Grußwort beim Neujahrsempfang 2016 Dr. Johannes Warmbrunn Sprecher des Diözesanrats 6. Januar 2016 Sehr geehrter, lieber Bischof Gebhard, sehr geehrte, liebe Gäste dieses festlichen Neujahrsempfangs! Ihnen, lieber Bischof Gebhard danke ich für die Einladung zur Teilnahme am Gottesdienst und am Neujahrsempfang. Auch in diesem Jahr darf ich Ihnen herzliche Glück- und Segenswünsche des Diözesanrats und aller Mitglieder der Diözese Rottenburg-Stuttgart überbringen, auch im Namen von Monsignore Herbert Schmucker, dem Sprecher unseres Priesterrats. Gott geleite Sie mit seinem reichen Segen bei der Ausübung Ihres Amtes. Seien Sie sicher, dass unsere Gedanken und Gebete Sie auf Ihrem Weg begleiten. Ich grüße unsere Schwestern und Brüder in Christus in den evangelischen, orthodoxen und anderen christlichen Kirchen, sowie in den jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften. Ich bin dankbar für Ihre Teilnahme. Gemeinsam sind wir gefordert, unseren Glauben an den einen Gott untrennbar und unmissverständlich mit der Botschaft des Friedens und der Solidarität zu verbinden. Im Rückblick auf das vergangene Jahr ist erneut deutlich geworden, dass es zwar nominal noch wenigen, dafür aber überaus wirkmächtigen Kräften darum geht, zu spalten in Gut und Böse, in dafür und dagegen. Religionen werden wie Spaltkeile missbraucht. Nach allem, was ich bisher in meinem Leben gelernt, erfahren und gespürt habe, sind säkulare Staaten und weltliche Rechtssysteme allein zu schwach, um gegen diesen Missbrauch der Religionen dauerhaft wirksam angehen zu können – schon gar nicht, wenn sie sich ihrer Militärapparate bedienen. Überdeutlich ist, wie religiöse Einstellungen Staaten und Rechtssysteme beeinflussen können, zum Guten hin, aber auch zum Schlechten. Deswegen sind die in Religionsgemeinschaften vereinten Menschen guten Willens in besonderer Weise herausgefordert! Aber – wie kommen wir weiter? Betrüblicherweise ist unstreitig, dass es in ausnahmslos jeder Religion Gewaltexzesse gegeben hat und auch weiter gibt, leider unter missbräuchlichem Bezug auf die Schriften. Eine besondere Bedeutung gewinnt die Aussage von Papst Franziskus bei der Familiensynode im vergangenen Oktober. Es sei besser, so sagt er, nicht den Buchstaben zu verteidigen, sondern den Geist. Wir Christen kennen das Wort „Geist“ als den Begriff für eine der drei Gestalten des einen Gottes, gemeinsam mit Vater und Sohn. Vater und Sohn sind uns aus unserer Lebenswirklichkeit vertraut. Geist wirkt für viele rein metaphysisch, flüchtig, irreal, ja sogar irrelevant. Aber das ist nicht der Fall. Begeben wir uns an die Grenzen unseres Wissens, wird deutlich, dass die elementaren Kräfte unserer Natur ebenso mit „Geist“ zutreffend beschrieben werden können. Zu wenig werden bisher die aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stammenden Erkenntnisse in die Wahrnehmung unseres Alltags einbezogen. Ich erwähne nur zwei. Zum einen sind die elementaren Kräfte, aus denen alles gefügt ist, untrennbar miteinander verbunden und wirken über alle Grenzen der uns zugänglichen Erkenntnis hinweg. „Geist“ ist somit nicht allein metaphysisches Prinzip, keine Phantasie, sondern eine vielfach erwiesene Wirklichkeit, auch für uns Menschen. So gibt es zwar ein unverwechselbares „Ich“, aber nichts, was uns vollständig von allen und allem anderen trennt. Zum anderen wird heute trotz höchster Präzision des Wissens in zahlreichen Dimensionen kaum noch bestritten, dass es Wirkkräfte gibt, die sich unserer menschlichen Logik entziehen und letztlich weder vollständig berechnet noch kontrolliert werden können. Neujahrsgrußwort 2016 Diözesanratssprecher Dr. Johannes Warmbrunn 1/2 Emotionen gehören dazu, so meine ich, tief im Kern unseres Menschseins. Und sie können in uns spalten, mit großer Gewalt, in Gut und Böse, in dafür und dagegen. Das gibt es eben nicht nur zwischen den Menschen, sondern vor allem in uns Menschen. Ich erkenne diese Wirkkräfte in mir selbst: Sorge und Misstrauen, Trauer und Angst können Liebe und Sanftmut, Freude und Hoffnung gar zu schnell zum