Weitere Informationen zum Unternehmensspiegel Ostschweiz

«Mitarbeitende kann man nicht
zwingen, sondern nur gewinnen»
Der siebte Unternehmensspiegel Ostschweiz beleuchtete die
Bedeutung der Mitarbeitenden für den Unternehmenserfolg. In
Teufen präsentierte und diskutierte Prof. Dr. Roland Waibel von
der FHS St.Gallen, welche Rolle Befähigung und Vertrauen bei
der Motivation der Mitarbeitenden spielt.
Mitarbeitende würden jeden Tag aufs Neue entscheiden, ob sie ihr Bestes geben,
erklärt Prof. Dr. Roland Waibel, Leiter des Instituts für Unternehmensführung an
der Fachhochschule St.Gallen (FHS). Diese Bereitschaft sei von verschiedenen
Faktoren abhängig: Ob der Mitarbeitende das Vertrauen der Vorgesetzten
geniesse, über Autonomie und Entscheidungskompetenzen verfüge, um seine
Arbeit auszuführen, und ob der Mitarbeitende von seinen Vorgesetzten
Wertschätzung erfahre. All dies sei für den Unternehmenserfolg notwendig, so
Roland Waibel, denn Mitarbeitende seien die nachhaltigste Quelle des Erfolges:
„Ohne die Mitarbeitenden geht nichts.“ Die Appenzellerland-Ausgabe des
Unternehmensspiegels Ostschweiz fand am 23. Marz 2016 in Teufen vor 250
Personen statt.
Wie du mir, so ich dir
Damit Mitarbeitende ihrer Arbeit motiviert nachgehen, seien zwei Aspekte
notwendig, erklärt Roland Waibel: Selbstbestimmung und sich selber als
kompetent und wirksam zu erleben. Voraussetzung für Motivation ist es demnach,
dass die Mitarbeitenden befähigt werden. Sie müssen handlungsfähig sein, was
voraussetzt, dass Verantwortung, Aufgaben und Kompetenzen im Gleichgewicht
sind. Insbesondere Kompetenzen würden nur ungerne delegiert, weil dies mit
Macht- und Kontrollverlust assoziiert werde, so der Leiter des IFU-FHS.
Umfassende Kontrolle sei jedoch oft eine Illusion, insbesondere bei sehr
anspruchsvollen Aufgaben und bei Wissensarbeitern: „Der Mitarbeitende weiss
meist besser als der Vorgesetzte, was zur Ausführung einer Arbeit notwendig ist
und wieviel er schon geleistet hat. Bei dieser asymmetrischen
Informationsverteilung ist eine Kontrolle mit vernünftigem Aufwand nur schwer
herzustellen“. Roland Waibel schlägt deswegen vor, auf die vielen konstruktiven
Personen einer Firma zu fokussieren und diese konsequent zu ermächtigen, also
zu den Aufgaben alle notwendigen Kompetenzen zur umfassenden
Handlungsfähigkeit zu delegieren. Damit zeige man dem Mitarbeitenden sein
Vertrauen, was wiederum ein Teil der gelebten Wertschätzung gegenüber den
Angestellten sei. Hinsichtlich Vertrauen soll der Vorgesetzte in die Vorleistung
gehen. Dadurch würden sich viele Mitarbeitende moralisch verpflichtet fühlen,
diese Vorleistung reziprok zurückzugeben: Wie du mir, so ich dir.
„Als Unternehmensführer sollte man Menschenfreund sein“
An vier Beispielen zeigte Roland Waibel auf, wie Appenzeller Unternehmen die
Mitarbeitenden ins Zentrum stellen. Bei der Paul Grunder AG in Teufen können die
Mitarbeitenden die Jahresarbeitszeit selber einteilen und erfassen. Es gibt eine
Woche zusätzliche Ferien über Weihnachten: „Als Unternehmensführer sollte man
Menschenfreund sein“, ist Paul Grunder überzeugt. Bei der Sport Baumann AG in
Appenzell setzt man auf Befähigung der Mitarbeitenden, unterstützt sie in der
permanenten Weiterbildung und drückt mit gemeinsamen Anlässen Wertschätzung
aus. Die Blumer Schreinerei AG in Waldstatt setzt auf einen kooperativen
Führungsstil mit einer offenen Fehlerkultur, die gemeinsames Lernen ermöglicht.
Im Hof Weissbad sieht man die Mitarbeitenden als Mitunternehmer und lebt das
Credo, dass zufriedene Mitarbeitende eine Voraussetzung für zufriedene Gäste
sind.
Der Chef als Vorbild
In zwei Diskussionen wurde das Thema vertieft, unter anderem stellte Prof. Dr.
Sebastian Wörwag, Rektor der FHS, die Frage, ob es einen Appenzeller
Führungsstil gebe. Adrian Künzli, Präsident Gewerbeverband Appenzell
Ausserrhoden, beschreibt diesen als nicht hierarchisch und funktional. Dies
wiederspiegelt sich in der Beschreibung von Ueli Manser, Direktor Appenzeller
Kantonalbank, der von kurzen Wegen spricht und Diskussionen auf Augenhöhe.
Das funktioniere gut, weil jeder wisse, wer der Chef sei, wenn es denn darauf
ankomme.
Albert Manser, Präsident Gewerbeverband Appenzell Innerrhoden, und Dr. Adrian
Eichrodt, CEO der GEOINFO Gruppe in Herisau, betonten beide die Bedeutung
des Vertrauens. Manser meinte, dass dieses notwendig sei, weil gar nicht alles
kontrolliert werden könne. Eichrodt strich heraus, dass Vertrauen ein
Grundelement jeder Beziehung sei. Bezüglich Motivation bedient er sich einer
Metapher: Eine Führungskraft sei wie ein Dirigent. Der könne zwar rumfuchteln,
aber er brauche den Einsatz der Mitarbeitenden, um den Chor zum Erklingen zu
bringen. Die Funktion des Vorgesetzten sieht er in der Steuerung des Chors und
darin, das Potential von Mitarbeitenden zu erkennen und das Maximum
herauszuholen. Motivierend sei es auch, so Ueli Manser, wenn der Chef als gutes
Vorbild vorausgehe. Was auch Franz Fässler, Inhaber der Metzgerei Fässler AG in
Appenzell lebt: „Das Einzige woran man erkennt, dass ich der Chef bin, ist, dass
mein Hemd etwas sauberer ist als dasjenige der Mitarbeitenden.“ Als Lehrmeister
des Jahres 2015 pflegt er das Arbeitsklima bewusst, beispielsweise indem das
ganze Team zusammen Zmorge und Zmittag isst.