Gefährliche Impflücken – nicht nur bei Kindern

BRENNPUNKT ARZNEI
Jahrg. 20, Nr. 2 | Juli 2015
Pharmakotherapie
Rationale und rationelle Pharmakotherapie in der Praxis
Masernausbruch in Berlin
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Gefährliche
Impflücken – nicht
nur bei Kindern
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STANDPUNKT
NACHRICHTEN
FORSCHUNG UND PRAXIS
Ezetimib: Blockbuster immer noch
ohne überzeugenden Nutzen
Metformin: auch bei
eingeschränkter Nierenfunktion
Schlaganfall: Risikoreduktion
durch Folsäure?
EDITORIAL
Biosimilars:
Wirtschaftliches Potenzial
ist enorm
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,
Hinweis KVH –
Brennpunkt Arznei
Die vorliegende
Publikation „KVH –
Brennpunkt Arznei“ ist
ein Informationsangebot
zur rationalen und
rationellen Pharmakotherapie in der Praxis.
Sie wird herausgegeben
und mit freundlicher
Genehmigung zur
Verfügung gestellt von
der Kassenärztlichen
Vereinigung Hessen.
Die enthaltenen Beiträge geben die Auffassung
der Verfasser bzw. der
Redaktion wieder.
Aufgrund der regionalen
Unterschiede können
nicht alle Inhalte auf die
Gegebenheiten in
Hamburg übertragen
werden. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit
der Angaben kann keine
Gewähr übernommen
werden.
Biologika (Biologicals) sind hochkomplexe Arzneimittel, die gezielt in Vorgänge im Körper des Menschen
eingreifen. Sie umfassen unter anderem Gerinnungsfaktoren, Hormone, hämatopoetische Wachstumsfaktoren, Interferone, monoklonale Antikörper und TNF-Inhibitoren. Sie sind extrem teuer. So kann die
Therapie der rheumatoiden Arthritis mit einem TNF-Inhibitor 50.000 Euro pro Jahr kosten. Der TNF-Inhibitor
Adalimumab ist in Deutschland das umsatzstärkste Arzneimittel.
Zunehmend gibt es bei den Biologika Biosimilars als Nachfolgeprodukte von diesen, nachdem der
Patentschutz abgelaufen ist. Sie werden aber nur sehr zögerlich und unzureichend verordnet. Einer der
Haupteinwände gegen den Einsatz der Biosimilars ist, dass sie sich als Molekül eindeutig vom Molekül des
Originalpräparats unterscheiden würden und damit nicht vergleichbar seien. Dies ist formal richtig,
deswegen heißen sie auch Biosimilars und nicht Bioidenticals. Der Grund ist, dass sie in hochkomplexen
biologischen Herstellungsprozessen zu chemisch gering differierenden Molekülen führen, ohne dass dies
auf die Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels überhaupt eine Auswirkung hat. Selbst Originalpräparate weisen Unterschiede im Molekül zwischen einzelnen Chargen auf.
Für die Biosimilars gibt es bei der EMA ein spezielles, sehr strenges Zulassungsverfahren, das die vergleichbare Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit gegenüber dem Originalpräparat überprüft und bewertet. Die AkdÄ hat
aufgrund dieser hohen Anforderung bei der Zulassung der Biosimilars diese als
den Originalpräparaten gleichwertig bezeichnet und daher können sie wie das
Originalpräparat am Beginn einer Behandlung problemlos eingesetzt werden.
Bei 6 Milliarden Euro Kosten für Biologika im Jahr 2014 sind nur 80 Millionen
Euro Kosten auf Biosimilars entfallen.
2015 läuft der Patentschutz für Biologika in Höhe von 1,34 Milliarden Euro
aus. Dass wir uns bei den Biologika und ihren hohen Kosten das Wirtschaftlichkeitspotenzial der definitiv gleichwertigen Verordnung von Biosimilars
entgehen lassen, ist weder rational noch rationell.
Ihr Dr. med. Wolfgang LangHeinrich
KOMMENTAR
IN EIGENER SACHE
Das Layout jedes Magazins kommt irgendwann in die Jahre. Auch für uns war
es an der Zeit, dem KVH-Informationsdienst ein frisches, modernes Gesicht zu
geben. Mit der neuen Gestaltung wollen wir Ihnen mit unseren nach wie vor
kritischen und informativen Beiträgen mehr Lesekomfort, Übersichtlichkeit
und Services für Sie und Ihre Praxis bieten. Dazu gehören die KVH-Kurzlinks
anstelle langer URLs und der direkte Zugang auf Websites mit QR-Codes.
Wichtig: Der QR-Code-Leser sollte so konfiguriert sein, dass er auf einen Internet-Browser weiterleitet. Wer keinen QR-Code verwendet, kann die Kurzlinks in den Browser eingeben. Wir möchten uns aber nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich verbessern: beispielsweise mit unseren Themenspecials in
der Heftmitte, die regelmäßig spezifische Fragestellungen aufgreifen.
Die Redaktion wünscht Ihnen viel Freude beim Lesen!
2
KVH aktuell 2|2015
Inhalt
2|2015
EDITORIAL
SEITE 2
Biosimilars: Wirtschaftliches Potenzial ist enorm
SCHWERPUNKT
SEITEN 4 –9
Masernausbruch
Ohne Impfungen in Kita und Schule – verantwortungslos!
STANDPUNKT
SEITEN 10 –17
Ezetimib: Blockbuster nach zwölf Jahren immer noch ohne überzeugenden Nutzen
DAK: Arzneimittel ohne erwiesenen Mehrwert werden trotzdem verschrieben
Langes QT-Syndrom und Torsade de Pointes: Die Liste der auslösenden Medikamente
wird immer länger
Chinin ist seit April 2015 verschreibungspflichtig – damit auch verordnungsfähig?
GYN-SPECIAL
SEITEN I –XVI
Aktuelle Behandlungsempfehlungen:
Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit
NACHRICHTEN
SEITEN 18 –19
Angaben zur Häufigkeit von UAW: Nur Schätzwerte
SSRI: Spermienveränderungen möglich
ABSURD: Die Placebo-Republik
Metformin Glucophage® und andere Antidiabetika: Auch bei eingeschränkter
Nierenfunktion bei Beachtung von Kontraindikationen zugelassen
FORSCHUNG & PRAXIS
SEITEN 20 –23
Ischämischer Schlaganfall: Lässt sich durch Folsäure das Risiko reduzieren?
DIALOG
SEITEN 24 –26
Entlassungsmedikation: Mein persönlicher Medikamenten-Rekord
Kasuistik: Marcumar und Doppelherz-Varianten
Vorher – nachher: Leitliniengerechte Änderung im Therapieplan der Klinik
Stellungnahme: Antibiotika für weiblichen Harnwegsinfekt bei negativem Urinstreifentest
Impressum
KVH aktuell 2|2015
3
MASERNAUSBRUCH
SCHWERPUNKT
Ohne Impfung in
Kita und Schule –
verantwortungslos!
Wie gefährlich Impflücken sind, hat ein monatelang anhaltender
Masernausbruch in Berlin gezeigt: Etwa ein Viertel der Erkrankten musste
ins Krankenhaus, ein Todesfall war zu beklagen. Ein warnendes Beispiel
für ganz Deutschland.
DR. MED. JÜRGEN BAUSCH
4
KVH aktuell 2|2015
SCHWERPUNKT
Hier finden Sie
wichtige Hintergrundinformationen
der Ständigen
Impfkommission
(STIKO, am Robert
Koch-Institut) zum
Thema Masern.
kvh.link/1502001
HINTERGRUND
KVH aktuell 2|2015
5
A
SCHWERPUNKT
llein in der ersten Jahreshälfte 2015 erkrankten in Berlin mehr als 1.100 Menschen an
Masern, über 300 Personen mussten hospitalisiert
werden. Der Tod eines bisher gesunden ungeimpften Kleinkindes an den Folgen der Masern wurde
aus der Charité bestätigt. Vorübergehend waren
Kitas blockiert und Schulen geschlossen. Eltern
von Säuglingen, die aus Altersgründen noch nicht
geimpft werden konnten, wurde geraten, direkte
Kontakte zu MenschenansammSchluss mit der Impf- lungen im Kaufhaus und Nahvermüdigkeit! Schluss mit kehr zu meiden.
Masern waren lange verdem zartbesaiteten schwunden. Eine ganze GeneraUmgang mit impfun- tion von Kinderärzten und Kinderwilligen Ärzten und krankenschwestern in Deutschland ist herangewachsen, ohne
Eltern angesichts der ein einziges Mal einen veritablen
gesicherten wissen- Masernfall betreut zu haben. Das
schaftlichen Erkenntnisse gilt naturgemäß auch für die
gesamte Erwachsenengeneration
über die Erfolge der unter 50 Jahre, die jetzt als Eltern
Masernimpfung! oder bereits als junge Großeltern
Erziehungsverantwortung trägt.
Die Maserndurchimpfung der Bevölkerung war
einmal eine Erfolgsgeschichte. Dies zeigt eine
Meldung aus dem amerikanischen „Center for
Disease Control and Prevention“ aus dem Jahr
1999: Danach gab es im Jahr 1962 in den USA
503.282 Maserninfektionsfälle. Im Jahr 1998 waren
es nur noch 89 Fälle. Eindrucksvoll!
Hochinfektiös
Dass diese „Kinderkrankheit“ namens Masern dem
kollektiven Bewusstsein über eine potenziell bedrohliche Situation verloren gegangen ist, verwundert deswegen eigentlich nicht. Weder ist den jungen Erwachsenen heute das Masernproblem in
seinen individuellen und kollektiven Dimensionen
gegenwärtig, noch verfügen sie über Grundkenntnisse der Infektionserkrankungen im Kindesalter
und ihrer Besonderheiten. Dass zum Beispiel die
„Kinderkrankheit“ Masern hochinfektiös ist –
nahezu jeder Infizierte erkrankt auch –, macht sie
zu mehr als einem individuellen, kleinen Familienproblem. Denn der Erkrankte macht in seiner infektiösen Frühphase alle Ungeimpften in seiner
Umgebung krank. Vor allem die ungeimpften
Säuglinge und die Erwachsenen ohne ausreichenden Impfschutz sind Opfer des sich schnell verbreitenden Virus. Beide Gruppen sind im Krankheitsfall besonders komplikationsgefährdet. Ganz
unabhängig von der Frage, wie gefährlich diese
Kinderkrankheit im individuellen Verlauf sein
kann, gefährdet der Masernerkrankte zu nahezu
100 Prozent sein Umfeld, soweit dieses aus welchem Grund auch immer nicht immunisiert ist.
6
KVH aktuell 2|2015
Und es gibt bei Masern auch keine „stille Feiung“,
als natürlich verlaufender Immunitätsprozess ohne
Erkrankung, wie dies bei Röteln, Mumps und manchen anderen Kinderkrankheiten bestens bekannt
ist. „Kinderkrankheit“ klingt so harmlos. Das trifft
auf Masern nur bedingt zu. Alle Kinder zeigen
hohes Fieber bei meist zweigipfligem Fieberverlauf. Heftiger Husten und andere katarrhalische
Erscheinungen plagen die Kids und stören den
Schlaf der Gesamtfamilie erheblich. Und erst nach
einer Woche geht’s wieder aufwärts. Der Krankheitsverlauf ist zwar selten bedrohlich, aber
immunitätsgeschwächte Kinder sind anfälliger,
vor allem für eitrige Mittelohrentzündungen.
Ernste Komplikationen
So weit, so schlecht. „Da muss man durch.“ „Ein
Indianer kennt keinen Schmerz.“ Immer wieder
werden solche Parolen tradiert, wenn Impfgegner
sich ihre Gedankenwelt schönreden und von „Reifeprozessen“ faseln, die die Kindesentwicklung fördern würden. Was die Masern individuell aber zum
gelegentlichen Drama werden lässt: heftige Fieberkrämpfe, schwer zu behandelnde Masernpneumonien mit Krankenhausaufnahme und die gefürchtete Masernenzephalitis, die die kindliche Entwicklung nachhaltig blockieren kann. Die extrem seltene
SSPE als mögliche Masernspätfolge sei ebenfalls erwähnt. Aber so richtig weiß niemand, was es mit
dieser deletären Hirnerkrankung namens subakute
sklerosierende Panenzephalitis auf sich hat. Aus
meiner Zeit als angehender Pädiater im Schwabinger Kinderkrankenhaus, das vor Erfindung der Masernimpfung über eine eigene große Masernstation
verfügte, sind mir die Schrecknisse und Grausamkeiten dieser im Einzelfall lebensbedrohlichen und lebensbegrenzenden Kinderkrankheit ins Gedächtnis
gebrannt. Mit dieser anekdotischen Expertise ausgestattet, gibt es gute Gründe, die Verantwortlichen
in unserem Land aufzurufen: Schluss mit der Impfmüdigkeit! Schluss mit dem zartbesaiteten Umgang
mit impfunwilligen Ärzten und Eltern angesichts der
gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über
die absolut unstrittigen Erfolge der Masernimpfung
bei einer minimalen Komplikationsrate, die zu vernachlässigen ist. Insbesondere, wenn man um die
echten Masernkomplikationen weiß.
Freiheit oder Fahrlässigkeit?
Dass Eltern ihre Zöglinge nicht impfen lassen wollen, kann man in einer egozentrischen Welt, in der
das Individuum und seine Rechte alles und das Kollektiv nichts zählt, bis zu einem gewissen Punkt
noch bedauernd nachvollziehen. Vermutlich wissen die meisten Impfverweigerer nicht wirklich,
was sie ihren Kindern und anderen antun. Mit der
bewussten Vermeidung eines sicheren Schutzes
Aufklärung ohne Nutzen?
„Die Freiheit hört da auf, wo die Volksgesundheit
und Sicherheit der Bevölkerung auf dem Spiel ste-
hen“ (Marisol Touraine, Gesundheitsministerium
Frankreich, FAZ, 12.03.2015). In Frankreich existiert
seit 1938 die Impfpflicht, beginnend mit der Diphtherieimpfung. Die derzeitigen Reaktionen aus
dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
deuten eher darauf hin, dass man an der bisherigen
generellen „Weichei-Politik“ gegenüber den Wählern und Beitragszahlern festhalten möchte. Die
Vorschläge zur intensivierten Aufklärung über die
Sinnhaftigkeit von Impfungen in der Bevölkerung
gehen ins Leere. Eltern sind durch die Vorsorgeuntersuchungen informiert. Dennoch haben wir die
derzeitigen Impflücken. Wenn es stimmt, dass sich
angeblich jede vierte Hebamme gegen den Schutz
vor Masern, Mumps, Röteln und Keuchhusten ausspricht, obwohl sie es besser wissen muss, dann ist
dies ebenso ein Armutszeugnis wie die Unterstützung von Impfgegnern durch Ärzte unter Berufung
auf sogenannte „alternative“ Therapierichtungen.
Sogenannte „Masernpartys“ sind pervers. Hier
SCHWERPUNKT
des Kindes gegen Masern durch zwei kaum beeinträchtigende Impfungen gefährden diese Eltern
nicht nur die Unversehrtheit ihres Kindes im Fall
einer Ansteckung. Sie riskieren damit auch die
Krankheitsübertragung auf alle ungeschützten
Menschen, egal ob groß oder klein, in ihrem
Umfeld. Dabei sind erkrankte Kinder am ansteckendsten, bevor man die Masern mit ihrem
typischen Exanthem und Enanthem diagnostizieren
und die Kinder isolieren kann. Diese Verantwortungslosigkeit braucht sich ein hochgerüstetes
Gesundheitswesen nicht gefallen zu lassen. Es gibt
eine Pflicht des Staates zum Schutz der Bevölkerung
vor vermeidbaren Infektionen. Trinkwasser wird ja
aus dem gleichen Grund von Keimen frei gehalten,
die Magen und Darm attackieren können.
1. Impfung
2. Impfung
96,1% 92,9%
96,4% 93,9%
98,4% 95,7%
96,8% 92,5%
96,9% 93,5%
96,0% 90,8%
98,5% 95,2%
98,2% 93,8%
97,7% 94,6%
96,6% 87,7%
97,7% 94,6%
97,8% 94,6%
97,2% 93,7%
NOCH GROSSE LÜCKEN
97,4% 94,0%
98,2% 93,9%
96,4% 93,9%
94,8% 88,8%
Übersicht der Masern-Impfquoten bei Schuleingangsuntersuchungen (1. und 2. Impfung)
der einzelnen KV-Bezirke. Bisher erreichen
nur Brandenburg und MecklenburgVorpommern die für die Elimination
erforderliche Impfquote von 95 Prozent
bei der Zweitimpfung.
Quelle: RKI; Epidemiologisches Bulletin Nr. 16
KVH aktuell 2|2015
7
SCHWERPUNKT
Masern –
auch bei Erwachsenen!
Laut DEGS-Studie
des RKI haben nur
56,9 Prozent der unter
18- bis 44-Jährigen mindestens eine MasernImpfdosis erhalten. Bei
der Schließung solcher
Impflücken kommt dem
Vertragsarzt eine wichtige Rolle zu. Die KBV hat
daher verschiedene
Wartezimmerinformationen zusammengestellt:
■
Karte
Masernschutzimpfung
■
Flyer
und Kopiervorlagen
zum Thema Impfen
(mehrere Sprachen)
■
Patienteninformation
vom ÄZQ
kvh.link/1502015
PRAXISTIPP
hilft keine neue Aufklärungskampagne! Immanuel Kant, der Vater des Zeitalters der Aufklärung,
hat zwar gemeint, dass es um die „Beseitigung
der selbst verschuldeten Unmündigkeit“ geht.
Aber die Geschichte der Gegnerschaft gegen das
Impfen ist so lang wie die Erfolgsstory der weltweiten Ausrottung von Polio und Pocken durch
öffentliche Impfprogramme. Auch wenn noch von
einzelnen Polioherden in Asien und Afrika berichtet wird.
Hohe Durchimpfungsrate erforderlich
Bei Masern bedarf es für einen kompletten Impferfolg in allen Bevölkerungskreisen einer extrem
hohen Durchimpfungsrate von 95 Prozent der
5-Jährigen. Diese lässt sich nur durch ein verschärftes Erwachsenenbildungsprogramm erreichen. In
totalitären Staaten sind traditionell Gesetz und
Strafe der übliche Weg. Deutschland hat ein Infektionsschutzgesetz, in dem das BMG ermächtigt
wird, entsprechende Anordnungen zu treffen. In
Demokratien war schon immer der Geldbeutel
das beste Erziehungsmittel für Erwachsene. Zu
Recht fordert der Berufsverband der Kinderärzte:
Wer in Kitas und Schulen untergebracht werden
möchte, muss durchgeimpft sein. Man muss das
wollen, anordnen und nachprüfen. Falls diese
konsequent durchgezogene Linie nicht ausreicht,
kann eine fühlbare Reduktion des Kindergeldes
schnelle Wunder bewirken, sofern der Impfnachweis zu wünschen übrig lässt! Allein die Androhung einer solchen Maßnahme wird eine Mobilisierung bewirken. Die gleichen gut betuchten und
exzellent ausgebildeten Eltern übrigens, die zurzeit die Mehrheit der Impfgegner stellen, rennen
den Kinderärzten einige Jahre später die Bude ein.
Zum Beispiel dann, wenn das inzwischen
herangewachsene Hänschen zu einem Sprachkurs
oder Schüleraustausch in die USA abfliegen
möchte. Dort, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, läuft nichts ohne kompletten
Impfschutz. Dass man das Gefährdungspotenzial,
das von ungeimpften Migrantenkindern aus dem
Vorderen Orient ausgeht, zusätzlich mindern
muss, weil durch den seit Langem bestehenden
Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung in
Syrien und im Irak mit großen Impflücken zu rechnen ist, dürfte der kleinere Teil der wichtigen
Aufgabe sein. Die großen deutschen Impflücken
– Ursache des Berliner Masernausbruchs 2015 –
sind zu schließen.
Zusammenfassung
Der aktuelle Masernausbruch in Berlin ist ein
wachrüttelndes Symptom für eine unzureichende
Durchimmunisierung unserer Bevölkerung. Ausbrüche in Nordrhein-Westfalen und Bayern waren
schnell vergessen worden. Hauptursache sind die
impfverweigernden Eltern, meist aus gebildeten
und vermögenden Bevölkerungsschichten. Unterstützt von ignoranten Ärzten und Hebammen.
Masern sind eine handfeste, hoch kontagiöse Virusinfektion, die zu schweren Komplikationen neigt.
