Fall 01 Lösung - Juristische Fakultät

PROPÄDEUTISCHE Ü BUN GEN ZUM GRU NDKURS ZIVILRECHT I
WINTERSEMESTER 2015/16
JURISTISCHE FAKULTÄT
LEHRSTUHL FÜR BÜR GERLICH ES RECHT, INTERNATIONALES
PRIVATRECHT UND RECHTSVE RGLEICHUNG
PROF. DR . STEPHAN LORENZ
F ALL 1 – L ÖSUNG
E INFÜHRUNGSFALL :
DIE
K OMPLEXITÄT DES Z EITSCHRIFTENKAUFS
Teil 1: Anspruch der A gegen B auf Übergabe und Übereignung einer Wirtschaftswoche .......... 1
A. Anspruch entstanden ....................................................................................................... 2
I.
Einigung (Übereinstimmende Willenserklärungen)....................................................... 2
1.
Angebot ............................................................................................................... 2
2.
Annahme ............................................................................................................. 2
3.
Zwischenergebnis ................................................................................................ 3
II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse ........................................ 3
III. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 3
B. Anspruch erloschen gem. § 362 Abs. 1 BGB (Rechtsvernichtende Einwendung) .................. 3
I.
Bewirken der geschuldeten Leistung gem. § 929 S. 1 BGB ........................................... 3
1.
Übereignung ........................................................................................................ 3
a)
Einigung ........................................................................................................ 3
b) Übergabe eine beweglichen Sache .................................................................. 3
c)
Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe (+) ......................................................... 4
d) Verfügungsberechtigung des B (+), § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB .............................. 4
e)
Zwischenergebnis........................................................................................... 4
2.
Übergabe ............................................................................................................. 4
3.
Zwischenergebnis ................................................................................................ 4
II. an die Gläubigerin A .................................................................................................. 4
III. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 4
C. Ergebnis ......................................................................................................................... 4
Teil 1: Anspruch der A gegen B auf Übergabe und Übereignung einer
Wirtschaftswoche
A könnte gegen B einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der
Wirtschaftswoche (WW) haben. Ein solcher könnte sich aus Kaufvertrag
gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ergeben.
Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen A und B ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB über eine WW zustande gekommen ist, diesem
keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen, sowie der Anspruch nicht
erloschen und durchsetzbar ist.
VERONIKA EICHHORN
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FALL 1 – LÖ SUNG
A.
Anspruch entstanden
Der Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB müsste zunächst entstanden sein.
Ein Anspruch auf Übergabe und Übereignung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB
entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages.
I.
Einigung (Übereinstimmende Willenserklärungen)
A und B müssten einen Kaufvertrag geschlossen haben. Ein Kaufvertrag
kommt durch eine Einigung zustande, die in Form zweier auf Abschluss
eines Kaufvertrages gerichteter, übereinstimmender und gültiger Willenserklärungen vorliegen könnte, nämlich in Form eines Angebots und einer
Annahme (vgl. §§ 145, 147 BGB).
1.
Angebot
Das Angebot könnte durch A erfolgt sein, § 145 BGB. Ein auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtetes Angebot muss als notwendigen
Inhalt (sog. essentialia negotii), die Parteien des Kaufvertrages, den Kaufgegenstand und den Kaufpreis enthalten und dem Vertragspartner zugegangen sein.
A hat gegenüber B geäußert: „Eine Wirtschaftswoche, bitte.“ Dieser Äußerung lassen sich Vertragspartner (A und B) und Kaufgegenstand (eine
Wirtschaftswoche) entnehmen. Fraglich ist aber, ob das Angebot auch den
Kaufpreis enthält.
Dabei ist zu beachten, dass die Bestimmbarkeit des Kaufpreises ausreicht
und ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags eine empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt, die nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt wird,
also nach dem objektiven Empfängerhorizont. Eine Wirtschaftswoche hat
einen allgemeinen Verkaufspreis 1 von € 5,–, der auch auf der Zeitschrift
selbst aufgedruckt ist. Damit ist der Kaufpreis bestimmbar. Das Angebot
ist folglich hinreichend bestimmt.
Dieses von A abgegebene Angebot ist B auch zugegangen, so dass ein
wirksames Angebot der A vorliegt.
2.
Annahme
Damit ein Kaufvertrag über die WW zum Preis von € 5,– zustande gekommen ist, müsste B das Angebot der A angenommen haben. Annahme ist die
Erklärung des vorbehaltlosen Einverständnisses mit dem Angebot.
In der Erklärung des B – „Fünf Euro.“ – und Übergabe der WW kommt das
vorbehaltlose Einverständnis des B mit dem Angebot zum Ausdruck.
Diese von B abgegebene Annahmeerklärung ist der A auch rechtzeitig 2
i.S.v. § 147 Abs. 1 S. 1 BGB zugegangen, so dass eine wirksame Annahme
des B vorliegt.
