FEST/SPIEL/HAUS/ ST/POELTEN/ HAYDN/BRUCKNER 01 FEB 2016 Yutaka Sado © Peter Rigaud Programm / Festspielhaus St. Pölten Tonkünstler-Orchester Niederösterreich: Haydn/Bruckner Montag, 01. Februar 2016, 19.30 Uhr Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal Gesamtdauer: ca. 2 Std. (inkl. Pause) Einführungsgespräch mit Hans Georg Nicklaus Kleiner Saal, 18.30 Uhr Künstlerische Leiterin Festspielhaus St. Pölten: Brigitte Fürle FEST/SPIEL/HAUS/ ST/POELTEN/ EmErSON, LAkE & PALmEr SymPHONIc 17 FEB 2016 Yōsuke Yamashita © unbenannt www.festspielhaus.at PROGRAMM Dirigent Y U TA K A S A D O JOSEPH HAYDN (1732 – 1809) Symphonie C-Dur Hob. I:7 «Le Midi» (1761) Adagio – Allegro Recitativo: Adagio – Allegro – Adagio – Cadenza Menuetto Finale. Allegro 24’ PA U S E ANTON BRUCKNER (1824 – 1896) Symphonie Nr. 4 Es-Dur «Romantische» (Fassung 1878/80) Bewegt, nicht zu schnell Andante quasi Allegretto Scherzo. Bewegt – Trio. Nicht zu schnell, keinesfalls schleppend Finale. Bewegt, doch nicht zu schnell 67’ Bitte beachten Sie, dass die tatsächliche Spieldauer von diesen Angaben geringfügig abweichen kann. Das Konzertprogramm wird vom ORF aufgezeichnet und am Freitag, 12. Februar, 19.30 Uhr, in der Sendung «Aus dem Konzertsaal» in Radio Österreich 1 ausgestrahlt. JOSEPH HAYDN Symphonie C-Dur Hob. I:7 «Le Midi» Adagio – Allegro Recitativo: Adagio – Allegro – Adagio – Cadenza Menuetto Finale. Allegro Zu «Mittag» in vier, fünf Sätzen? Ein Schelm, wer dabei gleich ans Essen denkt! Die Fachwelt ist gar nicht einig, ob es sich bei Joseph Haydns Symphonie Nr. 7 C-Dur mit dem Titel «Le Midi» um ein vier- oder fünfsätziges Menü, pardon, Opus handelt. Manche Interpreten nehmen zwischen dem ersten, in c-Moll beginnenden langsamen Satz und einem zweiten, in G-Dur stehenden, eine deutliche Trennung vor. Vor allem auf Originalklang spezialisierte Ensembles gestehen der Symphonie auch in ihren CD-Einspielungen fünf Sätze zu. Und dies ist nicht die einzige strittige Frage: Führt man Joseph Haydns Symphonien, vor allem die frühen, mit oder ohne Cembalo auf? Nun, Haydns Hinweise bezüglich des Continuos zu deuten, ist Sache der Lesart des Autografen. Yutaka Sado, Chefdirigent der Tonkünstler, entschied sich für die Variante ohne Cembalo – heutzutage absolut üblich. Nachdem beim Antrittskonzert von Yutaka Sado im Oktober 2015 bereits «Le Matin» erklungen war, wird mit «Le Midi», «Der Mittag», nun die Aufführung von Joseph Haydns einzigem symphonischen Zyklus fortgesetzt. «Le Soir» wird Yutaka Sado im Frühjahr 2016 dirigieren. Kreativer Umgang mit den musikalischen Stilmitteln Möglicherweise gehörte zum Zyklus der «Tageszeiten»-Symphonien noch ein viertes, nicht erhaltenes Werk: «La Nuit». Neben den beiden anderen erhaltenen steht auch «Le Midi» exemplarisch für Haydns frühe Meisterschaft und seinen kreativen Umgang mit den musikalischen Stilmitteln seiner Zeit. In seinen «Tageszeiten»-Symphonien Nr. 6 bis 8 verwob er das Konzertieren nach barocker Concerto-grosso-Manier mit den gestalterischen Prinzipien der klassischen Epoche. Der Kompositionsanlass war ein sehr konkreter: Am 1. Mai 1761 hatte der junge Komponist seinen Dienstvertrag als Vizekapellmeister am Fürstenhaus Esterházy in Eisenstadt unterschrieben und gab mit den «Tageszeiten»-Symphonien seinen Einstand. Sie sollten ihm die Gunst des Hofes sichern und gehen wahrscheinlich auf eine Anregung des neuen Dienstherrn zurück, der den aus Italien stammenden konzertanten Stil bevorzugt haben soll. Die Anfangstakte hingegen deuten zunächst eher in Richtung Frankreich: Wie eine Reminiszenz an die Tradition der französischen Ouvertüre erscheint die gravitä« tische Adagio-Einleitung des KopfsatER IST WIE zes. Im durchgängig punktierten EIN GEWOHNTER