Eltern, die ihren Kindern den Impfschutz vorenthalten, handeln zweifach verantwortungslos: einmal gegenüber ihrem Kind und zum anderen
gegenüber allen Ungeimpften im Umfeld dieses
Kindes. Die dargestellten Ereignisse sind ein Signal
an die Verantwortlichen im Lande. Es besteht
erheblicher Handlungsdruck und wir sind keineswegs machtlos, wenn es gilt, Unwissenheit und
Unvernunft zu überwinden. ■
✓ Interessenkonflikte: keine
FAZIT
Es gibt keine Alternativen zu einem schnellen
Handeln. Das Impfrisiko ist zu vernachlässigen.
Die Kosten sind unerheblich. An Verständnis
für stärkeren Zwang bis hin zur Impfpflicht besteht in der Bevölkerung und bei vielen Experten kein Mangel. Masern waren schon immer
der markante Prototyp aller Kinderkrankheiten vor Beginn der Impfära: eine handfeste
Virusinfektion mit Komplikationspotenzial
und hoher Infektiosität, sodass bei Ausbruch
nahezu alle Ungeimpften erkrankten. Daran
hat sich, wie man an dem Ausbruch in Berlin
8
KVH aktuell 2|2015
erneut sieht, bis heute nichts geändert, weil
die Impflücken durch Impfverweigerer zu groß
geworden sind. Von dem Ziel, dass 95 Prozent
der 5-Jährigen geimpft sein müssen, sind wir
teilweise mehr als 10 Prozent entfernt. Aufklärung allein wird nicht reichen. Wer sein Kind
in einer öffentlichen oder privaten Kindertagesstätte oder Schule unterbringen will, muss
in jedem Fall vollen Impfschutz nachweisen.
Notfalls muss der Staat die Auszahlung des
Kindergeldes vom Nachweis des Impfschutzes
abhängig machen.
LEISTUNGSRECHT BEI MASERNIMPFUNG
SCHWERPUNKT
Wer kann gegen Masern
geimpft werden?
KLAUS HOLLMANN
Folgende Regelungen gelten für Kinder und Erwachsene.
Bei Kindern
Nach den Empfehlungen der STIKO (Ständige
Impfkommission, zuständiges Expertengremium)
und der Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA, Festlegung des
Leistungsrechts) haben alle Kinder einen Anspruch
auf zwei Masernimpfungen bis zum 18. Geburtstag. Diese beiden Impfungen sollen bereits im
Babyalter ab dem 11. Lebensmonat und ab dem
14. Lebensmonat gegeben werden. Sie können
aber auch zu jedem späteren Zeitpunkt (bis zum
18. Geburtstag) nachgeholt werden. Eine Auffrischung oder das Boostern sind nicht notwendig.
Mit einer Impfung ist man bereits vollständig
immunisiert und damit geschützt. Allerdings sprechen nur etwas über 90 Prozent der Impflinge auf
die Impfung an. Um auch die restlichen circa 10 Prozent zu immunisieren, gibt es die Empfehlung zu
einer zweiten Impfung. Dies soll die Rate der immunen Patienten auf über 95 Prozent erhöhen –
und die Maserninfektion wäre ausgerottet. In den
meisten Bundesländern ist die Durchimpfungsrate bei den Kindergenerationen zwar recht gut,
aber eben nicht hoch genug. Bevorzugt sollte
Masern/Mumps/Röteln-Impfstoff (MMR-Impfstoff)
gegeben werden. Aber auch die Masern-Monoimpfung ist möglich, wobei es mit der Produktion
des Impfstoffs in den zurückliegenden Jahren
immer wieder Probleme gab und meist nur geringe Mengen in den Markt gelangen.
Bei Erwachsenen
Impfstoffe gegen die Masernviren wurden etwa
1970 auf den Markt gebracht. Bei den vor 1970
geborenen Generationen muss man annehmen,
dass sie die Masernerkrankung durchlebt haben.
Sie gelten daher als immun. Die Erkrankung führt
zu einer lebenslangen Immunisierung. Mit Einführung der Impfungen wurden die meisten
Menschen der damaligen Kindergenerationen
geimpft – einige jedoch nicht. Es gibt somit
„Impflücken“ bei Menschen, die weder die Erkrankung durchlebt haben, noch geimpft wurden.
Deshalb sind durch STIKO und G-BA vor wenigen
Jahren folgende Empfehlungen ausgesprochen
worden:
1. Erwachsene, die 1970, 1971, 1972, 1973 und
später geboren sind, können nach Kontrolle
des Impfpasses geimpft werden.
2. Liegt kein Impfpass vor, dann gilt der Patient
als nicht geimpft und kann einmalig zulasten
der GKV geimpft werden. Bevorzugt soll dann
Masern/Mumps/Röteln-Impfstoff (MMR-Impfstoff) gegeben werden.
3. Patienten, die 1969, 1968, 1967 und früher
geboren sind, erhalten keine Masernimpfung
zulasten der GKV. Bei diesen Patienten ist nach
guter Aufklärung eine Impfung nur als private
Leistung (ärztliche Leistung und Bezug des
Impfstoffs) möglich.
Bezug des Impfstoffs
GKV-Patienten werden
Masern-Monoimpfstoff
oder MMR-Impfstoff zulasten der GKV im
Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnet. Privatpatienten
erhalten ein Rezept zum
Kauf in der Apotheke.
PRAXISTIPP
Wann Maserntiter?
Eine Titerbestimmung (Laborbestimmung) kann
dem Arzt Informationen darüber geben, ob der
Patient bereits mit dem Masernvirus oder dem
Masernimpfstoff Kontakt hatte. Es bleiben dann
Antikörper zurück, die man im Labor bestimmen
kann. Leider ist es aber so, dass eine Titerbestimmung auf Masern keine zuverlässigen Informationen liefert. Das bedeutet, es gibt eine Rate
von falsch positiven oder falsch negativen Ergebnissen, sodass man eine solche Bestimmung ablehnt. Deshalb sollte man diese Titerbestimmung
auch nicht als GKV-Leistung anbieten und
durchführen. ■
Die MasernTiterbestimmung
ist keine
Kassenleistung.
INFO
✓ Interessenkonflikte: keine
KVH aktuell 2|2015
9
Aktuelles aus
EZETIMIB
STANDPUNKT
Blockbuster nach
zwölf Jahren immer
noch ohne überzeugenden Nutzen
Dieser Beitrag wurde
mit freundlicher
Genehmigung des
Herausgebers aus dem
Arzneimittelbrief
2015; 49, 04
übernommen.
10
KVH aktuell 2|2015
E
zetimib hemmt die enterale Resorption von
Cholesterin und senkt dadurch deutlich die LDLCholesterin-Konzentration (LDL-C) im Serum.1 Der
Wirkstoff ist seit 2002 als Monopräparat (Ezetrol®)
und seit 2004 in der Kombination mit Simvastatin
(Inegy®) zur Behandlung der primären Hypercholesterinämie und der homozygoten familiären Hypercholesterinämie zugelassen (in Kombination, falls
eine alleinige Statin-Therapie „unzureichend“ ist,
und als Monotherapie bei Statin-Unverträglichkeit).
Ezetimib hat dem pharmazeutischen Unternehmer
MSD-SP in dieser Zeit Jahr für Jahr Umsätze in Milliardenhöhe beschert.
In Deutschland betrugen allein im Jahr 2013 die
Nettokosten zulasten der GKV für Ezetrol® ca.
40 Mio. € und für Inegy® ca. 115 Mio. €.2 Detail am
Rande: Es gab bisher keinen klaren Nachweis, dass
klinische Endpunkte durch die Einnahme von Ezetimib positiv beeinflusst werden und somit Patienten
einen Nutzen haben. Basis für die Marktzulassung
war allein die Wirkung auf den Surrogatparameter
LDL-C. In bisherigen Studien wurde versucht,
einen positiven Einfluss von Ezetimib auf die Intima-Media-Dicke (ENHANCE) oder die Progression
der Aortenklappenstenose (SEAS) zu zeigen –
ohne Erfolg.3,4 Aufmerksamkeit erregten diese
Studien vor allem dadurch, dass die negativen Resultate mehr als ein Jahr unter Verschluss gehalten
und erst auf massiven öffentlichen und politischen
Druck publiziert wurden (ENHANCE) bzw. Hinweise auf eine möglicherweise erhöhte (mittlerweile
aber nicht bestätigte) Malignominzidenz unter
Ezetimib gefunden wurden (SEAS).
Im Rahmen des Jahreskongresses der American
Heart Association (AHA) im Dezember 2014 wurden nun endlich die Resultate der von Merck
gesponserten IMPROVE-IT-Studie (IMProved Reduction of Outcomes: Vytorin Efficacy – International Trial) präsentiert, in der Simvastatin versus
Simvastatin plus Ezetimib in der Sekundärprophylaxe bei Patienten mit kurz zurückliegendem Akutem Koronarsyndrom (ACS) untersucht wurde.5
Auch mit IMPROVE-IT hatte es offensichtlich niemand eilig: Die Studie wurde vor neun (!) Jahren
begonnen und lief über insgesamt sieben Jahre.
Da eine gleichzeitige Publikation in einem Journal
vorerst nicht vorgesehen scheint, wollen wir
ausnahmsweise über die vorläufigen Ergebnisse
berichten.
Design
Die multizentrisch und international angelegte
IMPROVE-IT-Studie (39 Länder) schloss KHKPatienten innerhalb von 10 Tagen nach ACS ein.
Sie wurden fur Simvastatin 40 mg/d bzw. Simvastatin 40 mg/d plus Ezetimib 10 mg/d randomisiert. Der kombinierte primäre Endpunkt beinhaltete kardiovaskuläre Letalität, Myokardinfarkt,
instabile Angina pectoris, koronare Revaskularisation und Schlaganfall.
Geplant waren der Einschluss von 10.000 Patienten und eine Nachbeobachtungszeit von mindestens 2,5 Jahren oder bis zum Auftreten von 5.250
klinischen Ereignissen. Dies war berechnet aufgrund einer erwarteten relativen Risikoreduktion
um 9,3 % und basierte auf einer angenommenen
Senkung des Serum-LDL-Spiegels um 15 mg/dl
durch zusätzliches Ezetimib. Während der Einschlussphase wurde das Studiendesign mehrfach
„angepasst”. Die wichtigste Änderung betraf die
Zahl der statistisch erforderlichen Patienten, die
schließlich auf 18.000 angehoben wurde, denn
die Endpunkt-Ereignisse und der Effekt von Ezetimib waren geringer als erwartet.
Ergebnisse
Es wurden 18.144 Patienten eingeschlossen. In der
Gruppe mit Monotherapie Simvastatin lag das
Diskussion und Kritik
Die IMPROVE-IT-Studie wird aufgrund ihrer besonderen Historie mit umstrittenen Vorläuferstudien,
der nachträglichen Änderungen im Design und des
lange hinausgezögerten Abschlusses bereits seit
Jahren kontrovers diskutiert. Die RRR von 6,4 % lag
letztlich deutlich unter der ursprünglich erwarteten
von 9,3 %. Das hindert Studienautoren und Ezetimib-Anhänger jedoch nicht daran, sich über die
„endgültigen“ Beweise zu freuen, dass Ezetimib
„nicht nur ein teures Placebo“ und das Serumcholesterin „doch ein verlässlicher Surrogatparameter“
sei.6 Mit dieser Äußerung stellen sie sich gegen die
aktuellen US-amerikanischen Leitlinien, die eine
Therapie nach „Ziel-LDL“ nicht mehr empfehlen
und außer den Statinen keinen anderen Wirkstoff
erwähnen.7 Besonders auffällig ist, dass diese „Beweise“ erst mehr als zehn Jahre nach der Markteinführung des teuren Arzneimittels vorgelegt werden, also kurz vor dem vom pharmazeutischen
Unternehmer für 2016 angekündigten Ablauf des
Patentschutzes. Der Verdacht liegt nahe, dass hier
erneut die Publikation einer Studie, deren positiver
Ausgang mehr als fraglich war, aus kommerziellen
Gründen verzögert wurde. Außerdem wird kriti-
siert, z. B. vom renommierten Kardiologen der Yale
University, Harlan Krumholz8, dass IMPROVE-IT
nicht – wie sonst üblich – gleichzeitig mit der Präsentation auf dem AHA-Kongress in einem großen
Journal publiziert wird. Möglicherweise gibt es unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Datenqualität. Man darf gespannt sein, ob überhaupt,
wann und wo die Ergebnisse publiziert werden.
Der Nachweis eines moderaten klinischen Nutzens von Ezetimib in der IMPROVE-IT-Studie beschränkt sich auf Patienten in der Sekundärprävention kurz nach ACS. Daten zur Primärprävention
bei Menschen mit niedrigem kardiovaskulärem
Risiko gibt es nicht. So wie für Statine9 ist der Nachweis eines Nutzens fur Ezetimib in dieser Population auch nicht zu erwarten. Immerhin haben 42 %
der Studienteilnehmer im Verlauf der sieben Jahre
die Medikation abgesetzt (d. h. 6 %/Jahr). Differenzierte Sicherheitsdaten (sowie auch andere Details)
aus IMPROVE-IT liegen zurzeit nicht vor. Bei Therapie mit Ezetimib ist Folgendes zu beachten:4 Eine
Monotherapie kann (sehr selten) zur Rhabdomyolyse fuhren und die Transaminasen erhöhen. Sie ist
dann sofort abzusetzen; dasselbe gilt selbstverständlich bei Kombination mit einem Statin für beide Substanzen. Bei Leberinsuffizienz wird von
Ezetimib abgeraten. Bei gleichzeitiger Therapie mit
Vitamin-K-Antagonisten oder Ciclosporin muss auf
potenzielle Wechselwirkungen geachtet werden.
Einzelfälle von Pankreatitis und Hepatitis wurden
berichtet.
1. AMB. 2003, 37, 41
2. Schwabe, U. und Paffrath, D. (Hrsg.). Arzneiverordnungs-Report
2014. Springer-Verlag
Berlin Heidelberg,
2014. S. 1170 und
1177
3. Kastelein, JJ, et al. ENHANCE = Ezetimibe
and simvastatin in hypercholesterolaemia
enhances atherosclerotic regression. Am. Heart J. 2005,149, 234.
AMB. 2008, 42, 31
4. Rossebø, AB, et al.
SEAS = Simvastatin
and Ezetimibe in Aortic
Stenosis. N.Engl. J.
Med. 2008, 359, 1343.
AMB. 2009, 43, 11
5. http://www.medscape.
com/viewarticle/835030
6. http://www.forbes.com
/sites/larryhusten/2014/
11/17/improve-itmeets-endpoint-anddemonstrates-real-butmodest-clinical-benefitfor-ezetimibe/
7. AMB. 2014; 48, 01
8. http://www.nytimes.
com/2014/11/18/
health/study-findsalternative-to-statinsin-preventing-heartattacks-and-strokes.
html?_r=0
9. AMB. 2010; 44, 84
Fazit
Kurz vor Ablauf des Patentschutzes für Ezetimib
(Ezetrol®, in Kombination mit Simvastatin in Inegy®)
liegen nun erstmals klinische Endpunktdaten vor.
Sie zeigen nur einen geringen Effekt in einer Hochrisikogruppe von KHK-Patienten, ohne bei ihnen
die Letalität zu senken. Wir sehen – wie bisher –
Ezetimib nur als Reservemittel bei familiärer Hypercholesterinämie und bei echter Unverträglichkeit
von Statinen. Es ist aus unserer Sicht unverständlich, dass dieser Arzneistoff seit zehn Jahren unter
den umsatzstärksten Arzneimitteln rangiert. ■
Ereignisse
Simvastatin
Ezetimib/Simvastatin
p
Komb. prim. Endpunkt
34,7 %
32,7 %
0,016
Gesamtletalität
15,3 %
15,4 %
0,782*
Myokardinfarkt
14,8 %
13,1 %
0,002
Schlaganfall
4,8 %
4,2 %
0,052
Ischäm. Schlaganfall
4,1 %
3,4 %
0,008
Instabile Angina p.
1,9 %
2,1 %
0,618*
23,4 %
21,8 %
0,107*
Revaskularisation
Literatur:
STANDPUNKT
Serum-LDL bei 69,9 mg/dl, mit Simvastatin/Ezetimib bei 53,2 mg/dl. Während der Nachbeobachtungszeit von sieben Jahren wurde der primäre
Endpunkt in der Gruppe mit Simvastatin bei
34,7 % der Patienten erreicht, unter Kombinationstherapie mit Simvastatin/Ezetimib bei 32,7 % (Hazard Ratio = HR: 0,936; 95-%-Konfidenzintervall:
0,887–0,988; p = 0,016). Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion (RRR) von 6,4 % und einer
Number-needed-to-treat (NNT) von 50 Patienten
über sieben Jahre, d. h. 350 über ein Jahr. In einer
separaten Sitzung des AHA-Kongresses wurde eine
„On-treatment“-Analyse nachgereicht, d. h. die
Ergebnisse der Patienten, die die Studienmedikation tatsächlich bis zum Ende eingenommen hatten.
In dieser Subgruppe von 10.563 Patienten (58 %
der Studienpopulation) betrug die RRR 7,6 % und
die NNT 38 über sieben Jahre (266 über ein Jahr).
Vorläufige Ergebnisse
der IMPROVE-ITStudie. Ereignisse
während sieben Jahren
Simvastatin: n = 9.077
Ezetimib/Simvastatin:
n = 9.067
*
= nicht signifikant
KVH aktuell 2|2015
11
AMNOG* ZEIGT SCHWACHSTELLEN IM SYSTEM
STANDPUNKT
Arzneimittel ohne
erwiesenen Mehrwert
werden trotzdem
verschrieben
Der AMNOG-Report der DAK-Gesundheit zur Arzneimittelbewertung zeigt, dass Medikamente ohne Nutzen beträchtliche
Verordnungszuwächse haben.
DR. MED. JOACHIM SEFFRIN
H
ey, was ist da los? Kann das sein? Oder vielleicht besser gefragt: Wie kann das sein?
Knapp zusammengefasst stellt diese wissenschaftliche Analyse fest, dass Ärzte in Deutschland
ihren Patienten häufig neue WirkIch persönlich schenke stoffe zur Einnahme verordnen,
bei denen bisher kein Nachweis
meine Arbeitszeit eines nennenswerten Zusatznutprinzipiell nur meinen zens gegenüber den älteren
Patienten. Für Pharma- Wirkstoffen vorliegt. Professor
Dr. h. c. Herbert Rebscher von der
referenten bleibt keine DAK spekuliert darüber, dass
Zeit übrig. möglicherweise Informationsmängel in der Ärzteschaft vorliegen könnten.1 Ich würde provokant fragen, ob es
daran liegen könnte, dass die Werbemaßnahmen
der Hersteller so gut wirken.
Auch wir sind gegen Werbung
nicht immun
Wir alle wissen, dass Werbung ihren Dienst erfüllt.
Sie wirkt selbstverständlich auch bei uns Ärzten,
wer will das bestreiten? Die Zeitschrift TAZ2 zitiert
im Jahr 2011, dass circa 60.000 Pharmareferenten
in unseren Landen unterwegs seien, MEZIS4 gibt
rund 15.000 an. Das müssen in jedem Fall gewaltige Geldsummen sein, die die Pharmaindustrie in
diese Art Werbung investiert. Wir dürfen schließen, dass diese Investition nicht getätigt würde,
wenn sie keine Früchte abwerfen würde. Oder
würden Sie so viel Geld ausgeben, wenn es nutzlos wäre?
Nach meinem Verständnis ist der Auftrag des
Pharmareferenten, mir Dinge nahezubringen, die
den Verkauf seiner Produkte ankurbeln. Das heißt,
dass ich dann neue Medikamente rezeptiere, weil
sie mir entsprechend positiv dargestellt wurden.
Kann dies eine vernünftige Entscheidungsgrundlage sein?
Aber nicht nur die niedergelassene Ärzteschaft
steht hier in der Verantwortung, sondern nach
meinem persönlichen Eindruck ganz besonders
unsere Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen. Sehr häufig erlebe ich bei Patienten, die aus der Klinik oder der
Reha entlassen werden, dass sie mit den neuesten
Wirkstoffen behandelt werden. Wie kann das
sein?
Fortbildung am Tresen?
Darf ich als Arzt erwarten, nützliche, objektive Informationen vom Pharmareferenten zu erhalten?
Kann ich hier etwas Sinnvolles lernen? Dies ist aufgrund des Auftrags der Pharmareferenten kaum
*ArzneimittelmarktNeuordnungsgesetz
12
KVH aktuell 2|2015
Welche Konsequenzen
sollten wir ziehen?
Die Entlassungsmedikation von Patienten, die aus
dem Krankenhaus oder einer Reha entlassen werden, ist ganz besonders kritisch zu prüfen. Zögern
Sie nicht, die Medikation gemäß Ihrer eigenen
Erfahrung umzustellen! Bleiben Sie ruhig beim
Bewährten. Damit sind Sie üblicherweise auf der
sicheren Seite.
