3.3 Informelle Bürgerbeteiligungen

3. Überblick über grundlegende Formen der Bürgerbeteiligung in Deutschland
3.3 Informelle Bürgerbeteiligungen
Der Rückgriff auf Beteiligungsverfahren informeller Art kann als Versuch klassifiziert werden,
die von den Bürgern gewünschte stärkere Einbindung in politische Prozesse zu berücksichtigen.
Zugleich soll die durch unzureichende Vermittlung politischer Entscheidungen entstandene Akzeptanzlücke durch diese Verfahren geschlossen werden. Der Begriff informell bezieht sich dabei in erster Linie auf die Tatsache, dass diese Partizipationsformen nicht gesetzlich vorgeschrieben sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der meist diskursive Charakter dieser Verfahren.
Die theoretische Grundlage für solche Diskursverfahren liefern die Arbeiten zum kommunikativen Handeln nach Habermas. In einer vereinfachten Definition können Diskurse als „wissenschaftlich moderierte Aushandlungsverfahren verschiedener, jeweils rational legitimer Inte­
ressenlagen mit dem normativen Ziel gemeinsame Rationalität und Konsens herzustellen“
beschrieben werden.35 Die maßgeblichen Unterschiede der diskursiven Verfahren im Vergleich
zu den formellen Partizipationsformen liegen u. a. in
•der zeitlichen Befristung und der intrinsischen Motivation der Teilnehmer;
•der thematischen Fokussierung auf lokale und regionale Problemstellungen;
•dem wissenschaftlich objektiven Partizipationsstil unter Berücksichtigung subjektiver
Interessen;
•der Ergebnisoffenheit des Verfahrens und
•der Möglichkeit der Bürger, sich nicht nur punktuell, sondern kontinuierlich zu beteiligen.36
Die Formen informeller Beteiligungsverfahren wurden fortlaufend weiterentwickelt, sodass
mittlerweile ein breites Spektrum existiert. Für die Bewertung der Güte und Qualität diskursiver
Verfahren haben sich in der wissenschaftlichen Literatur vier Leitkriterien etabliert. Dabei
handelt es sich um die Kriterien der Fairness, der Kompetenz, der Effizienz und der
Legitimation.37
Fairness
Das Kriterium der Fairness ist sehr eng an die Beteiligung der betroffenen Bürger an der Entscheidungsfindung gebunden. Eine weitere Kategorisierung erfolgt in die strukturelle und die
prozessuale Fairness. Im Falle der strukturellen Fairness steht die angemessene Repräsentanz
aller betroffenen Bürger im Vordergrund, wobei die Grenzen zwischen ihnen und den Nicht­
betroffenen oft fließend sind. Ein weiteres Element der strukturellen Fairness ist die Festsetzung
struktureller Rahmenbedingungen und Regeln des diskursiven Verfahrens. Darunter fallen u. a.
die Auswahl der Themen oder die Auswahl der Form zur Entscheidungsfindung. Die prozessuale
Fairness gewährleistet allen Teilnehmern, ihren Anregungen und Forderungen im Diskursverfahren Ausdruck zu verleihen.38
35Pfenning/Benighaus 2008, S. 199.
36 Vgl. Pfenning/Benighaus 2008, S. 200.
37 Vgl. Renn/Webler 1998, S. 36 – 43; Hettich 2002, S. 9 – 11; Renn 2011, S. 35.
38 Vgl. Renn/Webler 1998, S. 36 – 39.
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