Zukunftsmarkt Krebs: Konzerne erhöhen Investitionen

Ausgabe | 02
15. Januar 2016
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Wirtschaft
Zukunftsmarkt Krebs: Konzerne erhöhen Investitionen
Die Zahl der an Krebs Erkrankten steigt stetig und die Behandlungsmethoden werden immer vielfältiger
C
Mark Fishman von Novartis anlässhemotherapie,
Tabletten,
OPs, Immuntherapie und
lich der neuen Zusammenarbeit.
Ernährungsumstellung – das
Die Allianz sei ein weiterer Baustein
sind nur wenige der diversen
in der Planung, ein Portfolio an LöBehandlungsansätze, die im Fall
sungen zu entwickeln, die zu einer
einer Krebserkrankung erwogen
Reihe von immunonkologischen
werden. Je nach Krebsart werden
Medikamenten führen könnten.
davon aber meist sehr schnell
Aber auch die Konkurrenz
einige ausgeschlossen. Mit dem
von Novartis und Sanofi schläft
Älterwerden der westlichen Genicht. Erst Ende November hatte
Roche die Zulassung der Europäisellschaften steigt auch die Zahl
der an Krebs Erkrankten. Für
schen Kommission für ein neues
Pharmakonzerne ist dies ein guHautkrebsmedikament erhalten.
Die Zahl der zugelassenen Krebsmedikamente ist groß. Heilbar ist die
Die Europäische Kommission
tes Geschäft. Doch sie müssen
Krankheit jedoch noch lange nicht. Der Markt für Neuentwicklungen
habe dem Medikament Cotellic
schnell und innovativ bleiben,
ist groß.
Foto: Flickr/Steven Depolo/CC by 2.0
in Kombination mit dem Rochedenn Start-ups und TechnoloPräparat Zelboraf die Zulassung
gieunternehmen wie Google
haben sich ebenfalls des Themas ange- rapie werden auch knapp 690 Millionen zur Behandlung von Patienten mit nicht
Euro in das junge US-Unternehmen Warp operierbarem oder metastasierendem Menommen.
Sowohl Novartis als auch Sanofi haben Drive Bio gesteckt.
lanom erteilt, verkündete der Schweizer
Novartis wird zukünftig im Krebsge- Pharmakonzern am Mittwoch.
in dieser Woche angekündigt, sich verstärkt
auf die Krebsforschung konzentrieren zu schäft mit dem US-Unternehmen Surface
Google hat sich ebenfalls mit dem
wollen. Das französische Unternehmen Oncology zusammenarbeiten. Ein Lizenz- Thema Krebs beschäftigt. Das UnterSanofi will insgesamt 1,1 Milliarden Euro abkommen ermöglicht es Novartis nun, nehmen arbeitet an Nanopartikeln, die
in Biotechfirmen investieren und damit Zugang zu vier vorklinischen Forschungs- Krebs im Körper aufspüren können. Ein
seine eigene Krebsforschung voranbringen. programmen zu erhalten. „Wir haben jetzt magnetisches Armband soll die Partikel
Neben einer Zusammenarbeit mit Innate mehrere Programme, die aggressiv mit der an das Handgelenk rufen, hier sollen dann
Pharma bezüglich einer neuen Immunthe- Mikroumgebung der Tumore agieren“, sagte diejenigen, die Krebszellen geortet haben,
Analyse
Pflegebranche wird zum Arbeitsmotor für Deutschland
Im vergangenen Jahr ist es keiner
Branche gelungen, so viele neue Arbeitsplätze zu schaffen, wie der Pflegebranche.
Die Branche Pflege und Soziales zeigte im
Oktober die absolut besten Zuwachsraten
bei neu geschaffenen Arbeitsplätzen. Das
geht aus dem aktuellen Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit vom
Oktober hervor. Die Zuwächse lagen hier
bei 93.000 gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das entspricht einem Plus
von immerhin 4,5 Prozent.
Auch die Branchen Handel, wirtschaftliche Dienstleistungen und qualifizierte Unternehmensdienstleistungen
erzielten Zuwächse, konnten aber das
Plus der Pflegebranche nicht annähernd
erreichen. Im gesamten Berichtsjahr ist
die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Pflege sogar
um 713.000 Arbeitsplätze gestiegen.
Die größten Zuwächse gab es dabei in
Berlin (+3,5 %).
