Fach: Wirtschaft und Recht Thema: Kaufvertrag Der Kaufvertrag 1. SYSTEMATIK DES GESETZES In OR 184 – 186 finden sich die allgemeinen Bestimmungen zum Kaufvertrag. Der Fahrniskauf (Mobilien) wird in den Bestimmungen OR 187 – 215 geregelt, der Grundstückkauf in OR 216 – 221. Die Besonderen Arten des Kaufs finden sich in OR 222 – 236. Ausserdem finden die Vorschriften des Allgemeinen Teils (OR AT) Anwendung. Zu nennen sind die Bestimmungen über das Zustandekommen, die Erfüllung sowie das Erlöschen des Vertrages. 2. WAS IST EIN KAUFVERTRAG? Der Kauf ist wohl das am häufigsten abgeschlossene Rechtsgeschäft. Wir kaufen im Kiosk, in der Migros, im Internet usw. und schliessen dabei immer Kaufverträge ab. Gemäss OR 184 verspricht der Verkäufer dem Käufer den Kaufgegenstand zu Eigentum, der Käufer wiederum die Geldleistung. Verspricht dem Verkäufer die Bezahlung des Kaufpreises. Verkäufer Käufer Verspricht dem Käufer die Übergabe des Kaufgegenstandes zu Eigentum Kaufvertrag Bewegliche Sachen Unbewegliche Sachen Fahrniskauf Grundstückkauf Gattungskauf Spezieskauf In der Regel so genannt vertretbare Sachen Es handelt sich um ein Einzelstück. (objektiv messbar nach Zahl, Gewicht, Mass Beispiel: Occasion-Fahrzeug, Mona Bsp: 5t Kohle, 1000L Öl). Diese sind in Lisa, Antiquitäten grosser Menge gleicher Qualität vorhanden Die Individualität ist entscheidend. und untereinander Austauschbar: Beispiel: Rohstoffe, Nahrungsmittel © by Dr. Martin Fröhlich 3. WIE ENTSTEHT EIN KAUFVERTRAG? Der Kaufvertrag kommt gültig zustande, sofern die allgemeinen Regeln im OR AT (OR 1 – 40) erfüllt sind: A) Übereinstimmende Willensäusserung betreffend der Hauptpunkte (OR 1ff.) Gemäss OR 1 bedarf es der übereinstimmenden Willensäusserung beider Vertragspartner, damit der Vertrag zustande kommt. OR 2 verlangt, dass sich die Vertragspartner zumindest in den wesentlichen Punkten einig sind. Die wesentlichen Hauptpunkte des Kaufvertrages sind gemäss OR 184 der Kaufgegenstand und der Kaufpreis. Einigen sich die Vertragspartner nicht über diese wesentlichen Punkte, dann entsteht kein Kaufvertrag. Kaufgegenstand: Ist der Kaufgegenstand der Gattung nach bestimmt, darf gemäss OR 71 der Verkäufer die Gattungsware auswählen (sofern nichts anderes bestimmt wird). Bei Speziessachen muss der Verkäufer genau diesen Kaufgegenstand zu Eigentum übergeben. Kaufpreis: Der Preis muss gemäss OR 184 III nicht speziell genannt werden, sofern dieser anderweitig bestimmbar ist – z.B. einen Marktpreis. Im Zweifel gilt gemäss OR 212 der mittlere Marktpreis zurzeit und am Ort der Erfüllung. Beispiel: Lena betreibt ein Restaurant. Am Morgen bestellt sie telefonisch beim Obsthändler Andreas 10 Kg Äpfel ohne jedoch vom Preis zu sprechen. Der Kaufvertrag kommt dennoch zustande, da sowohl Lena als auch Max den in der Region und an diesem Tag geltenden Marktpreis gemeint haben. Die Nebenpunkte des Vertrages: Was gilt aber bei den Nebenpunkten wie z.B. der Ort der Erfüllung? Werden diese nicht explizit vertraglich geregelt, gelten die dispositiven Regeln des OR. Im genannten Beispiel gilt OR 74. Wer trägt aber im Zweifel die Kosten für das Messen, Wägen, die Abpackung, Beurkundung (falls notwendig), den Transport usw.? Darüber geben OR 188 und 189 Auskunft. Gemäss OR 188 trägt der Verkäufer die Kosten für das Wägen und Messen sowie für die Abpackung, während der Käufer die Versendungskosten zu tragen hat (OR 189 I). Diese Regeln sind dispositiver Natur, d.h. vertraglich darf auch anderes vereinbart werden. Bei Grundstückkäufen trägt der Käufer die Kosten für die Öffentliche Beurkundung und für den Grundbucheintrag (OR 188). B) Handlungsfähigkeit (ZGB 12ff) 2 Minderjährige dürfen mit ihrem Sackgeld oder Lehrlingslohn Sachen kaufen. Übersteigt der Kaufpreis