Outsourcing: Schwieriger Richtungswechsel für Schweizer

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Datum: 22.05.2015
Outsourcing: Schwieriger Richtungswechsel für Schweizer Unternehmen
Die digitale Transformation wirkt sich auf die Sourcing-Strategien der Unternehmen aus, aber offenbar nicht
sehr auf die der Anbieter. Diese halten noch an unflexiblen Verträgen fest.
» Von Susann Klossek , 22.05.2015 08:53.
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Die digitale Transformation, in der sich so viele Unternehmen befinden, hat auch Einfluss auf deren SourcingStrategien. Marktbeobachtern zufolge dürfte im 2015 das klassische IT-Outsourcing ein Comeback feiern.
Bereits in den letzten zwei Jahren ging es kontinuierlich aufwärts. Der Schweizer Outsourcing-Markt ist 2012
und 2013 prozentual je zweistellig gewachsen. Dieses Wachstum ist erstaunlich, denn der Outsourcing-Markt
hierzulande ist zumindest bei Grossunternehmen nahezu gesättigt. Insgesamt liegt die Outsourcing-Rate
unter den 48 grössten Unternehmen in der Schweiz bei 54 Prozent – das ist neun Prozentpunkte über dem
Durchschnitt aller Länder.
«Das Outsourcing-Volumen in der Schweiz hat 2013 erstmals die 3-Milliarden-Franken-Grenze überschritten
», sagt Peter Hecker, Director Information Services Group Switzerland (ISG), gegenüber Computerworld. Mit
Blick auf die Zahlen bis zum dritten Quartal 2014 (ISG Momentum MTI Geography Report) habe der
Outsourcing-Markt auch im vergangenen Jahr ein ähnliches Volumen erreicht, so der Experte. Auch wenn die
Schweiz derzeit für Service-Provider nicht zu den Märkten mit grossem Potenzial gehört, bestehen durchaus
Chancen für neue Aufträge, besonders bei kleineren Unternehmen. Auch im Finanzsektor bieten sich
Outsourcing-Providern noch Spielräume: Hier liegt der Outsourcing-Anteil bisher nur bei 43 Prozent. Potenzial
nach oben hat auch die verarbeitende Industrie. Insbesondere Provider, die Outsourcing-Leistungen für
kleinere Unternehmen anbieten können, haben hier gute Chancen.
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Outsourcing-Experten in der Diskussion (v.l.n.r.): Fabian Vögeli (PwC), Marcel Walker (Swisscom), Fritz
Wüthrich (Wipro), Peter Hecker (ISG), Moderator Stephan Klapproth, Christopher Ganz (ABB) und Roberto
Fedele (Valora) am Swiss IT Sourcing Forum © IDG
Die Nachfrage steigt wieder
Auch die aktuelle Studie «IT-Sourcing – die Sicht der Anbieter» von PricewaterhouseCoopers (PwC) zeigt,
dass die Anbieter einen weiter wachsenden IT-Outsourcing-Markt erwarten und entsprechend Personal
aufstocken wollen, vor allem für Near- und Onshore-, zum Teil auch für Offshore-Lösungen. Der
Leistungsanteil externer Mitarbeitenden in den Anwenderfirmen ist dabei von durchschnittlich 21 Prozent im
vergangenen Jahr auf heuer 32 Prozent angestiegen. Dazu werden vermehrt Ressourcen aus dem Ausland
angezapft.
Da sich zudem besonders bei grösseren Projekten die Anforderungen im laufenden Projekt ständig ändern,
müssen oft mehr Mitarbeiter oder solche mit anderen Qualifikationen gefunden werden. Auch die Rolle des
Outsourcing-Partners verändert sich: Heute ist das Innovationspotenzial eines Dienstleisters stärker gefragt
als in vergangenen Jahren, in denen es mehr um Konsolidierung und die Erhöhung der Effizienz ging.