Diese Entwicklung wird noch einige
Zeit andauern. Die Nachfrage nach Pflegepersonal ist hoch. „Selbst wenn die
Quote der familiär gepflegten Menschen
stabil bleibt, müssen einem Gutachten
zufolge bis zum Jahr 2030 mehr als
10.000 neue stationäre Pflegeplätze
entstehen, um die Nachfrage zu decken“,
erklärte der hessische Landesvorsitzende
des Bundesverbands privater Anbieter
sozialer Dienste e. V., Jochen RindfleischJantzon, mit Blick auf sein Bundesland.
Doch auch in Schleswig-Holstein ist die
Situation ähnlich dramatisch.
Schon jetzt ist fast jedes fünfte
Krankenhaus beispielsweise in Sachen
Pflegepersonal auf Kräfte aus dem
Ausland angewiesen. Die größte Zahl
der Pflegekräfte kommt dabei aus dem
EU-Ausland, aus Ländern wie Polen,
Spanien und den ehemaligen Staaten
Ex-Jugoslawiens.
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aufleuchten. Das Lichtsignal wird dann
durch die Haut hindurch ausgelesen. Die
Nanomedizin funktioniert nach einem
Bericht des Business Insider folgendermaßen: Ein Patient schluckt eine Pille, die
Millionen Nanopartikel enthält. Diese sind
so klein, dass mehr als tausend davon in
ein einziges Blutkörperchen passen.
Je nachdem, welche Krankheit gesucht
oder behandelt werden soll, sind die Nanopartikel mit Antikörpern beschichtet, die wie
Magneten auf bestimmte Zellen, Proteine
oder andere Moleküle reagieren, beispiels-
weise nur auf Krebszellen. Bei Kontakt mit
ihrem Gegenpart beginnen die Nanopartikel zu leuchten. Dieses Lichtsignal soll nun
durch ein spezielles magnetisches Armand
ausgelesen werden, dass die Partikel am
Handgelenk „scannt“.
Das Biotechnologie-Unternehmen
ViaTherapeutics aus Österreich hingegen
arbeitet derzeit an einem Impfstoff gegen
Krebs. Ziel sei es, eine „weltweit neue Behandlung von Tumoren auf Basis krebstötender (onkolytischer) Viren“ zu entwickeln.
Das Virus VSV-GP ist eine Kombinati-
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on zweier für den Menschen als harmlos
geltender Viren. Dabei wurde das Hülleiweiß des Vesikulären Stomatitisvirus (VSV)
dazugegeben, das Glykoprotein (GP) des
Lymphozytären Choriomeningitisvirus
(LCMV) dagegen ausgetauscht. „Diese Hülle
fungiert wie eine Tarnkappe. Sie schützt
VSV-GP teilweise vor der Erkennung durch
das Immunsystem. Auch bei wiederholter
Gabe kann dieses onkolytische Virus daher
Krebszellen zerstören“, erklärt Lisa Egerer,
die Leiterin des neuen Labors. Verabreicht
werden soll das Virus dann als Impfung.
Wirtschaft
Deutschlands Biotechindustrie boomt
Die deutsche Biotechbranche konnte im vergangenen Jahr fast 40 Prozent mehr Kapital einsammeln als noch im Jahr zuvor
D
er angekündigte Börsengang des
deutschen
Biotechunternehmens
Brain war bereits ein Vorgeschmack auf
den guten Ausblick der Branche. Investoren setzen auf das Potential der Biotechfirmen. Im vergangenen Jahr konnten die
deutschen Biotechunternehmen Kapital
in Höhe von 553 Millionen Euro einnehmen. Das sind 38 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ein neuer Höchststand
seit 2010. Der Umsatz der deutschen Biotechnologiebranche lag 2014 bei drei Milliarden Euro.
Neben institutionellen Investoren haben besonders Privatinvestoren in größerem
Umfang als zuvor zugegriffen. Diese investierten 2015 immerhin 163 Millionen Euro
in die deutschen Biotechunternehmen. Eine
Umfrage des Verbandes der BiotechnologieIndustrie BIO Deutschland zeigt, dass 60
Prozent der Unternehmen auch für dieses
Jahr noch eine Verbesserung der aktuellen
Situation erwarten.