Schwinden bringen. Groß ist die Versuchung, Schuld und Verantwortung an andere Menschen, andere Gemeinschaften abzugeben, zumal wenn sie fremde Merkmale aufweisen. Gerade dies bedarf höchster Achtsamkeit. Werden unter labilen Bedingungen viele und dann sehr viele von uns erfasst, können sich nicht nur zwischen uns, sondern auch in uns extreme Vernichtungskräfte mit allen furchtbaren Folgen entfalten. Hier sind glaubende Menschen guten Willens und mit der Bereitschaft zur Achtsamkeit gefragt und vor allem berufen, als einzelne und in ihren Gemeinschaften. Es gibt sie in großer Zahl, in allen Religionen, auch unter den Menschen, die ihren Glauben nicht mit Gott verbinden. Wenn sie sich einem grenzenlosen Wirkgefüge zugehörig und in sich diese emotionale Spaltung fühlen, können sie im Glauben an den einen Gott oder im Glauben an das Gute diese Spaltung in der Welt überwinden. Es geht um Wandlung, durchaus, so meine ich, im eucharistischen Sinn. Wandlung, die jeder Mensch bei sich selbst und bei anderen bewirken kann, im Großen wie im Kleinen. Wandlung von Hass in Liebe, Sadismus in Sanftmut, Trauer in Freude und Angst in Hoffnung. Es geht um viel, ja um das Höchste. Deswegen dürfen wir trotz allen Scheiterns und Versagens die kostbarsten Güter unseres Glaubens nicht relativieren, auch wenn sie nach menschlichem Ermessen unerreichbar sein mögen: Die vollkommene Liebe unter den Menschen, den weltweiten Frieden, die grenzenlose Gerechtigkeit. Aber der Blick allein auf die großen Zusammenhänge ist zu wenig. Es kommt viel mehr und ganz wesentlich darauf an, das Verbindende, Vereinende im direkten Umfeld gemeinsam zu praktizieren und zu unterstützen. Mir ist deswegen die Stärkung des ganzen Kirchenvolks und besonders der ehrenamtlich Engagierten so wichtig. Ich erhoffe mir, dass in enger Verbindung mit den hauptberuflich Engagierten durch konstruktives Teilen von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung, durch kluges Anleiten und gegenseitiges sich Ergänzen heilsame Kräfte in unseren Gemeinden und Gemeinschaften entfaltet werden können. Und dies über die Grenzen unserer Kirche hinaus, gemeinsam mit den bürgerlichen Gemeinden, mit anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Ich bitte die Verantwortlichen in unseren Gemeinden ausdrücklich, sich diesem Weg zu öffnen und ihn zu unterstützen, ganz besonders in dem nun vor uns liegenden Jahr. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen kurz vor dem Ende der 9. Amtsperiode des Diözesanrats. Wer im kommenden Jahr vor Ihnen steht, muss der 10. Diözesanrat entscheiden. Gestatten Sie mir einige Worte des Dankes. Ich danke Ihnen, lieber Bischof Gebhard für Ihr engagiertes Wirken in unserer Diözese. Bischof Gebhard ist ganz gewiss der einzige Bischof in Deutschland, vermutlich auch in der Welt, der die Vollversammlungen seines Rates der Priester und Laien in aller Regel von der ersten bis zur letzten Minute persönlich begleitet. Auch für dieses Zeichen der Verbundenheit danke ich Ihnen ganz herzlich. Und ich danke Ihnen, lieber Herr Generalvikar Dr. Clemens Stroppel, für Ihren umsichtigen, hoch kompetenten und unermüdlichen Einsatz für die Belange unserer Diözese und beziehe in meinen Dank alle Ihre tüchtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bischöflichen Ordinariats und genauso alle haupt- und ehrenamtlich Engagierten in unserer Diözese ein. Mein Dank gilt dem Sprecher des Priesterrats, Monsignore Schmucker, Dir lieber Herbert, und Frau Rais-Wehrstein, Dir liebe Veronika, für all Eure freundschaftliche Wegbegleitung, Euren Rat und Beistand im Präsidium. Und nicht zuletzt danke ich meiner Frau, Dir liebe Ulrike, für Deine vielfältige Unterstützung und für Deine Nachsicht wegen meines häufigen Fernbleibens von Zuhause, bedingt durch mein kirchliches Engagement. Ihnen allen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wünsche ich Gottes reichen Segen im neuen Jahr und danke Ihnen sehr, dass Sie mir zugehört haben. Neujahrsgrußwort 2016 Diözesanratssprecher Dr. Johannes Warmbrunn 2/2
© Copyright 2024 ExpyDoc