Metrum lässt Haydn den OrchesterHAUSFREUND, klang quasi einmarschieren: beide DER IMMER Oboen vorweg, dazu zwei Hörner, mitGERN UND tendrin das Fagott, die Streicher im Gefolge. Gleich darauf hebt das Allegro ACHTUNGSVOLL an und damit ein Konzertieren, das EMPFANGEN WIRD; TIEFERES man sich quirliger, charmanter und kunstvoller kaum vorstellen kann. ImINTERESSE mer wieder ermuntert vom eifrig ABER HAT ER dreinfahrenden Tutti, wetteifern OboFÜR DIE en, Fagott und Hörner mit den SolovioJETZTZEIT linen und dem Solocello um die graNICHT MEHR . zilsten Verzierungen, das anrührendste Melos. Der zweite Satz hat es in » Robert Schumann 1841 sich: Formal ist er ein Doppelkonzert, über Joseph Haydn: in der Anlage ein dramatisches ReziHier irrte der Meister. tativ mit nachfolgender Arie, ähnlich einer Opernszene. Zusammengefasst bilden beide Adagios nicht nur das emotionale Zentrum der Symphonie, sondern auch ihren längsten Abschnitt von etwa zehn Minuten – je nach Aufführungstempo. Einem ersten Teil, geprägt von heftigen Stimmungsumbrüchen und intensiver deklamatorischer Aussage, schließt sich ein zweites Adagio an. Dafür bringt Haydn erstmals die Flöten ins Spiel und erzeugt ein pastorales Flair, das dem in der barocken Oper häufig verwendeten Genrebild ähnlich ist. Der Satz endet in einer langen, auskomponierten Kadenz für Solovioline und Solocello – der neue Hofkapellmeister Haydn ließ offensichtlich nichts unversucht, die Vorzüge seiner Musiker virtuos zur Geltung zu bringen. Im Trioteil des dritten Satzes hat, wie schon im Menuett des Vorgängers «Le Matin», der Kontrabass einen großen Auftritt. Wie das Instrument seinen schweren Ton gegen die leichtfüßigen Terzen der Hörner stemmt, ist unschwer zu überhören und wirkt fast ein wenig trotzig. Aber nun: auf ins Finale! Endlich spielen alle Instrumente zusammen, vereint in einem fröhlichen Kehraus. Eingeleitet und unterbrochen werden die munteren Auf- und Abwärtsbewegungen – ihnen liegt als Motiv eine C-Dur-Tonleiter zugrunde – von den virtuosen Einlagen der Soloviolinen und der Soloflöte, die sich in diesem spritzigen Allegro wieder einmal als Anführerin behauptet. Faszinierend, wie viele Facetten Joseph Haydn der Mittagszeit abgewinnen konnte: solistische Brillanz und symphonische Ambition, zusammengeführt mit raffinierter orchestraler Gesamtwirkung. «Le Midi» vermittelt Ausgelassenheit und Melancholie, Temperament und Andacht – Haydn serviert von allem etwas. Der reinste Genuss. Ute van der Sanden 1761 — V O M T O N K Ü N S T L E R - O R C H E S T E R im September 2002 in Altenburg, Waidhofen/Thaya und Göttweig, Dirigent: Bijan Khadem-Missagh ENTSTEHUNG ZULETZT AUFGEFÜHRT ANTON BRUCKNER Symphonie Nr. 4 Es-Dur «Romantische» Bewegt, nicht zu schnell Andante quasi Allegretto Scherzo. Bewegt – Trio. Nicht zu schnell, keinesfalls schleppend Finale. Bewegt, doch nicht zu schnell Anton Bruckner selbst gab seiner Symphonie Nr. 4 den Beinamen «Romantische» – aber was heißt das eigentlich: romantisch? In unserer immer strenger auf Vernunft, auf rationalen, kalten Rechnungen und reibungslosem Funktionieren basierenden Arbeits- und Lebenswelt benennt der Begriff ein etwas diffuses Bedürfnis nach dem Ausdruck von Gefühlen. Bertolt Brecht hatte 1922 in seiner Komödie «Trommeln in der Nacht» den Kriegsheimkehrer Kragler ausrufen lassen: «Glotzt nicht so romantisch!» Wider jede einlullende Gefühlsduselei also, für Gedankenschärfe und die daraus folgenden gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen hat Brecht gekämpft. Dabei war doch gerade die von ihm als Ruhigstellmanöver gebrandmarkte Romantik einst eine revolutionäre Strömung gewesen. Wiedervereinigung und Neubewertung aller Künste Die historische Romantik wollte sich jedenfalls