1
Verlage binden in der Regel ihre Händler durch Preisbindungsklauseln. Dies ist kartellrechtlich zulässig.
2
Zur Rechtzeitigkeit der Annahme und ihrer Rechtsfolge vgl. Fall 4 Variante a).
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FALL 1 – LÖ SUNG
3.
Zwischenergebnis
A und B haben sich durch Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB)
auf den Abschluss eines Kaufvertrages über eine WW zum Preis von € 5,–
geeinigt.
II. Rechtshindernde Einwendungen – Wirksamkeitshindernisse
(Der Sachverhalt enthält keinerlei Anhaltspunkte, die der Wirksamkeit dieses Vertrags entgegenstehen könnten.) Dem geschlossenen Kaufvertrag
stehen damit keine sog. rechtshindernden Einwendungen entgegen.
III. Zwischenergebnis
Folglich ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B über die WW zum
Preis von € 5,– zustande gekommen. Der Anspruch auf Übergabe und
Übereignung der WW ist entstanden.
B.
Anspruch erloschen gem. § 362 Abs. 1 BGB (Rechtsvernichtende
Einwendung)
Der aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB resultierende Anspruch auf Übergabe und
Übereignung der WW dürfte nicht erloschen sein. Hier könnte der
Anspruch durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen sein.
Die Erfüllung eines schuldrechtlichen Anspruchs setzt nach § 362 Abs. 1
BGB voraus, dass die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
I.
Bewirken der geschuldeten Leistung gem. § 929 S. 1 BGB
Die geschuldete Leistung müsste bewirkt worden sein.
Die nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB geschuldete Leistung wird durch eine
wirksame Übergabe und Übereignung des geschuldeten Gegenstands bewirkt.
1.
Übereignung
Die Wirtschaftswoche müsste nach §§ 929–931 BGB übereignet worden
sein. Hier kommt eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB in Betracht.
Nach § 929 S. 1 BGB ist zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache erforderlich, dass der Verfügungsberechtigte die Sache dem
Erwerber übergibt und beide im Zeitpunkt der Übergabe darüber einig
sind, dass das Eigentum übergehen soll.
a)
Einigung
Eine Einigung besteht aus zwei übereinstimmenden und gültigen Willenserklärungen. Indem B der A die WW gibt und A diese entgegen nimmt haben sich beide konkludent darüber geeinigt (Angebot und Annahme,
§§ 145 ff. BGB), dass das Eigentum an der WW von B auf A übergehen soll.
Diese Erklärungen sind dem jeweils anderen auch zugegangen und damit
wirksam.
b)
Übergabe eine beweglichen Sache
Die Wirtschaftswoche ist eine bewegliche Sache. Eine Übergabe setzt voraus, dass B den Besitz an der WW vollständig aufgibt und A den Besitz
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FALL 1 – LÖ SUNG
(§ 854 BGB) auf Veranlassung des B erworben hat (Realakt). Dies ist hier
der Fall.
c)
3
d)
Verfügungsberechtigung des B (+), § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB
Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe (+)
§ 1006 Abs. 1 S. 1 BGB 4
Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei.
systematische Stellung des § 1006: BGB / Buch 3: Sachenrecht / Abschnitt 3: Eigentum / Titel 4: Ansprüche aus dem Eigentum / § 1006 Eigentumsvermutung für Besitzer
B war als vormaliger Eigentümer der WW verfügungsbefugt, § 1006 Abs. 1
S. 1 BGB.
e)
Zwischenergebnis
Die WW wurde wirksam von B an A übereignet.
2.
Übergabe
Die Wirtschaftswoche müsste A von B übergeben worden sein i.S.d. § 433
Abs. 1 S. 1.
Übergabe i.S.v. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung nur die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes nach
§ 854 BGB.
B hat A die Wirtschaftswoche gegeben und ihr so den unmittelbaren Besitz
nach § 854 Abs. 1 BGB verschafft (s.o.).
Die WW wurde somit übergeben i.S.v. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB.
3.
Zwischenergebnis
Damit hat B die geschuldete Leistung bewirkt.
II. an die Gläubigerin A
Die geschuldete Leistung wurde auch an die Gläubigerin A bewirkt.
III. Zwischenergebnis
Der Anspruch der A gegen B auf Übergabe und Übereignung der WW ist
damit erloschen.
C.
Ergebnis
Da der Anspruch erloschen ist, kommt es auf die Durchsetzbarkeit
(rechtshemmende Einwendungen = Einreden) nicht an. A hat keinen
Anspruch gegen B auf Übergabe und Übereignung der WW.
3
Die Prüfungspunkte B / I / 1 / c+d werden nur der Vollständigkeit halber genannt. Dieses Thema
bleibt der Vorlesung „Sachenrecht“ vorbehalten.
4
Nachdem § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB keinen Syllogismus enthält, handelt es sich um eine Hilfsnorm.
