Buenos Aires 2015 PJ

Erfahrungsbericht Chirurgie-Tertial Buenos Aires
Hospital de Clínicas “José de San Martín”, Mai-September 2015
Vorbereitung (Planung, Organisation):
Die Universität von Buenos Aires ist eine Partneruni von Köln. Da aber alle Austauschplätze zum
Zeitpunkt meiner Bewerbung bereits belegt waren, habe ich den Aufenthalt privat organisiert und
etwa 10 Monate vor Antritt des Chirurgie-Tertials Frau Dr. Levi, Koordinatorin des PJs am Hospital de
Clínicas (Uniklinik Buenos Aires), eine Email geschrieben ([email protected]). Sie
schickte mir kurz darauf per Email eine Übersicht mit den erforderlichen Bewerbungsunterlagen zu:
- Motivationsschreiben (spanisch)
- Empfehlungsschreiben eines Lehrbeauftragten der medizinischen Fakultät in Köln (erhältlich beim
ZibMed)
- Empfehlungsschreiben des Dekans der medizinischen Fakultät in Köln (erhältlich beim ZibMed)
- Übersicht der Studienleistungen (erhältlich beim ZibMed)
- 4 Bewerbungsformulare (von Frau Dr. Levi zugesendet); u.a. ein Formular über ausreichende
Immunisierung (erhältlich beim Betriebsarzt der Uniklinik Köln)
- 2 Passfotos
- Bescheinigung über eine Auslandskrankenversicherung
- Kopie des Reisepasses
- Sprachzertifikat spanisch
Die Unterlagen werden per Post (am besten mit Sendungsverfolgung, da laut ZibMed auch schon
Unterlagen auf dem Postweg verschwunden sind) zu Frau Dr. Levi geschickt:
Dra. Myriam Levi
Jefe de División Concurrencias y Becas
Hospital de Clínicas “José de San Martín”
Av. Córdoba 2351 Piso 7°
Ciudad Autónoma de Buenos Aires
(C1120AAF) Argentina
Es kann einige Zeit dauern, bis Frau Dr. Levi antwortet. Dann einfach per Email noch einmal
nachfragen. Sie sendet bei Zulassung zum PJ ein Schreiben per Email und auf dem Postweg zu, das
vom Dekan bzw. im ZibMed in Köln vor Antritt des Tertials unterschrieben und bei Antritt in Buenos
Aires bei der medizinischen Fakultät dort vorgelegt werden muss.
Offiziell müssen pro Monat $2000 (arg. Peso, ca. 190 EUR) bei der medizinischen Fakultät gezahlt
werden sowie US$70 pro Monat im Krankenhaus. Da Köln eine Partneruni von Buenos Aires ist,
musste ich weder die Studiengebühren bei der medizinischen Fakultät, noch die Krankenhausgebühr
zahlen. Eine PJlerin aus Marburg (keine Partneruni von Buenos Aires) musste am ersten Tag ihres
Tertials $2000 (arg. Peso) pro Monat bei der medizinischen Fakultät zahlen, die Krankenhausgebühr
entfiel.
Die Beantragung eines Visums ist nicht nötig, sofern man innerhalb der ersten 90 Tage in Argentinien
(beispielsweise auf einer Reise) ausreist. Bei Wiedereinreise verlängert sich das Visum um weitere 90
Tage. Eine gute Möglichkeit hierzu bietet die Überfahrt mit dem Boot (1h) von Buenos Aires aus nach
Colonia del Sacramento in Uruguay (sehenswertes, portugiesisch anmutendes Dörfchen).
Für den Direktflug nach Buenos Aires (EZE) ab Frankfurt a.M. habe ich ca. 1100 EUR gezahlt
(Lufthansa).