gewiss nicht als schöner Schein über die Wirklichkeit legen und vor der Realität fliehen, auch wenn sie ein Gegengewicht zur Rationalität der Klassik zu bilden bestrebt war. Ihr zugrunde liegendes ästhetisches Programm, aufgestellt an der Wende zum 19. Jahrhundert, hatte sich vielmehr die Wiedervereinigung und Neubewertung aller Künste unter dem gemeinsamen, befreienden Prinzip einer «progressiven Universalpoesie» zum Ziel erkoren, wie sie Friedrich Schlegel postuliert hat und die man zusammenfassen könnte im Schlachtruf: «Alle Macht dem Genie!» Kein realitätsfernes, gleichsam esoterisches Projekt war damit gemeint, sondern die kühne, konkrete Umsetzung in der Lebenswelt: der ästhetische Akt als höchster Akt der Vernunft; die Wiedereinsetzung der Poesie als integral verstandene Kunst in ihre alte, angestammte Rolle als Lehrerin der Menschheit. Solcher Emphase ist das Scheitern von vornherein eingeschrieben, denn die notwendigen Nachtseiten des menschlichen Daseins können nicht verleugnet und ausgeblendet werden: Teufelspakte, Wahnsinn, Gespenster, Schuld und Tod zählen zu den unvermeidlichen dunklen Begleitern auf dem romantischen Weg. Gerade die Außenseiter sind es, die in der Literatur der Romantik ins Zentrum rücken. Erfolglose Bewerbungen, ungewisse Zukunft Es ist nicht übertrieben, die Person Anton Bruckner als einen solchen Außenseiter anzusehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine ästhetische Kluft immer weiter aufgerissen, die in der Folge die progressiven «Neudeutschen» rund um Richard Wagner und Franz Liszt auf der einen Seite und die sogenannten Konservativen auf der anderen Seite unüberbrückbar trennen sollte, zu denen nicht zuletzt Johannes Brahms und der mit ihm befreundete Kritiker Eduard Hanslick zählten. Weil sich Wagner auf die Oper und Brahms auf absolute Musik für den Konzertsaal konzentrierte, machten einander die Galionsfiguren der beiden widerstreitenden Lager keine unmittelbare Konkurrenz. Anton Bruckner jedoch, der Wagner geradezu unterwürfig verehrte und dabei doch genuiner Symphoniker blieb, drohte in der Auseinandersetzung aufgerieben zu werden – zumal im für ihn kritischen, von «Leid, Kränkungen und Zurücksetzungen» (Leopold Nowak) geprägten Jahr 1874: Drei Bewerbungen um eine freilich noch gar nicht existente Professur oder zumindest Lektorenstelle für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Wiener Universität blieben ergebnislos für den Komponisten – nicht zuletzt wegen Hanslicks ablehnender Hal- « DIE VIERTE IST SO VOLLER PULSIERENDER LEBENSFREUDE UND SEHNSÜCHTIGER OHRWÜRMER, DASS ES EIN HEIDENSPASS IST, SIE INTERPRETIEREN ZU DÜRFEN. SIE LÄSST PUBLIKUM UND MUSIKER TIEF IN BRUCKNERS SEELE BLICKEN. EIN GENUSS, DER ALLE SINNE UMFASST! » Walter Schober, erster Flötist, im Tonkünstler-Orchester seit 1991 tung; Ansuchen beim oberösterreichischen Landtag sowie beim britischen Botschafter brachten nichts, zudem ging er auch noch seiner Stelle an der Lehrerinnenbildungsanstalt St. Anna verlustig. So blieb Bruckner nur die seit sechs Jahren ausgeübte Lehrtätigkeit am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde – «wovon man unmöglich leben kann», wie er seinem Freund Moritz von Mayfeld schrieb. Dennoch und gerade deshalb begann Bruckner, kaum war die Symphonie Nr. 3 d-Moll vollendet, ein neues Werk der Gattung, das ihn von Jänner bis November 1874 beschäftigen sollte. Diese Erstfassung der Symphonie Nr. 4 ist riesenhaft und nicht zuletzt von komplexester Rhythmik – zu starker Tobak für die Möglichkeiten der Orchester seiner Zeit. Wieder einmal entschließt sich Bruckner zu Änderungen: «Ich bin zur vollen Überzeugung gelangt, daß meine 4. romant. Sinfonie einer gründlichen Umarbeitung dringend bedarf.» Das