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FALL 1 – LÖ SUNG
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Teil 2: Anspruch des B gegen A auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 5,– ................................. 5
A. Anspruch entstanden ....................................................................................................... 5
B. Anspruch erloschen (rechtsvernichtende Einwendung) ...................................................... 5
I.
Bewirken der geschuldeten Leistung gem. § 929 S. 1 BGB ........................................... 6
1.
Übereignung der 2-Euro-Münze ............................................................................ 6
a)
Einigung ........................................................................................................ 6
b) Übergabe einer beweglichen Sache ................................................................. 6
c)
Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe (+) ......................................................... 6
d) Verfügungsberechtigung der A (+), § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB .............................. 6
e)
Zwischenergebnis........................................................................................... 6
2.
Übereignung einer weiteren 2-Euro-Münze ........................................................... 6
3.
Übereignung der 1-Euro-Münze ............................................................................ 6
4.
Zwischenergebnis ................................................................................................ 6
II. an den Gläubiger B .................................................................................................... 6
III. Zwischenergebnis ...................................................................................................... 6
C. Ergebnis ......................................................................................................................... 7
Teil 2: Anspruch des B gegen A auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 5,–
B könnte gegen A einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 5,–
haben. Ein solcher könnte sich aus Kaufvertrag gem. § 433 Abs. 2 BGB ergeben.
Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen A und B ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 BGB über eine WW zustande gekommen ist, diesem
keine Wirksamkeitshindernisse entgegenstehen, sowie der Anspruch nicht
erloschen und durchsetzbar ist.
A.
Anspruch entstanden
Der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB müsste zunächst entstanden sein. Ein
Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus § 433 Abs. 2 BGB entsteht mit Abschluss eines wirksamen Kaufvertrages.
Ein wirksamer Kaufvertrag zwischen A und B über die WW zum Preis von
€ 5,– ist zustande gekommen (s. Teil 1). Der Anspruch ist damit
entstanden.
B.
Anspruch erloschen (rechtsvernichtende Einwendung)
Der aus dem Kaufvertrag resultierende Anspruch des B gegen A auf
Zahlung des Kaufpreises dürfte nicht erloschen sein. Hier könnte der
Anspruch durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen sein.
Die Erfüllung eines schuldrechtlichen Anspruchs setzt nach § 362 Abs. 1
BGB voraus, dass die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16
FALL 1 – LÖ SUNG
I.
Bewirken der geschuldeten Leistung gem. § 929 S. 1 BGB
Die geschuldete Leistung müsste bewirkt worden sein. Die nach § 433
Abs. 2 BGB geschuldete Leistung, der Kaufpreis i.H.v. € 5,– , könnte durch
Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB bewirkt worden sein.
Nach § 929 S. 1 BGB ist zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache erforderlich, dass der Verfügungsberechtigte die Sache dem
Erwerber übergibt und beide im Zeitpunkt der Übergabe darüber einig
sind, dass das Eigentum übergehen soll.
1.
Übereignung der 2-Euro-Münze
a)
Einigung
Eine Einigung besteht aus zwei übereinstimmenden und gültigen Willenserklärungen. Indem A dem B die 2-Euro-Münze gibt und B diese nimmt
haben sich beide konkludent darüber geeinigt, dass das Eigentum an der
2-Euro-Münze von A auf B übergehen soll.
Diese Erklärungen sind dem jeweils anderen auch zugegangen und damit
wirksam.
b)
Übergabe einer beweglichen Sache
Eine 2-Euro-Münze ist eine bewegliche Sache. Eine Übergabe setzt voraus,
dass A den Besitz an der Münze vollständig aufgibt und B den Besitz
(§ 854 BGB) auf Veranlassung der A erworben hat (Realakt). Dies ist hier
der Fall.
c)
Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe (+)
d)
Verfügungsberechtigung der A (+), § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB
A war als vormalige Eigentümerin der 2-Euro-Münze verfügungsbefugt,
§ 1006 Abs. 1 S. 1 BGB.
e)
Zwischenergebnis
Somit hat A dem B die 2-Euro-Münze wirksam übereignet.
2.
Übereignung einer weiteren 2-Euro-Münze
wie soeben
3.
Übereignung der 1-Euro-Münze
wie soeben
4.
Zwischenergebnis
Damit hat A die geschuldete Leistung bewirkt.
II. an den Gläubiger B
Die geschuldete Leistung wurde auch an den Gläubiger B bewirkt.
III. Zwischenergebnis
Der Anspruch des B gegen A auf Zahlung des Kaufpreises ist damit in voller Höhe erloschen.
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AG ZUM GRUN DKU RS ZIVILRE CHT I (PROF. DR. STEPHAN LO RENZ) · WINTERSEMESTER 2015/16
FALL 1 – LÖ SUNG
C.
Ergebnis
B hat keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. € 5,– gegen A.
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