42012 – Reihenfolgeplanung - Prioritätsregeln Aufgabe und Funktionen von Prioritätsregeln Prioritätsregeln ordnen bei Auftreten einer Warteschlange von Folgeaufträgen vor einer Maschine den um die Entlastung auf die Maschine konkurrierenden Aufträgen aufgrund einer bestimmten Vorschrift eine Dringlichkeitsziffer zu, die über die Bearbeitungsreihenfolge an der Engpassmaschine im Moment des Freiwerdens entscheidet. Die Wirksamkeit einer Prioritätsregel ist unabhängig davon, ob der minimale oder maximale Wert der Dringlichkeitsziffer die höchste Priorität darstellt, da durch Bildung des Kehrwertes oder durch Vorzeichenänderung die Folge der Prioritäten umgekehrt werden kann. Relativ einfache heuristische Lösung, die erst zum letztmöglichen Zeitpunkt Reihenfolgeentscheidung (zum Zeitpunkt des Freiwerdens der Maschine) angewendet werden. Nicht an jeder Maschine muss die Priorität gleich sein. der Vorteile: Vorteile der heuristischen Lösung mithilfe von Prioritätsregeln liegen darin, dass die Reihenfolgeentscheidung erst zum letztmöglichen Zeitpunkt, nämlich zum Zeitpunkt des Freiwerdens einer Maschine, zu erfolgen braucht und nicht an jeder Maschine die gleiche Prioritätsregel angewendet werden muss. Nachteile: Die Maschinenfolgen werden bei der Planung nicht berücksichtigt, da es hier keine zentrale Planungsinstanz gibt. Wenn ständig und systematisch bestimmte Auftragstypen zurückgestellt werden kann es zu Staus von außergewöhnlichem Umfang kommen. Statische und dynamische Prioritätsregeln: Im Hinblick auf die Veränderlichkeit in der Zeit kann zwischen statischen und dynamischen Prioritätsregeln unterschieden werden. Eine Regel wird als statisch bezeichnet, wenn sich die von ihr zugewiesene Dringlichkeitsziffer während des Aufenthaltes eines Auftrages in einer Warteschlange nicht verändert. Bei dynamischen Prioritätsregeln hingegen erfolgt jeweils zum Zeitpunkt des Freiwerdens einer Maschine eine Neuberechnung, so dass sich die Priorität eines Auftrages während des Aufenthaltes in der Warteschlange ändern kann. Die auf der Basis von vorgegebenen Fertigstellungsterminen berechneten Dringlichkeitsziffern sind z. B. statisch, während Prioritäten, die auf der bis zum Fertigstellungstermin noch verbleibenden Zeit (Schlupfzeit) basieren, dynamisch sind. Lokale und globale Prioritätsregeln: Diese unterscheiden sich durch den zur Berechnung der Dringlichkeitsziffer benötigten Informationsbedarf. Als global sind jene Regeln einzustufen, die auf Informationen über den Zustand des Gesamtsystems beruhen, d. h. die Daten aller Aufträge werden berücksichtigt, während lokale Regeln sich nur auf die Informationen der vor der betrachteten Maschine wartenden Aufträge beziehen. Klassifizierung von Prioritätsregeln: ankunftszeitorientierten Regeln: First in first out (FIFO): Der Auftrag, der als erster im Produktionsbereich eingetroffen ist, hat die höchste Priorität. Diese Regel wird auch als FASFS-Regel bezeichnet (First arrival at the shop first served). First come first served (FCFS): Es soll der Auftrag als nächster bearbeitet werden, der als erster an der entsprechenden Maschine eingetroffen ist und somit die längste Zeit in der Warteschlange verbracht hat. Im Gegensatz zur FIFO-Regel bezieht sich die FCFS-Regel also auf einzelne Betriebsmittel. Thomas Pohlmann/Lena Buckentin/ Rolf Baumanns WS 07/08/10/11 Seite 1 42012 – Reihenfolgeplanung - Prioritätsregeln bearbeitungszeitorientierte Regeln: Kürzeste Operationszeit (KOZ): Es wird der Auftrag als nächster zur Bearbeitung ausgewählt, der die kürzeste Operationszeit von allen vor einer bestimmten Maschine wartenden Aufträgen für die unmittelbar bevorstehende Bearbeitungsoperation hat. Ziel ist es, möglichst viele Aufträge durchzuschleusen. Das Gegenstück zu KOZ ist die Reihenfolgeermittlung nach der längsten Operationszeit (LOZ). Diese Regel, die die Aufträge mit den längsten Bearbeitungszeiten bevorzugt, wird in der Literatur durchweg als ungünstig bezeichnet. + Maschinen werden immer schnell wieder frei - Aufträge mit längeren Operationszeiten werden mehrfach zurückgestellt, deshalb können die Liefertermine nicht immer eingehalten werden Kürzeste Restoperationszeit bzw. Restbearbeitungszeit (KRB): Derjenige Auftrag in der Warteschlange mit der kleinsten Summe der Operationszeiten, die noch bis zur Fertigstellung des Auftrages anfallen, erhält die höchste Priorität. Durch diese Vorgehensweise werden vor allem