14-Presseinformation Vorbild Seite 66-67

„Wir können ein Vorbild sein“
Junge MigrantInnen tauschen sich über ihr freiwilliges Engagement aus
Barbara Ward
Berlin zeigte sich ebenso rau wie das aktuelle Klima zur Integrationsdebatte, als
fast 60 junge MigrantInnen aus Schweden, Großbritannien und ganz
Deutschland zu einer internationalen Jugendbegegnung anreisten. Nasskalt war
es und der Himmel grau verhangen. Der guten Stimmung auf der einwöchigen
Veranstaltung tat dies keinen Abbruch.
In der Jugendherberge stehen die Jugendlichen abends im Kreis und tanzen
ausgelassen zu ‚Hokey Pokey’. Das Singspiel, das die britischen
TeilnehmerInnen als Teil ihres Themenabends ausgesucht haben, ist ein
willkommener Ausgleich zu dem vollen Tagesprogramm. In Workshops und
Seminaren werden wichtige Themen wie Integration, Kultur und Engagement
gemeinsam erarbeitet. Eine der Kernfragen, um die sich die Diskussion immer
wieder dreht, ist, wie aktive Partizipation junger Menschen in Europa gestaltet
und gefördert werden kann.
„Wir glauben, dass es für jeden wichtig ist, als Mensch anerkannt zu werden
und das setzen wir in unseren Projekten auch um. Die Jugendlichen bei JuMiLo
möchten Vorbilder für andere MigrantInnen sein.“ Dr. Kira Funke, ist die
Bundeskoordinatorin für JuMiLo – Junge Migranten als Lotsen. Gemeinsam mit
15 ProjektleiterInnen, die im gesamten Bundesgebiet arbeiten, begleitet sie
junge Menschen mit Migrationshintergrund: Die LotsInnen, die sich sozial
engagieren und ein Freizeitangebot organisieren, genauso wie die
TeilnehmerInnen in einer von den LotsInnen gegründeten Gruppe. Das EUgeförderte
Projekt ist Gastgeber der Jugendbegegnung. Als Partner für das
einwöchige Event konnten außerdem die britische Organisation Children's
Society und das Efyran Ungdomenshus aus Schweden gewonnen werden. Beide
sind mit Gruppen junger MigrantInnen oder Flüchtlingen der Einladung nach
Berlin gefolgt.
Die fast 60 Jugendlichen kommen aus allen Winkeln der Welt. Krisengebiete
wie Afghanistan, Kurdistan und Irak sind genauso vertreten wie die traditionellen
Auswandererländer Russland, Türkei oder Italien. Bei einer Vielfalt von über 20
verschiedenen Sprachen geht es nicht immer völlig unkompliziert zu. „Wir
können hier wunderbare und wichtige Erfahrungen miteinander machen, aber
wir müssen uns verstehen. Wir müssen wissen, was wir gegenseitig denken“
eröffnet die Bundeskoordinatorin Kira Funke die Morgenrunde. Man verständigt
sich auf Englisch als Lengua Franca, denn das ist für alle eine Fremdsprache.
Wichtig ist aber, dass sich trotzdem jeder in der Sprache seiner Wahl äußern
darf, denn ein Übersetzer findet sich in dieser Runde immer. Zum Beispiel
übersetzt Aweis aus Pakistan, der in Lampertheim wohnt, für Abbas aus
Afghanistan, der mit der schwedischen Gruppe angereist ist. Sie beide sprechen
Urdu, eine indoarische Sprache.
Auch den geladenen Gästen aus Politik und Wirtschaft bleibt die Fremdsprache
nicht erspart. Martin Amberger, Vertreter des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend, sorgt für einen heiteren Moment, als er an die
Grenzen seiner Englischkenntnisse stößt. Mit den Worten „Just make friends!“
rettet er sich schließlich aus der Verlegenheit - und erntet große Sympathien bei
den Jugendlichen.
Denn Freundschaften schlossen die TeilnehmerInnen schon vom ersten Moment
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an über alle Sprachbarrieren hinweg. So verschieden die Jugendlichen auch
sind, sie alle wissen, wie es ist, als Migrant oder Migrantin in einem fremden
Land zu leben. Die Hilfe, die sie selber einmal erfahren haben, möchten sie an
andere weitergeben. „Erfahrungen sammeln, über mich selber, in dem ich
jemand anderem helfe. Ich glaube, das ist eine wichtige Sache für jeden.“ Der
18jährige Mehdi aus Sheffield bringt damit die Meinung der meisten auf den
Punkt.
In den 8 Tagen ist die große, heterogene Gruppe in Berlin zusammen
gewachsen. Regelmäßig gibt es spontanen Applaus für mutige Diskussionsbeiträge.
Als während einer Beamer-Präsentation die Technik kurz harkt, beginnt
ein einzelner, einen mitreißenden Rhythmus zu trommeln – einen Moment
später fällt der Rest der Gruppe ein. Die Jugendlichen klatschen, klopfen und
schnipsen, als hätten sie nur darauf gewartet, endlich der Welt zu zeigen, dass
sie alle etwas zu sagen haben.
Während draußen der nächste Novemberregen aufzieht, greift Hivin aus Bonn
nach dem Mikrofon: „Ich möchte nur sagen, dass ich mich hier sehr wohl fühle.
Wir sind alle stolz, Teil dieses großartigen Projekts zu sein.“
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