Fabian Vögeli, Manager Business Technology Consulting Switzerland bei PwC, präsentierte am Swiss IT
Sourcing Forum 2015 die Kernergebnisse der Studie: Die Angebotsvielfalt der Dienstleister wird steigen, was
allerdings auch mehr Komplexität für die Kunden zur Folge hat. Die Auswahl eines passenden und
bedarfsgerechten Angebotes überfordert aber vor allem kleine und mittelständige Unternehmen zunehmend.
Provider verändern sich zu langsam
Der PwC-Analyst kritisiert in diesem Zusammenhang auch die mangelnde Adaptionsfähigkeit der Provider an
die neue Situation. Es sei: «kein Strategiewechsel bei Outsourcing-Anbietern erkennbar», sagt er. Bei den
etablierten Providern geht die Änderung der Strategie – wenn sie überhaupt schon im Gange ist – nur
langsam vor sich. Viele seien heute nach wie vor daran interessiert, langfristige Aufträge abzuschliessen,
bestätigt auch Peter Hecker das Ergebnis. Grosse, etablierte Anbieter haben mehr Mühe, Kunden zu finden,
weil sie eine «Riesenmaschine» am Laufen halten müssen, die ihnen die Flexibilität raubt und etwas von der
Dynamik nimmt. Die riesigen, gut ausgerüsteten Datacenter müssen erst einmal gefüllt sein. «Neuere
Provider, zum Beispiel aus Indien, schleppen diesen Rucksack nicht mit. Sie haben zum Teil gar keine
Datacenter mehr und mieten sich je nach Bedarf bei verschiedenen grossen Anbietern ein. Dieser Mix macht
sie flexibler», sagt Hecker.
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Datenhaltung und Service vor Ort
Nicht zuletzt durch regulatorische Anforderungen wird die geografische Lage der Datenhaltung immer
wichtiger. Zwar haben einige ausländische Service-Provider ihre Rechenzentrumskapazitäten in der Schweiz
erweitert. Die Schweizer Unternehmen wollen jedoch mehr, weiss Hecker: «Sie erwarten von den Providern,
dass sie Niederlassungen in der Schweiz haben und einen ausreichenden Vor-Ort-Service bieten.» Fehlendes
kulturelles Verständnis habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass Verträge mit Service-Providern nicht
verlängert wurden.
Mehr Transparenz, strengere regulatorische Vorgaben sowie die NSA-Aktivitäten haben das Sourcing-Klima
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in der Schweiz verändert. Die Unternehmen erwarten von ihren Providern, dass sie das Thema Datenschutz
noch ernster nehmen, als sie es ohnehin schon tun. Nur wer das Vertrauen der Unternehmen gewinnt,
bekommt überhaupt die Möglichkeit, an einer Outsourcing-Ausschreibung teilzunehmen. «Die Compliance,
speziell der Schutz unserer Kunden- und Transaktionsdaten, bleibt wichtig. Dies definiert hohe Hürden im ITSourcing», so Roberto Fedele, CIO der Valora Gruppe.
Hingegen wird die Bedeutung von Referenzprojekten laut PwC-Studie von den Dienstleistern überschätzt.
Wobei zu unterscheiden gilt, ob es um die Referenz des Providers an sich geht und wie dieser mit seinen
Kunden arbeitet oder um ein konkretes Projekt. Letzteres ist als Beispiel für Anwender durchaus interessant.
Eine vollkommen identische Situation werden diese zwar bei sich nicht wiederfinden. Aber es hilft, über den
Tellerrand hinauszublicken und zu sehen, wie andere es machen. «Die Frage, die zu stellen ist, ist jene nach
dem Warum», erklärt Hecker. «Auch, warum dieses und jenes bei mir nicht passt. Hier kann ein
Referenzvergleich das Unternehmen durchaus weiterbringen.»
