Composite Parts Lösbare Krafteinleitungen in Faser-KunststoffVerbunde White Paper Lösbare Krafteinleitungen in Faser-Kunststoff-Verbunde Abstract Faser-Kunststoff-Verbunde bieten aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften – geringe Dichte bei gleichzeitig hohem Elastizitätsmodul und hoher Festigkeit – ein enormes Leichtbaupotenzial. Insbesondere im Maschinenbau können die bestehenden Leistungsgrenzen konventioneller Werkstoffe durch Faser-Kunststoff-Verbunde (FKV) überwunden werden. Eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung von FKV- Bauteilen ist die Schnittstelle zu metallischen Komponenten, z. B. Lagerung von Carbonachsen und Anschrauben von Führungsschienen. Hierbei sind meist lösbare Schraubverbindungen zu realisieren. Im Gegensatz zu Metall fehlen jedoch allgemeingültige Konstruk tionsrichtlinien zur Auslegung dieser hybriden Schnittstellen. CFK Achsen für den Werkzeugmaschinenbau In diesem White Paper wird gezeigt, dass die Belastbarkeit einer lösbaren Schraubverbindung in Faserverbund ähnlich zu den Metallen ausgelegt werden kann. Carbon Achse aus der Automatisierungstechnik mit lösbaren Krafteinleitungen 2 Inhalt Abstract������������������������������������������������������������������������������������������ 2 1. Einleitung �������������������������������������������������������������������������������� 4 1.1 Annahmen und Randbedingungen ������������������������������������������ 5 1.2 Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung������������������������������ 5 2. Gewindeeinsatz MUBUX®-MO�������������������������������������������������� 6 2.1 Auszugsversuche: quasiisotropes Laminat�������������������������������� 7 2.2 Auszugsversuche: UD-Laminat�������������������������������������������������� 8 3. Zusammenfassung�������������������������������������������������������������������� 9 4. Literaturverzeichnis���������������������������������������������������������������� 10 3 1. Einleitung Zur Realisierung einer demontierbaren Verbindung zweier Komponenten haben sich lösbare Krafteinleitungen bei Metallen als Standard etabliert. Beispielsweise ist die Auslegung von Schraubverbindungen in der VDI 2230 [7,8] normiert und die erreichbare Versagenskraft kann anhand von Tabellenbüchern abgelesen werden. Es herrscht ein enorm großer Erfahrungsschatz bei der Auslegung von lösbaren Schraubverbindungen bei Metallen, wodurch sich ein starkes Vertrauen in diese Verbindungsart über die Jahrzehnte ausgebildet hat. Im Maschinenbau haben sich in den letzten Jahren Leichtbaukomponenten aus CFK (Kohlenstofffaser verstärkter Kunststoff) etabliert. Insbesondere Carbonachsen sind – aufgrund der herausragenden spezifischen Eigenschaften von CFK [2] – heutzutage als Standard zu betrachten. Zur Anbindung dieser Bauteile gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Abbildung 1 zeigt die gängigsten Verbindungsarten. Zusätzlich werden vielfach Sonderlösungen entwickelt, die allein aus Kostensicht unattraktiv sind. Des Weiteren stellt sich bei Sonderlösungen immer die Frage der realisierbaren Versagenslast und der Langzeiterfahrung. Diese Fragen müssen im Regelfall in aufwändigen Versuchen experimentell beantwortet werden. Abbildung 1: Übersicht einer Auswahl zur Realisierung von lösbaren Schraub verbindungen in Faser-Kunststoff-Verbunde. Die Problematik beim Einsatz von CFK-Komponenten ist, dass der heterogene Werkstoff CFK aus Kohlenstofffasern und einem Kunststoff aufgebaut ist, wodurch neue Freiheitsgrade bei der Auslegung von Schraubverbindungen zu berücksichtigen sind [6]. Eine schnelle und einfache Auslegung der Schraubverbindung ähnlich zu den Metallen ist bislang nicht möglich. Der FKV-Konstrukteur benötigt folglich einfache Auslegungsrichtlinien, die bereits im Vorfeld die Frage nach der Versagensgrenze und dem Langzeitverhalten beantworten. Dieses Whitepaper zeigt Ergebnisse von Grundlagenuntersuchungen zu lösbaren Krafteinleitungen mit Gewindeinserts MUBUX®-MO von Kerbkonus. Dieses Gewindeinsert gehört zu der Klasse „Einschrauben in ein vorgeschnittenes Gewinde“. Das bedeutet, dass zuvor in den CFK-Verbund ein Regelgewinde geschnitten werden muss. Mit den Ergebnissen der Grundlagenuntersuchungen kann eine erste Grobdimensionierung der Krafteinleitung durchgeführt werden. Zur abschließenden Beurteilung müssen jedoch noch weitere Randbedingungen berücksichtigt werden. 