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Mitarbeiter/innen bevollmächtigen
Seppi Scholler hat immer wieder Gespräche mit großen und kleinen Unternehmen aus dem Trendsportbereich und dem
Sportartikelhandel. Dabei trifft er entweder Eigentümer bzw. Gesellschafter der Unternehmen oder aber Mitarbeiter/innen,
die mit besonderen Vollmachten ausgestattet sind. Diese Mitarbeiter/innen können bestimmte Entscheidungen selbstständig treffen – je nachdem, mit welcher Art von Vollmacht sie ausgestattet sind.
Prokura: berechtigt dazu, das Unternehmen in allen Belangen zu vertreten, die der Betrieb irgendeines Unternehmens mit sich bringt. Die Prokura ist die umfassendste Vollmacht und kann nur von einem Unternehmer erteilt werden, der ins Firmenbuch eingetragen ist.
Generalhandlungsvollmacht: berechtigt dazu, alle Geschäfte durchzuführen, die der
Betrieb eines bestimmten Unternehmens gewöhnlich mit sich bringt. Vollmachten
können auch von Unternehmern erteilt werden, die nicht im Firmenbuch eingetragen
sind. Auch Prokuristinnen und Prokuristen können Vollmachten erteilen.
Artvollmacht: berechtigt zur Durchführung einer bestimmten Art
von Geschäften (z. B. dem Einkauf von Handelswaren).
Spezialvollmacht: berechtigt nur zur Durchführung einer bestimmten Handlung (z. B. zum Abschluss eines bestimmten Geschäfts). Mit einer Spezialvollmacht könnten auch Tätigkeiten durchgeführt werden, die bei der
Prokura ausgeschlossen sind.
1 Die Prokura
Die Prokura ist die umfangreichste Vollmacht und muss ausdrücklich (schriftlich oder mündlich) erteilt werden.
Die Prokura ist eine
� im Firmenbuch eingetragene,
� in ihrem Umfang gesetzlich festgelegte,
� unbeschränkte Vollmacht,
� die nur ein Unternehmer erteilen kann, der ins Firmenbuch eingetragen ist.
Wird jemandem die Prokura erteilt, kann er/sie das Unternehmen in allen Belangen (Kauf, Verkauf, Klage) vertreten, die der
Betrieb irgendeines Unternehmens mit sich bringt. Der Tätigkeitsbereich des Unternehmens spielt dabei keine Rolle. So
kann der Prokurist eines Getränkeherstellers große Mengen an Snowboardbekleidung bei Seppi Scholler kaufen, obwohl
das nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens gehört.
Das Gesetz sieht aber auch Einschränkungen für Prokuristinnen und Prokuristen vor. Diese dürfen nicht
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Grundstücke verkaufen oder belasten (= einen Kredit aufnehmen und das Grundstück als Sicherheit geben),
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das Unternehmen verkaufen oder schließen (einstellen),
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die Prokura weitergeben (andere Vollmachten dürfen erteilt werden),
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Gewerbeanmeldungen vornehmen,
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Anmeldungen zum Firmenbuch durchführen oder
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den Jahresabschluss unterzeichnen.
Prokuristinnen und Prokuristen unterzeichnen mit dem Zusatz „ppa.“ (per procura) und ihrem Namen.
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© Österreichischer Bundesverlag Schulbuch GmbH & Co. KG, Wien 2014 | www.oebv.at | Wirtschaft gestalten 2| Alle Rechte vorbehalten.
Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen Unterrichtsgebrauch gestattet. Autoren: Johannes Lindner, Gerald Fröhlich
Innerhalb des Unternehmens (im Innenverhältnis) kann die Prokura eingeschränkt werden. Das bedeutet, dass man
einem Prokuristen/einer Prokuristin z. B. vertraglich untersagen kann, einen Kredit aufzunehmen. Gegenüber anderen (Dritten) ist diese Einschränkung ungültig, weil sie ja nur im Innenverhältnis gilt. Ein Kreditvertrag kann also zu Stande kommen.
Entsteht dem Unternehmen dadurch ein Schaden, kann man diesen vom Prokuristen/von der Prokuristin zurückverlangen
(und seinen/ihren Job wird er/sie vermutlich auch los sein).
Eine Prokura kann jederzeit wieder durch den Unternehmer/die Unternehmerin, der/die die Vollmacht erteilt hat, entzogen
werden. Sie erlischt bei Kündigung durch die Prokuristin/den Prokuristen und auch, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig wird (Konkurs).
Prokuristinnen und Prokuristen können auf folgende Arten für das Unternehmen tätig werden:
ein/e Prokurist/in
vertritt das
Unternehmen
alleine
mehrere
Prokuristinnen und
Prokuristen vertreten
gemeinsam das
Unternehmen
ein/e Prokurist/in
vertritt gemeinsam mit
einem geschäftsführenden Gesellschafter oder
Mitglied des Vorstands
das Unternehmen
Einzelprokura
Gesamtprokura
gemischte
Prokura
ein/e Prokurist/in
kann das Unternehmen
bei allen in einer Filiale
anfallenden Geschäften
vertreten
Filialprokura
Arten der Prokura
Aufgabe
Arbeitsaufgabe 1: Prokura
Analysieren Sie die Bekanntmachung aus dem Firmenbuch hinsichtlich der Löschung bzw. Erteilung der Prokura (PR).