bereits weit fortgeschrittene Fertigungsaufträge beschleunigt. + besonders fortgeschrittene Aufträge werden weiter beschleunigt + in regelmäßigen Abständen werden Aufträge fertiggestellt; Auftragsfertigstellung bedeutet im Allgemeinen Einzahlungen Geringste Anzahl der Restoperationen (Regel der wenigsten noch auszuführenden Arbeitsgänge, WAA): Die höchste Priorität wird dem vor einer Maschine wartenden Auftrag zugewiesen, der die geringste Anzahl an noch durchzuführenden Operationen aufweist. terminorientierte Prioritätsregeln: Frühester Fertigstellungstermin bzw. frühester Liefertermin: Die höchste Priorität wird dem vor einer Maschine wartenden Auftrag zugewiesen, der den frühesten Fertigstellungs- bzw. Liefertermin aufweist. Minimale Schlupfzeit (SLACK, SZ-Regel): Derjenige Auftrag wird aus der Warteschlange zur Weiterbearbeitung als erster ausgewählt, dessen Differenz zwischen Fertigstellungstermin und aktuellem Zeitpunkt abzüglich der Summe der Restbearbeitungszeiten (Schlupfzeit) minimal ist. + Einhaltung der Liefertermine - im Allgemeinen hohe Durchlaufzeiten First Come First Served-Regel (FCFS-Regel) + einfach, da keine rechnerischen Vergleiche dringliche Aufträge können nicht beschleunigt werden wertorientierte Prioritätsregeln: statische Wert-Regel: der Auftrag in der Warteschlange mit dem höchsten Produktendwert bekommt die höchste Priorität (Wert, wenn Produkt fertig gestellt ist). dynamische Wert-Regel: der Auftrag mit dem höchsten Produktwert vor Ausführung des jeweiligen Arbeitsvorgangs bekommt die höchste Priorität (aktueller / derzeitiger höchster Produktwert) + Minimierung der Kapitalbindung in Bezug auf das Umlaufvermögen Früheste Lieferterminregel: Derjenige Auftrag erhält die höchste Priorität, der in der Warteschlange den frühesten Liefertermin aufweist. + Einhaltung der Liefertermine Thomas Pohlmann/Lena Buckentin/ Rolf Baumanns WS 07/08/10/11 Seite 2 42012 – Reihenfolgeplanung - Prioritätsregeln Es ist auch eine Kombination von Prioritätsregeln sinnvoll, denn jede Prioritätsregel verfolgt ein bestimmtes Ziel und damit einen bestimmten Zweck. So ist es zum Beispiel möglich, dass bei einer ständigen Verwendung der KOZ-Regel ständig die Aufträge vorgezogen würden, welche eine kürzere Operationszeit haben und damit „auf die Schnelle“ Einnahmen generiert werden. Natürlich würden so immer neue kürzere Aufträge den alten längeren Aufträgen vorgezogen. Es könnte daher zu Terminschwierigkeiten und dadurch bedingt zu Strafzahlungen kommen. Eine mögliche Lösung für diese Problematik ist die Kombination von zwei (oder mehr) zweckmäßigen Prioritätsregeln, damit direkt zwei Zielvorstellungen parallel verfolgt werden und damit mögliche Dilemmata umgangen werden. Es werden je nach vorliegender Situation unterschiedliche Prioritätsregeln angewendet. Hierbei muss eine Grenze festgelegt werden, die bestimmt, wann die eine und wann die andere Elementarregel anzuwenden ist. Wirksamkeit von Prioritätsregeln KOZRegel KRBRegel Minimale Kapitalbindung Allgemeine Vor- und Nachteile von Prioritätsregeln + dynamische Probleme können bewältigt werden + bequeme Anwendung - Maschinenfolgen werden bei der Planung nicht berücksichtigt, da keine zentrale Planungsinstanz - Staus von außergewöhnlichem Umfang können auftreten, da systematische Zurückstellung von bestimmten Auftragstypen generelles Problem bei Verfahrensweisen zur Ermittlung von Maschinenbelegungsplänen: Konflikt zwischen Lösungsqualität und Verfahrensaufwand Vor- und Nachteile der Minimierung der Zykluszeit: Zykluszeit: gesamte Durchlaufzeit aller Aufträge! Für eine ausgewogene Fertigstellung aller Aufträge sorgt dagegen die Zielfunktion der Minimierung der Zykluszeit. Hiermit wird sichergestellt, dass die maximale Durchlaufzeit eines Auftrags möglichst gering bleibt. Es gibt also keine Ausreißer, die noch dann zu bearbeiten sind, wenn alle übrigen Aufträge längst fertig gestellt sind. Der gesamte Auftragsbestand wird also als Zyklus betrachtet, der erst dann beendet ist, wenn auch der letzte Auftrag fertig gestellt ist. Auch diese Zielfunktion hat eine hohe praktische Relevanz. Obwohl durch die Minimierung der Zykluszeit die Gefahr einer Lieferterminüberschreitung reduziert ist, jedoch bleibt die Wichtigkeit eines einzelnen Auftrag und sein Liefertermin unberücksichtigt. Thomas Pohlmann/Lena Buckentin/ Rolf Baumanns WS 07/08/10/11 Seite 3
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