Aus diesem Grund will die Mehrheit der
Befragten in den kommenden Monaten die
Investitionen in Forschung und Entwicklung
erhöhen. Auch eine Steigerung des Personals
wird von vielen Biotechunternehmen geplant. „Die deutsche Biotech-Branche setzt
ihr Wachstum fort, stärkt ihre Bedeutung
sowohl durch Pharma-Partnerschaften als
auch durch zunehmend internationale
Investoren und unterstreicht damit ihre
Bedeutung für den Wirtschaftsstandort
Deutschland“, betonte Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender der BIO Deutschland.
„Der Aufschwung
und die Internationalisierung werden sich jedoch
nur fortsetzen,
we n n s i c h d i e
politischen Rahmenbedingungen gerade für die
mittleren und kleinen Unternehmen
und auch für die
Investoren deutlich verbessern.“
Die deutschen
BiotechunternehIm Jahr 2016 planen 66 Prozent der befragten Unternehmen, Personal aufzumen profitieren bauen.
Grafik: BIO Deutschland
insgesamt von
dem Boom der
Branche. Die europäischen Biotechfirmen hierzulande ein Eisbrecher sein und für
haben insgesamt 6,26 Milliarden Euro im noch mehr Aufwind sorgen.“ Damit spielt
vergangenen Jahr an der Börse einsammeln Wirsching auf den angekündigten Börsenkönnen. 2014 waren es noch 3,44 Milliarden gang der Brain AG an. Mit der BRAIN AG aus
Euro. Das entspricht einem Plus von über dem hessischen Zwingenberg will nun das
80 Prozent. 25 Börsengange fanden 2015 in erste Mal seit neun Jahren ein deutsches
Europa statt. Im vergangenen Jahr wagte Biotechunternehmen an die Frankfurter
die Schwäbische Curetis den Sprung an die Börse gehen.
Das so generierte frische Kapital soll
Amsterdamer Börse Euronext, ebenso Probiodrug aus Hamburg. An der New Yorker überwiegend in den Bereich der Forschung
Nasdaq versuchte dagegen der Tübinger und Entwicklung fließen. Besonders in der
Chemiebranche sieht das Unternehmen
Krebs-Spezialist Affimed 2014 sein Glück.
„Die Finanzierungssituation für die seine Zukunft. Ein Fokus liegt auf der NutzBiotechnologie hat sich in den vergangenen barmachung von Enzymen und anderen
zwei Jahren spürbar verbessert“, so Sandra Wirkstoffen für die Anwendung in der
Wirsching von der BIOCOM AG. „Der nun für Medizin-, Nahrungsmittel- und ChemieFrankfurt angekündigte Börsengang könnte Industrie.
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Forschung
Funktionsfähige Blutgefäße mit 3D-Drucker geschaffen
Nach dem Druck verbinden sich die Blutgefäße und versorgen die dazwischen befindlichen Zellen
Nach dem Druck verbinden sich die einzelnen
Blutbahnen. Foto: Lawrence Livermore National Lab
N
ieren, Haut und nun auch Blutgefäße
– die 3D-Drucktechnologie ist längst
in der Medizin angekommen. Wissenschaftler weltweit nutzen die Technologie,
um mit ihren Forschungen voranzukommen. Die Anwendungsgebiete werden immer größer. Forschern des amerikanischen
Lawrence Livermore National Labs ist es
nun gelungen, funktionsfähige Blutgefäße
herzustellen.
Dafür griffen die Wissenschaftler für
den 3D-Druck auf eine so genannte Biotinte
zurück, die aus Materialien besteht, die mit
dem menschlichen Körper kompatibel sind.
Eine „Tinte“, in der sowohl die Gerüstbausteine
als auch die lebenden Zellen schon enthalten
sind. Dafür eignen sich einige Materialien.
Im vergangenen Jahr beispielsweise testeten Forscher der Universität Würzburg und
Bayreuth eine Biotinte aus Spinnenseide. gie ändern“, sagt Monica Moya, die Leiterin
„Spinnenseide hat keine zelltoxischen Wir- des Projekts. Die 3D-Technologie könne die
kungen, wird nur langsam abgebaut und Biologie weg von der Petrischale hin zu eilöst keine Immunreaktionen aus“, so die nem 3D-gedruckten physiologischen Gewebe
Wissenschaftler:
mit einem funktionsfähigen Gefäßsystem
„Ein Gel, in dem Spinnenseidenmoleküle führen. Am Ende wollen die Wissenschaftler
und lebende Zellen gemischt sind, ,fließt’ im in der Lage sein, mit dem neuen DruckverDruckkopf eines 3D-Druckers, so dass auch fahren ganze Blutbahnen zu entwickeln, so
feine Gerüststrukturen auf eine Oberfläche dass diese irgendwann tatsächlich eingesetzt
aufgetragen werden können. Dort verfestigt werden können.
