Biologie (Niedersachsen): Grundlegendes Anforderungsniveau Übungsaufgabe 1 (Bearbeitungszeit: ca. 220 min) Hybridkreuzungen – „Fluch oder Segen“ für Evolution und Umwelt Während es im Pflanzenreich unter natürlichen Bedingungen nicht selten zu artübergreifenden Kreuzungen („Hybridkreuzungen“) kommt, sind diese im Tierreich eher die Ausnahme, auch wenn auf den ersten Blick die in der Fachliteratur dokumentierten Beispiele ein anderes Bild zu vermitteln scheinen. Beispiele dazu sind ca. 2 000 Artkombinationen in der Klasse der Vögel oder der „Liger“ (Löwe × Tiger) und das „Cama“ (Altweltkamel × Lama) in der Klasse der Säugetiere. Gemessen an der weltweit bekannten Anzahl an Tierarten sind die belegten Beispiele jedoch anteilmäßig gering. Isolationsmechanismen stellen einen Evolutionsfaktor dar, der verhindert, dass – selbst wenn das genetische Material es zuließe – Weibchen und Männchen zweier Arten fruchtbare Nachkommen hervorbringen. Vom Menschen durch Züchtung erzeugte Artbastarde wie das Maultier (Pferdestute × Eselhengst) und der Maulesel (Pferdehengst × Eselstute) zeigen, dass diese Züchtungsprodukte dem Menschen dienliche Eigenschaften besitzen, so eine besondere Widerstandsfähigkeit und Ausdauer in Gebirgsregionen. Solche Hybride können jedoch keine neue Art bilden, sondern müssen durch eine erneute Paarung der Elterntiere gezeugt werden. Im botanischen Bereich sind Hybridkreuzungen, insbesondere bei Orchideenarten, seit Langem ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Umso mehr eröffnen aktuell beobachtete Fälle von in freier Natur bastardierenden Arten neue Problemkreise für Evolutionswissenschaftler und Ökologen. Nicht nur Hybridformen stellen eine besondere Gruppe von Lebewesen dar, sondern auch transgene Organismen, deren Erzeugung zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Arbeit und wirtschaftlicher Interessen gerät. Hinzu kommen Versuche, durch Klonen – als bekanntestes Beispiel dafür 1970 das „Klonschaf Dolly“ – auch vom Aussterben bedrohte Wildarten, von denen nur noch wenige Paare existieren, zu erhalten. 1 Evolutive Folgen von artübergreifenden Kreuzungen 1.1 Fassen Sie den Pressetext (M 1) kurz zusammen und erläutern Sie ausführlich die darin angesprochenen evolutiven Folgen. Gehen Sie in Ihren Ausführungen auf die Evolutionsfaktoren Isolation und Selektion ein. 1.2 Erstellen Sie ein allgemeingültiges Fließdiagramm, das die Herstellung transgener Bakterien, z. B. für die gentechnische Insulinherstellung, veranschaulicht. Nehmen Sie anschließend Stellung zu folgendem Sachverhalt: „Pizzlys gehören auch zu den transgenen Organismen, denn sie sind Hybridkreuzungen.“ 1.3 Erläutern Sie Ablauf und Ergebnis des reproduktiven Klonens anhand von M 2 und begründen Sie, warum als Eizellenspenderin ein genetisch uninteressantes Tier, als Spender der Zellreihe jedoch ein genetisch interessantes Individuum – irrelevant, ob Weibchen oder Männchen – eingesetzt wird. 1 1.4 Unter mitochondrialer Heteroplasmie versteht man das gleichzeitige Vorkommen von zwei Typen von Mitochondrien in einer Zelle, z. B. Mitochondrien mit normaler und mutierter DNA. Leiten Sie vor dem Hintergrund dieser Information begründet ab, unter welchen Umständen die Übertragung von Zellplasma aus der Körperzelle in die entkernte Eizelle problematisch sein kann. 2 Ökologische Folgen von Hybridformen im biozönotischen Konnex 2.1 Untersuchen Sie das M 3 im Hinblick auf Konkurrenzphänomene im Falle eines weiteren Vordringens des Grizzlys in die Eisbärengebiete. 