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SEHR WICHTIG: Solltet ihr für ein Tertial (also 4 Monate) nach Argentinien fliegen und nur mit dem
Touristenvisum (90 Tage) einreisen, das ihr bei Einreise nach Argentinien erhaltet, muss euer
Rückflugdatum für den Zeitpunkt des Hinfluges innerhalb der 90 Tage liegen! Ansonsten kann es
passieren, dass die Fluggesellschaft euch nicht mitnimmt, da für den Fall der Einreiseverweigerung
durch Argentinien (da durch das Rückflugticket ja offensichtlich ist, dass ihr mehr als 90 Tage bleibt,
ihr aber kein Studentenvisum besitzt) die Fluggesellschaft für die Kosten des Rückfluges nach
Deutschland aufkommen muss. Bucht also am besten den Rückflug auf ein frei gewähltes Datum
innerhalb von 90 Tagen nach Hinflug mit der Option, den Flug (bei Lufthansa für 130 EUR) umbuchen
zu können. Sobald ihr dann in Argentinien seid, bucht ihr den Rückflug um.
Unterkunft/Leben:
Von Deutschland aus habe ich mir für ca. 500 EUR/Monat in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus
(Av. Córdoba) ein Zimmer mit eigenem Bad in einer Wohnung mit einer Argentinierin über Airbnb
gemietet und war damit sehr zufrieden. Ein WG-Zimmer hat zur Zeit meines Aufenthalts ca. 350-400
EUR gekostet. Empfehlenswerte Viertel mit guter Erreichbarkeit des Krankenhauses sind Barrio
Norte/Recoleta und Palermo. Die Lebenshaltungskosten sind verglichen mit Deutschland höher und
die Inflation deutlich spürbar. Lebensmittel sind teurer, Kleidung (vermeidet es, darauf angewiesen
zu sein, in Argentinien Kleidung zu kaufen) und Reisen ebenfalls.
Krankenhaus:
Das Hospital de Clínicas kann ich in keiner Weise empfehlen. Während meines viermonatigen
Aufenthaltes habe ich so gut wie nichts gelernt und dort keine praktischen Erfahrungen gesammelt.
Das Krankenhaus ist staatlich und gehört zur medizinischen Fakultät der Universität von Buenos
Aires. Die medizinische Behandlung ist gratis, sodass sich dort meist Patienten ohne
Krankenversicherung behandeln lassen. Seit der Erbauung ist es offensichtlich nicht gewartet
worden, sodass es einer „Bruchbude“ gleicht und eigentlich abgerissen und neugebaut werden
müsste. Im Treppenhaus schimmelt es, Fenster sind zerbrochen, Rohrleitungen liegen offen; von ca.
15 Aufzügen funktionieren nur 2, sodass man alle Entfernungen über die Treppe zurücklegt. Die
Patienten müssen sich ihr Bettzeug selbst mitbringen, da das Krankenhaus dies nicht zur Verfügung
stellt; die Betten sind Metallgestelle mit Plastikmatratzen. Toiletten und Waschgelegenheiten sind
teilweise nicht auf allen Stationen verfügbar. Der Hygiene wurde auf der gastrochirurgischen Station
und auch im OP keine große Relevanz zugeschrieben; der kontaktisolierte Patient wurde mit bloßen
Händen angefasst und ohne sich die Hände zu desinfizieren sind die Ärzte zum nächsten Patienten
übergegangen. Desinfektionsmittel (bzw. –gel) war nicht in allen Zimmern verfügbar.
Die Arbeitskleidung (Kittel, Kasack, Hose) musste ich mir bei Ankunft selbst kaufen, da sie nicht
gestellt wird. Ebenso muss man sich ein zweites Paar Kasack + Hose für den OP selbst kaufen.
Lediglich Mundschutz, Überzieher für die Schuhe und die OP-Haube wurden vom Krankenhaus
gestellt.
Der typische Krankenhaustag sah wie folgt aus: 7 Uhr Visite bis ca. 7.30/7.45 Uhr. Offiziell waren die
ersten Operationen für 8 Uhr angesetzt; vor 9.30 Uhr wurde allerdings nicht begonnen, sodass es von
7.45-9.30 Uhr für die Studenten eine Pause gab, die man im Semester mit der Chirurgie-Vorlesung für
die Studenten (Aula der Chirurgen, einziger angemessen ausgestatteter Raum des Krankenhauses)
von 8-9 (teilweise 10) Uhr füllen konnte. Im OP stand man dann in zweiter oder dritter Reihe am
Tisch und konnte lediglich zuschauen. Es lag im eigenen Ermessen, wann man gehen wollte. Häufig
sind Operationen ausgefallen, da nicht genügend Anästhesisten verfügbar waren, es keine
Blutkonserven gab oder einer der allgemeinen Streiks in Buenos Aires (meist des Transportes)
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indirekt auch das Krankenhaus betraf.
