Burkhard Werthe Das überelastische Anziehen von Schraubverbindungen Bereits 1948 gab es die ersten dokumentierten Anwendungen von überelastischen Schraubenmontagen in der Motorenfertigung der Firma Deutz in Köln. Auch in den USA kommt die überelastische Schraubenmontage im Stahlbau schon seit 1955 vereinzelt zur Anwendung, beispielsweise um Nieten im Brückenbau durch Schrauben zu ersetzen. Die Notwendigkeit, hohe und gleichmäßigere Vorspannkräfte zu erzielen, war der Auslöser, das drehmomentgesteuerte Verfahren durch zusätzliches Aufbringen eines Drehwinkels zu ergänzen. Dabei wird die erzielte Klemmkraft einer Schraubenverbindung nicht mehr von dem aufgebrachten Drehmoment bestimmt, sondern im Wesentlichen durch den Gewinde-Nenndurchmesser, die Festigkeit der Schraube sowie die Gewindereibung. Die Genauigkeit der aufzubringenden Montageparameter Drehmoment und Drehwinkel hat bei richtiger Auslegung nur noch einen sekundären Einfluss auf das Endergebnis. 1974 wurde in den USA ein streckgrenzgesteuertes Anziehverfahren vorgestellt, das im Gegensatz zu einem 1972 von Daimler patentierten Verfahren auch praktisch anwendbar war. Schnell zeigte sich, dass dieses Verfahren den bisherigen Anziehmethoden überlegen war. Einzelheiten werden im Vortrag vorgestellt, dabei wird auch auf mögliche Störungen im Montageablauf eingegangen. Zur gleichen Zeit kommt bei Volkswagen das drehwinkelgesteuerte Anziehen der Zylinderkopfverschraubung im überelastischen Bereich mit einer neu entwickelten Ganzgewindeschraube M11 der Festigkeitsklasse 9.8 am Golfmotor zum Serieneinsatz. Wenig später wird an weiteren Motoren auf eine überelastische Montage des Zylinderkopfs umgestellt. Viele wichtige Motorverschraubungen wie Pleuel, Lagerdeckel, Schwungrad und Zentralschraube folgen. Nach den Erfolgen im Motorenbau war die logische Konsequenz, die überelastische Schraubmontage auch an Getrieben und dann in den 80er Jahren nach weiterer Überzeugungsarbeit endlich im Fahrzeugbau bei hochbeanspruchten und lebenswichtigen Schraubverbindungen einzuführen. Heute wird je nach Fahrzeugtyp und Ausstattung an mehr als 30 wichtigen Fahrzeug- und Aggregateverschraubungen mit mehr als 80 Schrauben überelastisch montiert. Seit einigen Jahrzehnten praktizieren alle Fahrzeughersteller überelastische Schraubmontagen, vorwiegend an Aggregaten. Bei den meisten PKW-Herstellern - auch in Japan - hat sich die 1974 ursprünglich bei Volkswagen entwickelte M11-Ganzgewindeschraube in geometrisch unterschiedlichsten Formen für die Zylinderkopfverschraubung durchgesetzt. Die heutigen Hochleistungsmotoren wären ohne überelastisch ausgeführte Verschraubungen nicht realisierbar. Dennoch begrenzt sich in der Welt der Schraubverbindungen die überelastische Schraubenmontage auf einen doch sehr kleinen Umfang. Außer in der Automobilindustrie und bei Aggregateherstellern sowie vereinzelten Stahlbauanwendern (vorwiegend in den USA) wird dieser Methode im Bereich der übrigen Anwendungen Respekt, aber auch Misstrauen entgegengebracht. Vielfach sind falsche, auch durch abenteuerliche Berichte im Netz geprägte Meinungsbilder Ursache dieses Verhaltens. Leider verwirren auch einige sehr theoretische Abhandlungen von Hochschulen oder Instituten mögliche Anwender, da oft von teuren Voruntersuchungen sowie aufwendigen Montagewerkzeugen ausgegangen wird, die einen Einsatz unwirtschaftlich erscheinen lassen. Der Autor hat durch Grundsatzuntersuchungen, zahlreiche Messreihen, Berechnungen und Berichte wesentlich dazu beigetragen, das überelastische Anziehen als Serienmontage in der Automobilindustrie einzuführen. Er möchte mit seinem Vortrag Vorurteile ausräumen, einfache Montagemöglichkeiten aufzeigen und dazu animieren, dieses Verfahren vermehrt einzusetzen. Dabei wird erklärt, wie einfach drehwinkelgesteuerte Montagen durchführbar sind und was bei der Verbindungsauslegung zu beachten ist. Dazu werden auch die notwendigen geometrischen und werkstofflichen Voraussetzungen der Schrauben und Muttern behandelt. 1 Geburtsdatum 1.10.1946 1964-1968 Studium der Elektrotechnik 1968 18 Monate Wehrpflicht (Zeitweise als Funkmechaniker betraut mit der Leitung und Beaufsichtigung der Funk-Fernmeldewerkstatt) 1970 Laborsachbearbeiter für elektronische Messtechnik und Fahrzeugelektronik im VW-Nutzfahrzeug und Motorenwerk Hannover 1983 Fachreferent Fahrzeugelektrik/Elektronik, Messtechnik u. Verschraubungstechnik 1995 Leitung der VWN- QS-Markenlabore (AT im Management) 1999 Zusätzlich Leitung des Volkswagen KonzernKompetenzzentrums Verschraubungstechnik 2009 Ruhestand 2
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