Burnout - GFO Kliniken Bonn

Burnout ­ ein psychosomatisches Beschwerdebild Michael Langenbach „Was wir aufbauen, sind unsere Talente und Fähigkeiten, was wir einbringen, sind Überstunden für ein Minimum an finanziellem Ausgleich. Wir arbeiten zu viel, zu lange und zu intensiv. Wir fühlen einen inneren Druck zu arbeiten und zu helfen, und wir fühlen einen Druck von außen zu geben ... Aber genau wegen dieses Engagements tappen wir in die Burnout­Falle“ (Freudenberger 1974, nach Beschoner et al. 2009). Das Phänomen „Burnout“ findet in den letzten Jahren eine besondere mediale Aufmerksamkeit: Printmedien und Fernsehen berichten darüber in häufigen Beiträgen, die medizinischen Fachzeitschriften widmen sich regelmäßig dem Thema, und das Psychotherapeutenjournal „Psychotherapie im Dialog“ hat dem Burnout 2009 sogar ein Sonderheft gewidmet. Im Internet lassen sich zum Schlagwort Burnout fast 1,5 Millionen deutschsprachige Seiten nachweisen. Dies hängt wahrscheinlich mit der Tatsache zusammen, dass sich in der heutigen Arbeitswelt mit ihren erheblichen Anforderungen an Rationalisierung und immer besseres Zeitmanagement viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend „ausgebrannt“ fühlen (Wilms & Borcsa 2009). Termindruck, Multitasking, Efficiency‐Management und mangelnde Anerkennung des Geleisteten stellen erhebliche Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz dar, zumal in prekären, häufig kurzfristigen Arbeitsverhältnissen, die eine gesunde „Work‐Life‐Balance“ in Schieflage bringen können (BAuA 2008). Die Häufigkeit von Burnout in verschiedenen Berufen ist schwer zu messen; es gibt Hinweise, dass Richter und Staatsanwälte zu fast 50% über Burnout‐Symptome berichten (Tsai & Chan 2010), bei Lehrern (Unterbrink et al. 2007), Ärzten (Cole & Carlin 2009) und Pflegeberufen (86%: Mealer et al. 2010) lassen sich ebenfalls häufig Burnout‐Beschwerden finden. Es gibt keine entsprechende Krankheitskategorie mit klaren diagnostischen Kriterien (z. B. im Klassifikationssystem der ICD‐10), auf psychiatrischen und psychosomatischen Fachkongressen wird aber über eine dem Burnout zuzuordnende diagnostische Kategorie diskutiert. Gemäß ICD‐10 kann Burnout lediglich als Gesundheitsstörung („Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“) unter dem Schlüssel Z73.0 („Ausgebranntsein“) kodiert werden. Der Begriff „burn‐out“ wurde 1974 geprägt von dem Psychoanalytiker Herbert Freudenberger, der in einem Zeitschriftenartikel die wesentlichen Symptome des burnout‐Syndroms anhand einiger Fälle aus der Arbeitswelt der helfenden Berufe (Ärzte, Pflegepersonal, Lehrer, Erzieher) beschrieb und diesem Phänomen 1980 ein ganzes Buch widmete. Er verstand unter burn‐out eine chronische Anpassungsreaktion infolge dauernden Stresses am Arbeitsplatz, bei dem eine hoher Idealismus , starke Identifikation mit den Zielen der Arbeit und eine hohe Erwartungshaltung den Ergebnissen der eigenen Arbeit gegenüber mit hoher Arbeitsbelastung und unsicheren Arbeitsergebnissen im Konflikt stehen (Dech 2009). Burnout ist wie Stress oder Krise begrifflich bis heute nicht eindeutig gefasst; es gibt keine einheitlich verbindliche Definition. Übereinstimmend wird als Hauptsymptom ein geistiger, körperlicher und psychischer Erschöpfungszustand angegeben, der durch Belastungen am Arbeitsplatz ausgelöst wird. Nach einer heute gängigen syndromalen Beschreibung versteht man unter Burnout eine länger anhaltende affektive Reaktion auf kontinuierliche emotionale und interpersonelle Stressbelastungen im Beruf, die durch drei Kernsymptome gekennzeichnet ist:  Erschöpfung (Gefühl, körperlich und psychisch entkräftet zu sein)  Zynismus (distanziert‐gleichgültige Einstellung der Arbeit, den Kollegen und Kunden gegenüber)  Ineffektivität (Gefühl beruflichen Versagens, Verlust des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten) (Maslach, Schaufeli & Leiter 2001). Die Symptome des Burnout sind differentialdiagnostisch oft nur schwer von anderen psychischen oder psychosomatischen Erkrankungsbildern abzugrenzen. Als Ursachen werden