4 1.1 Annahmen und Randbedingungen Die in den Kapitel Gewindeeinsatz MUBUX vorgestellten Ergebnisse basieren auf folgenden Annahmen und Randbedingungen: Schraubverbindung hat. Zur Auswahl des Versuchsaufbaus werden folgende Vorüberlegungen getroffen: 1. CFK-Prepreg-Laminate bestehend aus einer High-TenacityFaser (HT-Faser) und duromerer Matrix (EP-Harz). – kleine Verformungen der Fügepartner, d. h. ein Klaffen der Fügepartner ist nicht zulässig – Mehrfachverschraubung, d. h. die Fügepartner sind in der Krafteinleitungszone parallel zueinander und überlagerte Biege spannungen durch große Bauteilverformungen werden nicht berücksichtigt. 2. Prepregpressen als Herstellprozess der Probekörper 3. Untersuchung von Grenzlaminaten (unidirektional und quasiisotrop) zur Abbildung eines großen Orthotropiebereichs. 4. Gewinde der Schraube mit Festigkeitsklasse 8.8: M4…M6 5. Laminatdicke der CFK-Probekörper: 2…10mm 6. Untersuchung eines Serien-Krafteinleitungselements: MUBUX®-MO von Kerbkonus Insbesondere die im Maschinenbau übliche Mehrfachverschraubung reduziert den Versagensmechanismus auf ein einfaches Scher versagen der Schraubverbindung. Hierfür eignet sich der in Abbildung 2 dargestellte Versuchsaufbau. Zu 1) und 2) CFK-Laminat und Herstellverfahren Die verwendeten Probekörper sind ausschließlich aus Prepreg mit einer Standard HT-Faser und einer Epoxidmatrix hergestellt. Es handelt sich um ein heißhärtendes, zähmodifiertes Epoxidharz mit einer Glasübergangstemperatur von etwa 140 °C. Der Faservolumenanteil liegt bei etwa 50 %. Die generischen Probekörper zur experimentellen Untersuchung wurden im Heißpressverfahren hergestellt. Zu 3) Untersuchung von Grenzlaminaten (UD und quasiisotrop) Es ist davon auszugehen, dass die Ausreißkraft einer lösbaren Schraubverbindung vom Laminataufbau abhängig ist. Zur Reduzierung der Versuchsvielfalt werden die Extrema UD-Laminat und quasiisotropes Laminat mit einem Orthotropiegrad von 18,5 bzw. 1 betrachtet. Zu 4) und 5) Gewinde und Laminatdicke Die eigenen Erfahrungen als Maschinenbauer zeigen, dass für Krafteinleitungen in Carbonstrukturen meist metrische Gewinde M4… M6 verwendet werden können. Aus diesem Grund werden die nachstehenden Untersuchungen auf diese Gewindegrößen beschränkt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Versagens mechanismus bei größeren Gewindetypen ähnlich ist und daher ein äquivalentes Vorgehen zur Auslegung von Schraubverbindungen möglich ist. Die untersuchten Laminatdicken betragen zwischen 2…10mm. Abbildung 2: Versuchsaufbau zur Ermittlung der Ausreißkraft lösbarer Schraubverbin dungen (aus [4]). Um die Wichtigkeit des Versuchsaufbaus zu demonstrieren wurden anfangs Vorversuche mit dem Krafteinleitungselement MUBUX®-MO ohne und mit Buchse durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Versagenskräfte ohne Buchse etwa 45 % unter den Versagenskräften mit Buchse lagen. Dieses Ergebnis ist auf die überlagerte Biegung in der Nähe des Gewindeinserts zurückzuführen, d.h. die Platte konnte sich stark verformen. Darüber hinaus ist zu schlussfolgern, dass die folgenden Ergebnisse nicht auf eine Ein-Schraubenlösung übertragbar sind. 1.2 Versuchsaufbau und Versuchsdurchführung In [1] wurde bereits gezeigt, dass das Testverfahrens einen bedeutenden Einfluss auf den zu prüfenden Werkstoffkennwert aufweisen kann. Auch hier ist zu