Kastration von Hunden - Tierärztliche Praxis für Kleintiere

Kastration von Hunden
(zusammengestellt von Dr. Martina Hannes, Walzmühle 5, 52349 Düren)
Die Frage, soll ich meinen Hund kastrieren lassen oder nicht, stellt sich irgendwann wahrscheinlich jeder
Besitzer.
Vorab die rechtlichen Aspekte:
Nach § 6 TschG ist das vollständige oder teilweise Entnehmen von Organen oder Gewebe eines
Wirbeltieres verboten, es sei denn der Eingriff ist im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation angezeigt.
Außerdem ist eine Unfruchtbarmachung zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder wenn
diese zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres nötig ist, erlaubt – soweit es keine tierärztlichen
Bedenken gibt.
Eine Kastration muss also immer eine Entscheidung im Einzelfall nach Beratung durch einen Tierarzt sein.
Was gibt es also zu bedenken?
Die unkontrollierte Fortpflanzung kann hierzulande nur in wenigen Fällen eine Begründung für eine
Kastration sein . Die Hündin nicht ohne Aufsicht draußen frei laufen zu lassen, reicht meistens völlig aus.
Eine Kastration wirkt nicht nur auf die Fortpflanzungsfähigkeit, sondern hat noch eine ganze Reihe weiterer
Auswirkungen auf den Körper und auf das Verhalten.
Welchen Einfluss hat die Kastration auf den Körper?
1) Übergewicht
Nach Kastration sinkt der Energiebedarf um ca 30%, während es zu einem gesteigerten Appetit kommt!
Kastrierte Hunde sind doppelt so häufig von Übergewicht betroffen wie unkastrierte. Dem lässt sich durch
reduzierte Fütterung und körperliche/geistige Auslastung entgegenwirken.
2) Bewegungsapparat
a) Früh kastrierte Hunde zeigen einen verzögerten Schluss der Wachstumsfugen, werden etwas
größer. Gelenkwinkel können sich dadurch ändern und Entstehung von Arthrose begünstigt
werden.
b) Das Auftreten von HD wird um ca. das 1,5-fache erhöht, bei Frühkastration noch mehr.
c) Kreuzbandrisse treten bei kastrierten 2,4 mal so oft auf. Die Ursache wird in verschiedenen
Faktoren gesehen, u.a. Übergewicht, evtl. auch der spätere Fugenschluss (s.o.)
3) Stoffwechsel
Kastrierte Hunde erkranken häufiger an Diabetes mellitus als unkastrierte, wohl ebenfalls begünstigt durch
das Übergewicht.
4) Tumorerkrankungen
a) Das Risiko des Auftretens von Gesäugetumoren wird durch eine frühe Kastration im Alter
von unter 6 Monaten(!) deutlich minimiert. Bei Kastration nach der ersten Hitze ist es schon
deutlich höher und nähert sich dem Risiko bei unkastrierten Hündinnen. Genaue Angaben zu
den Erkrankungen bei unkastrierten Hündinnen habe ich nicht gefunden. Sie schwanken
zwischen 3% und 20%.
b) Perianaltumore:
Bei Rüden sinkt das Risiko nach Kastration, bei Hündinnen begünstigt die Kastration die
Entstehung.
c) Daneben gibt es noch eine Reihe insgesamt eher sehr selten auftretende Tumorarten, die
bei Kastraten häufiger zu finden sind. Prostatatumoren z.B. sind insgesamt sehr selten,
treten aber überwiegend bei kastrierten Rüden auf und sind sehr bösartig.
5) Harninkontinenz
Sie tritt fast nie bei unkastrierten Tieren auf. Bei kastrierten Hündinnen tritt sie häufiger auf, als bei
kastrierten Rüden und bei Hunden über 20 kg häufiger als bei kleinen.
6) Entzündungen
im Bereich der Vulva und weitergehend als Scheidenentzündung treten nach Kastration von jungen
Hündinnen durch die sehr klein bleibende Vulva und Faltenbildung an dieser Stelle auf (besonders bei
Übergewicht).
7) Haarkleid
Bei manchen Rassen kommt es zu einer starken Zunahme der Unterwolle und Ausbildung des sogenannten
„Welpenfells“. Dies sind meist Hunde mit langem, glattem, glänzendem Fell. Das ist eher ein kosmetisches
Problem und mit erhöhtem Pflegeaufwand verbunden.
Welchen Einfluss hat die Kastration auf das Verhalten?
Eine häufig genannte Begründung für den Wunsch nach Kastration des Hundes sind Probleme mit dessen
Verhalten. Dazu wird den Besitzern öfter auch von Hundetrainern geraten.