Multi-Provider-Outsourcing
Roberto Fedele, CIO Valora Gruppe © IDG
Generell geht der Trend hin zum Multi-Provider-Outsourcing. Outsourcing-Kunden ist ein Anbieter mit
spezialisiertem Portfolio wichtiger als einer mit universellem Angebot. Das bestätigte auch Fedele von Valora
in seinem Praxisreferat am Sourcing-Forum. Das Unternehmen verfolgt je nach Anforderung unterschiedliche
Sourcing-Ansätze. Da, wo es vornehmlich um Standardisierung und Stabilität geht, betreibe Valora nach wie
vor klassisches Single-Provider-Sourcing, so Fedele. Für die neue Welt der Applikationen beispielsweise
setze man eher auf Multi-Sourcing. Valora hat letztes Jahr eine Effektivitätsanalyse bezüglich SourcingStrategien für die digitale Welt durchgeführt. Das Ergebnis: Multi-Provider-Sourcing ist besser als SingleProvider-Sourcing, inkrementelle Sourcing-Ansätze besser als «all at one».
«Die Digitalisierung erfolgt entlang von Wertschöpfungsprozessen. Klassisches Sourcing ist dafür nicht
geeignet.»
«Zudem stellten wir fest, das kürzere Laufzeiten generell besser sind als lange sowie Zweitgenerationen-/
Drittgenerationen-Sourcing besser als Erstgeneration-Sourcing», erläuterte Fedele. Er empfiehlt unter
anderem, disruptive Ansätze zuzulassen und in bestehenden Kunden-Provider-Beziehungen von Anfang an
Voraussetzungen dafür zu schaffen. «Die Digitalisierung erfolgt entlang von Wertschöpfungsprozessen. Das
klassische Sourcing entlang von Towers ist dafür nicht geeignet.»
Cloud als Konkurrenz
Cloud-Services werden künftig das Sourcing-Verhalten von Unternehmen verstärkt beeinflussen. Derzeit
werden zwar laut der Cap-Gemini-Studie «IT-Trends 2015» im deutschsprachigen Raum lediglich knapp 7
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Prozent der IT-Gesamtleistungen von Cloud-Anbietern erbracht und die durchschnittliche Cloud-Nutzung ist
sogar leicht zurückgegangen. Allerdings sind 31,6 Prozent der knapp 160 befragten CIOs aus
Grossunternehmen bereit, in den nächsten zwei Jahren Aufträge von ihrem Outsourcing-Provider in eine
Anbieter-Cloud zu verlagern. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Standardanwendungen sowie
Plattformen und Middleware. Individualanwendungen sollen langfristig intern betrieben und weiterentwickelt
werden, weil sie aufgrund ihrer Individualität schwer standardisiert in der Cloud abgebildet werden können
(Grafik unten). Nichtsdestotrotz wird die Cloud zunehmend ein ernstzunehmender Konkurrent für
Outsourcing-Anbieter; es sei denn, diese erweitern ihr Portfolio rechtzeitig, um ihre Kunden zu halten.
Die befragten CIO's erwarten langfristig, dass die unternehmenseigene IT-Abteilung auch weiterhin den
grössten Teil der Individualanwendungen bereitstellt © Cap-Gemini
Die Autoren der Cap-Gemini-Studie schreiben aber auch, dass es für 40 Prozent der befragten IT-Leiter nicht
infrage kommt, Leistungen vom Outsourcing- zu einem Cloud-Anbieter zu verlagern. Der Hauptgrund dafür
sind Sicherheitsbedenken. Ein Drittel der CIOs macht sich auch Sorgen, dass die Daten nicht ohne Weiteres
zurückzuholen sind und sieht im Anbieterwechsel ein zu grosses Risiko. Ein kleiner Teil von 5 Prozent kann
zudem nicht in die Cloud verlagern, weil er langfristige Outsourcing-Verträge abgeschlossen hat. Mehr als ein
Drittel sieht in diesen mehrjährigen Vereinbarungen denn auch ein Auslaufmodell, was die Ergebnisse der
internen Valora-Analyse bestätigt.
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