vermuten, dass der Versuchsaufbau einen entscheidenden Einfluss auf die Ausreißkraft einer lösbaren 5 2. Gewindeeinsatz MUBUX®-MO Der Gewindeeinsatz MUBUX®-MO zählt zur Gruppe der Einsätze, die in ein vorgeschnittenes Gewinde eingeschraubt werden (Abbildung 3). Der MUBUX®-MO besteht aus Stahl, ist verzinkt und gelb chromatiert. Zusätzlich ist das Außengewinde mit Precote® 80 beschichtet [3]. Dabei handelt es sich um eine lackähnliche und lösungsmittelfreie, reaktive Beschichtung auf Basis mikroverkapselter Acrylate. Die Beschichtung soll das Außengewinde sowohl sichern als auch abdichten [5]. Bei der Realisierung einer lösbaren Schraubverbindung in einem Laminat sind – neben der hier untersuchten statischen Ausreißkraft – folgende Aspekte zusätzlich zu berücksichtigen: – Elektrochemische Korrosion – Kriechen und Relaxieren der Vorspannung – Temperatureinsatzgrenzen – Dynamische Lastwechselspiele Im Folgenden werden experimentelle Ergebnisse aus quasistatischen Ausreißversuchen dargestellt und interpretiert. Eine Dimensionierung basierend allein auf diesen Ergebnissen ist nicht möglich, sie bilden jedoch eine notwendige Voraussetzung zur Auslegung einer lösbaren Krafteinleitung. Abbildung 3: MUBUX®-MO-Gewindeeinsatz [4]. 6 2.1 Auszugsversuche:quasiisotropes Laminat In Abbildung 4 sind die Ergebnisse der Zugversuche von CFK-EP- Proben mit MUBUX-Gewindeeinsätze dargestellt. Zusätzlich sind die Zugfestigkeiten der jeweiligen Schrauben dargestellt. Das Erreichen der Zugfestigkeit bedeutet im Umkehrschluss, dass die Schraube und nicht das Laminat versagt. Für den untersuchten Parameterbereich können folgende Kernaussagen aus Abbildung 4 getroffen werden: – Die Versagenskraft steigt mit der Laminatdicke und dem Gewindedurchmesser – Um ein Laminatversagen zu erreichen, sollte die Laminatdicke und somit die Mindesteinschraubtiefe des MUBUX größer gewählt werden als der Gewinde-Nenndurchmesser. Das Versagensbild vor Erreichen der Schraubenbruchkraft – bei dünneren Laminaten – ist durch ein Schubversagen der Gewindezähne gekennzeichnet (Abbildung 5). Der Gewindeeinsatz wird aus dem Laminat geschert und somit herausgezogen. Bei diesem Versagen handelt es sich um ein Fail-Safe-Verhalten, welches prinzipiell bei der Auslegung von Maschinenkomponenten bevorzugt wird. Bei der Montage Schraube ist insbesonder auf den Verlauf der Schraubenvorspannkraft zu achten. Bei Überlast kann die Verbindung MUBUX®-Laminat versagen und der MUBUX® wird an den Fügepartner gezogen. Nachdem der MUBUX® mit dem Fügepartner auf Block liegt kann die Schraubenvorspannung wieder erhöht werden. Das Anziehen der Schraubenvorkraft kann somit möglich sein, obwohl die Verbindung versagt ist. Diese Untersuchung zeigt, dass die Abhängigkeiten einer Schraubverbindung in CFK ähnlich zu den Metallen sind. Es scheint als könnte eine statische Dimensionierung anhand der Mindesteinschraubtiefe durchgeführt werden. Es bleibt offen, ob die statische Versagenslast vom Orthotropiegrad abhängig ist. Abbildung 4: Ergebnisse der Auszugsversuche von MUBUX®-Gewindeeinsätzen in quasiisotropen CFK-EP-Proben (nach [4]). Zugkraft sukzessives Ausreißen Abbildung 5: Repräsentatives Versagensbild eines MUBUX®-Gewindeeinsätzen bei zu geringen Einschaubtiefen (aus[4]). 7 2.2 Auszugsversuche: UD-Laminat Die Ergebnisse der Auszugsversuche von MUBUX-Gewindeeinsätzen in unidirektionalen CFK-EP-Proben sind in Abbildung 6 dargestellt. Auch hier sind die Versagenslasten vom Durchmesser und von der Einschraubtiefe abhängig. Ab einer bestimmten Einschraubtiefe des MUBUX®-MO kann die Schraubenbruchkraft erreicht werden. Im Vergleich zu Abbildung 4 sind die notwendigen Mindesteinschraubtiefen auf einem ähnlichen Niveau wie bei dem quasiisotropen Laminat. Das bedeutet, dass die Versagensgrenzen scheinbar nicht vom Orthotropiegrad abhängig sind. Versagt die lösbare Krafteinleitung vor Erreichen der