ursprüngliche, fast spukhaft anmutende Scherzo wird 1878 durch ein verbindlicheres mit pittoreskem Horngeschmetter ersetzt, die übrigen drei Sätze erhalten klarere Konturen in verknappter, verdichteter Gestalt. Was an ungezügelter Fantastik verloren geht, wird somit an übersichtlicher Periodik gewonnen. Allerdings scheint Anton Bruckner das Finale dann doch zu kurz und leichtgewichtig geraten: 1880 ersetzt er es durch eine dritte Version, die dem Charakter der vorangegangenen Sätze entspricht – und diese Fassung begründete den schon 1881 einsetzenden, enormen Erfolg des Werks. Allgemeine Naturmystik auf der Basis des Glaubens «In der romantischen 4. Sinfonie ist in dem 1. Satz das Horn gemeint, das vom Rathause herab den Tag ausruft! Dann entwickelt sich das Leben; in der Gesangsperiode ist das Thema: der Gesang der Kohlmeise Zizipe», schrieb Bruckner 1890 an den Dichter Paul Heyse, um für das Scherzo «Jagd und im Trio wie während des Mittagmahles im Wald ein Leierkasten» als Inhalt anzugeben. Wie missverständlich und letztlich bedeutungslos diese Anmerkungen sind, zeigt sich jedoch schon an Bruckners Eingeständnis, beim Finale wisse er selber nicht « mehr, was er sich gedacht habe. Denn IN DER mit der Programmmusik eines Franz ROMANTISCHEN Liszt und seines Kreises, die konkrete 4. SINFONIE IST außermusikalische Zustände und VorIN DEM 1. SATZ gänge abbilden will und damit BeethoDAS HORN vens «Pastorale» weiterdenkt, hatte GEMEINT, DAS Bruckner nichts gemein. Er komponiert VOM RATHAUSE in seiner «Romantischen» keine Genreoder gar Opernszenen ohne Worte, HERAB DEN sondern bringt auf Basis seines unerTAG AUSRUFT! schütterlichen katholischen Glaubens » vielmehr eine allgemeine Naturmystik Anton Bruckner 1890 zum Klingen. Das zeigt sich schon an an den Dichter Paul Heyse dem berühmten Hornruf über geheimnisvollem Streichertremolo, mit dem die Symphonie Nr. 4 beginnt. Die reine abfallende Quint der Naturtonreihe von B nach Es, erweitert durch das expressiv-sehnsuchtsvolle Ces, wächst sich aus zum machtvollen Orchester-Fortissimo in Bruckners Signalrhythmus – zwei Viertel gefolgt von einer Viertel-Triole. Hier wird kein Hauptthema als fertige Einheit vorgestellt, sondern im Beisein der Hörer erst entwickelt. «So werden wir Zeugen eines Entstehens der Musik selbst, einem steten Wachsen und Ausprägen ihrer Konturen, sodass die Durchführung (im Gegensatz zur Wiener Klassik) dann die ideelle Zusammenführung der zuvor disparaten Materialien ermöglicht», schrieb Bernhard Rzehulka. So wächst sich etwa der Rhythmus des stets präsenten Hornrufs in der Durchführung zu einem feierlichen Choralthema aus, womit auch in dieser angeblich «romantischen» Symphonie kein Zweifel an der bei Bruckner stets wirksamen Spiritualität mehr bestehen kann. Diese schließt freilich den Schrecken jäher Kontraste und Abstürze, aber auch jener monumentalen Entladungen mit ein, wie sie etwa der Hornruf am Schluss des Stirnsatzes bewirkt. Darauf folgt ein Trauermarsch in c« Moll, dessen Hauptthema in den VioDIE LIEBE, loncelli mit der schon bekannten Quint DER EINKLANG anhebt und nach der Wiederholung ALLES durch die Holzbläser schließlich zwiGEISTIGEN IN schen Pizzicati, Bläsersignalen und DER NATUR, choralartigen Streichermotiven ins WIE ER DEM Stocken gerät. Ein zweites, weiträumiges und nachdenklich anmutendes CHRISTEN Thema in den Bratschen schließt sich VERHEISSEN, kontrastierend an, das sich ausdrucksSPRICHT voll aus begleitenden Pizzicati erhebt. SICH AUS In figurativen Variationen löst sich das IM AKKORD ... Material immer weiter in seine Be» standteile auf, bis es nach einem groE. T. A. Hoffmann ßen C-Dur-Höhepunkt vollends zerfleddert. Das populäre Scherzo im Zweivierteltakt mit schmetternden