Beim Einholen von Informationen über Medikamente sollten wir konsequent darauf achten,
neutrale Quellen zu nutzen. Dies können natürlicherweise Pharmareferenten oder pharmagesponserte Fortbildungsveranstaltungen nicht sein.
Falls gelegentlich noch jemand meine Praxis aufsucht, lasse ich mir gegebenenfalls Prospekte
überreichen und entscheide dann, ob ich mich
damit nach der Sprechstunde beschäftigen werde.
Bei der Beschäftigung mit diesen Materialien
habe ich aber immer die Studie von Kaiser im Hinterkopf. Sämtliche Damen und Herren, die uns im
Auftrag ihrer Arbeitgeber aufsuchen, haben unseren Respekt und eine entsprechende Behandlung
verdient. Es sei daran erinnert, dass manche von
ihnen hoch qualifizierte Akademiker sind. Dies bedeutet aber nicht, dass wir verpflichtet sind, ihnen
unsere wertvolle Arbeitszeit zu widmen. Ein früherer Kollege bezeichnete sie sogar als Zeitdiebe.
Wenn wir uns von Pharmareferenten und industriegesponserter Fortbildung fernhalten, erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit, unsere Patienten
rational und gut zu behandeln, und können uns
zeiteffektiver fortbilden. Andernfalls werden wir
uns weiterhin solche Studien wie die von der DAK
um die Ohren hauen lassen müssen. ■
Kaiser et. al.: Studie
kostenlos auf der
Internetseite des
arznei-telegramm®,
Ausgabe Februar 2004,
nachlesen.
STANDPUNKT
vorstellbar. Schließlich wollen sie ihren Wirkstoff,
ihr Präparat verkaufen. Üblicherweise wird ihre
Leistung auch am Verkaufserfolg gemessen. Im
Jahr 2004 führten Kaiser et. al. eine Studie durch,
in der sie überprüften, ob die Aussagen medizinischer Werbeprospekte korrekt sind.3 Die Ergebnisse sind schlichtweg erschütternd. Wer die Studie
nicht kennt, kann sie kostenlos auf der Internetseite des arznei-telegramm®, Ausgabe Februar
2004, nachlesen.
Soll man nun nach Kenntnis des gewissermaßen gruseligen Ausmaßes an Fehlinformation, das
durch diese Art Informationsgewinnung zu
erwarten steht, seine wertvolle Arbeitszeit den
Werbeboten schenken oder seine Zeit gar verkaufen, wie es auch schon geschehen ist?
Seit 2007 gibt es die Initiative MEZIS, „Mein
Essen Zahl Ich Selbst“.4 Diese Initiative fordert
unter anderem pharmaunabhängige Fortbildung.
Logischerweise können die Besuche der Pharmareferenten nicht dazuzählen.
Gøtzsche5 fordert in seinem Buch „Tödliche
Medizin und organisierte Kriminalität: Wie die
Pharmaindustrie unser Gesundheitswesen korrumpiert“ die komplette Abschaffung von Pharmawerbung. Ein Auftrag an die Politik.
kvh.link/1502016
INTERNET
Quellen:
1. kvh.link/1502002
2. kvh.link/1502003
3. a-t. Feb. 2004; 35: 21–23
4. kvh.link/1502004
5. Peter C. Gøtzsche: „Tödliche Medizin und organisierte Kriminalität: Wie die Pharmaindustrie unser
Gesundheitswesen korrumpiert“. Riva-Verlag, Nov.
2014 (siehe Buchtipp)
✓ Interessenkonflikte: keine
Tödliche Medizin und
organisierte Kriminalität:
Wie die Pharmaindustrie
unser Gesundheitswesen
korrumpiert
Riva-Verlag 2014
ISBN: 978-3868834383
Gebundene Ausgabe:
512 Seiten, 24,99 Euro
KVH aktuell 2|2015
13
LANGES QT-SYNDROM UND TORSADE DE POINTES
STANDPUNKT
Bei Patienten mit KHK
oder Herzrhythmusstörungen oder anderen
Erkrankungen, bei
denen man die QTVariabilität wissen muss,
kann neben 659 Langzeit-EKG die Ziffer 636
(23,82 bei 2,3-fachem
Satz) abgerechnet
werden. Gleiches gilt
für die SDNN (Herzfrequenzvariabilität).
Dies sollte dazu führen,
dass zumindest bei
Patienten mit GOÄ öfter
daran gedacht wird.
Quelle: Privatverrechnungsstelle Büdingen
INFO
Die Arzneimittelkommission der
deutschen Ärzteschaft
bietet kostenlose
E-Mail-Newsletter
zu wichtigen
aktuellen Fakten an.
www.crediblemeds.org
informiert Ärzte auf
seiner Seite zum Thema
QT-verlängernde
Medikamente und
versorgt sie nach
Anmeldung mit
kostenlosen Mails.
kvh.link/1502017
PRAXIS-TIPP
14
KVH aktuell 2|2015
Die Liste der auslösenden Medikamente
wird immer länger
DR. MED. JOACHIM SEFFRIN
W
ie bereits in Ausgabe 1/2015 von KVH aktuell im Artikel auf Seite 12 beschrieben, muss
bei der Behandlung mit Donepezil (Aricept® und
andere) mit dem Auftreten eines malignen neuroleptischen Syndroms gerechnet werden. Ende
März erreicht uns die Nachricht von CredibleMeds
(E-Mail von crediblemeds.org vom 30.3.2015), dass
bei Anwendung von Aricept® durch Verlängerung
der QT-Zeit auch mit dem Auftreten von Torsade
de Pointes, einer potenziell tödlichen Herzrhythmusstörung, zu rechnen ist.
Am 20. April 2015 versendet die Arzneimittelkommission eine Infomail, in der sie über das
gleiche Risiko bei Galantamin (Reminyl® und andere) – ebenfalls ein Acetylcholinesterasehemmer
wie Donepezil – berichtet.1 „Die AkdÄ empfiehlt,
bei ungeklärten Stürzen oder Synkopen unter Behandlung mit Galantamin EKG-Kontrollen durchzuführen, vor allem, wenn weitere Risikofaktoren
für QT-Verlängerung und Torsade-de-PointesTachykardien (wie zum Beispiel höheres Alter,
weibliches Geschlecht, Hypertonie, Myokardischämie, Herzinsuffizienz, Bradykardie, Elektrolytstörungen) vorliegen.
Die Kombination mit anderen QT-verlängernden
Arzneimitteln sollte vermieden werden bzw. nur
unter EKG-Kontrolle erfolgen.“2 Die Liste der Medikamente, die ebenfalls eine Verlängerung der QTZeit bedingen können, wird immer länger und betrifft viele häufig genutzte Stoffe, darunter besonders viele psychotrope Substanzen wie SSRIs und
Neuroleptika.
Damit nicht genug. Auch andere extrem häufig
genutzte, sehr wichtige und effektive Wirkstoffe
bergen ein nennenswertes Risiko. „Conditional
risk“: „Substantial evidence supports the conclusion that these drugs are associated with a risk of TdP
BUT only under certain conditions (e.g. excessive
dose, hypokalemia, congenital long QT or by causing a drug-drug interaction that results in excessive QT interval prolongation).“3 Zu den genannten
Substanzen zählen Furosemid (Lasix® und andere)
wie auch Torasemid (Torem® und andere). ■
Quellen:
1. kvh.link/1502005
2. E-Mail-Newsletter der AkdÄ vom 20.4.15
3. kvh.link/1502006
✓ Interessenkonflikte: keine
FAZIT
Bei der täglich über uns hereinflutenden
Menge an Informationen zu Nebenwirkungen
und Interaktionen von Medikamenten wird es
für den Arzt immer schwieriger, noch eine
akzeptable Übersicht zu behalten. Erneut ein
Hinweis, bei der Indikationsstellung einer
medikamentösen Behandlung, hier im Besonderen bei Donepezil, Galantamin, aber auch
bei Schleifendiuretika wie Furosemid und
Torasemid, kritischer bzw. noch aufmerksamer zu werden. Immer zu bedenken: Stehen
mögliche Komplikationen in einem vernünftigen Verhältnis zur Indikation und zur erwarteten Wirkung? Nach meiner Meinung ist das
Verhältnis zumindest bei Acetylcholinesterasehemmern eher ungünstig.
GYN-SPECIAL
Dieser Beitrag wurde mit
freundlicher Genehmigung
von Autor, Redaktion und
Verlag und dem Herausgeber – Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg – aus dem Verordnungsforum 32, Januar
2015, übernommen
Arzneimittel in
Schwangerschaft
und Stillzeit
Diese Sonderausgabe des Verordnungsforums richtet sich an
Ärzte und soll sie bei der Beratung von Frauen, die eine Schwangerschaft planen, bereits schwanger sind oder stillen und die
einer akuten oder chronischen Medikation bedürfen, unterstützen. Sie soll in der alltäglichen Praxis bei Verordnungen helfen
und schnelle Orientierung bieten, doch kann sie die individuelle
Beratung nicht ersetzen. Auch ersetzt sie keine Grundlagenrecherche, ein Abgleich mit der aktuellen Datenlage bleibt obligat.
Darüber hinaus finden sich Informationen zu Nebenwirkungen,
Risiken und Vorsichtsmaßnahmen der Arzneimittel in der Fachinformation des jeweiligen Fertigarzneimittels.
KVH aktuell 2|2015
I
GYN-SPECIAL
Grundregeln der
Teratologie
U
nter dem Begriff Teratogenität werden alle exogenen Einflüsse auf die intrauterine
Entwicklung zusammengefasst, die zu Fehlbildungen oder bleibenden funktionellen
Anomalien des Kindes führen.1 Sechs Grundregeln der Teratologie (Principles of Teratology)2
hat James Wilson im Jahr 1977 formuliert. Diese Prinzipien sind nach wie vor aktuell:
Unter der Federführung
von Professor Dr. Klaus
Mörike, Leiter der
Abteilung Klinische
Pharmakologie des
Universitätsklinikums
Tübingen, und der
Mitarbeit von
Dr. Christof Schaefer
vom Pharmakovigilanzund Beratungszentrum
für Embryonaltoxikologie der Charité in Berlin
sowie Dr. Wolfgang
Paulus vom Institut für
Reproduktionstoxikologie am Krankenhaus
St. Elisabeth in Ravensburg ist dieses Kompendium entstanden.
1
Die Empfindlichkeit gegenüber teratogenen Einflüssen hängt vom
Genotyp der Frucht und von der Art seiner Wechselwirkung mit
Umweltfaktoren ab.
2
Die Empfindlichkeit gegenüber teratogenen Einflüssen ist nach
Entwicklungsstadium zur Expositionszeit unterschiedlich.
3
Teratogene Agenzien wirken in spezifischer Weise (Mechanismen)
auf in Entwicklung befindliche Zellen und Gewebe, indem sie eine
abnormale Embryogenese initiieren (Pathogenese).
4
Die Manifestationen einer abnormalen Entwicklung sind Tod,
Fehlbildung, Wachstumsretardierung und Funktionsstörung.
5
Der Zugang ungünstiger Umwelteinflüsse auf sich entwickelnde
Gewebe hängt von der Art der Einflüsse ab (Agens).
6
Manifestationen abweichender Entwicklung nehmen in
Abhängigkeit von der Dosis zu und können im Extremfall zum
letalen Verlauf führen.
II
KVH aktuell 2|2015
1. Präimplantationsphase: Die ersten beiden Wochen nach Konzeption sind durch das „Allesoder-nichts“-Prinzip gekennzeichnet, das heißt,
erfolgte Schäden werden entweder repariert
oder die Frucht wird abgestoßen. Das Fehlbildungsrisiko in dieser Phase wird für gering
gehalten.
2. Phase der Organogenese (Tag 15 bis 56 post
conceptionem): In dieser Zeit ist die Sensibilität
gegenüber exogenen Noxen am größten und
es werden die meisten Fehlbildungen ausgelöst.
3. Fetalperiode (ab Tag 56): In dieser Zeit nimmt
die Empfindlichkeit der Frucht gegenüber exogenen Noxen ab. Gleichzeitig können auch
hier schwerwiegende Funktionsstörungen der
kindlichen Organe entstehen. Beispiele sind
Intelligenzdefekte durch Alkohol, die Entwicklung einer Niereninsuffizienz durch ACE-Hemmer und Sartane oder Zahnverfärbungen unter
Tetracyclinen.1
Schematische Darstellung der Entwicklungsperioden, in denen der menschliche
Embryo/Fetus durch Teratogene gefährdet ist.3 Dunkelgrüne Felder bezeichnen
Perioden hoher Gefährdung, hellgrüne Felder solche weniger starker Empfindlichkeit.
4
Herz
Auge
Herz
Herz
Arme
Beine
Periode hoher Gefährdung
Periode weniger starker Empfindlichkeit
FETALZEIT (IN WOCHEN)
EMBRYONALZEIT (IN WOCHEN)
3
Quellen:
1. Paulus WE: Pharmakotherapie in der
Schwangerschaft. In:
Wehling M (Hrsg.): Klinische Pharmakologie.
2. Aufl.; Stuttgart:
Georg Thieme Verlag;
2011
2. Friedman JM: The principles of teratology: are
they still true? Birth
Defects Res A Clin Mol
Teratol 2010; 88(10):
766–8
3. Rath W: Erkrankungen
in der Schwangerschaft. Stuttgart:
Georg Thieme Verlag;
2009: S. 11
5
6
7
Auge
Ohr
Gaumen
8
GYN-SPECIAL
Der zweiten Grundregel, der Abhängigkeit
der Empfindlichkeit vom Entwicklungsstadium,
kommt besondere Bedeutung zu. Üblicherweise
werden folgende Entwicklungsstadien unterschieden:1
12
16
Ohr
äußere Genitalien
GEBURT
20-36
38
Gehirn
bezeichnet den üblichen Angriffspunkt des Teratogens
Zentralnervensystem
Herz
Arme
Augen
Beine
Zähne
Gaumen
äußere Genitalien
Ohren
STÄRKERE MORPHOLOGISCHE ABNORMITÄTEN
PHYSIOLOGISCHE DEFEKTE UND WENIGER STARK
AUSGEPRÄGTE MORPHOLOGISCHE ABNORMITÄTEN
KVH aktuell 2|2015
III
GYN-SPECIAL
Beratung von
Patientinnen
Zur Frage, ob und welche Arzneimittel in der
Schwangerschaft verwendet werden können, besteht oft Unsicherheit – bei Laien ebenso wie bei
beratenden Ärzten. Entsprechend groß ist der
Informationsbedarf.
Die Erkenntnisse zu Arzneimitteln in der
Schwangerschaft haben in den letzten Jahrzehnten zwar ständig zugenommen, sind aber für viele
Medikamente immer noch unzureichend bezüglich der definitiven Beurteilung ihrer Sicherheit.
Dieser Mangel betrifft neue Arzneimittel in noch
höherem Maße als altbekannte, da für letztere die
Erfahrung im Laufe der Jahre oft gewachsen ist.
Randomisierte Studien, wie sie für die Zulassung neuer Arzneimittel hinsichtlich ihrer Wirksamkeit erwartet werden, liegen für Schwangere
aus ethischen Gründen nicht vor. Darüber hinaus
stellt die Arzneimittelsicherheit meist nicht den
primären Zielparameter randomisierter Studien
dar. Gleichwohl nimmt die Zahl von Studien bei
Schwangeren unter Medikation zu.1
Auch Einzelfallberichte, Fallserien und FallKontroll-Studien können informativ sein, da sie
Assoziationen aufdecken und Hypothesen generieren können. Kausalzusammenhänge zu sichern
oder auszuschließen, vermögen sie aus methodischen Gründen, insbesondere wegen ihrer Anfälligkeit für Verzerrungen (Bias), nicht. Untersuchungen zu Häufigkeiten, vor allem mit niedriger
Prävalenz, erfordern hohe Fallzahlen. Vor dem
Hintergrund dieser Einschränkungen ist der
Bedarf an Fallbeobachtungen und Registerdaten
sehr groß.
In der Beratung gibt es im
Wesentlichen zwei unterschiedliche
Situationen:
a. Eine Frau benötigt aufgrund einer chronischen
Erkrankung eine Arzneimitteltherapie und
möchte schwanger werden.
b. Eine Frau hat – meist in Unkenntnis einer bereits vorliegenden Frühschwangerschaft – ein
Arzneimittel verwendet und ist besorgt, ob es
ihrem Kind geschadet hat und wie weiter verfahren werden soll.
IV
KVH aktuell 2|2015
In der Beratung stillender Frauen zur Arzneimittelverwendung ist der Informationsbedarf ebenfalls
groß. Prospektive Studien liegen kaum vor. Auch
der Kenntnisstand zur Langzeitverträglichkeit von
Arzneimitteln, die den Säugling über die Brustmilch erreichen, ist mangelhaft.2
Aus der Konzentration eines Arzneimittels in
der Milch und dem vom Säugling aufgenommenen Milchvolumen kann die absolute Substanzmenge, die ein Säugling pro Mahlzeit oder pro Tag
aufnimmt, errechnet werden. Diese Überlegungen zum Arzneimitteltransfer zum Säugling werden in einem Standardwerk2 detailliert erläutert.
Die meisten Arzneimittel finden sich in der Muttermilch in einem Konzentrationsbereich, der für
den Säugling weit unter der therapeutischen
Dosis des jeweiligen Arzneimittels liegt. Bei Daueranwendung kann es allerdings infolge Anreicherung zu Symptomen beim Säugling kommen.3
Als grundsätzlich problematisch sind folgende
Arzneimittel in der Stillzeit anzusehen: Zytostatika, Radionuklide, Opioide (außer Einzeldosen),
eine Kombinationstherapie mit mehreren Psychopharmaka oder Antiepileptika (insbesondere bei
Kombinationen mit Lamotrigin, Benzodiazepinen
oder Lithium), iodhaltige Kontrastmittel und großflächige iodhaltige Desinfektion.2 Ist eine solche
Behandlung unverzichtbar, ist im Einzelfall zu entscheiden, ob vorübergehend oder endgültig auf
das Stillen verzichtet werden muss.
Quellen:
1. Endicott S, Haas DM: The current state of therapeutic drug trials in pregnancy. Clin Pharmacol
Ther 2012; 92(2): 149–50
2. Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, Weber-Schöndorfer C: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit.
8. Aufl.; München: Urban & Fischer (Elsevier); 2012
3. Schaefer C, Weber-Schöndorfer C: Aktuelle Aspekte
zum Arzneimitteleinsatz in Schwangerschaft und
Stillzeit. Arzneimitteltherapie 2012; 30(12): 383–90
Nachfolgend werden beispielhaft Arzneimittel für
die Schwangerschaft diskutiert, die in der Beratung eine wichtige Rolle spielen. Detaillierte Informationen enthalten die am Ende zusammengestellten Bücher und Übersichtsarbeiten sowie die
Websites der genannten Beratungsdienste.
Für die meisten Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit stehen Arzneimittel der Wahl
zur Verfügung (weitgehend in Anlehnung an 1.
und 2.). Diese Mittel werden am Ende des jeweiligen Abschnitts in einer vereinfachenden Tabelle
zusammengefasst. Einschränkungen und weitere
Einzelheiten werden im Text genannt. Die Einzelfallbetrachtung und -beratung mithilfe einschlägiger, aktueller Quellen und Beratungsstellen werden durch diese Tabellen nicht ersetzt.
Quellen:
1. Schaefer C, Weber-Schöndorfer C: Aktuelle Aspekte
zum Arzneimitteleinsatz in Schwangerschaft und
Stillzeit. Arzneimitteltherapie 2012; 30(12): 383–90
2. Paulus W: Krank in der Schwangerschaft und Stillzeit. Welche Medikamente dürfen Sie verschreiben?
MMW Fortschr Med 2005; 147(16): 1–8
Analgetika
Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR)1 wie
Ibuprofen oder Diclofenac
■ sind während des ersten und zweiten Trimenons in bestimmungsgemäßer Anwendung
insgesamt offenbar sicher; es gibt keine Hinweise auf Teratogenität.
■ sollten nach der 28. Schwangerschaftswoche
nicht verwendet werden, weil sie sonst einen
vorzeitigen Schluss des Ductus arteriosus verursachen können.
Für die selektiven Cyclooxygenase-2(COX-2)Inhibitoren („Coxibe“) sind die Erfahrungen in der
Schwangerschaft unzureichend. Sie sollen daher
gemieden werden.