sich das Gel sofort. Der Grund für diesen
„Auch wenn das Drucken von implanblitzschnellen Wechsel von flüssig zu fest tierbaren Organen nicht in unmittelbarer
liegt darin, dass sich die Spinnenseiden- Zukunft geschehen wird, so können unsere
moleküle in ihrer Struktur umlagern – ein Gewebeflicken für toxikologische Studien,
Mechanismus, den auch die Spinne bei der Arzneimitteltests und für die GrundlagenFaserproduktion nutzt.“
forschung eingesetzt werden“ , so Moya.
Auf etwas Ähnliches griffen auch die
US-Forscher zurück.
Sie drucken mit der
Biotinte zuerst Rohre
aus Zellen und anderen Biomaterialien,
um anschließend
Nährstoffe an die
sie umgebende gedruckte Umgebung
zu transportieren.
„Es geht um die
Die Biotinte wird in mehreren Prozessen gedruckt.
Art, wie wir die BioloFoto: Lawrence Livermore National Lab
Forschung
China baut weltgrößte Klon-Fabrik
In Tianjin entsteht dazu die weltgrößte Fabrik zur industriellen Produktion identischer Haus- und Nutztiere
D
ie weltgrößte Fabrik zum industriellen Klonen von Haus- und Nutztieren wird derzeit in China gebaut. Die
200 Millionen Yuan (29,4 Millionen Euro)
teure Anlage werde Klon-Labore und eine
Gen-Datenbank beherbergen, hieß es am
Dienstag in einem Bericht der amtlichen
Nachrichtenagentur Xinhua. Die KlonFabrik in der nordchinesischen Hafenstadt
Tianjin soll ab nächstem Jahr vor allem
Hunde, Rennpferde sowie massenhaft Rinder klonen.
Zunächst sollen 100.000 Klon-Rinder
erzeugt werden. Die Produktion solle
aber auf eine Million Tiere steigen, wurde der Chef der beteiligten chinesischen
Biotech-Firma Boyalife, Xu Xiaochun, in
dem Xinhua-Bericht zitiert. Schließlich
hätten chinesische Bauern derzeit Mühe,
genügend Rinder zu züchten, um der großen Nachfrage zu begegnen. Die neue
Fabrik will darüber hinaus das Klonen von
Hunden als Haustiere oder zum Einsatz
bei der Polizei anbieten.
Laut Xinhua werden in China bereits
seit dem Jahr 2000 Tiere geklont. Zhu Yi,
Professor für Lebensmittelkunde an Chinas landwirtschaftlicher Universität, sagte
der Nachrichtenagentur AFP, es gebe „fast
keinen Unterschied“ zwischen geklontem
und natürlich gezeugtem Vieh. Dennoch
dürften Unternehmen Klon-Fleisch nicht
ohne eine „rigorose Risikoeinschätzung“
und wiederholte Tests zum Verzehr anbieten.
An der Anlage ist neben Boyalife auch
das südkoreanische Unternehmen Sooam
Biotech beteiligt. Dessen Gründer Hwang
Woo Suk war im Jahr 2004 zu Berühmtheit
gelangt, nachdem er in der Fachpresse
behauptet hatte, erstmals Stammzelllinien aus einem geklonten menschlichen
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Mit herkömmlicher Zucht hat die neue riesige Klon-Fabrik kaum noch etwas gemeinsam.
Foto: Flickr/David Woo/CC by nd 2.0
Embryo entwickelt zu haben. 2005 wurde
er durch das erste Klonen eines Hundes
bekannt. Sein Ruhm verblasste jedoch,
als ein Untersuchungsausschuss der
Universität Seoul im Jahr darauf seine
gesamte Forschung mit menschlichen
Stammzellen als gefälscht entlarvte.
Das gemeinsame Unternehmen
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von Boyalife und Sooam bietet seit vergangenem Jahr in China Klonen an. Es
reproduzierte bereits drei Hundewelpen
der Rasse Do Khyi, auch als tibetanische
Dogge bekannt. In sozialen Netzwerken
äußerten sich Nutzer beunruhigt über
die geplante Klon-Fabrik. „Wird dieses
Fleisch in Südkorea oder China verkauft?