Hörnern und bedrohlich dreinfahrendem tiefem Blech balanciert mit seiner melodischen Volkstümlichkeit und der formalen Übersichtlichkeit – im kurzen Trio stimmen Flöte und Klarinette zur Abwechslung eine beschauliche LändlerMelodie an – das groß angelegte Finale aus. Dieser monumentale Satz führt, als gelte es, die WolfsschluchtSzene aus Carl Maria von Webers Oper «Der Freischütz» zu überbieten, widerstreitende, kaum zu bändigende, schaudererregende Naturkräfte in bestürzender Direktheit vor Ohren. «Wo keine Götter sind, walten Gespenster» – diese Worte aus dem 1799 verfassten Fragment «Europa» des Dichters Novalis könnten beinahe als Motto stehen über der hier auf so erhabene Weise zum Klingen gebrachten dunklen Seite der Romantik. Doch Novalis und etwa auch E. T. A. Hoffmann räumten in ihren künstlerischen Konzepten dem Christentum einen durchaus höheren Stellenwert ein, als heute oft angenommen wird. Musik gehöre dem «modernen Zeitalter» an, denn erst im Christentum sei sie wahrhaft erblüht, heißt es 1814 in Hoffmanns Aufsatz «Alte und neue Kirchenmusik». Insofern lässt sich auch Anton Bruckners «Romantische» ganz in Einklang bringen mit den schon damals 70 oder 80 Jahre alten Schriften der jungen Theoretiker der Romantik. Der «Einklang alles Geistigen in der Natur, wie er dem Christen verheißen», von dem Hoffmann in diesem Zusammenhang spricht, wird nach allen dämonischen Kämpfen in Bruckners Vierter schließlich doch noch errungen: Ein hymnisch strahlender Ausgang feiert den neuen Tag – mit dem wiederkehrenden Hornruf vom Beginn der Symphonie. Walter Weidringer Der Autor studierte in Wien Musikwissenschaft, Philosophie, Theaterwissenschaft und Geschichte. Er unterrichtete am Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien, ist seit 1999 Musikkritiker der Tageszeitung «Die Presse», hält Einführungsvorträge und ist als freier Musikpublizist und Konzertdramaturg tätig. 1874-80 — U R A U F F Ü H R U N G am 20. Februar 1881 in Wien mit den Wiener Philharmonikern, Dirigent: Hans Richter T O N K Ü N S T L E R - O R C H E S T E R Z U L E T Z T A U F G E F Ü H R T im Dezember 2010 in Wien und St. Pölten, Dirigent: Andreas Delfs ENTSTEHUNG VOM SSSSSSSS T ! Unsere Musik hören Sie auf allen Plätzen gleich gut – P auch Husten, Niesen, Plaudern, Zuckerlpapier-Rascheln und natürlich Handy läuten. Ebenfalls aus Rücksicht auf die Aufführenden und Ihre Mithörerinnen und Mithörer sowie aus rechtlichen Gründen bitten wir Sie zu beachten, dass Bild- und Tonaufnahmen nicht gestattet sind. Vielen Dank für Ihr Verständnis. © Peter Rigaud Yu t a k a S a d o Dirigent Yutaka Sado, in Kyoto geboren, gilt als einer der bedeutendsten japanischen Dirigenten unserer Zeit. Chefdirigent des Tonkünstler-Orchesters Niederösterreich ist er seit der Saison 15-16. Ob Berliner Philharmoniker, Konzerthausorchester Berlin, Bayerisches Staatsorchester, die Symphonieorchester von BR, NDR, SWR und WDR, ob Gewandhausorchester Leipzig, Sächsische Staatskapelle Dresden, London Symphony Orchestra, Orchestre de Paris, Mahler Chamber Orchestra oder Santa Cecilia Rom: Die Liste der Orchester, die Yutaka Sado dirigiert hat bzw. wieder dirigieren wird, ist beeindruckend. Seine Karriere entwickelte sich außerhalb Japans zunächst vor allem in Frankreich, wo er 1993 Chefdirigent des Orchestre de Chambre des Concerts Lamoureux in Paris wurde. Der langjährige Assistent von Leonard Bernstein und Seiji Ozawa gewann wichtige Preise wie den Premier Grand Prix des 39. Internationalen Dirigierwettbewerbs Besançon und den Grand Prix du Concours International L. Bernstein Jerusalem. Seine Verbundenheit zu Bernstein führte ihn als «Conductor in Residence» zum Pacific Music Festival in Sapporo. Seit 2005 ist Yutaka Sado