Quellen:
1. Bermas BL: Non-steroidal anti inflammatory drugs,
glucocorticoids and disease modifying anti-rheumatic drugs for the management of rheumatoid arthritis before and during pregnancy. Curr Opin Rheumatol 2014; 26(3): 334–40
GYN-SPECIAL
Ausgewählte
Arzneimittel
Paracetamol
Die analgetische und antipyretische Wirkung von Paracetamol kann in allen Stadien der Schwangerschaft genutzt werden. In üblicher therapeutischer
Dosierung und kurzfristiger Anwendung ist es sicher.
Allerdings sind auch für Paracetamol unerwünschte Wirkungen (kontrovers) diskutiert worden. So wird über asthmatische Symptome im
Kindesalter nach Exposition in der Schwangerschaft spekuliert,1–4 über ein erhöhtes Risiko für
Gastroschisis5,6, Kryptorchismus7,8 und ADHS-ähliches Verhalten9. Dabei handelt es sich um
schwach signifikante Assoziationen in einigen
Studien. Eine Kausalbeziehung zur ParacetamolExposition kann derzeit daraus nicht abgeleitet
werden; weitere Studien sind erforderlich. Wegen
dieser Befunde sollte der unkritische, länger dauernde Gebrauch vermieden werden.
Quellen:
1. Shaheen SO, Newson RB, Sherriff A, Henderson AJ,
Heron JE, Burney PGJ, Golding J, and the ALSPAC
Study Team: Paracetamol use in pregnancy and wheezing in early childhood. Thorax 2002; 57: 958–63
2. Scialli AR, Ang R, Breitmeyer J, Royal MA: Childhood
asthma and use during pregnancy of acetaminophen. A critical review. Reprod Toxicol 2010; 30:
508–19
3. Eyers S, Weatherall M, Jefferies S, Beasley R: Paracetamol in pregnancy and the risk of wheezing in
offspring: a systematic review and metaanalysis.
Clin Exp Allergy 2011; 41: 482–9
4. Shaheen SO, Newson RB, Smith GD, Henderson AJ:
Prenatal paracetamol exposure and asthma: further
evidence against confounding. Int J Epidemiol 2010;
39: 4
5. Torfs CP, Katz EA, Bateson TF, Lam PK, Curry CJ:
Maternal medications and environmental exposures
as risk factors for gastroschisis. Teratology 1996; 54:
84–92
6. Werler MM, Sheehan JE, Mitchell AA: Maternal
medication use and risks of gastroschisis and small
intestinal atresia. Am J Epidemiol 2002; 155: 26–31
7. Kristensen DM, Hass U, Lesné L, Lottrup G, Jacobsen
PR, Desdoits-Lethimonier C, Boberg J, Petersen JH,
Toppari J, Jensen TK, Brunak S, Skakkebaek NE, Nellemann C, Main KM, Jégou B, Leffers H: Intrauterine
exposure to mild analgesics is a risk factor for development of male reproductive disorders in human
and rat. Hum Reprod 2011; 26: 235–44
8. Jensen MS, Rebordosa C, Thulstrup AM, Toft G,
Sørensen HT, Bonde JP, Henriksen TB, Olsen J: Maternal use of acetaminophen, ibuprofen, and acetylsalicylic acid during pregnancy and risk of cryptorchidism. Epidemiology 2010; 21: 779–85
9. Liew Z, Ritz B, Rebordosa C, Lee PC, Olsen J: Acetaminophen use during pregnancy, behavioral problems, and hyperkinetic disorders. JAMA Pediatr
2014; 168(4): 313–20
KVH aktuell 2|2015
V
Metamizol
GYN-SPECIAL
Zu diesem Pyrazolonderivat sind die Erfahrungen
in der Schwangerschaft nicht ausreichend. In
einer Fall-Kontroll-Studie aus Brasilien wurde eine
Assoziation zwischen Metamizol-Einnahme während der Schwangerschaft und dem Auftreten von
Wilms-Tumoren bei den Kindern gefunden.1 Eine
Kausalbeziehung wurde daraus nicht abgeleitet.
Ein vorzeitiger Schluss des Ductus arteriosus
(Botalli) ist nicht auszuschließen, sodass eine Einnahme im letzten Trimenon vermieden werden
sollte.
Eine Fall-Kontroll-Studie ergab ein Signal für
angeborene Zwerchfelldefekte bei Neugeborenen
nach oraler Metamizol-Behandlung im zweiten
und dritten Schwangerschaftsmonat. Dieses Signal ist möglicherweise zufallsbedingt und bedarf
weiterer Untersuchungen.2
Quellen:
1. Sharpe CR, Franco EL: Use of dipyrone during pregnancy and risk of Wilms' tumor. Brazilian Wilms'
Tumor Study Group. Epidemiology 1996; 7: 533–5
2. Bánhidy F, Ács N, Puhó E, Czeizel AE: A populationbased case-control teratologic study of oral dipyrone
treatment during pregnancy. Drug Safety 2007; 30:
59–70
Codein
In norwegischen Register-Daten wurden keine
Auswirkungen einer Codein-Verwendung auf
Schwangerschaftsverlauf und Fehlbildungsrate
gefunden.1
Arzneimittelgruppe
Bei der Verwendung unter der Geburt kann
Codein – wie auch andere Opioide – Atemdepression verursachen. Es existieren Fallberichte über
ein Entzugssyndrom bei Neugeborenen, deren
Mütter in den Wochen vor der Entbindung hohe
Codein-Dosen eingenommen hatten.2
Es gibt Befunde, die dafür sprechen, dass während der Schwangerschaft die Aktivität des polymorphen Enzyms CYP2D6 zunimmt.3 Keine
Untersuchungen liegen bislang zu der Frage vor,
welche Implikationen dies für die Codein-Anwendung und -Dosierung während der Schwangerschaft haben könnte. Wichtig ist diese Frage insofern, als Codein zu etwa 10 Prozent der Dosis zu
Morphin metabolisiert wird, wobei CYP2D6 das
für diese Umwandlung wesentliche Enzym ist.4
In diesem Zusammenhang ist ein Fallbericht
bemerkenswert, nach dem es nach der Geburt bei
einem Ultrarapid-Metabolizer-Genotyp der Mutter für CYP2D6 unter mehrtägiger Codein-Verwendung zu einer Morphin-Intoxikation des Neugeborenen über die Brustmilch kam, die tödlich
verlief.5
Zusammengefasst darf Codein als Analgetikum in der Schwangerschaft – außer für die Subpartu-Situation – verwendet werden, wenn Paracetamol allein nicht ausreicht. Auch als Antitussivum ist Codein, wenn indiziert, erlaubt. In der
Stillzeit soll Codein nur in Einzeldosen verwendet
werden.
Arzneimittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit
(zu Einschränkungen und Erläuterungen siehe Text und Quellen)
Analgetika
Paracetamol (1. Wahl).
Ibuprofen (1. Wahl) nur bis zur 28. Woche, maximale Tagesdosis
1.600 mg.
Bei Bedarf kurzfristiger Einsatz von Opioidanalgetika (z. B. Tramadol oder Codein, cave: vor der Entbindung, sub partu und speziell
Codein in der Stillzeit).
In der Stillzeit gehören Ibuprofen bis maximal 1.600 mg/d und
Paracetamol zu den Mitteln der Wahl. Opioid-Analgetika sollten in
der Stillzeit möglichst nur in Einzeldosen bzw. für maximal
2–3 Tage angewendet werden. Bei Kindern mit Apnoe-Neigung
ist besondere Vorsicht geboten. Unter diesen Voraussetzungen ist
die Gabe von Morphin, Hydromorphon oder Tramadol möglich,
wenn Ibuprofen und/oder Paracetamol nicht ausreichen.
VI
KVH aktuell 2|2015
Quellen:
Morphin
Berichte über einen Zusammenhang zwischen
Morphin und einer erhöhten Fehlbildungsrate liegen nicht vor. Beim Neugeborenen ist eine Atemdepression möglich.
Tramadol
Es liegen keine Hinweise auf ein teratogenes Risiko vor. Formal gesehen ist die Datenlage für dieses
Opioid allerdings unzureichend.
Über ein Entzugssyndrom beim Neugeborenen
nach mütterlicher Tramadol-Anwendung wurde
berichtet.1
Quellen:
1. Hartenstein S, Proquitté H, Bauer S, Bamberg C,
Roehr CC: Neonatal abstinence syndrome (NAS)
after intrauterine exposure to tramadol. J Perinat
Med 2010; 38(6): 695–6
Antiasthmatika und
Antiallergika
Für viele Mittel zur Behandlung allergischer Erkrankungen und des Asthma bronchiale gibt es
keine relevanten Sicherheitsbedenken für die
Schwangerschaft. Das Thema der medikamentösen Behandlung von Asthma und Allergien in
der Schwangerschaft wird in einer hilfreichen
Übersichtsarbeit1 behandelt.
Unter den H1-Antihistaminika sind für die Anwendung in der Schwangerschaft Loratadin, Cetirizin oder Clemastin am besten untersucht und
sollten bevorzugt werden.2
Zum Management des Asthma bronchiale betont die „Nationale Versorgungsleitlinie Asthma“,
dass bei einer guten Kontrolle des Asthmas während des gesamten Schwangerschaftsverlaufs
kein relevantes Risiko mütterlicher oder fetaler
Komplikationen besteht und im Allgemeinen die
zur Behandlung eines Asthmas eingesetzten
Medikamente in der Schwangerschaft sicher
sind.3 Bei der inhalativen Verwendung bleibt die
systemische Dosis zu niedrig, um eine Gefährdung
des Embryos oder Fetus zu bewirken.
Inhalative Corticosteroide gelten als sicher
bezüglich der fetalen Entwicklung.4 Die Risiken
schweren, unkontrollierten Asthmas legen nahe,
dass orale Corticosteroide, wenn sie indiziert
sind, beim Management des schweren Asthmas
auch in der Schwangerschaft eingesetzt werden
sollten.5
Zu inhalativen Beta-2-Adenozeptoren-Agonisten erläutert die „Nationale Versorgungsleitlinie
Asthma“3, dass sie in der Schwangerschaft wie
gewohnt einzusetzen sind. Auch zu Ipratropiumbromid, einem inhalativen Anticholinergikum,
gibt es keine Hinweise auf teratogene oder embryotoxische Wirkungen.
GYN-SPECIAL
1. Nezvalová-Henriksen K, Spigset O, Nordeng H:
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from a large population-based cohort study. Eur J
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Quellen:
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5. Dombrowski MP, Huff R, Lipkowitz M, Schatz M for
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Asthma and Immunology (ACAAI): The use of newer
asthma and allergy medications during pregnancy.
Ann Allergy Asthma Immunol 2000; 84: 475–80
Cromoglicinsäure
Aus den bisherigen Berichten hat sich kein Anhalt
für ein teratogenes Risiko ergeben.1
Quellen:
1. Briggs GG, Freeman RK, Yaffe SJ: Drugs in Pregnancy and Lactation. 9th ed. Philadelphia, PA: Wolters
Kluwer, Lippincott Williams & Wilkins; 2011
Cetirizin
Cetirizin gehört zu den in der Schwangerschaft
gut untersuchten Antihistaminika. Hinweise auf
ein teratogenes Risiko liegen nicht vor.1
Quellen:
1. Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, Weber-Schöndorfer C: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit.
8. Aufl.; München: Urban & Fischer (Elsevier); 2012
KVH aktuell 2|2015
VII
Fexofenadin
GYN-SPECIAL
Studien, die eine Bewertung über den Einsatz der
Substanz während der Schwangerschaft erlauben
würden, liegen nicht vor.
wenn sie vor der Schwangerschaft zu einem günstigen Therapieerfolg geführt haben.1,2
Quellen:
Loratadin ist mit vielen Tausend Schwangerschaften das am besten untersuchte nicht sedierende
Antihistaminikum. Hinweise auf ein teratogenes
Risiko liegen nicht vor.1
1. Dombrowski MP, Huff R, Lipkowitz M, Schatz M for
the American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) and the American College of Allergy,
Asthma and Immunology (ACAAI): The use of newer
asthma and allergy medications during pregnancy.
Ann Allergy Asthma Immunol 2000; 84: 475–80
2. Schembri S, Schatz M, Dombrowski MP: Asthma in
pregnancy. N Engl J Med 2009; 361(5): 535–6
Quellen:
Theophyllin
1. Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, Weber-Schöndorfer C: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit.
München; 8. Aufl.; Urban & Fischer (Elsevier); 2012
Die Anwendung von Theophyllin in der Schwangerschaft ist etabliert und gilt als sicher. Wegen
der Nebenwirkungen, die ungeachtet einer
Schwangerschaft für Theophyllin bekannt sind,
hat es jedoch den Charakter eines Ausweichpräparats.1
Loratadin
Montelukast
Tierversuche geben keinen Anlass zur Besorgnis.
Ausreichende Erfahrungen bei Schwangeren liegen bislang nicht vor. Zur allgemeinen Anwendung in der Schwangerschaft können LeukotrienAntagonisten nicht empfohlen werden. Dennoch
können sie im Einzelfall bei Patientinnen mit hartnäckigem Asthma in Betracht gezogen werden,
Arzneimittelgruppe
Quellen:
1. Helbling A: Allergie und Asthma: Welche Medikamente können in der Schwangerschaft rezeptiert werden?
Schweiz Med Wochenschr 2000; 130: 551–7
Arzneimittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit
(zu Einschränkungen und Erläuterungen siehe Text und Quellen)
Antiasthmatika und
Cromoglicinsäure, Loratadin, Clemastin.
Antiallergika
Inhalative Glukokortikoide (z. B. Budesonid).
Systemische Glukokortikoide (Prednisolon) bei Notwendigkeit, inhalative Beta-2-Sympathomimetika (z. B. Salbutamol, Fenoterol).
Antibiotika
Betalactam-Antibiotika
Zur Behandlung bakterieller Infektionen in der
Schwangerschaft sind Betalactam-Antibiotika die
Mittel der ersten Wahl. Altbekannte Wirkstoffe
sollten bevorzugt werden.
Unter den Betalactam-Antibiotika sind die Penicilline die am besten untersuchte Gruppe von
Antibiotika und gehören zu den Antibiotika der
ersten Wahl in der Schwangerschaft.1
Hinweise auf Teratogenität haben sich nicht ergeben. Die Anwendung der Penicilline ist in der
Schwangerschaft möglich.
Die Clearance von Betalactam-Antibiotika und
Betalactamase-Inhibitoren kann in der Schwangerschaft erhöht sein.1
VIII
KVH aktuell 2|2015
Cephalosporine gehören wie die Penicilline zu den
Antibiotika der ersten Wahl in der Schwangerschaft und Stillzeit.1
Quellen:
1. Padberg S: Anti-infective Agents. In: Schaefer C, Peters
PWJ, Miller R (eds). Drugs during pregnancy and lactation. Treatment options and risk assessment. 3rd ed.
New York: Academic Press/Elsevier; 2015. S. 116–77
Makrolid-Antibiotika
Makrolid-Antibiotika können in der Schwangerschaft gegeben werden. Erythromycin(succinat)
ist das für die Schwangerschaft am besten untersuchte Mittel dieser Gruppe. Ein Verdacht auf
teratogene oder embryotoxische Eigenschaften
Arzneimittelgruppe
Quellen:
1. Bar-Oz B, Weber-Schoendorfer C, Berlin M, Clementi
M, Di Gianantonio E, de Vries L, De Santis M, Merlob
P, Stahl B, Eleftheriou G, Maňáková E, HubiĉkováHeringová L, Youngster I, Berkovitch M: The outcomes
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observational study. Drug Saf 2012; 35(7): 589–98
2. Padberg S. Anti-infective Agents. In: Schaefer C,
Peters PWJ, Miller R (eds). Drugs during pregnancy
and lactation. Treatment options and risk assessment. 3rd ed. New York: Academic Press/Elsevier;
2015. S. 116–77
GYN-SPECIAL
beim Menschen hat sich bislang nicht ergeben.
Ein kontrovers diskutierter Verdacht eines Zusammenhangs mit hypertropher Pylorusstenose gilt
als spekulativ.1,2
Für die Stillzeit gehören Makrolide neben Penicillinen und Cephalosporinen zu den Mitteln der
Wahl.
Arzneimittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit
(zu Einschränkungen und Erläuterungen siehe Text und Quellen)
Antibiotika
Penicilline und Cephalosporine, Reserve: Makrolidantibiotika
Antidepressiva
Von den trizyklischen Antidepressiva wurden
Amitriptylin und Nortriptylin am besten untersucht, und es liegen viele Einzelfallbeschreibungen und einige kleine Serien vor. Hieraus ergaben
sich keine Hinweise auf Embryotoxizität. Für alle
anderen tri- und tetrazyklischen Antidepressiva ist
die Datenbasis kleiner. Insgesamt gibt es aber keine Hinweise auf Embryotoxizität für die trizyklischen Antidepressiva.
In der Stillzeit soll Doxepin gemieden werden,
da wiederholt Symptome beim Säugling berichtet
wurden.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
Ein nennenswertes teratogenes Risiko scheint
nicht zu bestehen. Jedoch soll Paroxetin in der
Schwangerschaft gemieden werden, denn für Paroxetin-Exposition im ersten Trimenon wurde eine
Assoziation mit kardialen Fehlbildungen beschrieben.1,2 Dies sollte für Paroxetin auch in der Stillzeit
im Hinblick auf eine gegebenenfalls nachfolgende
Schwangerschaft bedacht werden.
Eine Zunahme des Risikos einer persistierenden
pulmonalen Hypertonie des Neugeborenen
(PPHN) wird für SSRI kontrovers diskutiert.3–6 Das
absolute Risiko einer PPHN bleibt niedrig.
Ein signifikanter Zusammenhang zwischen der
Dauer einer SSRI-Exposition während der Schwangerschaft mit niedrigerem Geburtsgewicht, Respiratory Distress und reduzierter Schwangerschaftslänge wurde in einer Studie gefunden. Die Schwere der mütterlichen Erkrankung erklärte teilweise
diese Ergebnisse.7 Die Entscheidung, ob eine SSRIBehandlung während der Schwangerschaft be-
gonnen oder beendet werden soll, sollte auf individueller Basis getroffen werden.7
Dass SSRI die Risiken von niedrigem Geburtsgewicht, Frühgeburt, Fruchttod und neonatalen
Krampfanfällen erhöhen können, war das Ergebnis einer Kohortenstudie.8 Keine signifikante Assoziation zwischen SSRI-Verwendung und dem Risiko für Totgeburt, Neugeborenenmortalität oder
postneonataler Mortalität bei Einlingsgeburten
wurde gefunden.9
Eine Datenbankanalyse ergab eine Assoziation
zwischen der Verwendung von Antidepressiva (inkl.
SSRI, SNRI und Trizyklika) in zeitlicher Nähe zum Entbindungstermin und einem 1,4- bis 1,9-fach erhöhten Risiko für postpartale Blutungen.10 Dagegen
wurde in einer älteren Untersuchung kein erhöhtes
Risiko postpartaler Blutungen für SSRI gefunden.11
Möglicherweise ist die Verwendung von Antidepressiva mit einem erhöhten Risiko schwangerschaftsinduzierter Hypertonie assoziiert.12 Eine
Datenbankanalyse ergab ein erhöhtes Risiko (etwa
1,5-fach) für Präeklampsie bei Schwangeren, die
im zweiten Trimenon oder in der ersten Hälfte des
dritten Trimenons Antidepressiva vom Typ der
SNRI oder Trizyklika verwendeten.13
Bei einer Gruppe von Neugeborenen, die in
utero zum Zeitpunkt der Entbindung gegenüber
SSRI oder Venlafaxin exponiert waren, waren häufig (bei mehr als der Hälfte) vorübergehende
Symptome zentralnervöser oder respiratorischer
Art zu beobachten. Diese traten am ersten Lebenstag auf; die Dauer betrug im Median drei Tage.14
Für eine Autismus-Spektrum-Störung nach SSRIExposition in der Schwangerschaft wurde in Ge-
KVH aktuell 2|2015
IX
GYN-SPECIAL
burtsregisterdaten kein erhöhtes Risiko gefunden
(adjustierte Rate Ratio 1,20; 95-%-Konfidenzintervall 0,90–1,61).15 Eine Fall-Kontroll-Studie16 ergab
eine solche Assoziation. Eine Vorgeschichte mütterlicher Depression war mit einem erhöhten Risiko einer Autismus-Spektrum-Störung bei den Nachkommen assoziiert (adjustierte Odds Ratio 1,49;
95-%-Konfidenzintervall 1,08–2,08). Diese Assoziation war auf die Frauen mit Antidepressiva-Verwendung beschränkt (3,34; 95-%-Konfidenzintervall 1,50–7,47; p = 0,003), ungeachtet dessen, ob
sie mit SSRI oder Trizyklika behandelt wurden. Ob
diese Assoziation auf einer Kausalbeziehung beruht oder das Risiko aufgrund mütterlicher Grunderkrankung (schwere Depression) widerspiegelt,
bedarf weiterer Forschung. Wird jedoch eine Kausalität angenommen, ist ein signifikanter Beitrag
des Antidepressiva-Gebrauchs während der
Schwangerschaft zum starken Anstieg des Risikos
für Autismus-Spektrum-Störungen unwahrscheinlich und erklärt weniger als 1 % der Fälle.16
Eine retrospektive Analyse der Elektrokardiogramme von 52 Neugeborenen mit vorgeburtlicher SSRI-Exposition ergab im Vergleich zu Kontrollen ein längeres QTc-Intervall; fünf dieser exponierten Neugeborenen hatten ein deutlich verlängertes QTc-Intervall (> 460 ms).17 Hierzu sind weitere Untersuchungen erforderlich.