z.B. anzapfen, so können die Eltern unter Umständen ihre Zustimmung verweigern (ZGB 19). Seite eines Bikes allerdings den Lehrlingslohn und müsste der Minderjährige auch noch sein Jugendsparkonto C) Einhaltung der vorgeschriebenen Form Der Kaufvertrag ist grundsätzlich formfrei, weshalb das Einkaufen in der Migros ohne schriftliche Willenserklärung möglich ist. Allerdings empfiehlt sich aufgrund der Beweisführung ein schriftlicher Vertrag bei grösseren Anschaffungen – und zwar für beide Vertragspartner. Achtung! Für gewisse Kaufverträge gelten Formvorschriften: Gemäss OR 261 I bedarf der Grundstückkaufvertrag zur Formgültigkeit der Öffentlichen Beurkundung. Beim Abzahlungskauf (d.h. Ratenzahlungen) zwischen Unternehmen und Konsumenten verlangt das Konsumkreditgesetz die Schriftform. D) Schranken der Vertragsfreiheit gemäss OR AT Grundsätzlich gilt gemäss OR 19 Vertragsfreiheit. OR 20 setzt jedoch insoweit Schranken, als dass der Vertragsinhalt weder anfänglich unmöglich (die Kaufsache ist zum Zeitpunkt des Vertragsschluss nicht mehr existent), noch widerrechtlich (Verkauf von Kriegsmaterial an Private) noch sittenwidrig (z.B. Kaufvertrag im erotischen Bereich) sein darf. Ansonsten ist der Vertrag nichtig. E) Anfechtbarkeit des Vertrages gemäss OR Willensmängel machen den Vertrag anfechtbar und zwar von Seiten der benachteiligten Partei. OR 23/24 wesentlicher Irrtum OR 28 absichtliche Täuschung OR 29 Drohung/Furchterregung OR 21 Übervorteilung F) Gültig zustande gekommene Verträge Gültige Verträge sind von beiden Parteien einzuhalten. Einfach so kann keine Vertragspartei vom Vertrag zurücktreten. Problematisch wird dies, wenn man auf öffentlichen Plätzen oder auch daheim von einem Angebot geradezu überrannt wird. Beispiel: Die Türklingel geht, sie öffnen die Türe und ein Staubsaugervertreter bietet seine Ware feil. Er lässt sie nicht sein und spricht und spricht…bis er sie überredet hat. Damit man nicht so einfach in einen Vertrag „hineinkomplimentiert“ werden kann, hat der Gesetzgeber entschieden, dass man unter gewissen Bedingungen innert sieben Tagen schriftlich vom Vertrag zurücktreten darf: Das Haustürgeschäft (OR 40a – 40f). Bedingungen: Der Anbieter im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gehandelt hat Seite bestimmt sind 3 Vertrag über bewegliche Sachen, die für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Kunden Die Leistung des Kunden 100 Franken übersteigt. ACHTUNG! Versicherungsverträge sind gemäss OR 40a II von der Regel ausgenommen! Gemäss OR 40c hat der Kunde kein Widerrufsrecht, wenn er die Vertragsverhandlungen gewünscht hat er seine Bereiterklärung zum Vertragsabschluss an einem Markt- oder Messestand gegeben hat. 4. Die Hauptpflicht des Verkäufers Der Verkäufer hat laut OR 184 I die Pflicht, den Kaufgegenstand dem Käufer zu übergeben und ihm das Eigentum daran zu verschaffen. Was bedeutet dies konkret? Zuerst einmal gehen wir auf den Begriff „Eigentum“ ein: Die Bestimmungen betreffend Eigentum finden sich im ZGB. Gemäss ZGB 641 bedeutet Eigentum das umfassende Herrschafts- und Verfügungsrecht an einer Sache. Der Eigentümer darf innerhalb der Schranken der Rechtsordnung nach Belieben über diese Sache verfügen, d.h. die verkaufen, sie vermieten oder sie auch zu entsorgen. Dieses umfassende Herrschafts- und Verfügungsrecht hat der Verkäufer gemäss OR 184 an den Käufer zu übertragen. Nach Erfüllung des Kaufvertrages wird der Käufer der neue Eigentümer der Sache. ACHTUNG! Rechtlich meinen die Begriffe „Eigentum“ und „Besitz“ nicht dasselbe. Besitzer ist, wer eine Sache hat, wer also die tatsächliche und körperliche Herrschaft über sie hat (ZGB 919). Eigentümer ist, wer das umfassende Herrschafts- und Verfügungsrecht über die Sache hat (ZGB 641). Beispiel: Max mietet die Wohnung von Moritz. Max ist nun Besitzer der Wohnung, da er die tatsächliche Gewalt darüber ausübt (er wohnt drin). Die Wohnung vermieten oder gar verkaufen darf hingegen nur Moritz, denn dieser hat als Eigentümer der Wohnung die umfassende Herrschafts- und Verfügungsgewalt darüber. Wie wird nun aber Eigentum übertragen, bzw. wie muss das ein Verkäufer machen? Vielfach herrscht die Annahme, das Eigentum gehe mit dem Abschluss des Kaufvertrages bereits auf den Seite 4 Käufer über. Das ist falsch. Der Kaufvertrag ist nur der erste (notwendige) Schritt zur Eigentumsübertragung. Für Bewegliche Sachen gilt: Gültiger Rechtsgrund Kaufvertrag Max verkauft an Moritz Der Verkäufer verpflichtet sich das BMC-Bike (Rahmen- vertraglich Nr. GX3023946) für CHF schriftlich), das BMC-Bike als 2‘000.- Eigentum zu übertragen (mündlich oder Verpflichtungsgeschäft + + Erfüllungshandlung des Verkäufers Übergabe der Sache (ZGB 714) Dieses BMC-Bike = Speziesschuld Der Verkäufer hat das BMC-Bike Erfüllungsort gemäss OR 74 ist der Ort, wo das Bike steht. dem Käufer zu übergeben, bzw. „in die Hand zu drücken“. Der Verkäufer verfügt in dem Sinne über das Eigentum Verfügungsgeschäft Eigentumsübergang Die Sache ist nun im Eigentum des Käufers Für unbewegliche Sachen (Grundstückkauf) gilt: Öffentliche Urkunde Kaufvertrag Grundstück Nr. 641 Max verkauft an Moritz das Grundstück Nr. 641 für CHF Gültiger Rechtsgrund Der Verkäufer verpflichtet sich vertraglich (Formvorschrift: Öffentliche Beurkundung!), das Grundstück Nr. 641 als Eigentum 500‘000.- zu übertragen Verpflichtungsgeschäft + Erfüllungshandlung des Verkäufers + Grundbucheintrag gemäss ZGB 656 Seite 5 Verfügungsgeschäft Eigentumsübergang Das Grundstück gehört dem Käufer Dieses strikte Ablaufschema kann für den Käufer schwerwiegende Konsequenzen haben. Beispiel: Max kauft einen Mercedes bei der Garage Moritz AG. Bis zur Übergabe des Mercedes bleibt die Garage Moritz AG Eigentümerin des besagten Autos. Nun geht die Moritz AG Konkurs, bevor der Mercedes an Max übergeben wird. Max kann den Mercedes nicht herausverlangen, obwohl er bereits bezahlt hat. Vielmehr gelangen sowohl der Mercedes als auch der Kaufpreis in die Konkursmasse. Max wird einer der Gläubiger unter den vielen anderen und hat das Nachsehen. 5. DIE HAUPTPFLICHT DES KÄUFERS Der Käufer verpflichtet sich im Kaufvertrag, dem Verkäufer den Kaufpreis zu erstatten. Die Bestimmungen des Kaufvertrags besagen nichts betreffend der Erfüllung der Zahlungsschuld. Hier kommt OR AT zum Zug. OR 84 legt fest, dass eine Geldschuld bar zu bezahlen ist. Diese Bestimmung ist dispositiver Natur, kann also vertraglich abgeändert werden. 6. ÜBERGANG VON NUTZEN UND GEFAHR Unter Gefahr wird das Risiko des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung der Sache verstanden. Dieses Risiko trägt im Normalfall der Eigentümer. Geht also die Kaufsache nach der Übergabe an den Käufer zufällig unter, so trägt der Käufer das Risiko und muss den Kaufpreis trotzdem zahlen. Würde sich der Kaufgegenstand immer noch im Eigentum des Verkäufers befinden, müsste er entsprechend das Risiko tragen. Das wäre logisch. OR 185 durchbricht allerdings diese Logik. Die Gefahr geht gemäss diesem Artikel grundsätzlich bereits beim Abschluss des Kaufvertrages auf den Käufer über, auch wenn die Übergabe und damit der Eigentumsübergang noch gar nicht erfolgt sind. Der Verkäufer hingegen behält den Anspruch auf Gegenleistung. OR 185 ist dispositiver Natur. Vertraglich lässt sich dieser somit aushebeln. OR 185: 1Sofern nicht besondere Verhältnisse oder Verabredungen eine Ausnahme begründen, gehen Nutzen und Gefahr der Sache mit dem Abschlusse des Vertrages auf den Erwerber über. 2Ist die veräusserte Sache nur der Gattung nach