Die argentinischen PJler sind von 9-12 Uhr im Krankenhaus anwesend und stehen teilweise zum
ersten Mal (nach 6 Jahren Studium) im OP. Studenten können am Hospital de Clínicas auch bei
größten Bemühungen, praktisch tätig zu werden, nur zuschauen und haben keine Aufgaben.
Das Klima unter den Chirurgen ist sehr hierarchisch und die Abläufe recht „militärisch“. Bei der Visite
werden die Patienten von Assistenzärzten im ersten Jahr, die die Station führen, den „älteren“
Assistenzärzten vorgestellt. Alle „jüngeren“ Assistenzärzte stellen sich dabei um das Patientenbett
herum auf, einer von ihnen berichtet über den Patienten, wird nicht selten vom älteren Assistenzarzt
im vierten Jahr vorgeführt und anschließend rennen alle dann zum nächsten Bett bzw. ins nächste
Zimmer, um bloß vor dem älteren Assistenzarzt am Bett zu stehen. Der Patient selbst wird bei der
Visite nicht beachtet. Die Assistenzärzte im ersten Jahr arbeiten von 5 Uhr morgens bis 23 Uhr und es
ist ihnen nicht erlaubt, während der Arbeitszeit zu essen. Sie sind völlig übermüdet und überarbeitet.
Bei der Visite kam es einmal vor, dass eine Assistenzärztin im Stehen vor Erschöpfung ohnmächtig
geworden ist, was keinen der anwesenden Ärzte besonders in Aufruhr versetzt hat.
Es ist gleichzeitig in Argentinien sehr angesehen, am Hospital de Clínicas die Ausbildung zum
Chirurgen zu absolvieren, da diese hier angeblich vergleichsweise gut ist und die Ärzte fachlich auf
einem sehr guten Stand sind. Die Strukturen, Methoden und Abläufe im Krankenhausalltag sind für
einen Außenstehenden sehr fragwürdig.
Um auch praktisch tätigt sein zu können und bei Operationen zu assistieren und zu nähen, bin ich
häufig mit verschiedenen Chirurgen nachmittags, am Wochenende und selten vormittags zu anderen
Operationen in eines der vielen privaten Krankenhäuser in Buenos Aires mitgegangen. Hier war ich
häufig die einzige Assistentin am Tisch und konnte praktisch viel lernen. Ich musste mir die Arbeit
also eigenständig suchen, was auf Dauer anstrengend war.
Für diejenigen, die das Tertial mit Reisen und dem Erkunden des Landes bzw. Lateinamerikas
verbringen möchten, kann ich das Hospital de Clínicas empfehlen, denn Fehltage- bzw. Wochen sind
problemlos und ohne Konsequenzen möglich.
Mobilität:
Empfehlenswert ist der Kauf der SUBE, einer wiederaufladbaren Karte für die U-Bahn (Subte) und die
zahlreichen Busse der Stadt (colectivos). Der Transport ist vergleichsweise sehr günstig: eine Fahrt
kostet $3,25, ca. 30 Cent. Auch Taxifahrten sind erschwinglich und deutlich günstiger als in
Deutschland. Eine 10-minütige Taxifahrt bei flüssigem Verkehr kostet ca. 2 EUR. Für Ausflüge bieten
sich die Überlandbusse an, die Buenos Aires mit dem gesamten Land verbinden. Bei Flügen kann ich
die Fluggesellschaft „Aerolineas Argentinas“ nicht empfehlen; von 5 hatten 4 Verspätung von
mindestens 3 bis hin zu 6 Stunden. Die Alternative ist „LAN“.