Fluoxetin ist ungünstig, besonders auch für die
Stillzeit. Die Eliminationshalbwertszeit ist lang.
Wegen der insgesamt geringen Erfahrung und
des Risikos hypertensiver Effekte sollten die MAOHemmer Moclobemid und Tranylcypromin in der
Schwangerschaft nicht angewandt werden.
Für Venlafaxin scheint auf der Basis von über
2.000 Schwangerschaften kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko zu bestehen. Nach mütterlicher Behandlung mit Venlafaxin in der sensiblen Phase der Organdifferenzierung (erstes Trimenon) beobachtete
man im schwedischen Schwangerschaftsregister unter 505 Neugeborenen keine Zunahme angeborener
Anomalien.18 Jedoch wurde Venlafaxin – ähnlich wie
SSRI – mit Spontanaborten, niedrigem Geburtsgewicht, Frühgeburten, neonatalem Serotonin-Syndrom und Entzugssymptomen (inklusive neonataler
Krampfanfälle) in Verbindung gebracht.19
Arzneimittelgruppe
Quellen:
1. Bérard A, Ramos E, Rey E, Blais L, St-André M,
Oraichi D: First trimester exposure to paroxetine
and risk of cardiac malformations in infants: the
importance of dosage. Birth Defects Res B Dev
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13. Palmsten K, Huybrechts KF, Michels KB, Williams
PL, Mogun H, Setoguchi S, Hernández-Díaz S:
Arzneimittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit
(zu Einschränkungen und Erläuterungen siehe Text und Quellen)
Antidepressiva
Schwangerschaft: Sertralin, Citalopram, Amitriptylin, Imipramin,
Nortriptylin.
Stillzeit: Bei einer Neueinstellung sind Sertralin und Amitriptylin
Antidepressiva der ersten Wahl.
X
KVH aktuell 2|2015
17. Dubnov-Raz G, Juurlink DN, Fogelman R, Merlob P,
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GYN-SPECIAL
Antidepressant use and risk for preeclampsia.
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case-control study. BMJ 2013; 346: f2059
Antiemetika
Ältere Antihistaminika wie Dimenhydrinat,
Diphenhydramin und Doxylamin werden zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen in der
Schwangerschaft eingesetzt.1–3 Dimenhydrinat
und Diphenhydramin sollen allerdings nicht bei
drohender Frühgeburt verwendet werden, da diesen unterstellt wird, Wehen zu fördern. Auch Ingwerpräparate können, falls ausreichend wirksam,
verwendet werden. Metoclopramid kann ebenfalls eingesetzt werden.
Gleichwohl sollte mit Sorgfalt entschieden werden, ob die Anwendung dieser Wirkstoffe in der
Schwangerschaft wirklich begründet ist oder inwieweit nichtmedikamentöse Maßnahmen ausreichen.
Ondansetron sollte nicht als First-Line-Antiemetikum in der Schwangerschaft angesehen
werden.
Für Aprepitant, Betahistin, Cinnarizin, Domperidon, Flunarizin und Sulpirid fehlen hinreichende
Daten zur Sicherheit in der Schwangerschaft, und
diese Mittel sollten daher nicht angewandt werden. Ingwer wird kontrovers beurteilt.
dungen, niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburt
oder perinatale Sterblichkeit.2 Eine signifikant höhere Rate von Frühgeburten (8,1 %) gegenüber
einer Kontrollgruppe (2,4 %) wurde von anderen
Autoren gefunden; die Rate grobstruktureller
Fehlbildungen war in dieser multinationalen Studie gleich.3 Eine Analyse von Verschreibungsdaten
mit Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Verschreibungen in der Schwangerschaft ergab keine
signifikanten Unterschiede für Geburtsgewicht,
Häufigkeit von Missbildungen oder Frühgeburt.4
Einen definierten Stellenwert hat Metoclopramid in einem kanadischen Behandlungsalgorithmus für Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft: Wenn Vitamin B6, auch in Kombination mit
Doxylamin, nicht ausreichend wirksam ist, wird
zunächst Dimenhydrinat versucht. Als nächste
Alternativen werden gleichberechtigt Metoclopramid, Ondansetron, Prochlorperazin oder Promethazin genannt.5
Bei Dimenhydrinat in der Stillzeit wurden gelegentlich leichte Unruhe, Sedierung oder Trinkschwäche beim Säugling beschrieben.
Quellen:
Quellen:
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Schwangerschaft. Dt Ärztebl 2007; 104: A1821–6
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5. Koren G, Levichek Z: The teratogenicity of drugs for
nausea and vomiting of pregnancy: Perceived versus
true risk. Am J Obstet Gynecol 2002; 186: S248–52
Metoclopramid
Eine größere Studie aus Dänemark zur Metoclopramid-Exposition im ersten Trimenon der
Schwangerschaft hat keinen Anhalt für kindliche
Schäden ergeben1 Eine große israelische Kohortenstudie, die 3.458 Geburten mit Metoclopramid-Exposition im ersten Trimenon umfasste, ergab im Vergleich zur Nichtexposition kein signifikant erhöhtes Risiko für grobstrukturelle Fehlbil-
KVH aktuell 2|2015
XI
Ondansetron
GYN-SPECIAL
Aus der Gruppe der Serotonin-Antagonisten liegen für Ondansetron die meisten Informationen
zur Schwangerschaft vor. Aus Fallberichten (z. B.
1., 2.) ergaben sich keine Hinweise auf Probleme.
In einer Untersuchung bei einer Gruppe von
175 Schwangeren mit Ondansetron-Exposition
fand sich keine erhöhte Rate grobstruktureller
Fehlbildungen im Vergleich zu Kontrollgruppen
(Exposition gegenüber anderen Antiemetika oder
Exposition gegenüber Nicht-Teratogenen).3 Keine
Assoziation zwischen der Verwendung von
Ondansetron und erhöhten Fehlbildungsraten
wurde in einer dänischen Untersuchung gefunden.4 In einem Kongressbeitrag – ebenfalls zu dänischen Registerdaten – wurde dagegen über ein
zweifach erhöhtes Risiko für kardiale Fehlbildungen berichtet.5 Vor diesem Hintergrund wird dazu
geraten, Ondansetron derzeit nicht als First-Line-
Arzneimittelgruppe
Antiemetikum bei Schwangerschaftsübelkeit anzusehen.5 Auch sind mögliche schwangerschaftsunabhängige Risiken (z. B. QT-Verlängerung, Serotonin-Syndrom) zu bedenken.
Quellen:
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and Lactation. 9th ed. Philadelphia, PA: Wolters
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of print]
Arzneimittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit
(zu Einschränkungen und Erläuterungen siehe Text und Quellen)
Antiemetika
Dimenhydrinat, Doxylamin, Metoclopramid.
Antiepileptika
Valproinsäure ist ein bekanntes Teratogen. Auch für
andere klassische Antiepileptika (z. B. Phenytoin,
Carbamazepin, Phenobarbital) sind schädliche Wirkungen in der Schwangerschaft beschrieben.1
Das zu einigen neueren Antiepileptika bislang
verfügbare Datenmaterial zur Sicherheit in der
Schwangerschaft ist weniger umfangreich, mit
Ausnahme von Lamotrigin und Levetiracetam, zu
denen insgesamt keine ernsthaften Verdachtsmomente bezüglich Teratogenität vorliegen. Für
andere neuere Antiepileptika (z. B. Felbamat,
Lacosamid, Pregabalin, Sultiam, Tiagabin, Vigabatrin) ist die Erfahrung unzureichend und erlaubt
derzeit keine Empfehlungen. Bei manchen Wirkstoffen (z. B. Topiramat, Zonisamid) sind zudem
Befunde aufgetreten, die zu Bedenken Anlass geben und weitere Untersuchungen erfordern.
Die Frage nach der Beeinflussung der neurologischen und kognitiven Entwicklung der Kinder
nach In-utero-Antiepileptika-Exposition wird seit
Langem diskutiert. Valproinsäure ist offenbar ungünstiger als andere Antiepileptika.2–4 Eine Assoziation zwischen Valproinsäure-Exposition während
der Schwangerschaft und signifikant reduzierter
Intelligenz der Kinder5 bzw. signifikant erhöhtem
Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung und
XII
KVH aktuell 2|2015
kindlichen Autismus wurden beschrieben.6 Ein
kürzlich erschienener Rote-Hand-Brief hat das Risiko für schwerwiegende Entwicklungsstörungen
(in bis zu 30–40 % der Fälle) und/oder angeborene Missbildungen (in circa 10 % der Fälle) bestätigt.7
Die pharmakokinetischen Eigenschaften einiger
Antiepileptika können sich während der Schwangerschaft in individuell unterschiedlichem Ausmaß
ändern. Mit Plasmaspiegeluntersuchungen können diese Änderungen erfasst werden. Daraus
ergeben sich Änderungen des Dosisbedarfs während der Schwangerschaft sowie in umgekehrter
Richtung nach der Entbindung. Dies betrifft unter
anderem Lamotrigin und Levetiracetam.
Empfehlungen für die perikonzeptionelle Folsäure- und für die Vitamin-K-Prophylaxe beim
Neugeborenen sollten beachtet werden.
In der Betreuung von Epilepsie-Patientinnen, die
schwanger werden können oder wollen, kommt
der interdisziplinären Zusammenarbeit (Gynäkologie, Neurologie, Hausarzt) unter Einbeziehung
einer Beratungsstelle für Embryonaltoxikologie
hohe Bedeutung zu. Die Aufnahme der Schwangeren in ein entsprechendes Register ist wichtig.
Lamotrigin ist für die Stillzeit nur bedingt akzeptabel. Mit der Muttermilch können erhebliche
Mengen zum Säugling übergehen.8
1. Tomson T, Battino D: Teratogenic effects of antiepileptic drugs. Lancet Neurol 2012; 11(9): 803–13
2. Vinten J, Adab N, Kini U, Gorry J, Gregg J, Baker GA;
Liverpool and Manchester Neurodevelopment Study
Group: Neuropsychological effects of exposure to
anticonvulsant medication in utero. Neurology 2005;
64: 949–54
3. Meador KJ, Baker GA, Browning N, Clayton-Smith J,
Combs-Cantrell DT, Cohen M, Kalayjian LA, Kanner
A, Liporace JD, Pennel PB, Privitera M, Loring DW,
for the NEAD Study Group; Cognitive function at
3 years of age after fetal exposure to antiepileptic
drugs. N Engl J Med 2009; 360: 1597–605
4. Meador KJ, Baker GA, Browning N, Cohen MJ,
Bromley RL, Clayton-Smith J, Kalayjian LA, Kanner A,
Arzneimittelgruppe
GYN-SPECIAL
Quellen:
Liporace JD, Pennell PB, Privitera M, Loring DW; NEAD Study Group: Fetal antiepileptic drug exposure
and cognitive outcomes at age 6 years (NEAD Study): a prospective observational study. Lancet Neurol
2013; 12(3): 244–52
5. Banach R, Boskovic R, Einarson T, Koren G: Longterm developmental outcome of children of women
with epilepsy, unexposed or exposed prenatally to
antiepileptic drugs: a meta-analysis of cohort studies. Drug Saf 2010; 33(1): 73–9
6. Christensen J, Grønborg TK, Sørensen MJ, Schendel
D, Parner ET, Pedersen LH, Vestergaard M: Prenatal
valproate exposure and risk of autism spectrum disorders and childhood autism. JAMA 2013; 309(16):
1696703
7. Rote-Hand-Brief. Arzneimittel, die Valproat und verwandte Substanzen enthalten: Risiko für Anomalien
des Neugeborenen. Dezember 2014. http://www.
akdae.de/Arzneimittelsicherheit/RHB/ Archiv/
2014/20141212.pdf (Zugriff 07.01.2015)
8. Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, Weber-Schöndorfer C: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit.
8. Aufl.; München: Urban & Fischer (Elsevier); 2012
Arzneimittel der Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit
(zu Einschränkungen und Erläuterungen siehe Text und Quellen)
Antiepileptika
Schwangerschaft: Möglichst niedrig dosierte Monotherapie im ersten Trimenon unter Folsäuresubstitution (v. a. bei Carbamazepin)
mit erprobten Substanzen (bei Primidon, Phenobarbital und Phenytoin peripartale Vitamin-K-Gabe) unter Meidung von Valproinsäure
(weist die höchste Teratogenität auf). Eventuell Lamotrigin.
Stillen ist bei Monotherapie akzeptabel. Bei Lamotrigin in der Stillzeit ggf. Spiegelkontrolle beim Kind.
Methylphenidat
Raucherentwöhnungsmittel
Für eine Risikoabschätzung für die Anwendung in
der Schwangerschaft liegen zu wenige Daten vor.1
Methylphenidat sollte in der Schwangerschaft
nicht angewandt werden.
Übersichten von 180 beziehungsweise 222
Schwangerschaften mit Methylphenidat-Exposition im ersten Trimenon ergaben kein substanziell
erhöhtes Risiko für grobstrukturelle Fehlbildungen.2–3
Für die Stillzeit existieren keine Angaben zu
Langzeitauswirkungen auf die Kinder.
Der Nutzen einer überwachten Nicotin-Ersatztherapie in der Schwangerschaft scheint gegenüber
den Risiken einer Fortsetzung des Rauchens zu
überwiegen, zumindest bei starken Raucherinnen.
Nicotin-Ersatztherapie ist die einzige Pharmakotherapie zur Beendigung des Rauchens, zu der
randomisierte klinische Studien in der Schwangerschaft durchgeführt wurden.1 Unzureichend ist
die Datenlage für die Entscheidung, ob die Nicotin-Ersatztherapie zur Förderung der Beendigung
des Rauchens in der Schwangerschaft wirksam
und sicher ist.1 Enttäuschend bezüglich der Effektivität waren die Ergebnisse einer randomisierten
placebokontrollierten Studie bei über 1.000
schwangeren Raucherinnen in England. Die Zugabe eines Nicotin-Pflasters (15 mg pro 16 Stunden)
zu verhaltenstherapeutischer Unterstützung ergab
keinen signifikanten Anstieg der Rate von Abstinenz bis zur Entbindung. Die Raten ungünstiger
Schwangerschafts- und Geburtsausgänge waren
in beiden Gruppen ähnlich. Niedrige ComplianceRaten schränkten die Beurteilbarkeit der Sicherheit jedoch deutlich ein.2
Quellen:
1. Bolea-Alamanac BM, Green A, Verma G, Maxwell P,
Davies SJ: Methylphenidate use in pregnancy and
lactation: a systematic review of evidence. Br J Clin
Pharmacol 2014; 77(1): 96–101
2. Dideriksen D, Pottegård A, Hallas J, Aagaard L, Damkier P: First trimester in utero exposure to methylphenidate. Basic Clin Pharmacol Toxicol 2013;
112(2): 73–6
3. Pottegård A, Hallas J, Andersen JT, Løkkegaard EC,
Dideriksen D, Aagaard L, Damkier P: First-trimester
exposure to methylphenidate: a population-based
cohort study. J Clin Psychiatry 2014; 75(1): e88–93
KVH aktuell 2|2015
XIII
GYN-SPECIAL
Bei Verwendung von Nicotin-Pflastern der Stärke 21 mg in der Stillzeit befanden sich die NicotinBrustmilchkonzentrationen in ähnlichem Bereich
wie bei Raucherinnen, die im Mittel 17 Zigaretten
konsumieren; bei Pflastern geringerer Stärke waren sie entsprechend niedriger.3
Vorrangige Bedeutung haben verhaltenstherapeutische Maßnahmen bei der Raucherentwöhnung Schwangerer. Von Interesse ist ferner, dass
gesetzgeberische Maßnahmen zur Rauchfreiheit
mit einem deutlichen Rückgang von Frühgeburten
assoziiert waren.4
Zur Beurteilung der Sicherheit und Wirksamkeit von Vareniclin5,6 und Bupropion in der Raucherentwöhnung Schwangerer und Stillender reichen die bislang verfügbaren Daten nicht aus, und
eine entsprechende Empfehlung kann nicht gegeben werden.
Quellen:
1. Coleman T, Chamberlain C, Davey MA, Cooper SE,
Leonardi-Bee J: Pharmacological interventions for
promoting smoking cessation during pregnancy.
Cochrane Database Syst Rev 2012; 9: CD010078
2. Coleman T, Cooper S, Thornton JG, Grainge MJ,
Watts K, Britton J, Lewis S; Smoking, Nicotine, and
Pregnancy (SNAP) Trial Team: A randomized trial of
nicotine-replacement therapy patches in pregnancy.
N Engl J Med 2012; 366(9): 808–18
3. Ilett KF, Hale TW, Page-Sharp M, Kristensen JH,
Kohan R, Hackett LP: Use of nicotine patches in
breast-feeding mothers: transfer of nicotine and
cotinine into human milk. Clin Pharmacol Ther
2003; 74(6): 516–24
4. Been JV, Nurmatov UB, Cox B, Nawrot TS, van
Schayck CP, Sheikh A: Effect of smoke-free legislation
on perinatal and child health: a systematic review and
meta-analysis. Lancet 2014; 383(9928): 1549–60
5. Harrison-Woolrych M, Paterson H, Tan M: Exposure
to the smoking cessation medicine varenicline during
pregnancy: a prospective nationwide cohort study.
Pharmacoepidemiol Drug Saf 2013; 22(10): 1086–92
6. Kaplan YC, Olgac Dündar N, Kasap B, Karadas B:
Pregnancy outcome after varenicline exposure in
the first trimester. Case Rep Obstet Gynecol 2014;
2014: 26398
Glossar der Abkürzungen
ACE
Angiotensin Converting Enzym
ADHS
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
COX-2
Cyclooxygenase 2
CYP2D6
Cytochrom P450 2D6
NSAR
Nichtsteroidale Antirheumatika
PPHN
Persistierende pulmonale Hypertonie des Neugeborenen
SNRI
Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
SSRI
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
Literatur
Verordnungsforum 32
Januar 2015
Herausgeber
KVBW
Kassenärztliche Vereinigung
Baden-Württemberg
Albstadtweg 11
70567 Stuttgart
Text
Prof. Dr. med. Klaus Mörike,
Universitätsklinikum
Tübingen, Institut für
Experimentelle und Klinische Pharmakologie und
Toxikologie, Abteilung
Klinische Pharmakologie
XIV
KVH aktuell 2|2015
Bücher
Übersichtsarbeiten und Buchkapitel
■ Schaefer C, Peters P, Miller RKM: Drugs during
pregnancy and lactation, 3. Aufl.; London:
Elsevier/Academic Press; 2015
■ Paulus WE, Lauritzen C: Medikamente und
Schadstoffe in Schwangerschaft und Stillzeit.
22. Aufl.; Balingen: Spitta- Verlag; 2014
■ Schaefer C, Spielmann H, Vetter K, WeberSchöndorfer C: Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit. 8. Aufl.; München: Urban
& Fischer (Elsevier); 2012
■ Briggs GG, Freeman RK, Yaffe SJ: Drugs in Pregnancy and Lactation. 9. Aufl.; Philadelphia: Wolters Kluwer, Lippincott Williams & Wilkins; 2011
■ Friese K, Mörike K, Neumann G, Windorfer A:
Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit. Ein Leitfaden für Ärzte und Apotheker.
7. Aufl.; Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2009
■ Schaefer C, Weber-Schöndorfer C: Aktuelle
Aspekte zum Arzneimitteleinsatz in Schwangerschaft und Stillzeit. Arzneimitteltherapie
2012; 30(12): 383–90
■ Paulus WE: Pharmakotherapie in der Schwangerschaft. In: Wehling M (Hrsg.): Klinische
Pharmakologie. 2. Aufl.; Stuttgart: Georg
Thieme Verlag; 2011
■ Schaefer C, Weber-Schöndorfer C: Pharmakotherapie in der Schwangerschaft. Internist
2009; 50: 455–66
■ Paulus W: Krank in der Schwangerschaft und
Stillzeit. Welche Medikamente dürfen Sie verschreiben? MMW Fortschr Med 2005;
147(16): 1–8
ANTIHYPERTENSIVA IN DER SCHWANGERSCHAFT
GYN-SPECIAL
Was empfehlen die
Leitlinien?
