BGH, 16.6.2015 – XI ZR 243/13, BB 2015, 2065, Rn. 17 ff.

Fall 8
(BGH, 16.6.2015 – XI ZR 243/13, BB 2015, 2065, Rn. 17 ff.): Victoria (V) hat Kerstin (K)
einen Gebrauchwagen verkauft. Vereinbart ist ein Kaufpreis iHv. 10.000 € aus § 433 Abs. 2
BGB. K mindert den Kaufpreis wegen eines angeblichen Mangels nach §§ 437 Nr. 441 BGB
auf 5.000 €. V bestreitet hingegen das Vorliegen eines Mangels und die Berechtigung der
Minderung.
K weist ihre Bank (B1) an, 5.000 € auf das von V angegebene Konto bei der Bank B2 zu
überweisen und dies V mitzuteilen. B1 erledigt den Auftrag noch am selben Tag und teilt dies
V telefonisch mit. Bei B2 führt man die Zahlung allerdings nicht aus. Denn das angegebene
Konto lautet nicht auf „V“, die im Überweisungsvordruck als Zahlungsempfängerin
ausgewiesen ist, sondern auf eine „Hans Altmeyer GmbH“. B2 meldet dies B1 und B1
benachrichtigt darauf K. K und B1 vereinbaren daraufhin, dass die Überweisung nicht
ausgeführt werden soll. K überweist daraufhin den Betrag i.H.v. 5.000 € auf ein andere Konto
der V im Wege des Online-Banking. Vor Eingang des Betrages ruft V jedoch bei B1 an und
fragt, wo die 5.000 € blieben, über deren Überweisung B1 der V Mitteilung gemacht habe. V
spricht mit einem anderen Mitarbeiter der B1, der auf das Problem mit der
Kontoinhaberschaft hinweist, aber von der Absprache mit K über das Nichtausführen der
Überweisung nichts weiß. V erklärt, dass sie selbst Inhaberin der Firma Altmeyer sei. Nach
einem Blick ins elektronische Handelsregister stellt der Mitarbeiter fest, dass dies richtig ist
und führt die liegen gebliebene Überweisung nun leicht verändert aus. So gehen bei V
zweimal 5.000 € ein: einmal über K direkt und danach einmal über B1. B1 fordert die von ihr
weitergeleiteten 5.000 € von V heraus. Zu Recht?
In Betracht kommt ein Anspruch von B1 gegenüber V aus § 812 Abs. 1 Satz 1 zweiter Fall
BGB (Nichtleistungskondiktion).
1. Erlangtes Etwas
V hat zunächst 5.000 Euro erlangt.
2. Nicht durch Leistung
Dies dürfte nicht durch Leistung erfolgt sein. Leistung ist die bewusste zweckgerichtete
Vermehrung fremden Vermögens. Das Merkmal der Zweckrichtung nimmt dabei auf die in
§ 366 Abs. 1 BGB geregelte Tilgungsbestimmung Bezug. Durch diese erklärt der Schuldner,
dass ein zugewendeter Vermögenswert eine bestimmte Schuld nach § 362 Abs. 1 BGB
erfüllen soll.
a) Leistung B1 an V
Fraglich ist zunächst, ob B1 eine Tilgungsbestimmung gegenüber V abgegeben hat. als
Willenserklärung muss die Tilgungsbestimmung nach §§ 133, 157 BGB aus Sicht eines
objektiven Empfängers in der Position des Zuwendungsempfängers ausgelegt werden (Lehre
vom objektiven Empfängerhorizont). Dieser wird vorliegend jedoch erkennen, dass
zwischen B1 und V kein Schuldverhältnis bestand und deshalb keine Schuld erfüllt werden
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konnte. Eine Tilgungsbestimmung kommt im Verhältnis B1 und V daher ebenso wenig wie
eine Leistung in Betracht.