Hierzu einige Anmerkungen:
in der Pubertät kommt es zum Anstieg der Sexualhormonspiegel, was im ganzen Körper Auswirkungen hat.
Im Gehirn finden dadurch Umbauvorgänge statt, die zu einer verbesserten Reizleitung, besserem Lernen
und Behalten des Gelernten und sichererem, kompetenterem Sozialverhalten führt. Aufgrund dieser
Umbauvorgänge im Gehirn scheinen Hunde in der Pubertät Gelerntes vergessen zu haben und tun sich
auch mit dem Neu-Lernen relativ schwer. Dazu kommt oft noch Unsicherheit im Verhalten gegenüber ihrer
Umgebung und Artgenossen. Das ändert sich wieder nach Abschluss der Pubertät, wobei man hier von
einem Alter (bei Rüde und Hündin) ausgeht, in dem die Hündin ihre dritte Läufigkeit abgeschlossen hat.
Wird früher kastriert, werden oben genannte „Symptome“ mehr oder weniger deutlich erhalten bleiben.
Häufig genannte Gründe, weshalb Hunde aus Sicht der Halter kastriert werden sollen, sind
Aggression in unterschiedlichen Situationen
Angstverhalten
Streunen
Jagdverhalten
Aufreiten („Hypersexualität“)
Markieren
1) Aggressives Verhalten sollte vor der Kastration genau auf seine Ursache untersucht werden, am
besten durch einen verhaltensmedizinisch tätigen Tierarzt oder auch in Zusammenarbeit mit einem
Hundetrainer, der eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung mit Problemhunden hat. In den
allermeisten Fällen ändert die Kastration die Aggressivität nicht oder verschlimmert sie sogar, da die
hemmende Wirkung der Geschlechtshormone wegfällt, bzw. andere Hormone und Botenstoffe eine
Rolle spielen, die unabhängig davon sind. Es gibt nur sehr, sehr wenige Fälle, in denen die
Aggression wirklich (geschlechts-)hormongesteuert ist. Da kann eine Kastration helfen, wenn das
Verhalten noch nicht erlernt ist. Immer ist aber eine Erziehungsänderung oder Verhaltenstherapie
angesagt, betreut von kompetenten Trainern.
2) Angst oder Unsicherheit bessern sich nicht durch Kastration, sondern verschlimmern sich i.A., da sie
von Cortisol gesteuert werden.
3) Streunen kann sich bessern, wenn es nur während der Läufigkeit bzw. bei Anwesenheit von läufigen
Hündinnen stattfindet und noch nicht erlernt ist.
4) Jagdverhalten wird durch Kastration nicht beeinflusst, evtl. sogar verstärkt.
5) Aufreiten oder sogenannte „Hypersexualität“ findet aus unterschiedlichen Gründen statt. Es kann
dem Stressabbau dienen, einfach Spiel sein oder der Versuch, den anderen zu dominieren. In all
diesen Fällen ändert die Kastration nichts. Sollte es rein sexuell motiviert sein, kann sie helfen. Zu
bedenken ist aber, dass auch kastrierte Rüden noch Jahre nach der Kastration manchmal aufreiten
und komplettes Paarungsverhalten in Anwesenheit einer läufigen Hündin zeigen können.
6) Beim Markierverhalten wird keine deutliche Änderung erzielt.
Aus dem beschriebenen ergibt sich, dass die Entscheidung für oder gegen eine Kastration immer im
Einzelfall genau abgeklärt werden sollte. Besonders wenn Verhaltensauffälligkeiten vorliegen, müssen
diese mit professioneller Hilfe beurteilt werden, um nicht eine Verschlechterung zu erzielen.
Beim Rüden ist es möglich, eine „chemische Kastration“ mit einem implantierten Chip durchzuführen
und so die Auswirkungen der Kastration auszutesten.
Ein Hund mit einer Erkrankung, die durch die Kastration geheilt werden kann, muss natürlich kastriert
werden, auch wenn ein Verhaltensproblem dem entgegensteht. Dieser Hund sollte aber
verhaltenstherapeutisch mitbehandelt werden, so dass seine Lebensqualität nicht schlechter wird.
Für ein individuelles Beratungsgespräch bzgl. der Kastration können Sie gerne einen Termin in unserer
Praxis vereinbaren!
Ausführliche Informationen auch hier:
Kastration beim Hund von Gabriele Niepel
Kastration und Verhalten beim Hund von S. Strodtbeck und U. Gansloßer