Soll eine medikamentöse Senkung erfolgen, so gilt alphaMethyldopa als Wirkstoff der ersten Wahl. Kontraindiziert
sind ACE-Hemmer und Sartane. Atenolol sollte gemieden
werden. Empfohlen werden außerdem Nifedipin, Metoprolol
und Hydralazin (Stillzeit). Auf Diuretika sollte aus physiologischen Überlegungen eher verzichtet werden.
DR. MED. STEFAN GRENZ
Die Datenlage zu arzneimittelinduzierten Fruchtschäden ist (auch) für Antihypertensiva schlecht.
Die verfügbaren Empfehlungen orientieren sich
am empirischen „Grad an Sicherheit“.1 Dieser ist
für viele Antihypertensiva gering. Sichere Beweise
für eine Unschädlichkeit im 1. Trimenon liegen
naturgemäß auch für die empfohlenen Wirkstoffe
nicht vor.2,3
Eine arterielle Blutdruckerhöhung in der Schwangerschaft (SS) ist:4
■ schwangerschaftsunabhängig (vorbestehende
Hypertonie oder Blutdruckerhöhung vor der
20. Schwangerschaftswoche [SSW]) oder
■ schwangerschaftsbedingt (wenn sich die Blutdruckerhöhung nach der 20. SSW entwickelt).
Prognostisch ungünstig ist die Entwicklung einer
Proteinurie (insbesondere bei Eiweißausscheidung
von > 300 mg/24 h):4
■ als Präeklampsie (Gestose) bei schwangerschaftsbedingter Hypertonie oder
■ als Pfropfpräeklampsie (Pfropfgestose) bei
schwangerschaftsunabhängiger Hypertonie.
■ Ödeme gelten nicht mehr als Diagnosekriterium einer Präeklampsie.
Die Rationale für eine medikamentöse Blutdrucksenkung in der Schwangerschaft ist die Progressionsvermeidung von hypertensiven Endorganschäden der
6-8%
BLUTDRUCK BEI SCHWANGERSCHAFTEN
Ein erhöhter arterieller Blutdruck (über
erhöhter arterieller
Blutdruck bei
Schwangerschaften
140/90 mmHg) ist in etwa 6 bis 8 Prozent
aller Schwangerschaften nachweisbar. Ob und
mit welchen Medikamenten eine Blutdrucksenkung
erfolgen soll, hängt vom individuellen Risiko für die
Schwangere und das ungeborene Kind ab.
KVH aktuell 2|2015
XV
GYN-SPECIAL
Die Leitlinie der Deutschen Hochdruckliga
(DHL) ist formal abgelaufen und befindet sich
zurzeit in Überarbeitung. Aktuell ist die
Pocket Guideline der
European Society of
Cardiology (ESC).
PDF zum Download
unter:
kvh.link/1502007
HINTERGRUND
XVI
KVH aktuell 2|2015
Mutter und/oder die Risikoreduktion einer Präeklampsie mit Gefahr für Mutter und Kind. Empfohlen wird die Option „keine Antihypertensiva“ nur für
vormals gesunde Schwangere mit stabilen Blutdruckwerten unter 150 mmHg systolisch bzw. 100
mmHg diastolisch – regelmäßige Selbstkontrollen
vorausgesetzt.3–5
Begründung: Ohne Antihypertensiva sei in dieser Gruppe der Nutzen (Vermeidung von arzneimittelverursachten Fruchtschäden oder uteroplazentaren Minderperfusionen) für das Kind höher
als das (geringe kardiovaskuläre) Risiko für die
Mutter.4 Die Option „keine Antihypertensiva“ gilt
somit auch bei vorbestehender Hypertonie: Die
Entscheidung, ob eine Hypertonie „vorbestehend“ oder „schwangerschaftsbedingt“ ist, sei in
der Praxis nicht immer leistbar.5 Eine begleitende
Kochsalzreduktion wird nicht empfohlen.4
Sollte in der SS die vorbestehende Medikation
weitergeführt werden, dürfen keine ACE-Hemmer und Sartane oder Atenolol genommen werden. Im Falle des Neubeginns einer antihypertensiven Medikation in der SS ist alpha-Methyldopa
das Mittel der Wahl (cave: kurze Halbwertszeit
von 1,8 h). Auch Metoprolol oder retardiertes Nifedipin seien sicher (Labetalol wird ebenfalls empfohlen, ist aber hierzulande nicht gelistet).3–5 Für
Aliskiren, Amlodipin, Clonidin, Prazosin, Moxonidin sei der Grad an Sicherheit zu gering: Daher haben sie keinen Platz in SS oder Stillzeit.1
Zur Akut-Behandlung von Blutdruckwerten
über 170 mmHg systolisch bzw. über 110 mmHg
diastolisch werden Methyldopa, nichtretardiertes
Nifedipin und Urapidil i. v. empfohlen. Hydralazin
i. v. wird nicht (mehr) empfohlen. Natriumnitroprussid i. v. nur, wenn das Leben der Mutter gefährdet sei.2,4,5
Während der Stillperiode werden alpha-Methyldopa und Dihydralazin als Mittel der Wahl, daneben (retardiertes) Nifedipin und Metoprolol gemäß DHL-Leitlinie empfohlen.4 Englands NICE bewertet zudem Enalapril, Captopril oder Atenolol
als unschädlich für den Säugling.3 Dagegen werden alle restlichen ACE-Hemmer, alle Sartane und
auch Amlodipin für die Stillzeit nicht empfohlen.3
Nicht Gegenstand dieser Kurzübersicht sind
Besonderheiten der antihypertensiven Behandlung bei Eklampsie bzw. schwerem vorbestehendem Hochdruck. Ebenso ist der Hinweis wichtig,
dass die zitierte DHL-Leitlinie4 formal abgelaufen
ist. Sie soll derzeit in Überarbeitung sein.
Die Pharmakovigilanz-Datenbank EMBRYOTOX der Charité ermöglicht eine rasche OnlineRecherche zu den gängigen Substanzen.1 ■
Quellen:
1. www.embryotox.de
2. Der Arzneimittelbrief. Behandlung der Hypertonie in
Schwangerschaft und Stillzeit. AMB 2011; 45: 06
3. NHS National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE). Hypertension in pregnancy: The
management of hypertensive disorders during pregnancy (Guideline 107). NICE 2011;
http://www.nice.org.uk/guidance/cg107
4. Deutsche Hochdruckliga (DHL). Leitlinie zur Behandlung der arteriellen Hypertonie. AWMF 2008;
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/
046-001_S2_Behandlung_der_arteriellen_
Hypertonie_abgelaufen.pdf
5. Zamorski MA, Green LA. NHBPEP Report on High
Blood Pressure in Pregnancy: A Summary for Family
Physicians. Am Fam Physician 2001; 64(2): 263–70
✓ Interessenkonflikte: keine
STANDPUNKT
Chinin ist seit April
2015 verschreibungspflichtig – damit auch
verordnungsfähig?
Chinin zur Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe ist seit
Neuestem verschreibungspflichtig geworden. Nachfolgend
stellen wir relevante Nebenwirkungen vor, fassen kurz die
aktuelle Leitlinie zur Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe
zusammen und beleuchten die zukünftige Verordnungsfähigkeit chininhaltiger Präparate.
DR. MED. MICHAEL VIAPIANO
C
hinin ist ein Alkaloid des Chinarindenbaums,
das über antipyretische, analgetische, lokal
anästhesierende und peripher muskelrelaxierende
Wirkungen verfügt. 1978 erhielt es in Deutschland die Zulassung zur Behandlung der Malaria
sowie, in geringerer Dosierung, zur Behandlung
nächtlicher Wadenkrämpfe. Ob der risikoreichen
Nebenwirkungen hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Chinin zur Behandlung der Malaria bereits 1994 in die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) aufgenommen.
Das BfArM hat zwischenzeitlich ein Stufenplanverfahren zur Neubewertung chininhaltiger Präparate initiiert, mit einem Sachverständigenausschuss beraten und die Empfehlung der grundsätzlichen Verschreibungspflicht ausgesprochen.1,2
Dem hat sich das BMG nun angeschlossen und
im Zuge der neuen AMVV Chinin zum
1. April 2015 zur Anwendung beim Menschen
verschreibungspflichtig gemacht.3
tomatik der Salicylatvergiftung ähnelt.4 Die
Thrombozytopenie ist unter den unerwünschten
Wirkungen hervorzuheben, da sie dosisunabhängig auftreten kann. Der Patient bemerkt diese
Nebenwirkung eventuell erst, wenn schon Blutungen eintreten.
Ein weiteres Gefahrenpotenzial lässt sich aus
den Gegenanzeigen ablesen: Patienten mit kardialen Erkrankungen oder Risikofaktoren (QT-Verlängerung in der Vorgeschichte oder aufgrund QTverlängernder Arzneimittel, Herzinsuffizienz, Elektrolytstörungen) können eine Torsade-de-PointesTachykardie entwickeln, die unbehandelt zum
plötzlichen Herztod führen kann.
Diese beiden potenziell letalen Nebenwirkungen sind nach Meinung des Sachverständigenausschusses nur durch ärztliche Anamnese und Überwachung einzudämmen, woraus die Empfehlung
zur Verschreibungspflicht resultierte.
Dieser Beitrag wurde
mit freundlicher
Genehmigung der
Kassenärztlichen
Vereinigung BadenWürttemberg aus
dem Verordnungsforum 34, Juni 2015,
übernommen.
Leitlinienkonform?5
Nebenwirkungen
Zur Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe ist aktuell nur ein Präparat auf dem deutschen Markt
zugelassen, das eine Dosierung von max. 400 mg
Chinin/Tag für einen Zeitraum von max. fünf Wochen (Ausnahme: Dialysepatienten) angibt. Als
Nebenwirkungen sind Hautreaktionen, Blutbildveränderungen, gastrointestinale Störungen
sowie Tinnitus und Hörstörungen genannt. Bei
chronischer Einnahme oder Überdosierung kann
es zum Cinchonismus kommen, der in der Symp-
Beim Auftreten von Muskelkrämpfen müssen zunächst Differenzialdiagnosen wie Restless-LegsSyndrom oder Myotonien abgegrenzt werden. Zur
Basisdiagnostik gehört die Anamnese der Provokationssituation, Familie, Medikamente, neurologischer Status, Elektrolyte, Nieren- und Leberwerte, Blutzucker sowie Schilddrüsenhormone.
Die erste Therapieoption bei unkompliziertem
Muskelkrampf ist die Dehnung der Wade/Kontraktion des Gegenmuskels, regelmäßige Dehnübungen sollen bei häufiger auftretenden Beschwerden
KVH aktuell 2|2015
15
Quellen:
STANDPUNKT
1. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und Paul-Ehrlich-Institut (Ausgabe 1/
März 2014): Bulletin
zur Arzneimittelsicherheit – Informationen
aus BfArM und PEI
2. Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2014): Voten
des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht nach
§ 53 AMG, 71. Sitzung
3. Bundesgesetzblatt
(2014): Verordnung zur
Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung, Apothekenbetriebsordnung,
der Verordnung über
apothekenpflichtige,
freiverkäufliche Arzneimittel und der Medizinprodukte-Abgabeverordnung 2014,
Teil I, Nr. 62
4. cassella med (April
2015): Fachinformation
Limptar® N 200 mg
Filmtabletten
5. Deutsche Gesellschaft
für Neurologie (2012):
Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der
Neurologie – Crampi/
Muskelkrampf
6. Gibt es eine wirksame
Therapie bei Muskelkrämpfen in den Beinen? AMB 2013; 47:
89
durchgeführt werden. Pharmakotherapeutisch wird
in erster Linie Magnesium empfohlen, auch in der
Schwangerschaft. Die Evidenz dieser Maßnahmen
ist jedoch sehr begrenzt.6
Die Wirksamkeit von Chinin in der Prophylaxe
und Therapie nächtlicher Wadenkrämpfe gilt als
belegt. Allerdings ist das Ausmaß der Wirkung im
Vergleich zu Placebo moderat.4 Wegen der potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen wird Chinin jedoch nur als Second-Line-Therapie empfohlen und auch nur bei schweren Verläufen. Sollten
sich die Krampfstärke oder -häufigkeit nach vier
Wochen nicht bessern, ist die Behandlung abzubrechen.
Verordnungsfähigkeit
In der aktuellen Arzneimittelrichtlinie (AM-RL)
Anlage III sind Muskelrelaxantien nur in fixer Kombination mit anderen Wirkstoffen von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen. Das bedeutet, dass
chininhaltige Monopräparate ab 1. April 2015
auch in der Indikation des nächtlichen Wadenkrampfs zulasten der GKV verordnet werden können. Bislang hat sich unserer Kenntnis nach der
Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) noch nicht
zu einer Änderung entschlossen.
Wir raten jedoch trotzdem zu einem restriktiven Einsatz dieses Präparats wegen beschriebener
Nebenwirkungen, Gegenanzeigen und möglicher
Interaktionen. ■
✓ Interessenkonflikte: keine
FAZIT
• Infolge der neuen Verschreibungspflicht von
Chinin besteht formal die Möglichkeit, das
Arzneimittel zur Behandlung nächtlicher Wadenkrämpfe zulasten der GKV zu verordnen.
• Aufgrund des Risikopotenzials von Chinin raten wir jedoch zu einem restriktiven Einsatz
dieses Präparats.
• Magnesium (Verordnung auf grünes Rezept)
und physiotherapeutische Maßnahmen sind
alternative Optionen, wenngleich mit begrenzter Evidenz.
KOMMENTAR
Brauchen wir Chinin
für die Behandlung
von Wadenkrämpfen?
DR. MED. JOACHIM SEFFRIN
N
ach Aussage des arznei-telegramm®1 sieht die
FDA Chinin weder als ausreichend wirksam
noch als sicher an. Sie warnt vor dessen Einnahme.2
Der Stoff sei in den USA deshalb nicht zugelassen.
Der Arzneimittelbrief warnte schon 2004 vor dem
16
KVH aktuell 2|2015
Risiko der QT-Verlängerung3 und riet 2013 wegen
vielfältiger Nebenwirkungsrisiken und nicht zuverlässiger Wirksamkeitsnachweisen von der Nutzung
von Chinin ab.4 Nun hat das BfArM nach rund
fünf Jahren (oder noch länger?) des Abwägens
nen. Mit der Entscheidung der Behörde müssen wir
davon ausgehen, dass weiterhin Menschen bei der
Behandlung von Wadenkrämpfen aufgrund von
Nebenwirkungen von Chinin sterben werden.
Nebenbei wird damit zu rechnen sein, dass die verschreibenden Ärzte beim Auftreten von Komplikationen später vor Gericht nachweisen müssen, dass
sie den Patienten über die möglichen Nebenwirkungen ausreichend aufgeklärt haben. Gewissermaßen ein Kollateralschaden.
Und welcher Arzt kennt sämtliche Nebenwirkungsrisiken oder stellt sie dem Patienten alle ausführlich dar? Im realen deutschen Praxisalltag mit
der irre hohen Zahl an Patientenkontakten ein Ding der Unmöglichkeit, wohl eine Vorstellung von Nach meinem Eindruck
Juristen, unrealistisch, nicht mach- haben wir hier erneut
bar – und wahrscheinlich jeder auden Nachweis, dass in
ßer den Richtern weiß das.
Wir haben hier erneut ein Bei- unserem Land weiterhin
spiel für das Versagen dieser Be- finanzielle Interessen
hörde. Deren Mitarbeiter mögen
Vorrang vor dem Schutz
im Rahmen ihrer rechtlichen und
organisatorischen Möglichkeiten der Gesundheit der
ordentlich gearbeitet haben. Bürger haben.
Wenn man dies voraussetzt, müssen die Optionen und Freiheitsgrade für Entscheidungen dieses Hauses entsprechend
erweitert werden. Die Prämisse aller Verfügungen
dieser Behörde muss sein, die Menschen in unserem Land vor unnötigen Arzneimittelrisiken zu
schützen. Der Gesetzgeber ist gefordert, die Arbeitsgrundlagen der Verwaltung im oben beschrie- Quellen:
benen Sinne zu ändern und die Mitarbeiter ent- 1. a-t 2014;1
sprechend zu unterstützen und vor Widerständen 2. a-t 2010; 9
3. AMB 2004; 38: 49
der Industrie zu schützen. ■
4. AMB 2013; 47: 89
✓ Interessenkonflikte: keine
STANDPUNKT
entschieden, den Wirkstoff unter die Rezeptpflicht
zu stellen. Vermutlich um wirtschaftlichen Schaden für den Unternehmer abzuwenden, gestand
die Behörde den freien Abverkauf bis Ende März
2015 zu.5 Ob auch an mögliche Schäden der
Patienten gedacht wurde? Wie viele Menschen in
den Jahren der behördlichen Überprüfung ihr
Leben verloren oder Komplikationen erlitten haben, indem sie ihre Wadenkrämpfe mit Chinin
behandelten, weiß niemand.
Offensichtlich ist anerkannter Wissensstand,
dass die Wirkung von Chinin bei Wadenkrämpfen
nicht ausreichend belegt ist und dass Chinin in diesen Fällen kaum, wenn überhaupt, einen nennenswerten Nutzen hat. Aus unserer täglichen Erfahrung als Ärzte wissen wir, welch riesige Nachfrage
bei den Patienten besteht. Bis vor Kurzem konnte
der unbedarfte Bürger das Medikament frei in der
Apotheke erstehen, im Vertrauen darauf, dass es
für den unbeschränkten Verkauf zugelassen und
somit risikoarm oder gar ohne Risiko sei.
Die jetzt installierte Hürde der Rezeptpflicht
stellt aus meiner Sicht keinen nennenswert besseren Schutz unserer Patienten dar. Hier steht auf der
einen Seite eine harmlose, wenn auch außerordentlich unangenehme Beschwerde, nämlich
nächtliche Wadenkrämpfe, und auf der anderen
Seite eine medikamentöse Behandlung, die in einzelnen Fällen mit gefährlichen, teils lebensbedrohlichen beziehungsweise tödlichen Nebenwirkungen
einhergeht. Zu dumm, wenn man einer der wenigen Betroffenen ist. Der Hersteller würde dann vielleicht sagen: eben Pech gehabt.
Der Einsatz des Wirkstoffs ist sicher gerechtfertigt, wenn es darum geht, eine lebensbedrohliche
Erkrankung wie Malaria zu behandeln, falls die
Alternativen nicht gewirkt haben. Ist es aber
tatsächlich verantwortbar, für eine Bagatellerkrankung einen potenziell tödlichen Wirkstoff einzusetzen?
Noch merkwürdiger wird es, wenn Chinin als
Geschmacksstoff für Limonaden verwendet wird.
Dies wäre aber ein weiteres, eigenes Thema. Auch
wenn die pharmakologische Dosis gering sein mag,
ist das Allergenpotenzial nicht zu vernachlässigen.
Ich darf hier erwähnen, dass mein Schwiegervater in den Sechzigerjahren beinahe an einer dramatischen allergischen Reaktion auf Chinin gestorben
wäre und nur mit großem Glück überlebt hat.
Mit der Rezeptpflicht geht das juristische Risiko
einmal mehr auf den rezeptierenden Arzt über. Wir
dürfen davon ausgehen, dass sich nicht jeder Arzt
der gesamten Palette der teils bedrohlichen Nebenwirkungen dieses Mittels bewusst ist. Ebenso wissen wir, dass der Arzt bestrebt ist, seinen Patienten
zu helfen, Beschwerden zu lindern, und somit geneigt ist, das gewünschte Medikament zu verord-
5. a-t 2015; 2
IHRE MEINUNG
Wie sehen Sie die Sachlage? Haben Sie vielleicht gute oder gar schlechte Erfahrungen
mit Chinin bei Wadenkrämpfen gemacht?
Rechtfertigt die Indikation die möglichen Risiken? Reichen die Maßnahmen, reichen
die Möglichkeiten des BfArM aus?