2.2 Erörtern Sie anhand des Parasitenbefalls des Eisbären (siehe Zeile „weitere Informationen“, M 3) die ökologischen Folgen, die sich ergeben könnten, wenn mit der zunehmenden Hybridbildung zwischen Eisbär und Grizzly der Eisbärbestand weiter zurückgeht, und stellen Sie die zu erwartenden Auswirkungen des Parasitenbefalls der Buckellachse für den Grizzly dar. 2.3 Das M 4 zeigt eine Tabelle zum Sauerstoffgehalt von Wasser bei verschiedenen Temperaturen. Erstellen Sie mit den markierten Werten ein entsprechendes Kurvendiagramm (Ordinate: Sauerstoffgehalt, Abszisse: Temperatur) und formulieren Sie die Aussage des Kurvenverlaufs. 2.4 Die globale, durch menschliche Einflüsse verursachte Erderwärmung macht auch vor den Jagdgewässern des Eisbären nicht halt. Hier ist sie sogar zwei- bis dreimal stärker als in den übrigen Gebieten der Erde. Werten Sie die Befunde zur Sauerstoffsättigung in Hinblick auf mögliche Störungen in Nahrungsnetzen aus, in die der Eisbär eingebunden ist. 2 Lösung Die Aufgabe beinhaltet folgende Themen: Evolution: geografische und postzygotische Isolation, Selektion, genetische Variabilität Genetik / Gentechnologie: Herstellung transgener Organismen, reproduktives Klonen Ökologie: globale Erderwärmung, interspezifische Konkurrenz, Parasitismus, ökologische Nische, Faktor Temperatur r 1.1 r r r r r Isolieren Sie die für das Phänomen der Hybridisierung wesentlichen Fakten aus dem Pressetext und fassen Sie diese fachsprachlich präzise zusammen. Dabei sollen Sie konkret die evolutiven Folgen der Kreuzungen nennen. Suchen Sie nun – über die Textinformation hinaus („ausführlich“) – nach den Ursachen des Phänomens und erläutern Sie diese. Dazu nutzen Sie den in der Aufgabenstellung angegebenen Hinweis auf die Evolutionsfaktoren. Der aktuelle Fund eines Exemplars eines Artbastards zwischen „polar bear“ und „Grizzly“ („Pizzly“) in der Arktis, der nachweislich Misch-DNA besitzt, wird von Wissenschaftlern damit begründet, dass aufgrund des schnell schmelzenden Eises im Arktischen Meer geografische Barrieren aufgehoben werden. Dies führt dazu, dass sonst isolierte Tiere miteinander in Kontakt kommen und sich paaren. 2009 wurde in der Barentssee z. B. eine Kreuzung aus Grönlandwal und Pazifischem Nordkaper gesichtet. Wegen des geringen Vorkommens des Nordkapers und der wesentlich höheren Anzahl der Grönlandwale ist die Arterhaltung des Nordkapers gefährdet. Die letztendlich vom Menschen verursachte Hybridisierung wild lebender Arten verringert außerdem auffallend schnell die genetische Vielfalt. Das belegt der Fall des „Pizzly“: Der Eisbär ist auf seine Schwimmfähigkeit bei der Jagd angewiesen, der Grizzly jedoch schwimmt nur sehr schlecht. Die evolutiven Folgen der Hybridisierung sind also die Gefährdung der Arterhaltung und der Rückgang der genetischen Variabilität. Unter natürlichen Bedingungen verhindert die geografische Isolation ein Zusammentreffen von Eisbär und Grizzly und die Frage nach einer genetischen Isolation stellt sich nicht. Wie das Kreuzungsprodukt „Pizzly“ zeigt, ist diese nicht vollständig vorhanden. In der Regel sind Bastarde jedoch steril (postzygotische Isolation), sodass die Nachkommen keine neue Art bilden, wodurch langfristig die Artenvielfalt zurückgehen würde. Dies gilt für alle im Pressetext beschriebenen Beispiele. Falls der „Pizzly“ jedoch nicht steril wäre und eine neue Art bilden könnte, wäre diese denselben Selektionsbedingungen ausgesetzt wie zuvor ihre Elternarten. An die entsprechenden Umweltbedingungen wären die Pizzlys vermutlich nicht gut angepasst, sodass ihr Bestand bald gefährdet wäre. 7
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