Künstlerischer Direktor des Hyogo Performing Arts Center (PAC) und Chefdirigent des PAC-Orchesters. Sados Bekanntheitsgrad in Japan ist enorm, nicht zuletzt dank einer wöchentlichen TV-Sendung, in der er als Dirigent und Moderator Musikfreunden die Welt der klassischen Musik näherbrachte. © Werner Kmetitsch To n k ü n s t l e r - O r c h e s t e r N i e d e r ö s t e r r e i c h Chefdirigent Yutaka Sado Das Tonkünstler-Orchester mit seinen Residenzen im Musikverein Wien, im Festspielhaus St. Pölten und in Grafenegg ist einer der größten und wichtigsten musikalischen Botschafter Österreichs. Den Kernbereich der künstlerischen Arbeit bildet das traditionelle Orchesterrepertoire von der Klassik über die Romantik bis ins 20. Jahrhundert. Zugleich sehen die Tonkünstler in der Pflege der zeitgenössischen Musik eine ihrer vornehmsten Aufgaben. Mit der Saison 15-16 übernahm Yutaka Sado das Amt des Chefdirigenten von Andrés Orozco-Estrada. Alternative Programmwege der Tonkünstler werden von Musikern, Publikum und Presse gleichermaßen geschätzt. Die Einbeziehung von Genres wie Jazz und Weltmusik im Rahmen der «Plugged-In»-Reihe sichert dem Orchester einen fixen Platz am Puls der Zeit. Mit Aufführungen zeitgenössischer Kompositionen stellen sich die Tonkünstler dem aktuellen Musikgeschehen. Ein Composer in Residence, unter ihnen Brett Dean, HK Gruber, Krzysztof Penderecki und Jörg Widmann, arbeitet mit den Tonkünstlern jährlich im Rahmen des Grafenegg Festivals zusammen. Auftragswerke für das Orchester schrieben Komponisten wie Arvo Pärt, Kurt Schwertsik, Friedrich Cerha und Bernd Richard Deutsch. Als erstes österreichisches Orchester richteten die Tonkünstler 2003 eine eigene Abteilung für Musikvermittlung ein: Die «Tonspiele» sind eines der größten Musikvermittlungsprogramme Österreichs. Eine mehr als 60-jährige Tradition verbindet die Tonkünstler mit den Sonntagnachmittagskonzerten im Wiener Musikverein, der bis heute erfolgreichsten Programmreihe des Orchesters. Das Festspielhaus St. Pölten wurde am 1. März 1997 von den Tonkünstlern feierlich eröffnet. Seither gestalten sie als Residenzorchester mit Opern-, Tanz- und Vermittlungsprojekten und umfangreichen Konzertangeboten einen entscheidenden Anteil des künstlerischen Gesamtrepertoires in der niederösterreichischen Landeshauptstadt. In Grafenegg, wo mit dem Wolkenturm – auch er wurde von den Tonkünstlern eingeweiht – und dem Auditorium akustisch herausragende Spielstätten zur Verfügung stehen, konzertieren die Tonkünstler als Festival-Orchester. Eröffnet wird die Sommersaison in Grafenegg alljährlich mit der Sommernachtsgala, die in Österreich und mehreren Ländern Europas im Fernsehen und im Radio ausgestrahlt wird. C D - T IP P Zahlreiche CDAufnahmen spiegeln das vielseitige künstlerische Profil des Orchesters wider. Mit der Gesamtaufnahme der vier Symphonien von Johannes Brahms legten die Tonkünstler und Andrés Orozco-Estrada im März 2015 ein künstlerisches Resümee ihrer langjährigen Zusammenarbeit vor. 2014 erschienen die Symphonien Nr. 1 und 3 von Felix Mendelssohn Bartholdy, die Symphonien Nr. 4 und 5 folgten im Mai 2015. Die wechselvolle Orchestergeschichte wurde in hohem Maße von den politischen und gesellschaftlichen Ereignissen und Umwälzungen des 20. Jahrhunderts beeinflusst. Im Oktober 1907 gab das Wiener Tonkünstler-Orchester mit 83 Musikern sein erstes Konzert im Wiener Musikverein; am Pult standen keine Geringeren als Oskar Nedbal, Hans Pfitzner und Bernhard Stavenhagen, ein Schüler Franz Liszts. 