bestimmt, so muss sie überdies ausgeschieden und, wenn sie versendet werden soll, zu Versendung abgegeben sein. 3Bei Verträgen, die unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen sind, gehen Nutzen und Seite 6 Gefahr der veräusserten Sache erst mit dem Eintritte der Bedingung auf den Erwerber über. OR 185 I gilt für Speziessachen und nur bei der Holschuld1 ( der gesetzliche Erfüllungsort bei Sachschulden ist bei Speziessachen dort, wo diese stehen; bei Gattungssachen ist er dort, wo der Verkäufer seinen Wohnsitz hat.) Nutzen und Gefahr gehen mit Abschluss des Vertrages auf den Käufer über. ACHTUNG! Eine Frankoklausel (Franko domizil, Lieferung frei Haus usw.) stellt keine Vereinbarung eines Erfüllungsortes dar! Sie betrifft nur die Transportkosten und hat nichts mit der Gefahrentragung zu tun (OR 189). OR 185 II gilt für Gattungssachen. Hier wird zwischen Platzkauf und Distanzkauf unterschieden. Beim Platzkauf: Sobald die verkaufte Ware deutlich von den anderen ausgeschieden wird, gehen Nutzen und Gefahr auf den Käufer über. Beispiel: Der Käufer am Marktstand möchte ein Kilogramm Kirschen. Der Verkäufer nimmt rund ein Kilogramm Kirschen aus der riesigen Kiste und packt sie in einen Sack (OR 71 Der Verkäufer darf auswählen, welche Kirschen er hergibt). Damit ist ein Kilogramm Kirschen ausgeschieden und Nutzen und Gefahr gehen auf den Käufer über. Beim Distanzkauf: Wenn der Verkäufer die Ware vom Erfüllungsort z.B. an den Wohnsitz des Käufers senden soll, gehen Nutzen und Gefahr auf den Käufer über, sobald die Ware zum Versand aufgegeben ist Post, Bahn usw. Wird die Ware auf dem Transportweg beschädigt, trägt also der Käufer die Gefahr. Allenfalls kann er sich mit dem Transportunternehmen auseinandersetzen. Beispiel: Sie kaufen im Internet ein Kleid ab Stange bei www.zalando.ch und bezahlen per Kreditkarte. Vereinbart ist der Transport per Post. Das Transportfahrzeug fängt aber auf der A1 Feuer und die Lieferung geht unter. Nutzen und Gefahr ist bereits auf Sie übergegangen. Allenfalls können Sie noch mit der Post über einen Schadenersatz verhandeln. Wie ist der Übergang von Nutzen und Gefahr beim Grundstückkauf geregelt? Hier gelten folgende Regeln: Ist im Kaufvertrag ein bestimmter Zeitpunkt für die Übernahme des Grundstücks (Schlüsselübergabe) vereinbart, so gehen Nutzen und Gefahr an diesem Zeitpunkt auf den Käufer über. (OR 220) Ist kein bestimmter Zeitpunkt im Kaufvertrag vereinbart, so gilt OR 185 I. 1 Seite 7 Wird vertraglich ein anderer Erfüllungsort als der gesetzlich vorgesehene vereinbart, dann gehen Nutzen und Gefahr erst auf den Käufer über, wenn sich die Sache am Erfüllungsort befindet. Beispiel aus einem Bundesgerichtsentscheid: Ein Autohändler in Genf hat ein Auto verkauft, welches sich zu diesem Zeitpunkt noch beim Importeur in Zürich befand. Gemäss Gesetz wäre Zürich der Ort der Erfüllung (OR 74 II Ziff.2). Die Parteien vereinbarten jedoch Genf als Ort der Erfüllung. Beim Transport von Zürich nach Genf wurde der Wagen beschädigt. Nutzen und Gefahr lagen noch beim Verkäufer. 7. VERTRAGSVERLETZUNGEN Fehler sind menschlich. So kann auch die Erfüllung des Kaufvertrages mit Fehler behaftet sein. Grundsätzlich können Verkäufer und Käufer folgende Fehler begehen: Fehler des Verkäufers Lieferverzug Fehler des Käufers Mangelhafte Lieferung Annahmeverzug Zahlungsverzug Der Käufer verweigert Der Käufer zahlt nicht zum Der Verkäufer hält den Der vereinbarten Waren geliefert, welche in Liefertermin nicht ein. nicht den zugesicherten Weise die Annahme der Eigenschaften Ware. Verkäufer hat ungerechtfertigter vereinbarten Termin. entsprechen. Betrachten wir nun diese einzelnen Punkte von links nach rechts: A) LIEFERVERZUG Ist der Verkäufer im Lieferverzug, hängt das Vorgehen