b) Leistung K an V
aa) Lehre vom objektiven Empfängerhorizont
In Betracht kommt jedoch eine Leistung des K an V. Diesbezüglich wird der objektive
Empfänger nach §§ 133, 157 BGB davon ausgehen, dass zwischen V und K eine
Kaufpreisschuld nach § 433 Abs. 2 BGB i.H.v. 10.000 € begründet wurde. Zwar gab es Streit
zwischen K und V über die Voraussetzungen einer möglichen Minderung nach §§ 437 Nr. 2,
441 Abs. 1 BGB. Der objektive Empfänger erkennt jedoch im Zeitpunkt des Eingangs, dass
das Geld von der Bank des K kommt und darf redlicherweise darauf schließen, dass K in dem
Streit eingelenkt hat. Dass die Summe in zwei Tranchen bei V eingeht, muss angesichts des
von einem Laien zu finanzierenden Betrags ebenfalls kein Misstrauen wecken. Dies gilt auch
für den Umstand, dass die Beträge auf zwei unterschiedlichen Konten der V eingehen. Gerade
das zweite Telefonat, das V mit B1 geführt hat, dürfte der objektiven Beobachter in der
Vorstellung bestärken, dass der Weiterleitung der zweiten 5.000 € keine materiellen
Einwände, sondern nur technische Hindernisse entgegenstanden. Aus Sicht eines objektiven
Empfängers stellt sich der Eingang der zweiten 5.000 € daher als Leistung des K an V dar.
bb) Veranlassungsprinzip
Fraglich ist nur, ob dieses Verständnis dem K zurechenbar ist. Dazu müsste er es veranlasst
haben. Er müsste durch eine selbstbestimmte Handlung die Gefahr eines Missverständnisses
des objektiven Beobachters in der Position des V in spezifischer Weise erhöht haben, und
diese Gefahr müsste sich schließlich im Fehlverständnis des V niedergeschlagen haben.
Nach der Lehre von der fehlerhaften Anweisung liegen diese Voraussetzungen vor, wenn
eine Anweisung an den Dritten ursprünglich erteilt wurde, dann aber später vom
Anweisenden nicht revidiert (widerrufen) werden kann. Beachtet der Dritte den Widerruf
nicht, so liefert die ursprüngliche, fehlerhafte Anweisung dennoch den Grund für die
Ausführung des Gesamtvorgangs. Der Anweisende hat auch durch die fehlerhafte Weisung
die drei Personen – Anweisungsempfänger, Angewiesener und sich
selbst – in einem
Leistungsdreieck zusammengebracht hat und dadurch die spezifische Gefahr geschaffen, dass
einer der anderen den Gesamtvorgang entsprechend den im Leistungsdreieck geltenden
Prinzipien falsch versteht Gelingt dem Anweisenden daher nicht mehr die vollständige
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Rückgängigmachung seiner Anweisung und erzeugt diese Missverständnisse, trägt der
Anweisende das Risiko eines Fehlverständnisses auf der Seite des Anweisungsempfängers.
Die vorliegende BGH-Entscheidung (Rn. 23 ff.) macht indes eine Ausnahme für den Fall,
dass es sich bei der Anweisung um einen Fall der Autorisierung nach § 675j Abs. 1 Satz 1
BGB handelt. Hier soll der Zahler nicht an die Autorisierung gebunden sein und die
Fallgestaltung einer fehlenden Anweisung vorliegen. Denn nach dem durch die
Zahlungsdiensterichtlinie 1 (RL 2006/60/EG) geprägten Recht liegt die Vorstellung zugrunde,
dass der Zahler ohne Autorisierung nicht am Zahlungsvorgang festgehalten werden darf. Dem
Zahlunngsdienstleister steht dann kein Anspruch auf Aufwendungsersatz zu (§ 675u Satz 1
BGB).
Hinweis: Die ZDR 2 hat bereits das Europäische Parlament passiert.
Änderungen dieses Problems sind jedoch nicht zu erwarten.
Diese Richtlinienvorgaben müssen die Lehre von der fehlerhaften Anweisung beeinflussen.
Soweit eine Autorisierung fehlt, liegt europarechtlich keine wirksame Anweisung vor. Der
Fall entspricht dem der fehlenden Anweisung (BGH Rn. 18). Fehlt eine Anweisung ganz,
muss
der
vermeintlich
Angewiesene
(hier
B1)
den
Betrag
unmittelbar
vom
Anweisungsempfänger zurückverlangen.
cc) Ergebnis
Die zweite Zahlung ist K daher nicht zurechenbar. Eine Leistung von K an V liegt nicht vor.
3. Leistung auf Kosten der B1 (Unmittelbarkeitsprinzip)
Der an V geflossene Betrag müsste unmittelbar dem Vermögen der B1 entstammen. Dies ist
deshalb der Fall, weil B1 die 5.000 € dem K nach § 675u Satz 2 BGB ersetzen muss.
Wirtschaftlich betrachtet, müssen die an V geflossenen 5.000 € von B1 getragen werden. V ist
daher auf Kosten der B1 bereichert.
4. Rechtsgrund
Ein Rechtsgrund für den Vermögensabfluss ist nicht in Sicht.
5. Ergebnis
Der Anspruch besteht
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