1913 gestalteten die Tonkünstler unter der Leitung von Franz Schreker die Uraufführung der «GurreLieder» von Arnold Schönberg; von 1919 bis 1923 war Wilhelm Furtwängler Chefdirigent. In den Folgejahren wurde das Orchester von Dirigenten wie Bruno Walter, Otto Klemperer, Felix To n k ü n s t l e r - O r c h e s t e r N i e d e r ö s t e r r e i c h KONZERTMEISTER Lieke te Winkel, Alexander Gheorghiu, Vahid KhademMissagh 1. VIOLINE Gyula Szép, Alois Wilflinger, Susanne Masetti, Sawa Popoff, Martha Wagner, Gerhard Fechner, Ines Miklin, Teodora Sorokow, Xuan Ni, Maria Fomina, Sophie Kolarz-Lakenbacher, Sophie Gansch, Yaromyr Babskyy, Maria Stieger, Aleksandra Bucholc 2. VIOLINE Julia Mann, Marie Suchy, Peter Erhart, Kora Lemberg, Evelina Ivanova, Gerald Hinterndorfer, Dora Huber, Liselotte Murawatz, Judith Steiner, Isabelle Reinisch, Yuka Bartosch-Murakami, Noriko Takenaka, Stephanie Grandpierre, Veronika Wincor, Angelika Wimmer VIOLA Gertrude Rossbacher*, Péter Pál Lukács, Herbert Suchy, Martin Fuchs, Christian Knava, Leopold Schmetterer, Robert Stiegler, Peter Ritter, Susanne Stockhammer, Stefan Sinko, Andreas Winkler, Victoria Fónyad-Joó VIOLONCELLO Georgy Goryunov*, Martin Först, Ursula Erhart-Schwertmann, Cecilia Sipos, Martin Dimov, Thomas Grandpierre, Sebastian Dozler, Iris-Meongwon Cho, Klara Wincor KONTRABASS Michael Seifried, Ernö Rácz, Bernhard Binder, Mathias Kawka, Johannes Knauer, Simon Pennetzdorfer, Lukas Ströcker, Chia-Chen Lin FLÖTE Walter Schober, Heidrun Lanzendörfer, Friederike Herfurth-Bäz, Birgit Fluch OBOE Barbara Ritter, Andreas Gschmeidler, Johannes Strassl, Theresia Melichar KLARINETTE Helmut Wiener, Christoph Moser, Kurt Franz Schmid, Stefan Vohla FAGOTT Gottfried Pokorny, Andor Csonka, Christian Karácsonyi, Barbara Loewe HORN Jonas Rudner, Christoph Peham, Sebastian Löschberger, Michel Gasciarino, Markus Hartner, Franz Pickl TROMPETE Thomas Lachtner, Thomas Bachmair, Helmut Demmer, Josef Bammer POSAUNE Andreas Eitzinger, Gabriel Antão, Erik Hainzl, Wolfgang Gastager TUBA Michael Pircher HARFE Silvia Radobersky SCHLAGWERK Gunter Benedikt, Margit Schoberleitner, Bence Kulcsár, Joachim Murnig Frank Druschel, Johannes Sterkl, Barbara Sorgner (Assistenz) ORCHESTER- UND BETRIEBSBÜRO Suzanne Blaha-Zagler, Viktoria Lebwohl, Roswitha Wallisch-Gepart, Irmtraud Madl (Orchesterinspektion) DRAMATURGIE UND PRESSE Ute van der Sanden MARKETING Edith Schweitzer MUSIKVERMITTLUNG Esther Planton, NOTENBIBLIOTHEK Heidi Abel, Nikolaus Blach, Wilfried Edlinger ORCHESTERLOGISTIK Johann Decker, Emil Zitarevic, Nenad Djordjevic VERKAUF UND SERVICE David Punz, Nina Stainer, Julia Nendzig, Eva Figlhuber, Jana Kozlowski, Sandra Kritzinger, Karin Lissinna, Orsolya Molnár, Mari Romar, Sebastian Schmid, Maria Stefan, Anita Überacker GESCHÄFTSFÜHRUNG * Instrumente zur Verfügung gestellt von der Dkfm. Angelika Prokopp Privatstiftung Weingartner, Hans Knappertsbusch und Hermann Abendroth geleitet. Bedeutende Musikerpersönlichkeiten wie Walter Weller, Heinz Wallberg, Miltiades Caridis, Fabio Luisi und Kristjan Järvi waren Chefdirigenten der Tonkünstler. Mit angesehenen Orchesterleitern wie Michael Schønwandt, Jun Märkl, Jeffrey Tate, Hugh Wolff, Giovanni Antonini und John Storgårds verbindet sie eine teils langjährige und freundschaftliche Zusammenarbeit. Zu den solistischen Partnerinnen und Partnern des Orchesters zählen Renée Fleming, Joyce DiDonato, Angelika Kirchschlager, Lisa Batiashvili, Sol Gabetta, Michael Schade, Julia Fischer, Daniel Hope sowie die Pianisten Rudolf Buchbinder, Fazil Say, Kit Armstrong und Lang Lang. Als Gastsolisten für die Konzertsaison 15-16 konnten gefragte Virtuosen wie der Oboist Albrecht Mayer und die Violinisten Augustin Hadelich, Christian Tetzlaff, die Violinistin Arabella Steinbacher sowie der Harfenist Xavier de Maistre verpflichtet werden. Tourneen führten die Tonkünstler nach Deutschland, Spanien, Großbritannien, Slowenien, Tschechien, in das Baltikum und