des Käufers davon ab, ob es sich um ein „kaufmännisches“ oder „nichtkaufmännisches“ Geschäft handelt. Von einem Geschäft im kaufmännischen Bereich spricht man in der Regel dann, wenn es unter Kaufleuten abgeschlossen wird und ein Handelskauf vorliegt, die Kaufsache also zu geschäftlichen oder innerbetrieblichen Zwecken vertrieben oder veräussert wird. Nichtkaufmännisch ist ein Geschäft dann, wenn die Ware für den Eigengebrauch bzw. Eigenverbrauch bestimmt ist. Von dieser Unterscheidung hängt es auch ab, wie der Käufer vorzugehen hat, denn die gesetzlichen Folgen Seite 8 sind andere: Lieferverzug Nicht-Kaufmännisch Mahngeschäft Kaufmännisch Verfalltagsgeschäft 1. Mahnung OR 102 I Nicht erforderlich OR 102 II Nachfrist (2. Mahnung) OR 107 I Nachfrist (Mahnung) OR 107 I Fixgeschäft OR 190 I Nicht erforderlich OR 102 II Gesetz vermutet, dass der Gläubiger (der Käufer) auf nachträgliche Lieferung verzichtet und Schadenersatz fordert. Keine Nachfrist Will der Gläubiger dennoch eine nachträgliche Lieferung, dann muss er dies dem Schuldner unverzüglich melden. Auch die anderen Wahlrechte gemäss OR 107 II hat er nur, wenn er dies dem Schuldner sofort anzeigt. (OR 190 II). Wahlrechte des Gläubigers Zur Berechnung des Schadenersatzes ist OR 191 II und III anzuwenden. 1. Wahlrecht 2. Wahlrecht 3. Wahlrecht Der Gläubiger hält am Vertrag fest und beharrt auf der nachträglichen Erfüllung nebst Ersatz des Verspätungsschadens. Der Gläubiger hält am Vertrag fest, verzichtet aber auf die nachträgliche Erfüllung und verlangt Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Sofortige Mitteilung ist wichtig! Der Gläubiger tritt vom Vertrag zurück und verlangt Schadenersatz, weil der Vertrag dahinfällt. Eine sofortige Mitteilung ist auch vonnöten! Käufer wählt diese Variante, wenn er z.B. die Ware sofort, aber teurer an einem anderen Ort beschaffen kann (Deckungskauf). Er fordert aber die Preisdifferenz und die Kosten für Umtriebe (positives Vertragsinteresse). Käufer wählt diese Variante, wenn er z.B. die Ware sofort und billiger an einem anderen Ort erhalten kann. Er macht Spesenersatz geltend (negatives Vertragsinteresse) 9 Käufer wählt diese Variante, wenn er z.B. die bestellte Ware an keinem anderen Ort sofort erhält (OR 107 II: „…wenn er unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen….“) (OR 107 II: „…oder vom Vertrage zurücktreten….“ OR 109 ist bei Rücktritt vom Vertrag auch wichtig. Seite (OR 107 II: „…so kann der Gläubiger immer noch auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen…“) ACHTUNG! Der Gläubiger hat dem Schuldner unverzüglich mitzuteilen, welches Wahlrecht er auszuüben gedenkt. Beispiel im kaufmännischen Bereich: Max Downhill ist Fahrradhändler in Zürich. Er weiss, dass im Juni regelmässig die Umsatzzahlen steigen. Deshalb bestellt er beim Lieferanten Thomas Pfeife 10 Bikes zum Preis von insgesamt CHF 20‘000. Diese sollen bis spätestens 31. Mai geliefert werden. Nun verspätet sich Thomas Pfeife mit seiner Lieferung. Das Gesetz vermutet nun, dass Max auf die nachträgliche Lieferung verzichtet und stattdessen Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt (OR 190 sowie OR 191 II). Will Max die Wahlmöglichkeiten von OR 107 ausüben, muss er dies dem Verkäufer sofort nach Ablauf des Verfalltags erklären (OR 190 II). Was kann Max tun? Im kaufmännischen Verkehr muss Max keine Nachfrist setzen. Er muss nur sofort Thomas davon unterrichten, dass er von seinen Wahlrechten Gebrauch macht. Er wählt Wahlrecht 2 (Deckungskauf) und deckt sich beim Lieferanten Jan Siebesiech mit den gewünschten Fahrrädern ein. Allerdings zahlt er statt CHF 20‘000.- nun CHF 25‘000.-. Diese Mehrkosten kann er Thomas Pfeife in Rechnung stellen. o Max verrechnet die CHF 20‘000 mit der Kaufpreisschuld bei Thomas und stellt Thomas zusätzlich die CHF 5‘000.