Buenos Aires/Argentinien:
Buenos Aires ist eine große, recht europäisch geprägte Metropole mit ca. 3,5 Mio. Einwohnern. Das
Straßenbild ist abseits der typischen Sehenswürdigkeiten geprägt von durch Hundekot verdreckten
Bürgersteigen, tristen Hochhäusern, ständigem lauten Verkehr, hektischem Treiben. Kulturell hat die
Stadt mit vielen Museen, Konzerten, Festivals etc. viel zu bieten; Vieles davon ist kostenlos. Das
Nachtleben lässt keine Wünsche offen. Viel sehenswerter als Buenos Aires selbst ist das restliche
Land mit den Iguazú-Wasserfällen im Norden an der Grenze zu Brasilien, den weitläufigen
wunderschönen Landschaften und Gletschern im Süden (Patagonien) und der nördlichen Region mit
Salta, Tucumán etc.. Auch Ausflüge in die zahlreichen Städte in der Provinz von Buenos Aires (z.B.
Tigre, San Antonio de Areco) kann ich sehr empfehlen.
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Sicherheit:
Das Thema Sicherheit ist in Buenos Aires zu jeder Zeit spürbar. Die „Porteños“ (Einwohner von
Buenos Aires) sagen, das Geheimnis sei, keine Angst zu haben, aber gewisse Regeln zu akzeptieren
(keine Wertgegenstände offen zeigen, Taschen und Rucksäcke vor dem Körper tragen, nachts mit
dem Taxi fahren und nicht über die Straße gehen etc.). Handys werden auf offener Straße besser
nicht benutzt/gezeigt, da es sonst passieren kann, dass sie von vorbeifahrenden Dieben auf
Motorrändern aus der Hand gerissen werden. Mir selbst ist in Argentinien nichts passiert, ich habe
aber immer wieder im Bekanntenkreis von Diebstählen gehört. Armut ist in Buenos Aires stets
präsent; kleine Kinder laufen durch die Subte und verkaufen Taschentücher, nachts schlafen
Jugendliche und Erwachsene auf alten Matratzen auf dem Bürgersteig. In Patagonien war das
Sicherheitsgefühl entspannter; hier war es beispielsweise ungefährlich und möglich, auf der Straße
mit dem Handy zu telefonieren.
Sonstiges:
Es lohnt sich nicht, mit der deutschen Kreditkarte zum offiziellen Kurs in Buenos Aires Geld
abzuheben. Empfehlenswert ist vielmehr, eine große Menge Bargeld (EUR oder Dollar) mitzunehmen
und sie auf dem Parallelmarkt in Peso umzutauschen, da der Wechselkurs viel besser ist. Zum
Vergleich: im August 2015 war der offizielle Kurs 1 EUR = 10 Peso, der inoffizielle Kurs (euro blue) 1
EUR = 17 Peso. Auf der Calle Florida im Stadtzentrum gibt es viele Möglichkeiten, in „cuevas“
(„Höhlen“=kleine Läden zum Geldwechseln) das Geld zu wechseln. Wem das zu unsicher ist, kann
sich im Bekanntenkreis bei den Argentiniern umhören und nach privaten „Wechslern“ fragen.
Ich war im argentinischen Winter in Buenos Aires, der mit dem deutschen Winter nicht vergleichbar
ist. Ein durchschnittlicher Tag war sonnig und es war 15 Grad warm. Mit meiner winddichten
Regenjacke (mit herausnehmbaren Innenflies für kältere Tage) war ich gut ausgestattet. In
Patagonien war es deutlich kälter, die Temperaturen lagen knapp über 0 Grad.
Zusammenfassend:
Argentinien hat mit Patagonien, den Iguazú-Wasserfällen und dem Norden rund um Salta (um nur
einige Ziele zu nennen) landschaftlich sehr viel Einzigartiges und Wunderschönes zu bieten, was eine
Reise in jedem Fall lohnenswert macht. Buenos Aires ist laut, hektisch, außer den Parks „Bosques de
Palermo“ und in der Nähe der Avenida del Libertador in Recoleta insgesamt wenig grün und bietet
entgegen vieler Stimmen meiner Meinung nach keine hohe Lebensqualität.
VOM CHIRURGIE-TERTIAL AM HOSPITAL DE CLÌNICAS RATE ICH DRINGEND AB!
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