhalten eine großzügige Unterstützung.
Diese kleinen und größeren Gefälligkeiten und Geschenke, die die Staatsregierung mit dieser
Imagekampagne verteilt, sind ein Problem. Hier sind 8 Millionen Euro pro Jahr eingestellt, um in
nicht unerheblichem Maße mögliche Finanzierungslücken zu stopfen, Freunde zu unterstützen und
sich Lobhudeleien als Staatsregierung einzukaufen,
(Beifall bei den LINKEN)
und das alles ohne jegliche Kontrolle.
Der ehemals eingesetzte Fachbeirat wurde 2013 kurz nach Kampagnenbeginn von der Staatsregierung abgeschafft. Die Entscheidung über die Grundausrichtung, über Schwerpunkte und über die
Einzelausgaben der Kampagne liegen ganz allein in der Staatskanzlei. Der zuständige Referatsleiter
kann selbstständig über bis zu 100 000 Euro entscheiden und darüber hinaus unbegrenzt der Abteilungsleiter. Im Einzelfall wird der Chef der Staatskanzlei gefragt. Es gibt keinerlei Kontrolle oder
fachliche Begleitung. Das ist geradezu absurd.
Ebenso unverhältnismäßig sind die Ausgaben für die Agentur Ketchum Pleon. Mir ist klar, dass
gute Agenturen gutes Geld kosten. Wir sprechen hier aber von über 800 000 Euro pro Jahr für diese Agentur. Mit dem Geld kann man ein ganzes Jahr 20 Personen in Vollzeit fest einstellen. Wahrscheinlich sind das die ganzen Personalkosten des Dresdner Standortes von Ketchum Pleon.
Diese hohen Kosten für die Agentur sind umso beachtlicher, weil noch erhebliche Mittel von deutlich über 1 Million Euro pro Jahr für Homepage, Social-Media-Aufträge, Texterstellung, Fotos und
weitere Agenturleistungen ausgegeben werden. Da steht ein wenig die Frage im Raum: Was macht
eigentlich Ketchum Pleon?
Dann gab es noch drei Konzerte über die Kampagne, eines in New York und zwei in London. Dafür
haben die Büros von Ketchum Pleon in New York und London gleich noch einmal 237 000 Euro
Agenturleistungen erhalten. Sie müssen zugeben Etwas absurd ist das schon.
Das Problem mit der Werbepartnerschaft mit Sachsenring möchte ich nur kurz ansprechen: Hier
werden fast 700 000 Euro pro Jahr für eine Werbepartnerschaft für drei Tage, an denen Motorräder im Kreis fahren, ausgegeben.
(Christian Piwarz, CDU: Geht es noch primitiver?)
Das hat nichts, aber auch gar nichts mit adäquater Verwendung von Mitteln aus dieser Imagekampagne zu tun.
(Christian Piwarz, CDU: Du hast nichts verstanden')
Ich will ja gar nicht auf die Details eingehen - das ist eine Debatte für den Finanzausschuss -, aber
es werden erhebliche Mittel aus der Imagekampagne dafür benutzt, die Wirtschaftlichkeit eines
Unternehmens zu ermöglichen.
(Beifall des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE
- Christian Piwarz, CDU: Hättet ihr lieber eins in Sachsen-Anhalt gehabt, oder was?)
Sehr geehrte Damen und Herren! Jeder noch so hoch dotierte Strategie- und Markenberater - vielleicht sogar Ketchum Pleon - wird mir beipflichten Image kann nur verbessert werden, wenn ein
fundamentaler Wandel in der gelebten Kultur vollzogen wird. Wir sprechen dabei von demokratischen Werten, ethischer Haltung und Dem klaren Bekenntnis dazu. Bevor dieser Wandel nicht
glaubwürdig umgesetzt ist, erzeugt jede weitere Kampagne zur Verbesserung der Außenwirkung
das Gegenteil. Dieser Wandel geschieht nicht von heute auf morgen. Er darf auch nicht nur an der
Oberfläche, sondern er muss am Elementaren ansetzen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche hier von Bildung, politischer Bildung für alle Zielgruppen, von Demokratie und Bildungsprojekten, die auch im ländlichen Raum in großem Maße
realisiert werden müssen. Ich spreche von dem bürgerlichen Engagement, das mehr denn je befördert und gefördert werden muss. Dort ist das Geld gut angelegt, dort, wo authentisch Gesicht
gezeigt wird für ein weltoffenes und freundliches Bundesland.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei den LINKEN)