Welche Art von Prokura liegt hier vor?
Quelle: www.edikte.justiz.gv.at
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2 Die Handlungsvollmacht
Seppi Scholler hat das Ziel, mit seinem Unternehmen Love Distribution Arbeitsplätze zu schaffen. Als ins Firmenbuch eingetragener Unternehmer (Rechtsform Einzelunternehmen) kann er eine Prokura erteilen. Er hat aber auch die Möglichkeit,
andere – nicht so umfangreiche – Vollmachten zu erteilen. Diese werden als Handlungsvollmachten bezeichnet.
Handlungsvollmachten werden
� nicht ins Firmenbuch eingetragen und
� können unabhängig von der Eintragung ins Firmenbuch erteilt werden.
� Handlungsvollmachten müssen nicht ausdrücklich erteilt werden.
� Sie können jederzeit vom Unternehmer/der Unternehmerin oder von einem Prokuristen/einer Prokuristin widerrufen werden.
Handlungsvollmachten können mit einem unterschiedlichen Umfang erteilt werden:
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Generalhandlungsvollmacht:
Mit einer solchen Handlungsvollmacht können
grundsätzlich alle Tätigkeiten durchgeführt werden, „die der Betrieb eines
derartigen Unternehmens oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt“ (§ 54 UGB). Das bedeutet, dass Handlungsbevollmächtigte
im Unternehmen von Seppi Scholler z. B. Textilien einkaufen dürfen (das ist für
sein Unternehmen typisch). Es wäre aber nicht erlaubt, für das Unternehmen
Aktien zu kaufen – das wäre für sein Unternehmen untypisch.
Generalhandlungs­vollmacht
Artvollmacht
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Soll
die Vollmacht auf eine bestimmte Art von Geschäften (z. B. ausschließlich
den Vertrieb) beschränkt werden, spricht man von einer Artvollmacht.
Spezialvollmacht
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Für einzelne Fälle können auch Spezialvollmachten erteilt werden. Dies ist z. B.
der Fall, wenn ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin ausnahmsweise eine Entscheidung über den Kauf eines neuen Firmenautos treffen kann.
Handlungsbevollmächtigte dürfen nicht:
 Wechselverbindlichkeiten eingehen (= einen
alles, was Prokuristinnen und
Prokuristen nicht dürfen
Wechsel akzeptieren)
 Darlehen für das Unternehmen aufnehmen
 das Unternehmen vor Gericht vertreten
(Prozessführung)
außer
diese Befugnis wurde besonders erteilt
(Spezialvollmacht)
Handlungsbevollmächtigte unterschreiben mit dem Zusatz „i. V.“ (in Vertretung) oder „i. A.“ (im Auftrag).
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Unterschiede zwischen der Prokura und der Handlungsvollmacht
Prokura
Handlungsvollmacht
Darf erteilt werden in …
… im Firmenbuch eingetragenen Unter- … allen Unternehmen.
nehmen.
Darf erteilt werden …
… nur vom Unternehmer/von der Unter- … vom Unternehmer/von der Unternehmenehmerin.
rin, von Prokuristinnen und Prokuristen oder
anderen Handlungsbevollmächtigten.
Wird erteilt …
… ausdrücklich (schriftlich oder münd- … ausdrücklich oder durch schlüssige
lich).
Handlung.
Muss ins Firmenbuch …
… eingetragen werden.
Umfasst …
… alle Handlungen, die der Betrieb ir- … Handlungen, die der Betrieb des betrefgendeines Unternehmens mit sich fenden Unternehmens gewöhnlich mit
bringt.
sich bringt.
Kann nach außen …
… nicht eingeschränkt werden.
… nicht eingetragen werden.
… eingeschränkt werden. Die Einschränkung ist aber nur wirksam, wenn der Dritte die Beschränkung kannte oder kennen
musste.
Die Übertragbarkeit der … ist nicht möglich.
Vollmacht …
Aufgabe
… ist mit Zustimmung des Vertretenen (Unternehmer/in, Prokurist/in, andere Handlungsbevollmächtigte) möglich.
Arbeitsaufgabe 2: Vollmachten im Unternehmen
Entscheiden Sie, ob die folgenden Aussagen richtig sind bzw. ob die Personen zum Abschluss der angeführten Geschäfte berechtigt waren. Begründen Sie Ihre Entscheidung.
Situation
Richtig
Falsch
Begründung
a) Chen Wang ist Besitzer eines kleinen Standes auf einem Markt und ist nicht ins Firmenbuch eingetragen. Er hat Liang Fu die
Prokura erteilt.
b) Wilfried Willau ist Handlungsbevollmächtigter der BALKA Flaschenverschluss GmbH
(Produktion von und Handel mit Flaschenverschlüssen). Er behauptet, dass er ins Firmenbuch eingetragen wurde.
c) Tanja Bjelic ist Prokuristin der BALKA Flaschenverschluss GmbH. Sie erzählt, dass
sie für ihr Unternehmen ein Grundstück
gekauft hat.
d) Wilfried Willau meint daraufhin, dass er
als Generalhandlungsbevollmächtigter das
Dar­lehen für den Grundstückskauf aufgenommen hat.
e) Wilfried Willau hat als Generalhandlungsbevollmächtigter der BALKA Flaschenverschluss GmbH einen Container Teak-Möbel
aus Indonesien gekauft.
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