Abstracts Doktorandenpanel Daniel F. Schley Vorstellungen von Herrschersakralität im japanischen Mittelalter Herrschaft und ihre Funktion, Begründungen und Charakteristika sind ein klassisches und viel berarbeitetes Themengebiet vieler Geisteswissenschaften, insbesondere auch der Geschichtswissenschaft. Ihren Reiz im Fall Japans gewinnt das Thema sicherlich dadurch, dass man mit einer auffällig langen Kontinuität der Tenn-Herrschaftslinie bis heute zu tun konfrontiert ist. Obwohl die tatsächliche politische und militärische Macht die meiste Zeit in den Händen anderer lag, und die in der Nara-Zeit (710-784) formierte staatliche Ordnung2 mit dem Herrscher (tenn) an der Spitze etwa ab dem 10. Jh. erste Auflösungserscheinungen zeigte, änderte sich scheinbar wenig am Fortbestand des Herrscheramtes. Die Suche nach Erklärungen dafür ergibt sich fast zwangsläufig.3 Zur Begründung dieser auf den ersten Blick stabilen Legitimität ist häufig die religiöse Rolle des Herrschers genannt worden.4 Allerdings ist damit noch keineswegs klar, worin eigentlich dessen religiöse Funktion inhaltlich genau bestand oder welcher Stellenwert historisch der Verbindung von Politik und Religion in Japan zukommt. Diese Fragen sind in ihrer allgemeineren Form zugleich Teil des umfassenderen Themenkomplexes der Sakralität von Herrschaft. In der neueren deutschen Geschichtsforschung setzt sich Franz-Reiner Erkens dafür ein, die bisherigen Konzepte zur Herrschersakralität aus dem vornehmlich europäischen Kontext zu lösen und möglichst global und interdisziplinär einzusetzen.5 Dieser Ansatz liegt auch meinem Dissertationsprojekt zugrunde, in dem ich nach den „Vorstellungen von Herrschersakralität im japanischen Mittelalter“ fragen möchte. Der Titel ist bewusst weit gefasst und soll über die religiöse Legitimation hinaus auch nach den Sakralvorstellungen von Herrschaft insgesamt fragen. Es hat sich dabei noch zu zeigen, in wie weit der theoretische Ansatz von Erkens u.a. hilfreich zur Interpretaion des japanischen Phänomens der Herrschaft ist und ob es überhaupt im behandelten Zeitraum (v.a. 11.-14. Jh.) Vorstellungen von sakraler Herrschaft gab. Anders als im Altertum und dann wieder in der neueren Zeit seit der Meiji Restauration 1868 bis Kriegsende 1945, beide Bereiche sind von der Forschung bereits gut abgedeckt, waren die Vorstellungen einer sakralen Position des 1 2 3 4 5 Z.B. Ethnologie, Sozial- und Politikwissenschaft oder der Verfassungsgeschichte. Weithin bekannt dürfte Max Webers Typologie sein. Siehe insg. z.B. den Artikel „Herrschaft“ in: Otto BRUNNER; Werner CONZE; Reiner KOSELLECK (Hrsg.), Geschichtlichen Grundbegriffe: historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 1-102. Gemeint ist der ritsu-ry (= Straf- und Verwaltungsrecht) Zentralstaat nach dem Vorbild der T’ang Herrschaft. Aus der Vielzahl der Arbeiten zu diesem Thema seien hier nur zwei als Beispiele genannt: Ben-Ami SHILLONY, Enigma of the Emperors: Sacred subservience in Japanese History, Folkstone 2005; OOTSU Taoru (u.a.) Hrsg.), Kodai tennsei wo kangaeru (= Nihon no rekishi 8), Tky 2001. Zur Schwächung der politischen Herrschaft bei Stärkung der religiösen Funktion, siehe Nelly NAUMANN, Die einheimische Religion Japans, Band 1, Leiden, 1988, S. 185f. Franz-Reiner ERKENS (Hrsg.), Die Sakralität von Herrschaft. Herrschaftslegitimierung im Wechsel der Zeiten und Räume, Berlin 2002. Abstracts Doktorandenpanel Herrschers in den Jahrhunderten dazwischen keineswegs vergleichbar stabil, noch sind sie als direkter Vorläufer der modernen Auffassung zu verstehen. Jede Zeit hat ihr eigenes Verständnis von Herrschaft und Glaube. Die Frage nach der Herrschersakralität kann damit vielleicht auch ein Stück der damaligen Vorstellungswelt erhellen. Sowenig, wie die Bezeichnung „tenn“ im Mittelalter gebräuchlich war, dürften Amt und Person überhistorisch von gleichbleibender Bedeutung in der japanischen Geschichte gewesen sein. Gerade auch im Hinblick auf die vielbetonte Kontinuität der Herrschaftslinie in Japan und einer Vielzahl an meist eher weniger wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die sich unter dem Schagwort „tenn“ versammeln, ist ein Bewusstsein für die Geschichtlichkeit von solchen Vorstellungen und Konzepten mit einem Blick auf das Mittelalter zu stärken. Als eine Art Fortsetzung zu meiner Magisterarbeit, in der ich historiographische Quellen aus dem europäischen 12. Jahrhundert auswertete, greife ich auch hier wieder auf Geschichtswerke zurück. Im Zentrum meiner Analysen stehen zunächst Jiens „Gukansh“ (um 1219) und Kitabatake Chikafusas „Jinn shtki“ (1343).
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