Schreiben Sie uns Ihre Meinung an
[email protected]
KVH aktuell 2|2015
17
ANGABEN ZUR HÄUFIGKEIT VON UAW
NACHRICHTEN
Nur Schätzwerte
Quelle:
Rheinisches Ärzteblatt
Quelle:
Dr. Alexander Liesenfeld
In einem Brief an die Redaktion der Berliner Ärzte
spricht sich eine Leserin dafür aus, dass bei Angaben zur Häufigkeit des Auftretens unerwünschter
Wirkungen (UAW) immer die obere und untere
Grenze angegeben werden sollten. Hierzu ist festzustellen:
1. Die Häufigkeitsangaben sind nur ungenaue
Zahlen. In den offiziellen Fachinformationen
werden diese Angaben in Abstimmung mit den
jeweiligen Herstellern festgelegt.
2. Die Angaben beziehen sich auf alle Patienten.
Die Häufigkeit in besonderen Risikogruppen,
zum Beispiel Patienten mit Herz- oder Nierenerkrankungen oder alte Patienten, ist nicht eingeschlossen. Bei diesen Gruppen kann die Häufigkeit des Auftretens durchaus um mehrere
Zehnerpotenzen erhöht sein.
3. Grundsätzlich gilt: Nur ein kleiner Teil (circa
20 Prozent) aller aufgetretenen UAW wird auch
erfasst.
4. Das Auftreten einer UAW im Einzelfall ist nicht
vorhersehbar. Es sollten daher alle UAW bedacht werden, insbesondere bei Erstverordnung
eines Arzneistoffs und bei möglichen
Begleiterkrankungen.
5. Die Angabe von oberen und unteren Häufigkeitsgrenzen erzeugt nur eine Pseudosicherheit und
kann allenfalls als grobes Maß für eine Gefährdung der Patienten im Einzelfall gelten. Es genügt
daher die Angabe einer oberen Grenze. ■
DR. MED. GÜNTER HOPF
✓ Interessenkonflikte: keine
Kategorie
Häufigkeit
Interpretation
sehr häufig
> 10 %
mindestens jeder 10. hat diese/eine UAW
häufig
1–10 %
es ist möglich, dass fast jeder 10. eine/diese
UAW bekommen kann
gelegentlich
0,1–1 %
dito bis zu jeder 100.
selten
0,01–0,1 %
dito bis zu jeder 1.000.
sehr selten
< 0,01 %
dito bis zu jeder 10.000.
nicht bekannt
nicht abschätzbar
SSRI
Spermienveränderungen möglich
Prospektive Kohortenstudien ergaben nach einer
5-wöchigen bis 24-monatigen Einnahme von SSRI
(Escitalopram, Citalopram, Fluoxetin, Paroxetin)
eine erhebliche Änderung der Samenqualität: reduzierte Gesamtzahl, reduzierte
Motilität, höhere Anzahl abnormaler Spermien, vermehrte DNAFragmentierungen. Auch Dapoxetin steht wegen seiner
chemischen Verwandtschaft
mit Fluoxetin unter Verdacht,
derartige Veränderungen der
18
KVH aktuell 2|2015
Spermienqualität zu verursachen – in der zugelassenen Indikation „vorzeitiger Samenerguss“ eher
von Nachteil. Im Tierversuch zeigten Antidepressiva vom SSRI-Typ eine verzögerte sexuelle Entwicklung und reduzierte Fertilität bei männlichen
und weiblichen Tieren. Die Autoren empfehlen,
Patienten über diese mögliche unerwünschte
Wirkung (UAW) zu informieren, insbesondere bei
Kinderwunsch. ■
DR. MED. GÜNTER HOPF
✓ Interessenkonflikte: keine
ABSURD
Die Placebo-Republik
nander verbunden) und der Signaturenlehre (zum
Beispiel Pflanzen mit herzförmigen Blättern eignen sich zur Behandlung von Herzkrankheiten)
kommen noch besondere Herstellungsverfahren,
beispielsweise der Firma Weleda zur Präparation
ihres Goldpräparats Neurodoron (spezielle Verfeinerungsverfahren).
Gold bleibt Gold, kein Atom unterscheidet sich
vom anderen. Insbesondere tragen Atome nicht
eine Biografie ihrer Entstehungsgeschichte in sich.
In diesem „Arzneimittel“ werden auch noch das
senkrechte Weltbild (Sonne/Gold/Herz) und die
Signaturenlehre einbezogen (ein Herz ist dehnbar, Gold ist dehnbar). Ein Glück, dass insbesondere Befindlichkeitsstörungen selbstlimitierend sind. ■
DR. MED. GÜNTER HOPF
✓ Interessenkonflikte: keine
NACHRICHTEN
Die Aussagen von Parallelwissenschaften sind in
Deutschland weit verbreitet und werden von großen Teilen der Bevölkerung und der Politik akzeptiert. In einem kritischen Aufsatz über Homöopathie, Anthroposophie und andere alternative
Heilverfahren werden die Aussagen ihrer Vertreter
mit physikalischen Gesetzen verglichen und ad
absurdum geführt. Der Autor verweist auf über
50 Nobelpreise in Medizin, Physik und Chemie,
die aufgrund der alternativen „Erkenntnisse“ hätten zuerkannt werden müssen.
Selbst Homöopathie-nahe Wissenschaftler
kommen zu dem Schluss, dass es bisher nicht eindeutig belegt ist, dass sich homöopathische Arzneimittel von Placebo unterscheiden.
Zu den physikalisch nicht nachweisbaren Gedanken über ein senkrechtes Weltbild (Planeten,
Elemente, Körperteile und Pflanzen werden mitei-
Quelle:
Versicherungsmed. 2014;
66 (4): 202–06
METFORMIN
Auch bei eingeschränkter Nierenfunktion bei
Beachtung von Kontraindikationen zugelassen
Lange galt die Regel, dass Metformin bei eingeschränkter Nierenfunktion, das heißt bei einer
eGFR (estimated glomerular filtration rate) unter
60 ml/min/1,73 m², kontraindiziert sei. In der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) Diabetes mellitus von 20131 wird bereits diskutiert, dass auch
bei eingeschränkter Funktion unterhalb von 60
ml/min mit reduzierter Dosis behandelt werden
könne. Es wird dort berichtet, dass im Ausland
niedrigere eGFR-Grenzen gelten.
Mit Datum 27. März 2015 verlautbart das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM)2, dass die Behandlung bei eingeschränkter Nierenfunktion mit einer eGFR zwischen 45
und 59 ml/min unter Dosisreduktion auf maximal
1.000 mg pro Tag verteilt auf zwei Einzelgaben
zulässig ist. Dabei solle die Nierenfunktion engmaschig kontrolliert werden, worunter Abstände von
3 bis 6 Monaten verstanden werden: „Besondere
Aufmerksamkeit ist in Situationen erforderlich, in
denen sich die Nierenfunktion akut verschlechtern
kann, zum Beispiel bei Dehydratation (schwere
Diarrhoe oder Erbrechen) oder bei Einleitung einer
Therapie mit Antihypertensiva oder Diuretika und
zu Beginn einer Therapie mit nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAID).“
Ärzte sollen auch ihre Patienten auf das Risiko
und die Symptome einer Laktatazidose (Übelkeit,
Erbrechen, Bauchschmerzen, Hyperventilation,
Unruhe, Verwirrtheit, Müdigkeit und Bewusstseinseintrübung) hinweisen.3
Interessant: Das, was mittlerweile in vielen Ländern Standard zu sein scheint, ist jetzt auch in
Deutschland offiziell zugelassen. Nach dem, was
in der NVL Diabetes mellitus Typ 2 veröffentlicht
ist, scheinen manche Behandler im Ausland die
Grenze zur absoluten Kontraindikation sogar erst
bei 30 ml/min/1,73 m² anzusiedeln.
Aber Vorsicht! Dies ist bis auf Weiteres in
Deutschland off label und damit nicht zulässig. Ein
Blick in die ausführliche Fachinfo3 ist wegen der
vielen Details zu Metformin ratsam. ■
DR. MED. JOACHIM SEFFRIN
✓ Interessenkonflikte: keine
Quellen:
1. kvh.link/1502008
2. kvh.link/1502009
(30.3.15)
3. kvh.link/1502010
KVH aktuell 2|2015
19
FORSCHUNG & PRAXIS
ISCHÄMISCHER SCHLAGANFALL
Lässt sich durch
Folsäure das Risiko
reduzieren?
Seit fast einem halben Jahrhundert sind Zusammenhänge zwischen
Schlaganfall und der natürlich vorkommenden Aminosäure Homozystein bekannt. Doch nicht alle Patienten profitieren eindeutig von einer
Senkung des Homozystein-Spiegels. Die Supplementierung kann aber
auch nicht schaden.
PROF. DR. MED. MICHAEL M. KOCHEN, MPH, FRCGP (Aus: Z Allg Med 2015; 91: 244–46)
20
KVH aktuell 2|2015
122.000
L
aut dem Robert Koch-Institut ist in Deutschland der Schlaganfall nach der koronaren
Herzkrankheit die zweithäufigste Todesursache,
obwohl die Mortalitätsrate in den vergangenen
Jahrzehnten kontinuierlich gefallen ist. Die Lebenszeitprävalenz des Schlaganfalls (2008–2011) in
der Altersgruppe von 40 bis 79 Jahren beträgt insgesamt 2,9 % – Frauen 2,5 %, Männer 3,3 %.
Thrombogenität ist unbestritten
Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass
Homozystein Endothelschäden und vermehrte
Thrombogenität verursacht. Epidemiologische
Studien weisen eine Assoziation zwischen dem
Plasmaspiegel von Homozystein und dem Risiko
kardiovaskulärer Erkrankungen, insbesondere
Schlaganfall, nach. Je nach Studie liegt dieses Risiko bei erhöhtem Homozystein-Spiegel zwei- bis
vierfach höher als bei Normalwerten.
■ Die tägliche Einnahme von B-Komplex-Vitaminen, insbesondere von Folsäure, kann den
Homozystein-Spiegel um ca. 25 % senken. Die
Senkung scheint besonders effektiv bei Personen mit einem bestimmten Polymorphismus
(MTHFR 677C T) und in Ländern mit niedrigem
Folsäurestatus.
■ Die entscheidende Frage auf der Grundlage dieser Erkenntnisse ist, ob man durch
tägliche Einnahme von B-Komplex-Vitaminen, insbesondere Folsäure, nicht nur die
Senkung des Homozystein-Spiegels, sondern auch eine Reduktion des Schlaganfallrisikos erreichen kann oder nicht.
■ Kontrollierte klinische Studien beziehungsweise Metaanalysen kamen hier zu widersprüchlichen Ergebnissen.
Ergebnisse sind nicht eindeutig
In den neuesten amerikanischen Leitlinien zur
Primärprävention von Schlaganfällen (2014)
steht folgender Text: „Die Hyperhomocysteinämie
ist mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko vergesellschaftet. Studien zur Risikoreduktion mit BKomplex-Vitaminen sind zu uneinheitlichen Resultaten gekommen.“
FORSCHUNG & PRAXIS
SCHLAGANFÄLLE IN DEUTSCHLAND
Schlaganfälle ereignen sich in Deutschland jährlich. Knapp 43.000 Menschen
sterben daran.
(Daten aus 2013)
Eine Verminderung von Schlaganfällen konnte
in den Arbeiten gezeigt werden,
■ die länger als drei Jahre dauerten,
■ in denen das Plasma-Homozystein um mehr
als 20 % reduziert wurde,
■ in denen die rekrutierten Patienten keinen vorherigen Schlaganfall hatten,
■ die Patienten aus Gegenden einschlossen, in
denen Lebensmittel nicht mit Folsäure versetzt
wurden (in den USA und in Kanada ist seit
1998 ein Folsäurezusatz in Mehl – zur Prävention von Neuralrohrdefekten bei Neugeborenen – gesetzlich vorgeschrieben; MMK).
Sieht man sich alle bislang publizierten Arbeiten
zu dieser Thematik genauer an, wird klar, dass sich
die negativen Ergebnisse ausschließlich auf die
Sekundärprävention beziehen: Bei Patienten mit
bereits bestehenden kardiovaskulären Erkrankungen (CVD) wie KHK oder vorangegangenem
Myokardinfarkt beziehungsweise Schlaganfall bewirkt die Einnahme von Folsäure also in der Regel
keine Risikoverminderung.
Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. So
konnte eine 2006 veröffentlichte DoppelblindStudie aus den USA mit 5.522 kardiovaskulär vorerkrankten Patienten sehr wohl eine signifikante
Senkung des Schlaganfallrisikos zeigen: Das
relative Risiko (RR) der Interventionsgruppe
(tägliche Zufuhr von 2,5 mg Folsäure, 50 mg Vitamin B6 und 1 mg Vitamin B12) betrug im Vergleich
zur Placebogruppe 0,75 (95-%-Konfidenzintervall
0,59–0,97).2
In einer 2010 erschienenen Metaanalyse von
13 kontrollierten Studien mit 39.000 Patienten3
konnte Folsäure das CVD-Risiko nicht senken
(relatives Risiko [RR] 0,93; 95-%-KI 0,85–1,03;
p = 0,16). Wurden allerdings nur die 18.588
„primärpräventiven“ Teilnehmer betrachtet, die
bislang keinen zerebralen Insult erlitten hatten, ergab sich eine statistisch signifikante Verminderung des Schlaganfallrisikos (RR 0,89; 95-%-KI
0,79–0,99).
Aus der Volksrepublik China kommt jetzt eine
methodisch einwandfreie, kontrollierte klinische
Studie zur Primärprävention des Schlaganfalls
durch die Einnahme von Folsäure (China Stroke
B-Komplex-Vitamine
können für die
Prävention eines
ischämischen Schlaganfalls bei Patienten
mit erhöhtem Homozystein-Spiegel
erwogen werden; die
Wirksamkeit ist
allerdings nicht gut
etabliert (Klasse IIb;
Evidenzlevel B). Diese
Empfehlung kann in den
Leitlinien1 nachgelesen
werden (Registrierung
erforderlich).
kvh.link/1502011
INFO
KVH aktuell 2|2015
21
■ Vorausgegangen war eine dreiwöchige Probephase zur Prüfung der Adhärenz, in der alle
Teilnehmer nur Enalapril erhielten.
■ Jegliche Begleitmedikation außer B-Vitaminen
war erlaubt, auch andere Hochdruckmedikamente.
■ Primärer Endpunkt war das erstmalige Auftreten eines Schlaganfalls.
■ Sekundäre Endpunkte waren erstmaliger
ischämischer Insult, erstmaliger hämorrhagischer Insult, Herzinfarkt bzw. ein aus kardiovaskulärem Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall und
Todesfall jeglicher Ursache zusammengesetzter
Index.
FORSCHUNG & PRAXIS
Primary Prevention Trial [CSPPT]) – soeben online veröffentlicht im renommierten Journal of the
American Medical Association.4
Die Wissenschaftler rekrutierten über fünfeinhalb Jahre 20.702 Erwachsene im Alter zwischen 45 und 75 Jahren mit einem erhöhten
Blutdruck über 140/90 mmHg.
■ Die Teilnehmer (rund 40 % Männer) durften
keinen Herzinfarkt oder Schlaganfall in der
Vorgeschichte haben.
■ 23 % waren Raucher.
■ Der Body-Mass-Index betrug im Mittel 25,
■ der mittlere Blutdruck 164/94 mmHg,
■ das Gesamtcholesterin 213 mg/dl,
■ der Nüchtern-Blutzucker 104 mg/dl,
■ das Plasma-Homozystein 12,5 μmol/l (Normalwert 10,5–15,5),
■ der Plasma-Folsäurespiegel 8,1 ng/ml (Normalwert 4,5–20,0).
Die geplante Behandlungsdauer betrug fünf Jahre, wurde aber sechs Monate vorher aufgrund der
Ergebnisse abgebrochen. Während dieser viereinhalb Jahre erlitten 2,7 % (n = 282) der Teilnehmer
in der Interventionsgruppe und 3,4 % (n = 355)
der Kontrollgruppe einen Schlaganfall – ein statistisch signifikanter Unterschied (Hazard Ratio 0,79;
95-%-KI 0,68–0,93). Noch ausgeprägter war der
Unterschied in der vorher festgelegten Untergruppe mit dem niedrigsten Plasma-Folsäurewert
(< 5,6 ng/ml; n = 5.148). Dort betrug der Unterschied 2,8 % (n = 73) vs. 4,6 % (n = 116), was einer relativen Verminderung um 39 % entspricht
(Hazard Ratio 0,61; 95-%-KI 0,45–0,82).
Einen Überblick über die Unterschiede bei den
primären und sekundären Endpunkten gibt die
unten stehende Tabelle.
Rund 45 % nahmen Antihypertensiva (meist Calciumantagonisten oder ACE-Hemmer), 0,8 % lipidsenkende Medikamente und rund 3 % Thrombozytenaggregationshemmer ein. Die Randomisierung
erfolgte in zwei Gruppen:
■ Die Interventionsgruppe erhielt 10 mg Enalapril und 0,8 mg Folsäure (in einer Pille), die
Kontrollgruppe nur 10 mg Enalapril.
Hazard Ratios for Primary and Secondary Outcomes [Huo et al. 2015]
No. (%) with outcome
Outcomes
First stoke (primary outcome)c
Hazard Ratio
P Valueb
Enalapril-Folic Acid
Enalapril
(n = 10.348)
(n = 10.354)
(95 % CI)a
282
(2.7)
355
(3.4)
0.79 (0.68–0.93)d
.003
223
(2.2)
292
(2.8)
0.76 (0.64–0.91)
.002
58
(0.56)
62
(0.60)
0.93 (0.65–1.34)
.71
324
(3.1)
405
(3.9)
0.80 (0.69–0.92)
.002
25
(0.24)
24
(0.23)
1.04 (0.60–1.82)
.89
43
(0.4)
43
(0.4)
1.00 (0.66–1.53)
>.99
302
(2.9)
320
(3.1)
0.94 (0.81–1.10)
.47
Secondary outcomes
Ischemic stroke
Hemorrhagic stroke
Composite of stroke, myocardial infarction,
or death due to cardiovascular causes
e
Myocardial infarction
Death due to cardiovascular causes
All-cause death
f
a Estimated using the Cox proportional hazards model.
b Derived from the log-rank test.
c Two cases with uncertain type of stroke were included in the primary outcome. A total of 28 cases (23 cases with hemorrhagic stroke, 4 cases with ischemic
stroke, and 1 case with uncertain type of stroke) were fatal stroke (18 in the enalapril-folic acid group and 10 in the enalapril group).
d Adjustment for age, sex, MTHFR C677T polymorphism, systolic and diastolic blood pressure at baseline, mean systolic and diastolic blood pressure over the treatment period, body mass index, study center, baseline vitamin B12, folate, homocysteine, creatinine, total cholesterol, triglycerides, high-density lipoprotein cholesterol, fasting glucose, smoking, and alcohol consumption did not substantially change the results (hazard ratio, 0.80; 95 % CI, 0.68–0.93; P = .005).
e A total of 9 cases (5 in the enalapril-folic acid group and 4 in the enalapril group) were fatal myocardial infarctions.
f A total of 49 cases (20 in the enalapril-folic acid group and 29 in the enalapril group) were fatal other cardiovascular events.
22
KVH aktuell 2|2015
Reicht unsere Folsäureversorgung?
Die entscheidenden Fragen, die sich aus dieser
Studie ergeben, wären nach meiner Einschätzung:
1. Sind die Ergebnisse auch auf Deutschland
übertragbar?
2. Reichen die Resultate für eine allgemeine
Empfehlung aus, täglich Folsäure einzunehmen?
3. Wie sieht die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Folsäure aus?
Ich fange einmal mit der letzten Frage an.
Deutschland ist offenbar ein „Niedrig-FolsäureLand“, in dem es keine gesetzlich vorgeschriebene Anreicherung von Lebensmitteln gibt. In einem
2007 erschienenen Bericht des Bundesinstituts für
Risikobewertung (BfR) heißt es:
„Die Deutschen sind mit Vitaminen und Mineralstoffen im Allgemeinen gut versorgt. Eine Ergänzung der Nahrung hält das BfR deshalb bei
gesunden Menschen mit ausgewogener Ernährung für überflüssig. Eine Ausnahme stellt das
Vitamin Folsäure dar. Nur knapp 20 Prozent der
Bevölkerung in Deutschland nehmen so viel Folsäure auf, wie von Fachleuten empfohlen wird.
Gleiches wird aus anderen Ländern der Europäischen Union berichtet.“
Auch nach einem Bericht des Deutschen Ärzteblatts (2013) liegt die Zufuhr an Folsäure mit im
Mittel etwa 200 μg pro Tag unter der empfohlenen Menge. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für Jugendliche und Erwachsene eine Zufuhr von 300 μg Folat pro Tag.
Bei Schwangeren und Stillenden beträgt sie
wegen eines erhöhten Bedarfs 550 μg respektive
450 μg Folat pro Tag.