Wenn in China, bitte sorgt dafür, dass
unsere Führer es zuerst essen“, schrieb ein
Nutzer mit Blick auf die Klon-Rinder. Andere verwiesen darauf, dass China schon
in den vergangenen Jahren wiederholt
von Lebensmittelskandalen erschüttert
worden sei.
„Wahnsinn“, kritisierte ein Nutzer das
Vorhaben, auch Hunde zu klonen. Schon
jetzt würden in China viele Hunde getötet, weil niemand sie haben wolle. Für
Besorgnis sorgte im Internet auch die
Tatsache, dass die Klon-Fabrik in der Nähe
des Gefahrgutlagers in Tianjin liegt, das
im August explodiert war. Dabei starben
nach offiziellen Angaben 165 Menschen.
Bei anderen überwogen die ethischen
Bedenken gegen die Klon-Fabrik. „Ist der
nächste Schritt das Klonen von Menschen?“, fragte ein Nutzer besorgt.
Aktuell
Superkeime in Deutschland gefunden
Nach China wurde nun in Deutschland erstmals ein neuer Superkeim bei Tieren nachgewiesen
D
ie zunehmende Antibiotikaresistenz
in Deutschland und in anderen Industrieländern bereitet Medizinern Sorgen. Bisher gab es zumindest für den Fall,
dass herkömmliche Antibiotika nicht wirken, noch so genannte Reserve-Antibiotika
wie Colistin. Doch eine aktuelle Mitteilung
des Bundesinstituts für Risikoforschung
(BfR) zeigt, dass auch diese möglicherweise
bald nicht mehr die gewünschte Wirkung
erzeugen könnten.
In China wurde jüngst zum ersten Mal
ein Keim entdeckt, bei dem eine bis dato
unbekannte Resistenz gegen das Reserve-Antibiotikum Colistin gefunden wurde. Sowohl
bei Tieren, Lebensmitteln und Menschen
wurden die Keime mit dem dafür verantwortlichen Gen mcr-1 nachgewiesen. „Die
Autoren führten das Vorkommen dieses Gens
auf den häufigen Einsatz von Colistin in der
chinesischen Tierhaltung zurück“, so das BfR.
Doch die Beobachtungen in China sind
kein Einzelfall. Nun haben dänische Behörden den Nachweis des Gens in Proben von
deutschem Geflügelfleisch erbracht. Eine
Blutstrominfektion bei einem dänischen
Patienten wurde ebenfalls festgestellt. Tests
in den Niederlanden und in England brachten dieselben Ergebnisse.
In Deutschland kommt das Reserve-Antibiotikum vor allem in der Nutztierhaltung
zur Behandlung von Darmerkrankungen
zum Einsatz. Beim Menschen dient es als
Antibiotikum speziell bei Carbapenem-resistenten Enterobakterien. Und zwar dann,
wenn diese gegen andere, für den Menschen
besser verträgliche Antibiotika eine Resistenz
zeigen. Der Superkeim aus China kann aber
dieses Notmittel mit seinem Gen mcr-1 zunichtemachen.
„Mcr-1 ist ein Enzym der Gruppe der
Phosphoethanolamin-Transferasen, wel-
ches Phosphoetha-nolamin an LPS anhängt
und das Bakterium somit unempfindlich
gegenüber Colistin macht“, so das Robert
Koch Institut. Es gebe erste Hinweise einer
Der Superkeim wurde auch in deutschem Geflügelfleisch gefunden.
Foto: Flickr/Alessandro Miliucci/CC by nd 2.0
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Verbreitung auch in Europa. „Die prinzipielle Gefahr des Aufkommens und der
Plasmid-vermittelten Verbreitung einer
neuartigen übertragbaren Colistin-Resistenz
erfordert eine intensivierte Überwachung
der Resistenzsitua-tion im veterinär- wie
auch im humanmedizinischen Bereich, um
einen Überblick über die aktuelle Lage in
Deutschland zu erhalten.“
Im Gegensatz zu den bisherigen ColistinResistenzen ist das Gen mcr-1 aber zwischen
Bakterienstämmen übertragbar. Das könnte
die Verbreitung beschleunigen. Aus diesem
Grund hat das Robert Koch Institut deutsche
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Labore aufgerufen, ihre Colistin-resistenten,
humanen Isolate an Referenzlabore zu schicken. Immerhin haben die Untersuchungen
bisher gezeigt, dass das Resistenzgen wahrscheinlich bereits seit 2010 in Tieren zu finden ist. Damit hatte es immerhin fünf Jahre
Zeit, sich weiter unentdeckt auszubreiten.
