Schreiben - Regensburger Domspatzen

Januar 2016
Liebe Freunde der Regensburger Domspatzen,
der Zwischenbericht von Rechtsanwalt Ulrich Weber zu „Missbrauch und
Misshandlung bei den Regensburger Domspatzen“ zu Beginn dieses Jahres
hat erwartungsgemäß ein gewaltiges Medienecho ausgelöst. Die darin
genannten Opferzahlen haben uns alle tief erschüttert. Jeder einzelne „Fall“
berührt uns im Innersten, macht uns traurig und sprachlos. Dabei verbietet
sich hierbei schon die Rede von „Fällen“: Es geht um Menschen, die
vorwiegend in der Vorschule, aber zum Teil auch in Regensburg seelisch
kaputt gemacht wurden.
Webers Zwischenbericht ist ein Baustein der vom Bistum beauftragten
gründlichen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels in der Geschichte unserer
Domspatzen. Der Vereinsvorstand war von Anfang an in diesen Prozess mit
einbezogen. Rechtsanwalt Ulrich Weber arbeitet unabhängig von Bistum
und Stiftung Regensburger Domspatzen, kann seinen Auftrag erfüllen und
wird wohl von den Opfern als Gesprächspartner akzeptiert. Keine Frage:
Opfer müssen Gehör finden, Täter zur Rechenschaft gezogen werden!
Es geht hauptsächlich um Hinschauen und Hinhören! Bischof Rudolf selbst
spricht mit vielen Betroffenen. Ich danke dem Bischof von Regensburg und
den Verantwortlichen des Bistums. Die Domspatzen sind und waren für das
Bistum immer eine Herzensangelegenheit. Ich spüre das in vielen
Gesprächen.
Wir werden Rechtsanwalt Weber weiterhin in allen Belangen, die er an den
Verein richtet, vorbehaltlos unterstützen. In einem nächsten Schritt wird
sich das sogenannte Beraterkuratorium treffen. Das Kuratorium besteht zu
gleichen Teilen aus Vertretern der Opfer und Verantwortlichen aus Bistum
und Stiftung. Nur durch Aufeinander Zugehen, Miteinander Reden und
gegenseitige Sensibilität gibt es die Chance, den Prozess der Aufarbeitung
zu einem für beide Seiten guten Ende zu bringen. Ich wünsche mir, dass
möglichst viele Opfer ihren Frieden mit der für sie unerträglichen
Vergangenheit bei den Domspatzen machen können. Und ohne auch nur
irgendetwas verharmlosen zu wollen: Ich erwarte und wünsche mir am Ende
einen differenzierten Bericht, der die Geschehnisse in die
Gesamtzusammenhänge einordnet.
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Unser Verein wird versuchen, das Thema regelmäßig sicht- und hörbar zu
machen. Diese Vorgänge gedanklich nicht zuzulassen, grenzt Opfer aus und
macht sie erneut zu Opfern, diesmal des Verschweigens. Denn: Trotz
schrecklicher Erlebnisse verstehen einige Opfer die Domspatzen immer
noch als wichtigen Teil ihrer Kindheit und eine Art „Zuhause“. Sie
wünschen sich, in Zukunft ohne Vorbehalte dorthin zurückkehren zu
können. Ich durfte beim Ehemaligentreffen im vergangenen Jahr einen
solchen kennenlernen. Er konnte nach eigener Aussage nach vielen
Jahrzehnten seinen Frieden machen. Tags darauf sang er zum ersten Mal
nach langer Zeit, mit feuchten Augen im Ehemaligenchor unter der Leitung
unseres Domkapellmeisters Roland Büchner Palestrinas berühmte Missa
„Papae Marcelli“. Noch heute berührt mich diese Begegnung sehr. Dafür die
Türen zu öffnen, ist aus meiner Sicht auch eine Aufgabe des
Domchorvereins.
Ich möchte in diesem Brief allen aktuell Verantwortlichen und
Mitarbeitenden in Chor, Schulen und Internat der Regensburger
Domspatzen danken. Sie und die Schüler müssen in diesen Tagen, oft auch
in ihrer Freizeit, viele Reaktionen, Emotionen und manchmal auch
Schmähungen ertragen. Undifferenzierte Veröffentlichungen und manche
Schlagzeile in den Medien sind wie ein Schlag ins Gesicht derer, die jeden
Tag ihr Herz für unsere Domspatzen geben. Unter Einbeziehung aller
Mitarbeitenden wird im Haus schon lange ein Präventionskonzept
umgesetzt. Auch ein wichtiger Baustein der Aufarbeitung!
Ich danke den Eltern, die ihre Söhne bei den Domspatzen haben. Es ist
ermutigend, mit wie viel Elan und Engagement sie sich immer wieder für
diese Institution einsetzen. Wir tun gut daran, mit ihnen im Gespräch zu
bleiben. Sie wissen am besten um die Atmosphäre im gesamten Haus.
Der Vorstand des Vereins wird sich mit aller Kraft weiter dafür einsetzen,
dass die Domspatzen auch wieder als das wahrgenommen werden, was sie
sind: Eine Einrichtung, in der junge Menschen ihre eigene Persönlichkeit
zum Klingen bringen. Oder kurz gesagt: Domspatzen – Beflügelt ins Leben!
Dazu brauchen wir weiter auch Ihre/Eure Unterstützung. Da tut jede
Ermunterung gut! Die Aktivitäten von vielen ehemaligen Domspatzen in
den sozialen Netzwerken machen Mut. In der kommenden Vorstandssitzung
werden wir auch beraten, welche Reaktionen, Äußerungen oder Maßnahmen
zu welchem Zeitpunkt sinnvoll sind. Wir tun gut daran, jetzt kühlen Kopf zu
bewahren und den weiteren Prozess der Aufarbeitung in aller Gelassenheit
mit zu verfolgen.
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Und noch eines ist klar: Die Domspatzen gehen verantwortungsvoll mit
ihrer Geschichte um! Sie vergessen Vergangenes nicht und richten
gleichzeitig den Blick in die Zukunft! Und sie werden nicht nur hörbar ein
gutes Bild in der Öffentlichkeit abgeben; seriös und vielleicht mit einer
Prise Selbstironie. Weg von Stereotypen, hin zu Typen! Denn die gibt es
dort in großer Zahl!
Im Namen des gesamten Vorstands bitte ich Sie/Euch weiter um Vertrauen
und Unterstützung!
Herzliche Grüße!
Marcus Weigl
1. Vorsitzender
P.S.: Noch schneller informiert- per Mail!
In unruhigen Zeiten sollte die Familie noch enger zusammenrücken. Was
beim Ehemaligentreffen begonnen wurde, soll und muss weitergehen. Um
zukünftig noch schneller informieren zu können, wären wir froh, wenn Ihr
uns für die Mitgliederdatenbank die aktuelle Mailadresse mitteilen könntet,
am besten an: [email protected]