- in Rechnung. Damit wird Max so gestellt, wie wenn der Vertrag korrekt erfüllt worden wäre. B) MANGELHAFTE LIEFERUNG Es kann vorkommen, dass die gelieferten Waren mangelhaft sind. Das Fahrrad hat einen schlimmen Lackschaden, die Uhr funktioniert nicht usw. Meist können sich Käufer und Verkäufer rasch und gütlich einigen. Bloss was macht der Käufer, wenn der Verkäufer sich strikt weigert, den Mangel zu beseitigen? Hierfür gibt es die dispositiven Bestimmungen der Sachgewährleistung (OR 197 – 210). Im Umgangssprachlichen spricht man auch gerne von der Garantie. OR 197: 1Der Verkäufer haftet dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel habe, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche aufheben oder erheblich mindern. 10 haftet auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat. Seite 2Er OR 197 nennt drei Sachmängel beim Kaufvertrag: Sachmängel Fehlen einer Körperlicher Mangel Rechtlicher Mangel zugesicherten Eigenschaft ACHTUNG! Der Verkäufer haftet auch, wenn ihn kein Verschulden trifft und er die Mängel nicht einmal gekannt hat. Die Mängel können auch versteckt sein und innerhalb der Frist der Gewährleistungspflicht in Erscheinung treten. Die Gewährleistungspflicht entfällt naturgemäss, wenn der Mangel ganz offensichtlich war und der Käufer diesen hätte sofort sehen müssen (Bsp: Das Auto hat keine Räder). Auch entfällt die Gewährleistungspflicht, wenn dem Käufer der Mangel schon beim Kauf bekannt war. (OR 200) Beispiele: Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft: Max kauft bei der Garage Moritz AG ein Occasion-Auto. Moritz hat ausdrücklich zugesichert, dass das Fahrzeug unfallfrei sei. Nach der Übergabe stellt sich allerdings heraus, dass dies nicht zutrifft. Moritz haftet gemäss OR 197, selbst wenn er nachweist, dass das Fahrzeug in tadellosem Zustand und absolut fahrtüchtig sei. Das spielt keine Rolle, da die zugesicherte Eigenschaft fehlt. „Die Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauch“ – Dies ergibt sich aus der Natur der Sache: Eine Waschmaschine ist zum Waschen da, eine Uhr zur exakten Wiedergabe der Zeit usw. Wer also in der Mikrowelle seinen nassen Hund trocknet und dieser stirbt, kann somit nicht auf Sachgewährleistung pochen! neuwertigen Buch ist noch kein erheblicher Mangel. 11 Der Mangel muss erheblich sein. Ein Eselsohr bei einem Seite Körperlicher Mangel: Hingegen ist ein Körperlicher Mangel vorhanden, wenn die Lichtmaschine des Neuwagens nicht funktioniert oder das neuerworbene Smartphone den Dienst versagt. Rechtlicher Mangel: Max kauft bei Mortiz AG in Zürich einen Neuwagen. Als er ihn einlösen will, teilt ihm das Strassenverkehrsamt mit, dass dieses Auto auf Schweizer Strassen nicht zugelassen sei. ACHTUNG! Rechtlicher Mangel innerhalb der Sachgewährleistung (OR 197) ist nicht das gleiche wie die Rechtsgewährleistung gemäss OR 192! Der Verkäufer haftet dafür, dass der Käufer auch tatsächlich Eigentümer der Kaufsache wird. Der Verkäufer hat z.B. das Occasionfahrzeug Moritz gestohlen und verkauft den Wagen nun an Max. Nach der Übergabe an Max kommt zufällig Moritz vorbei und verlangt den Wagen heraus. Da Moritz zweifelsfrei beweisen kann, dass der Wagen ihm gehört, erhält Max den Wagen nicht zu Eigentum Moritz nimmt Max den Wagen weg (Entwehrung). Für diese Entwehrung hat der Verkäufer Max Schadenersatz zu leisten. ACHTUNG! Von der Gewährleistungspflicht ist auch die Produktehaftpflicht zu unterscheiden. Bei letzterer geht es um den Schaden, den eine fehlerhafte Ware verursacht. Fristen der Gewährleistungspflicht: OR 210 1 Die Klagen auf Gewährleistung wegen Mängel der Sache verjähren mit Ablauf von zwei Jahren nach deren Ablieferung an den Käufer, selbst wenn dieser die Mängel erst später entdeckt, es sei denn, dass der Verkäufer eine Haftung auf längere Zeit übernommen hat. 2 Die Frist beträgt fünf Jahre, soweit Mängel einer Sache, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk [Liegenschaften] integriert worden ist, die Mangelhaftigkeit des Werkes verursacht haben. 