wiederholt nach Japan. Für Mai 2016 ist eine dreiwöchige Japan-Tournee unter der Leitung des neuen Chefdirigenten Yutaka Sado in Vorbereitung. Ausführliche Orchesterbiografie: www.tonkuenstler.at Tipp / Festspielhaus St. Pölten Römische Trilogie und britischer Rock TONKÜNSTLER-ORCHESTER: RESPIGHI/TRILOGIA ROMANA Mit fulminanter Orchestermusik, spektakulären 3D-Effekten und einem betörenden Spiel von Licht und Schatten zählt das Gesamtkunstwerk „Trilogia Romana“ zu den musikalischen Highlights der Saison! Videoprojektionen der katalanischen Künstlergruppe La Fura dels Baus und Ottorino Respighis „Römische Trilogie“, interpretiert vom TonkünstlerOrchester und Antonio Méndez, nehmen Sie mit auf eine Reise durch die „ewige Stadt“. Ein stimulierendes Hörerlebnis voller träumerischer Bilder von Mensch, Stadt, Geschichte und Natur, die womöglich auch Ottorino Respighi selbst durch den Kopf gegangen sind, als er die berühmten symphonischen Dichtungen zwischen 1916 und 1928 komponierte. Samstag 13. Februar 2016, 19.30 Uhr, Großer Saal Karten EUR 42, 36, 31, 25, 12 TONKÜNSTLER PLUGGED-IN: EMERSON, LAKE & PALMER SYMPHONIC Wir erinnern uns: Als die britische Rockband Emerson, Lake & Palmer – kurz „ELP“ genannt – 1971 ihr Album „Pictures at an Exhibition“ herausbrachte, mussten wir diese Platte haben. Unbedingt! Jetzt widmen sich die Tonkünstler dieser Supergroup und stellen den „Kamikaze-Jazzer“ und japanischen Pianisten Yōsuke Yamashita in den Mittelpunkt des Crossover-Abends. Für Aufsehen sorgte dieser vor einigen Jahren, als er, in Brandschutzkleidung gehüllt, am Strand von Kalifornien ein Klavier während des Spielens in Flammen aufgehen ließ. Im gemeinsamen Konzert mit den Tonkünstlern wird der Ausnahmekünstler einmal mehr beweisen, dass er nicht nur zu Extremen fähig ist, sondern auch zu Recht als brillanter Techniker gilt. Mittwoch 17. Februar 2016, 19.30 Uhr, Großer Saal Karten EUR 42, 36, 31, 25, 12 Jugend<26: -50 % Jugend<26: -50 % DUETT-Bonus Festspielhaus St. Pölten / Kalendarium Vorschau: Februar/März 2016 Februar 2016 sa 13 mi 17 sa 20 do 25 sa 27 mo 29 19.30 Uhr Großer Saal Tonkünstler-Orchester Trilogia Romana Musik/Klassik/3D-Projektionen 19.30 Uhr Großer Saal Tonkünstler Plugged-In Emerson, Lake & Palmer Symphonic Musik/Crossover 19.30 Uhr Großer Saal Carminho Canto Musik/Fado 19.30 Uhr Kleiner Saal Kammermusik Cuarteto Casals Musik/Klassik 19.30 Uhr Großer Saal Beijing Dance Theater Tanz 19.30 Uhr Großer Saal Tonkünstler-Orchester Symphonie fantastique Musik/Klassik März 2016 sa 05 mo 07 do 17 sa 19 mo 21 19.30 Uhr Großer Saal Pasadena Roof Orchestra Musik/Swing/Big Band 19.30 Uhr Großer Saal Tonkünstler-Orchester Mozart/Brahms Musik/Klassik 19.30 Uhr Kleiner Saal Kammermusik Academia Allegro Vivo Musik/Klassik 19.30 Uhr Bühne Garish Musik/Indie 19.30 Uhr Großer Saal Tonkünstler-Orchester Beethoven Musik/Klassik IMPRESSUM Herausgeber Niederösterreichische Kulturszene Betriebs GmbH, Kulturbezirk 2, 3100 St. Pölten, T: +43(0)2742/90 80 80, F: +43(0)2742/90 80 81, www.festspielhaus.at. Für den Inhalt verantwortlich Thomas Gludovatz, Johannes Sterkl. Künstlerische Leiterin Brigitte Fürle. Redaktion Kern Ute van der Sanden. Gestaltung parole, München (Kern), Julia Dorninger (Umschlag). Produktion Walla Druck Wien. Termin-, Programm- und Besetzungsänderungen vorbehalten. Fotografieren, Ton- und Videoaufzeichnungen nicht gestattet. Preis des Programmheftes: Euro 2,70 © Hertha Hurnaus Eines unserer Clubhäuser. Ö1 Club-Mitglieder erhalten im Festspielhaus St. Pölten 10 % Ermäßigung. Sämtliche Ö1 Club-Vorteile finden Sie in oe1.ORF.at Karten & Information +43(0)2742/90 80 80 600 [email protected] www.festspielhaus.at
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