Zu den Fragen 1 und 2: Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Resultate dieser chinesischen Studie nur für Chinesen und
nicht für Europäer gelten würden.
Folgt man der Logik der evidenzba- Nur knapp 20 Prozent
sierten Medizin, würde man Patien- der Bevölkerung in
ten mit kardiovaskulären VorerkranDeutschland nehmen so
kungen eher nicht behandeln, weil
es wenig bringt (aber auch nicht viel Folsäure auf, wie von
schadet). Wenn man den fehlenden Fachleuten empfohlen
Schaden auch bei den bereits kardiowird. Gleiches wird aus
vaskulär Erkrankten mit einbezieht,
würde ich allen Personen, ob mit anderen Ländern
oder ohne kardialen Risiken/Erkran- der Europäischen Union
kungen, die tägliche Einnahme von
berichtet.
0,4 bis 0,8 mg Folsäure empfehlen.
Mir ist bewusst, dass ich mir mit dieser Meinung vielleicht den Unmut mancher
Leser/innen einhandeln werde …
FORSCHUNG & PRAXIS
Zu den o. g. Zahlen für Myokardinfarkte und
andere kardiovaskuläre Todesursachen muss man
anmerken, dass die Studie für diese sekundären
Endpunkte natürlich nicht ausreichend gepowert
war. Die Berechnung der notwendigen Fallzahl erfolgt zunächst immer für den primären Endpunkt.
Was sind meine Argumente?
■ Eine Wiederholung einer so großen Studie
z. B. in einem europäischen Land ist unrealistisch und nicht zu erwarten. Wir werden also
keine neuen Daten bekommen.
■ Wie die Zahlen und Erfahrungen in den USA
zeigen, würde die tägliche Einnahme von Folsäure allein schon die Inzidenz von Neuralrohrdefekten und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
in Deutschland relevant vermindern.
■ Die Einnahme von Folsäure ist mindestens bis
zu einer Tagesdosis von 5 mg sicher (ich rede
jetzt nicht davon, dass bei hohen Folsäuredosen ein bestehender Vitamin-B12-Mangel
„maskiert“ werden kann, auch nicht von
möglichen Wechselwirkungen mit Antiepileptika, Chemotherapeutika und Zytostatika).
Quellen:
1. Meschia JF, et al.
Guidelines for the
primary prevention of
stroke: a statement for
healthcare professionals from the American
Heart Association/
American Stroke
Association. Stroke
2014; 45: 3754–3832
2. N Engl J Med. 2006;
354: 1567–77
3. Stroke 2010; 41:
1205–1212
4. Die Originalarbeit aus
dem J Amer Med Assoc
2015 ist frei verfügbar
unter http://jama.jamanetwork.com/article.as
px?articleid=2205876
Folsäure ist billig (in Internetapotheken kosten
240 Kapseln zu 600 μg Folsäure inkl. Versand
14,45 €, also 6 Cent/Tagesdosis. 2,5 mg aus
Packungen mit teilbaren 5-mg-Tabletten kosten
rund 5 Cent).
Als Selbstmedikation belastet Folsäure weder
die Solidargemeinschaft der Krankenkassen noch
die öffentliche Hand. ■
Unter „Supplemental
Content“ finden Interessierte auch noch
weitere Daten, z. B. das
lediglich 92-seitige
Protokoll der Studie.
✓ Interessenkonflikte: keine
KVH aktuell 2|2015
23
ENTLASSUNGSMEDIKATION
Mein persönlicher Medikamenten-Rekord
■ WS-OPs
■ Herzinsuffizienz
■ zuletzt 2 Monate stationär mit Pneumonie
und Endokarditis
■ 2 Wochen darauf mit Bauchschmerzen
4 Tage stationär
DIALOG
Die Fakten:
■ Patient, männlich, 70 Jahre alt, nierentransplantiert (und immunsupprimiert)
■ HSt und Kreatinin aktuell 1,7
■ nach MO-Entzug mehrere schwerste
epileptische Anfälle
■ Verwachsungsbauch mit rezidivierenden
Bauchschmerzen
24
DR. MED. UTA-MARIA WALDMANN
Medikament
Letzter Eintrag
morgens mittags abends vor Bettruhe Bemerkung
AMLODIPIN – CT 5 mg
N TABL TAB
17.02.2015
1
FUROSEMID 40 1A
PHARMA TAB
09.03.2015
½
LEVETIRACETAM –
CT 1.000 mg FTA
19.11.2014
1
METOPROLOL SUCC –
CT 95 mg RET
17.02.2015
1
ROCALTROL 0,25 ug WKA
19.11.2014
1
ASS 100 mg
27.02.2015
1
1
CERTICAN 1 mg TAB
17.02.2015
DIPIPERON LSE
17.02.2015
DOMPERIDON ABZ 10 mg
FILMTA FTA
04.03.2015
1
ERGENY CHRONO 500 mg
25.08.2014
2
HYDROMORPHON AL
8 mg RET
17.02.2015
1
MIRTAZAPIN –
CT 15 mg FILMT TAB
17.02.2015
MYCOPHENOLAT MO ACC
500 mg FTA
17.02.2015
1
NOVAMINSULFON 500
1A PHARMA FTA
17.02.2015
1
PANTOPRAZOL 40 mg
17.02.2015
1
RAMIPRIL –
CT 2,5 mg TABL TAB
17.02.2015
1
VIGANTOLETTEN 1000
25.08.2014
1
VITAMIN B12
LOGES ILO AMP
17.02.2015
KVH aktuell 2|2015
1
1
2,5–5 ml bei Unruhe
0
1
2
1
1
1
1
1
1
1 x wöch. s. c.
KASUISTIK
Marcumar und Doppelherz-Varianten
in unregelmäßigen Abständen immer wieder
genommen hat. Es handelt sich um Doppelherz
aktiv. Hier gibt es zwei verschiedene Präparate:
zum einen Calcium und D3 und zum anderen
Calcium, D3, Biotin und Folsäure. Im Präparat
Doppelherz aktiv mit Calcium und D3 ist zudem
Vitamin K enthalten, im anderen nicht. Je nachdem, welches der beiden Präparate die Patientin
zusätzlich eingenommen hatte, schwankten die
Wochendosen zwischen 1,5 bis 7 Tabletten pro
Woche. ■
DR. MED. BETTINA KILB-FESSLER
VORHER – NACHHER
DIALOG
Eine 75-jährige Patientin ist seit 2004 wegen
einer künstlichen Herzklappe marcumarisiert. Die
Patientin ist sehr verlässlich in der Einnahme ihrer
Medikamente. Bis September 2014 war sie mit
einer Wochendosis von 2,5 bis 3 Tabletten bei
einem INR-Zielwert zwischen 3 und 4 sehr gut
eingestellt. Danach traten in den Kontrollmessungen deutliche Schwankungen auf, die trotz
intensivster Anamneseerhebung nicht zu erklären waren.
Im März 2015 zeigt die Patientin zwei Beipackzettel eines Nahrungsergänzungsmittels, das sie
Dies ist ein besonders
tückisches Beispiel
aus der Praxis. Die
Selbstmedikation gerät
ja immer mehr in den
Fokus bei möglichen
Interaktionen, aber dass
man auch noch auf
verschiedene im Handel
befindliche Variationen
achten muss, ist uns neu.
Die Patientin wollte sich
etwas Gutes tun und hat
sich darauf verlassen,
dass ein solches Mittel
nicht schadet. Mit
solchen „Querschlägern“
sollte man auch rechnen
bei einer schwankenden
INR-Einstellung.
KOMMENTAR
Leitliniengerechte Änderung im
Therapieplan der Klinik
Eine 74-jährige Diabetikerin wird Anfang 2015
kurzfristig wegen eines Erysipels im Krankenhaus
behandelt.
Neu sind ASS, Simvastatin, Clindamycin und
Omeprazol. Begründet wurden ASS und Simvastatin mit einer beginnenden Makroangiopathie,
da die Intima-Media-Dicke der Carotiden rechts
mit 0,9 mm als verdickt und links mit 0,7 mm als
grenzwertig bezeichnet wurde. Zusätzlich wurde
eine subklinische Atherosklerose sowie erhöhtes
Herzinfarktrisiko nach UKPDS diagnostiziert.
Omeprazol wurde prophylaktisch wegen ASS und
Clindamycin verordnet.
Zur Berechnung des 10-Jahres-Risikos eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls hat sich die IMD nicht
bewährt, sondern Scores wie arriba®. Bei der
Patientin lag der arriba-Score mit 7,4 % unterhalb des Durchschnitts ihres Alters (10,9 %).
Wenn wir rational in der Primärprävention vorgehen, gibt es bei einem arriba-Score von 7,4 % keinen Grund, einen CSE-Hemmer zu verordnen.
Gemeinsam mit der Patientin wurde beschlossen
(siehe auch Leitlinie Multimedikation): ASS und
Simvastatin sofort ab und Clindamycin mit Omeprazol nach 4 Tagen. ■
DR. MED. GERT VETTER
Vor Krankenhaus
Nach Krankenhaus
morgens
mittags
abends
vor Bettruhe
Ramipril 5 mg
Ramipril 5 mg
1
0
1
0
Bisoprolol 2,5 mg
Bisoprolol 2,5 mg
1
0
0
0
Mirtazapin 15 mg
Mirtazapin 15 mg
0
0
1
0
Methocarbamol
Methocarbamol
1
0
1
0
Calcium/D3
Calcium/D3
1
0
0
0
Magnesium diasp
Magnesium diasp
1
1
1
0
Metformin 1000
Metformin 1000
1
0
1
0
ASS 100
1
0
0
0
Simvastatin 40 mg
0
0
1
0
Clindamycin 600
1
1
1
0
Omeprazol 20
1
0
1
0
KVH aktuell 2|2015
25
STELLUNGNAHME
DIALOG
DEGAM-Leitlinie
„Brennen beim
Wasserlassen“;
Kurzversion; April 2009:
Noch einmal: „Antibiotika für weiblichen Harnwegsinfekt bei negativem Urinstreifentest“
Zu unserem Beitrag über die Behandlung
von Harnwegsinfekten bei negativem
Urinstreifentest bei Frauen mit Antibiotika
erhielten wir zwei Leserbriefe.
kvh.link/1502012
S3-Leitlinie AWMF
„Harnwegsinfektionen –
Epidemiologie,
Diagnostik, Therapie
und Management
unkomplizierter
bakterieller ambulanter
Harnwegsinfektionen
bei erwachsenen
Patienten; 17. Juni 2010:
In diesen wurde zu Recht beanstandet, dass die
vorgestellte Studie aus Neuseeland zu diesem
Thema aus dem Jahr 2005 stammt und nicht
den derzeitigen Stand des Wissens über die Behandlung von Harnwegsinfekten mit negativem
Urinstreifentest bei Frauen wiedergeben würde.
Weiterhin lägen bei dieser Studie methodische
Mängel vor.
Diese Einwände sind richtig und wir entschuldigen uns in aller Form dafür, zu diesem Artikel
– der erstmalig im Jahr 2006 in KVH aktuell
erschienen ist und wegen der Relevanz des Themas jetzt erneut veröffentlicht wurde – nicht die
aktuelle Daten-, Studien- bzw. Leitlinienlage
berücksichtigt zu haben.
Aktuelle Aussagen zu diesem Thema finden
Sie in der DEGAM-Leitlinie „Brennen beim Wasserlassen“ (Kurzversion, April 2009) sowie in der
S3-Leitlinie AWMF „Harnwegsinfektionen –
Epidemiologie, Diagnostik, Therapie und Management unkomplizierter bakterieller ambulanter Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten“ in der Kurzfassung vom 17.06.2010 mit
geplanter Überprüfung im Jahr 2015.
Diese beiden Leitlinien geben die weitere
Differenzierung bei Diagnostik und Therapie
gegenüber dem Stand 2005 wieder und damit
die Korrektur der Aussage in dem Beitrag „Antibiotika für weiblichen Harnwegsinfekt bei
negativem Urinstreifentest“. ■
DR. MED. WOLFGANG LANGHEINRICH
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KVH aktuell 2|2015
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DEGAM S1-HANDLUNGSEMPFEHLUNG
Bridging
Definition
Patientinnen und Patienten, die Cumarinderivate zur Hemmung der Blutgerinnung einnehmen (Antikoagulation) und sich einer Operation oder einem invasiven diagnostischen Eingriff unterziehen, benötigen unter bestimmten Voraussetzungen eine Unterbrechung ihrer Blutgerinnungshemmung.
Epidemiologie/Versorgungsproblem
Die Zahl der antikoagulierten Patientinnen und Patienten nimmt zu. Gleichzeitig werden immer mehr
diagnostische und therapeutische Eingriffe mit möglichen Blutungsrisiken durchgeführt. Hausärztinnen
und Hausärzten obliegt die Planung und Steuerung eines optimalen Schutzes vor venösen oder arteriellen Thromboembolien einerseits und schweren Blutungen andererseits.
Einteilung
Autor: Armin Mainz
Konzeption und
wissenschaftliche
Redaktion: M. Scherer,
C. Muche-Borowski,
A. Wollny
Stand 2013 © DEGAM
degam-leitlinien.de
DEGAM-Leitlinien
Hilfen für eine gute
Medizin
Folgende Eingriffe mit einem niedrigen Blutungsrisiko (< 1,5 %) bedürfen keiner Unterbrechung der
Blutgerinnungshemmung: Zahnextraktion (Ausnahme: mehrere Zähne), Magen- oder Darmspiegelungen (ohne Polypektomien), Katarakt-Operationen, Haut-Operationen, Bronchoskopien, Beckenkammpunktionen, Leistenbruch-Operationen; ein INR-Wert um 2 ist ausreichend.
Bei Eingriffen mit einem hohen Blutungsrisiko (> 1,5 %) richtet sich das Vorgehen nach der Zugehörigkeit zu drei Risikogruppen mit einem niedrigen, mittleren oder hohen Risiko für eine Thromboembolie (siehe nächste Seite).
Für Herzschrittmacher-Implantationen und Arthroskopien existieren keine einheitlichen Risikozuordnungen; bei Ersteren soll jedoch grundsätzlich die Antikoagulation nicht unterbrochen werden.
Prognose/Verlauf
Aufgrund der therapiebedingten instabilen Blutgerinnung birgt jegliche Änderung an einer laufenden
Blutgerinnungshemmung das Risiko, die ursprünglich zu vermeidenden Komplikationen hervorzurufen.
Abwendbar gefährliche Verläufe
Ein systematisches und kooperatives, d. h. fachübergreifendes Vorgehen kann zur Vermeidung von
Thromboembolien und gefährlichen Blutungen beitragen.
Diagnostik
Gemessen wird die Thromboplastinzeit. Um eine Vergleichbarkeit der Testergebnisse zu ermöglichen,
soll statt der Angabe des „Quick“-Wertes der INR-Wert (International Normalized Ratio) verwendet
werden. Mit dem CHADS2-Score kann ein Schlaganfallrisiko bei Vorhofflimmern geschätzt werden. Jedes vorhandene Risiko bedeutet einen Punkt, bei einem bereits erlittenen Schlaganfall werden zwei
Punkte vergeben. C = Herzinsuffizienz, H = Hypertonie, A = Alter > 75, D = Diabetes, S = Schlaganfall.
Therapie
In Abstimmung mit den intervenierenden Fachgebieten sollten die Risikogruppe, die Obergrenze des
INR-Wertes, ggf. die Heparin-Ersatztherapie (NMH) und die Änderung der Antikoagulation hausärztlicherseits festgelegt werden. Mithilfe des umseitig abgebildeten patientenindividuellen Ablaufplans unterstützen die Medizinischen Fachangestellten die Ärztin/den Arzt bei diesem Vorhaben. Der ausgefüllte Plan wird den Patientinnen und Patienten ausgehändigt und dient auch diesen zur Orientierung über
die durchzuführenden Maßnahmen.
Achtung: Der Einsatz der NM-Heparine erfolgt bei dieser Indikation „off label“.
Bei mäßiger Niereninsuffizienz sollten und bei schwerer Niereninsuffizienz dürfen keine NM-Heparine
gegeben werden.
DEGAM-Bundesgeschäftsstelle
Haus 15, 4. OG, Klinikum
der Johann Wolfgang
Goethe-Universität
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt
Telefon 069 65007245
geschaeftsstelle@
degam.de
kvh.link/1502018
INFO
KVH aktuell 2|2015
1
Der folgende Algorithmus kann in das praxiseigene EDV-System übernommen und individuell ausgedruckt werden. Zum Ausfüllen
von a), b) und c) wird er an die entsprechende Fachdisziplin weitergereicht.
VOM HAUSARZT AUSZUFÜLLEN
PatientIn: .............................................................................................................................
Risikogruppe hoch
Risikogruppe mittel
Risikogruppe niedrig
(> 10 % Thromboembolien/Jahr)
(5–10 % Thromboembolien/Jahr)
(< 5 % Thromboembolien/Jahr)
• Venenthrombose oder Lungenembolie in
den letzten 3 Monaten
• Vorhofflimmern und CHADS2 ≥ 4 oder mit
Insultereignis in den letzten 3 Monaten
• Mitralkunstklappen oder nicht-bikuspidale
Aortenkunstklappen oder rheumatische
Klappenerkrankungen
VOM HAUSARZT AUSZUFÜLLEN
VOM HAUSARZT AUSZUFÜLLEN
VOM HAUSARZT AUSZUFÜLLEN
INTERVENIERENDER ARZT
• Schwere Blutgerinnungsstörungen (z. B.
homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation)
• Venenthrombose oder Lungenembolie
vor 3 bis 12 Monaten oder wiederholte
Thromboembolien
• Venenthrombose oder Lungenembolie
vor mehr als 12 Monaten
• Vorhofflimmern und CHADS2 = 3 oder 4
• Vorhofflimmern und CHADS2 ≤ 2 ohne
Insultereignis in der Vorgeschichte
• Bikuspidale Aortenkunstklappe und
CHADS2 > 0
• Bikuspidale Aortenkunstklappe und
CHADS2 = 0
• Tumorerkrankung unter Therapie
(Zuordnung nicht einheitlich)
• Tumorerkrankung unter Therapie
(Zuordnung nicht einheitlich)
Vor der geplanten Maßnahme eintragen lassen und wieder zur Hausarztpraxis zurückbringen:
a) Eingriff .................................................................................................................................
b) am (Wochentag und Datum) ................................................................................................
c) INR soll sein < ........................................................................................... in der Regel < 1,5
..........................................
(Unterschrift)
Ab .................................. , den .................................. mit der Einnahme der Blutgerinnungstabletten pausieren.
Ab dem ..................................
tägl. Heparinspritze(n) in
therapeutischer Dosierung*
Ab dem ..............................
tägl. Heparinspritze(n) in
therapeutischer Dosierung*
Außer: hohes individuelles Blutungsrisiko
(positive Anamnese, NSAR, Patientenpräferenz) > dann weiter wie bei „Risikogruppe niedrig“
Unterbrechung ohne Bridging!
Evtl. 2 Tage (beim Hausbesuch 3 Tage) vor dem Eingriff Blutentnahme, INR-Wert bestimmen lassen und das Ergebnis am Vortag des
Eingriffs abholen: ............................................................................................................................................................................
Letzte Heparinspritze in halbtherapeutischer Dosierung* am Morgen des Vortags.
Keine Spritzen am Vorabend und am Tag des Eingriffs!
Nach dem Eingriff beim intervenierenden Arzt nachfragen und der Praxis mitteilen, ab
welchem Tag nach dem Eingriff (ab dem 1. oder ab dem 2. Tag; bei Sphinkterotomien
und Polypektomien i. d. Regel erst ab dem 3. Tag) die Heparinspritzen wieder gegeben
werden sollen: .............................................................................................................
Am Tag nach dem Eingriff in der Praxis zweimal anrufen:
1.) Frühmorgens den erfolgreich durchgeführten Eingriff bekannt geben.
2.) Mittags nachfragen,
wie lange die Spritzen fortzusetzen sind,
wie die Blutgerinnungstabletten einzunehmen sind,
wann die nächste Blutkontrolle (INR) erfolgen sollte.
*Bitte hier die bevorzugte praxiseigene Medikation (NMH) eintragen.
2
geb.: ..................................
KVH aktuell 2|2015
Nach dem Eingriff beim intervenierenden
Arzt nachfragen und der Praxis mitteilen,
ob bereits am Tag des Eingriffs oder
erst am Tag danach die Blutgerinnungstabletten wieder eingenommen werden
sollen: .................................................
Am Tag nach dem Eingriff in der Praxis
anrufen und nachfragen,
wie die Blutgerinnungstabletten weiter
einzunehmen sind,
wann die nächste Blutkontrolle (INR)
erfolgen sollte.