4 Eine Vereinbarung über die Verkürzung der Verjährungsfrist ist ungültig, wenn: a. sie die Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre, bei gebrauchten Sachen auf weniger als ein Jahr verkürzt; b. die Sache für den persönlichen oder familiären Gebrauch des Käufers bestimmt ist; und c. der Verkäufer im Rahmen seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt. 5 Der Verkäufer kann die Verjährung nicht geltend machen, wenn ihm eine absichtliche Täuschung des Käufers nachgewiesen wird. Dies gilt nicht für die 30-jährige Frist gemäss Absatz 3. Seite 6 12 Die Einreden des Käufers wegen vorhandener Mängel bleiben bestehen, wenn innerhalb der Verjährungsfrist die vorgeschriebene Anzeige an den Verkäufer gemacht worden ist. OR 210 besagt: Gewerbsmässige Verkäufer dürfen die zweijährige Garantiefrist bei Neuanschaffungen für den Privatgebrauch nicht verkürzen! Gleiches gilt auch für die einjährige Garantiefrist beim Verkauf von gebrauchten Sachen (Occasionen) Aus OR 210 II ergibt sich, dass in Verträgen zwischen Unternehmen oder unter Privatpersonen die zweijährige Garantiefrist verkürzt werden kann. Wird nichts vereinbart, gelten aber die 2 Jahre. ACHTUNG! Der Verkäufer darf jedoch gemäss OR 199 die Gewährleistungspflicht wegbedingen. Vorgehensweise des Käufers Wie hat der Käufer vorzugehen, will er allenfalls von seinen Rechten bezüglich Gewährleistung Gebrauch machen? Der Käufer hat einige Pflichten zu erfüllen 1. Prüfungspflicht (OR 201) Der Käufer hat die gelieferte Ware sofort nach Erhalt bzw. innerhalb der handelsüblichen Pflichten (z.B. 8 Tage) zu prüfen. Allfällige Mängel sind wenn nötig durch neutrale Stellen zu bestätigen (z.B. Bahn, Notar usw.) 2. Anzeigepflicht (OR 201) Der Käufer muss die entdeckten offenen Mängel sofort nach Erhalt dem Verkäufer mitteilen --> am besten schriftlich (=Mängelrüge). Versteckte Mängel wie Fabrikationsfehler sind sofort nach Entdeckung anzuzeigen. Die beanstandenten Mängel sind genau zu beschreiben. 3. Aufbewahrungspflicht (OR 204) Beim Distanzkauf muss der Käufer dazu noch die beanstandete Ware aufbewahren und die Weisungen des Verkäufers abwarten. Einfach zurücksenden darf er die Ware nicht. Benützen darf er die Ware natürlich auch nicht. 13 Versäumt es der Käufer, die Mängel rechtzeitig zu rügen, gilt die Kaufsache als genehmigt. Seite ACHTUNG! Hat der Käufer rechtzeitig gerügt, stehen ihm drei Wahlrechte zur Verfügung: Wahlrechte des Käufers bei Sachmängeln Wandelung (OR 205 I) Der Kaufvertrag wird Ersatzlieferung (OR 206) Minderung (OR 205 I) Ist die Ware trotz Mangel Nur bei Gattungskauf! die grundsätzlich noch brauchbar, Der Käufer verlangt, dass ihm mangelhafte Ware wird nimmt der Käufer die Ware zwar ein dem an, geliefert wird. aufgelöst und Verkäufer zurückgesendet. Kaufpreis Der verlangt aber einen mängelfreies Exemplar Preisnachlass. wird zurückerstattet. ACHTUNG! Reparatur der mangelhaften Ware ist im Gesetz nicht vorgesehen. Diese Wahlmöglichkeit gibt es also nicht. Der Käufer kann somit also nur die Reparatur verlangen, wenn dies beide Vertragsparteien vereinbart haben. Hingegen darf der Verkäufer die Rechte des Käufers einschränken und nur die Reparatur als Garantie gewähren. Der Verkäufer darf aber auch die Wahlrechte des Käufers wie auch die Gewährleistungsfrist aufheben. Gängige Freizeichnungsklauseln: „Gekauft wie gesehen“, „Gekauft wie besichtigt“, „jede Nachwährschaft ist