persönlichkeitsbedingte, sozial‐, arbeits‐ oder/und organisationspsychologische Aspekte diskutiert (Beschoner et al. 2009). Burnout‐Beschwerden sind auch wegen der möglichen nicht zu unterschätzenden medizinischen und ökonomischen Folgen ernst zu nehmen. Medizinische Folgezustände können Anpassungsstörungen, Depressionen und psychosomatische Störungen sein. Gerade mit Depressionen und psychosomatischen Störungen ergeben sich zum Teil erhebliche Überschneidungen beim Burnout‐Syndrom, die die diagnostische Abgrenzung erschweren. Dies ist ein wichtiger Grund, dass die Diagnostik des Burnouts in die Hand des erfahrenen Klinikers gehört (Beschoner et al. 2009). Es gibt keine objektiven Parameter oder „Burnout‐Tests“, die eine allgemein anerkannte Diagnose des Burnouts erlauben würden. Es stehen allerdings eine Reihe von Fragebögen zur Verfügung, darunter das Maslach Burnout Inventar (MBI, Maslach & Jackson 1996) und das Shirom‐Melamed‐Burnout‐Measure (SMBM, Shirom 2003). Letzteres steht in einer deutschen Fassung für jeden zum Selbsttest zugänglich auf einer Seite des Forschungsbereichs Klinische und Soziale Psychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich: www.fzkwp.uzh.ch/ZEP/Burnout.html . Dieser Test versteht Burnout als Ergebnis des kontinuierlichen Aufbrauchens der Energie‐ und Bewältigungsressourcen einer Person und ergibt einen individuellen Wert, der vor Burnout warnt. Eine Reihe von Verfahren zur Therapie und Prävention des Burnout werden empfohlen, darunter Entspannungsübungen (wie Autogenes Training und Progressive Muskelrelaxation), Selbstsicherheitstraining, Selbstwahrnehmungsübungen und Psychoedukation. Bei klinisch relevanten Symptomen sollte zur Vermeidung einer schwerwiegenden Chronifizierung eine ambulante, teilstationäre oder stationäre psychosomatisch‐psychotherapeutische Therapie eingeleitet werden (Beschoner et al. 2009). Mögliche präventive Maßnahmen umfassen Supervisionsgruppen für gefährdete Berufe (Ärzte, Krankenschwestern, Lehrer), Selbstwahrnehmungsübungen, Entspannungsverfahren, Jobrotationen, verstärktes Delegieren von Aufgaben, gesunde und ausgleichende Lebensführung und ggflls. Arbeitsplatzwechsel (Beschoner et al. 2009). Literatur: BAuA Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2008) Psychische Belastung und Beanspruchung im Berufsleben: Erkennen – Gestalten. Bremerhaven: Wirtschaftsverlag NW. Beschoner P, Schönfeldt‐Lecuona C, Braun M, Pajonk FG (2009) Eine psychiatrisch‐
psychotherapeutische Perspektive. PiD 10: 215‐221. Cole TR, Carlin N (2009) The suffering of physicians. Lancet. 24; 374(9699): 1414‐1415. Dech H (2009) Sozialmedizinische Aspekte von Burnout‐Syndromen und psychosoziale Gesundheitsförderung als neuer Ansatz der Prävention. PiD 10: 209‐214. St.-Marien-Hospital • Abteilung • Robert-Koch-Straße 1 • 53115 Bonn Venusberg • Telefon: +49 (0)228 505-xxxx • Telefax: +49 (0)228 505-2019
Freudenberger HJ (1974) Staff burn‐out. Journal of Social Issues 30: 159 – 165. Freudenberger HJ & Richelson G (1980) Burn‐out: the high cost of high achievement. Garden City, NY: Anchor Press. Maslach C, Jackson SH (1996) Maslach Burnout Inventory Manual. 3.Aufl. Palo Alto: Consulting Psychologists Press. Maslach C, Schaufeli WB, Leiter MP (2001) Job burnout. Annu Rev Psychol 52: 397‐422. Mealer M, Burnham EL, Goode CJ, Rothbaum B, Moss M (2009) The prevalence and impact of post traumatic stress disorder and burnout syndrome in nurses. Depress Anxiety. 26: 1118‐1126. Shirom A (2003) Job‐related burnout. In Quick JC & Tetrick LE (Hrsg.) Handbook of occupational health psychology. Washington, DC: American Psychological Association, 245‐265. Tsai FJ, Chan CC (2010) Occupational stress and burnout of judges and procurators. Int Arch Occup Environ Health 83: 133‐142. Unterbrink T, Hack A, Pfeifer R, Buhl‐Griesshaber V, Müller U, Wesche H, Frommhold M, Scheuch K, Seibt R, Wirsching M, Bauer J (2007) Burnout and effort‐reward‐imbalance in a sample of 949 German teachers. Int Arch Occup Environ Health 80: 433‐441. Wilms B, Borcsa M (2009) Mode, Macke oder? PiD 10: 199‐200.