Ernährung
Plastik in Ostseefischen gefunden
Wissenschaftler haben nun auch Mikroplastikartikel in Speisefischen und Meeresschnecken der Ost- und Nordsee nachgewiesen
D
ie Auswirkungen unserer Plastikgesellschaft werden immer deutlicher.
Auch in der Nord- und Ostsee gibt es
mittlerweile Mikroplastikartikel, die die
Ökosysteme bedrohen und gleichzeitig
aufgrund der Nahrungskette auch eine
Bedrohung für die Bevölkerung darstellen.
Zwei Studien, vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und
Meeresforschung (AWI), belegen Mikroplastikpartikel in Kabeljau und Makrele.
Selbst in Meeres- und Strandschnecken
konnten derartige Partikel nachgewiesen
werden.
Insgesamt 290 Makrelen, Heringe, Flundern, Dorsche und Klieschen aus Nord- und
Ostsee wurden auf Plastikpartikel hin untersucht. Es zeigte sich, dass je nach Fischart die
Konzentration des aufgenommenen Plastiks
variiert. So finden sich in Heringen nur zu
bestimmten Zeiten Mikroplastikpartikel,
während Makrelen noch deutlich häufiger
Die Schnecken leben zum Beispiel an der Felsküste Helgolands und fressen dort Blasentang
und andere im Kelpwald wachsende Großalgen. Foto: AWI
Partikel aufnehmen.
Die Ursache liegt den Forschern zufolge vermutlich im
Fressverhalten der Fische. „Bei den
gefundenen Mikroplastikpartikeln
gehen wir davon aus, dass die Tiere
die in der Wassersäule treibenden
Fragmente ganz zufällig bei der
Futtersuche mit aufgenommen
haben“, sagt AWI-Biologe und Studienleiter Gunnar Gerdts. Anders
sehe es bei einer Vielzahl der Plastikfasern aus, die vor allem bei den
Makrelen gefunden worden seien.
Makrelen verschlucken deutlich häufiger Mikroplastik„Vermutlich haben die Fische
partikel als in Bodennähe lebende Fischarten wie Flunder
Foto: AWI
sie für Beute gehalten.“ Demnach und Kliesche.
nehmen vor allem Fische, die in den
oberen Meeresschichten oder an
der Wasseroberfläche nach Nahrung suchen, setzten sich auf der Algenoberfläche fest“,
eher Plastik auf als andere Fische. „Bei einem berichtet Lars Gutow. „Gleichzeitig konnten
der untersuchten Kabeljaue fanden wir ein wir nachweisen, dass die Schnecken diese
etwa 50 Zentimeter langes Gummiband Plastikfragmente ganz unbeeindruckt mitim Magen. Das Tier hatte es nicht wieder fressen.“ Im Gegensatz zu Fischen ist aber
ausspucken können, war körperlich schon beispielsweise die Gemeine Strandschnecke
gezeichnet und wäre vermutlich auf lange in der Lage, das aufgenommene Plastik fast
vollständig wieder auszuscheiden. Dafür
Sicht verhungert.“
Doch nicht nur die Lebewesen im Was- sorgen zahllose kleine Wimpernhärchen im
ser sind von Plastikteilchen bedroht. Auch Magen der Schnecke. Diese sortieren TeilTiere, die am Strand leben, laufen Gefahr, chen ab einer bestimmten Größe wieder aus.
Erst kürzlich fanden Wissenschaftler
Plastik zu verschlucken. So konnten sogar
bei Strandschnecken Mikroplastikparti- heraus, dass vor allem auch der Rhein erkel gefunden werden. Hier setzen sich die heblich unter den zahlreichen PlastikteilPlastikteilchen vor allem an Algen fest und chen aus dem Meer leidet. Der Fluss ist
werden anschließend von den Schnecken voll mit Plastikpartikeln. Im Schnitt fanden
die Wissenschaftler 892.777 Partikel pro
aufgenommen.
„Je höher die Mikroplastik-Konzentra- Quadratkilometer bzw. 4.960 Partikel pro
tion im Wasser ausfiel, desto mehr Partikel 1.000 Kubikmeter.
Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin:
Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Julia Jurrmann. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. Copyright: Blogform
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