ausgeschlossen“. c) ANNAHMEVERZUG Beim Annahmeverzug verweigert der Käufer ungerechtfertigter Weise die Annahme der vertraglich vereinbarten Ware und kommt damit in Verzug ( Gläubigerverzug). Der Verkäufer kann sich von seiner vertraglichen Pflicht befreien, indem er die Ware in einem Lagerhaus auf Gefahr und Kosten des Käufers einlagert oder durch den Richter einen sofortigen Verkauf anordnen lässt. Im Falle eines Mindererlöses kann er vom Käufer natürlich Schadenersatz verlangen. d) ZAHLUNGSVERZUG 14 Im Prinzip gelten die Regeln des Schuldnerverzugs. In der Praxis geht man sicherheitshalber von einem bezahlen (OR 104). Es können auch höhere Zinsen vereinbart werden. Seite Mahngeschäft aus. Wird der Schuldner in Verzug gesetzt, hat er Verzugszinsen von 5% pro Jahr zu 15. Mai 14. Juni Eingang der Rechnung beim Käufer „zahlbar innert 30 Tagen“ Fälligkeit 26. Juni Mahnung beim Käufer 25. Juli 29. Juli Anspruch auf 5% Zins Betreibung Zahlung Zusätzlich ist jedoch auch OR 214 zu beachten. Art. 214 1Ist die verkaufte Sache gegen Vorausbezahlung des Preises oder Zug um Zug zu übergeben und befindet sich der Käufer mit der Zahlung des Kaufpreises im Verzuge, so hat der Verkäufer das Recht, ohne weiteres vom Vertrage zurückzutreten. 2Er hat jedoch dem Käufer, wenn er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen will, sofort Anzeige zu machen. 3Ist der Kaufgegenstand vor der Zahlung in den Besitz des Käufers übergegangen, so kann der Verkäufer nur dann wegen Verzuges des Käufers von dem Vertrage zurücktreten und die übergebene Sache zurückfordern, wenn er sich dieses Recht ausdrücklich vorbehalten hat. Kaufsache ist noch im Eigentum des Verkäufers (OR 214 I & OR 214 II) Ist der Verkäufer noch im Besitz der Sache, kann er vom Vertrag zurücktreten. Er muss dabei keine Nachfrist setzen („…ohne weiteres vom Vertrage zurückzutreten“). Er muss den Käufer aber darüber sofort in Kenntnis setzen (OR 214 II). Kaufsache ist bereits im Eigentum des Käufers (OR 214 III) Bei der Übergabe der Kaufsache geht diese in Eigentum des Käufers über. Hat der Käufer nun die Sache als sein Eigentum in seinem Besitz und zahlt die Rechnung nicht (Kreditkauf), kann der Verkäufer die Kaufsache nicht mehr zurückverlangen. Gemäss OR 214 III muss der Verkäufer bereits im Vertrag den Eigentumsvorbehalt vereinbart haben, damit Seite 15 er vom Vertrag zurücktreten und die Sache zurückverlangen kann. Hier eine kleine Übersicht des Zahlungsverzuges beim Kreditkauf: Mahngeschäft Verfalltagsgeschäft Fälligkeit: Gemäss OR 75 jeder Zeit nach Vertragsabschluss Fälligkeit: Gemäss OR 75 jeder Zeit nach Vertragsabschluss Verzug: mittels Mahnung (OR 102 I) Verzug: automatisch nach Ablauf der Zahlungstermins (OR 102 II) Nachfrist: angemessene Nachfrist zur nachträglichen Erfüllung (OR 107 I) gemäss OR 214 nicht nötig Keine Nachfrist Fixgeschäft gemäss OR 108 Ziff. 3 (Nachfrist: angemessene Nachfrist zur nachträglichen Erfüllung (OR 107 I)) gemäss OR 214 nicht nötig Ausübung der Wahlrechte Wahlrecht 1 Wahlrecht 2 Wahlrecht 3 Der Verkäufer beharrt auf Wahlrecht 2 scheidet aus, weil Wahlrecht 3 kann nur vom Zahlung der Vertrag zurücktreten, wenn inklusive Verkäufer den Verzugszins von 5% ab Kaufgegenstand gar nicht mehr ein Verzug (OR 104). hat vereinbart wurde. und somit keinen Rücktritt im Vertrag Deckungsverkauf tätigen kann. OR 107 II „…so kann der OR Gläubiger immer noch auf unverzüglich Erfüllung nebst nachträgliche Leistung verzichten 109, OR 214 III wegen und entweder Ersatz des aus der Eigentumsvorbehalt Nichterfüllung „…wenn erklärt, er auf es die OR 107II „…oder vom Vertrage zurücktreten“ , OR entstandenen Schadens verlangen…“ 16 Verspätung klagen…“ II Seite Schadenersatz 107
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