Schraubenbruchkraft, tritt fast ausschließlich ein axiales Spalten auf. Das uni direktionale Laminat versagt folglich auf Querzug. Dieses Versagensbild ist für den Verbund nicht tolerierbar, das es sich nicht um ein Fail-Safe-Versagen handelt. Ein Versagen tritt schlagartig ein, was für eine Strukturkomponente fatal ist. Aus dem Versagensbild kann der Faserverbund-Konstrukteur ab leiten, dass eine lösbare Schraubenverbindung mit MUBUX® mit multi-direktionalen und nicht mit unidirektionalen Laminataufbauten realisiert werden sollte. Des Weiteren ist aus den Versuchen zu schlussfolgern, dass die Mindesteinschraubtiefe des MUBUX®-MO mindestens der Laminatdicke entsprechen muss, um die Schraubenbruchkraft zu über tragen. Mit dieser konstruktiven Empfehlung kann der Konstrukteur eine erste Grobauslegung einer lösbaren Krafteinleitung mit MUBUX®-MO durchführen. Abbildung 6: Ergebnisse der Auszugsversuche von MUBUX®-Gewindeeinsätzen in unidirektionalen CFK-EP-Proben (nach [4]). Zugkraft Spalten des Laminats Abbildung 7: Repräsentatives Versagensbild eines UD-Laminats bei zu geringer Ein schraubtiefe (nach [4]). 8 3. Zusammenfassung In dieser Untersuchung wurde die statische Ausreißkraft von MUBUX®-Gewindeeinsätzen untersucht. Hierzu wurden Ausreiß versuche an unidirektionalen und quasiisotropen Laminaten in Abhängigkeit der Laminatdicke durchgeführt. Es hat sich gezeigt, dass die Laminatdicke einen entscheidenden Einfluss auf die Versagenskraft aufweist. Aus den Versuchen kann geschlussfolgert werden, dass eine lös bare Krafteinleitung mit MUBUX® bis zur Bruchkraft einer Schraube der Festigkeitsklasse 8.8 dimensioniert werden kann. Hierzu ist die konstruktive Empfehlung einzuhalten, dass die Laminatdicke größer als der Schraubennenndurchmesser zu wählen ist. Zur betriebssicheren Auslegung einer lösbaren Schraubenverbindung sind jedoch noch weitere Mechanismen wie Kriechen und Relaxieren, Temperatureinsatzgrenzen, elektrochemische Korrosion und dynamische Lastwechselspiele zu berücksichtigen. Eine Dimensionierung allein mit der statischen Bruchlast ist nicht ausreichend, sie bietet jedoch einen ersten Anhaltspunkt zur Auswahl einer Mindestlaminatdicke. Der Konstrukteur hat mit diesen Ergebnissen nun ein einfaches Werkzeug zur Grobauslegung einer lösbaren Schraubenverbindung mit MUBUX®-MO zur Hand. 9 4. Literaturverzeichnis [1] Bleier, A.: Prüfverfahren zur Bestimmung exakter Kennwerte einer unidirektionalen Schicht unter besonderer Berücksichtigung physikalischer Nichtlinearitäten, TU-Darmstadt, Dissertation D17, Shaker Verlag, 2012 [2] Bleier, A.: Sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von CFK im Maschinenbau. Whitepaper, www.karlmayer-composites.com, 2012 [3] Kerb-Konus: Kerb-Konus-Vertriebs-GmbH www.kerbkonus.de/proddb/pdfframe.php?pdf=de. ds.20.9700&lang=de , abgerufen am 17.08.2015 [4] Edelmann, M.: Analyse und Dimensionierung von metallischen Gewindeinserts zur Realisierung lösbarer Schraubverbindungen in FKV-Bauteilen, Hochschule Mannheim, Master arbeit, 2013 [5] OmniTECHNIK: OmniTECHNIK Mikroverkapselungs GmbH, URL: www.precote.com, abgerufen am 17.08.2015 [6] Schürmann, H.: Konstruieren mit Faser-Kunststoff-Verbunden. Berlin Heidelberg New York: Springer-Verlag, 2. bearbeitete und erweiterte Auflage, 2007 [7] Richtlinie VDI 2230, Blatt 1: Systematische Berechnung hochbeanspruchter Schraubenverbindungen – Zylindrische Einschraubenverbindungen, Dezember 2014 [8] Richtlinie VDI 2230, Blatt 2: Systematische Berechnung hochbeanspruchter Schraubenverbindungen – Mehrschraubenverbindungen, Dezember 2014 KARL MAYER Composite Parts KARL MAYER Textilmaschinenfabrik GmbH Brühlstraße 25 63179 Obertshausen Germany Phone: +49 6104 402 1867 Fax: +49 6104 402 731867 E-Mail: [email protected] Web: www.karlmayer-composites.com 10 We-A-1064 1/03/12/2/08/15
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