Fallösungen TuT 3

Lösung Böse Schwester I (mittelbare Täterschaft)
A. Ausgangsfall
I.
Strafbarkeit der N
1. § 212 I StGB
(–), da N keinen Vorsatz hatte
2. Ergebnis
N hat sich nicht strafbar gemacht.
II. Strafbarkeit der S gemäß §§ 212 I, 25 I 2. Alt. StGB
1. Tatbestand
a) objektiver Tatbestand
P ist tot. Handlung: S hat die unmittelbar zum Tod führende Handlung nicht selbst
vorgenommen. → Zurechnung der Handlung der N über § 25 I Alt. 2 StGB?
(+), wenn Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft erfüllt sind:
Mittelbare Täterschaft ist die Tat „durch einen anderen“, d. h. mittels eines
menschlichen Werkzeuges. Kennzeichnend für die mittelbare Täterschaft ist die aus
tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unterlegene Stellung des Tatmittlers und die
beherrschende Rolle des Hintermannes, der das Gesamtgeschehen kraft seines
planvoll lenkenden Willens „in den Händen hält“.
N müsste als Werkzeug der S zu sehen sein, die als Hintermann das
Gesamtgeschehen kraft ihres planvoll lenkenden Willens in den Händen hält.
Voraussetzungen:
aa) Deliktisches Defizit beim Werkzeug (oder eine der anerkannten Ausnahmen)
hier: N als unmittelbare Täterin hatte keinen Vorsatz bezüglich einer Tötung (siehe
oben), daher deliktisches Defizit beim Werkzeug (+)
bb) Täterwille (Rspr.) oder Tatherrschaft (Lit.) (Wissens-, Willens- oder normative
Tatherrschaft) des Hintermannes
hier: S hatte überlegenes Tatwissen, indem sie einen Irrtum der N ausnutzte und hatte
infolgedessen Tatherrschaft (= tatsächlicher Grund)
Anmerkung: Auch die Rechtsprechung, die im Rahmen der Abgrenzung von
Täterschaft und Teilnahme grundsätzlich auf den Täterwillen abstellt, beurteilt die
Frage der mittelbaren Täterschaft inzwischen – anders als bei der Mittäterschaft –
allein nach dem Kriterium der [vom Täterwillen getragenen] Tatherrschaft.
Kausaler Tatbeitrag der S = Vertauschen des Beutelinhalts
→ S ist mittelbare Täterin → Zurechnung der Handlungen des Tatmittlers gem. § 25 I
2. Alt. StGB (+) → objektiver TB (+)
b) subjektiver Tatbestand
Vorsatz bezüglich aller Umstände, die den Tatbestand erfüllen, sowie hinsichtlich der
Tatausführung durch den Vordermann (+) und Vorsatz hinsichtlich der Tatherrschaft
über den Tatmittler (+) → subjektiver Tatbestand (+)
2. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
3. Ergebnis
§§ 212 I, 25 I 2. Alt. (+)
B. Abwandlung I
I.
Strafbarkeit der N
1. § 212 I StGB
(–), da N keinen Vorsatz hatte
2. Ergebnis
N hat sich nicht strafbar gemacht.
II. Strafbarkeit der S
1. §§ 212 I, 25 I 2. Alt. StGB gegenüber R
a) Tatbestand
aa) objektiver Tatbestand
(+); wie im Ausgangsfall.
bb) subjektiver Tatbestand
S wollte nicht R töten, sondern P. → Vorsatz?
h. L.: Ein error in persona des Tatmittlers wirkt sich beim Hintermann als aberratio
ictus aus. Argument: Es kann keinen Unterschied machen, ob der Hintermann,
wenn sein Ziel verfehlt wird, sich einer mechanischen Waffe oder eines
menschlichen Werkzeugs bedient.
a. A.: Die Auswirkung ist davon abhängig, ob der Hintermann die nähere
Individualisierung des Tatopfers dem Tatmittler überlassen hat. Wenn ja, dann
liegt auch für den Hintermann ein bedeutungsloser error in persona vel objecto
vor, soweit die Verwechslung sich in den Grenzen des nach allgemeiner
Lebenserfahrung Voraussehbaren hält. Wenn nein, dann muss eine
Behandlung nach den Grundsätzen der aberratio ictus erfolgen.
Argumente: Ein mittelbarer Täter soll nicht besser gestellt werden als der
unmittelbar handelnde Täter. Der unmittelbare Täter handelt im Rahmen des
vom Hintermann gesteckten Risikos. Verlässt er diesen Risikobereich, kann
dies nicht mehr als vom Vorsatz des Hintermannes umfasst gesehen werden,
so dass aberratio ictus die richtige Rechtsfolge (Vorsatzausschluss) auslöst.
→ hier nach beiden Meinungen aberratio ictus (+): S hat das Opfer eindeutig
individualisiert
→ Vorsatz (–)
(a. A. vertretbar mit dem Argument, dass es bei der vorliegenden Problemkonstellation
letztendlich auf die Wesentlichkeit der Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf
ankomme und es nicht außerhalb der Lebenserfahrung liege, dass eine unerfahrene,
nicht eingearbeitete Pflegekraft Patienten verwechselt.)
b) Ergebnis
§§ 212 I, 25 I 2. Alt. StGB (–)
2. §§ 212 I, 22, 23, 25 I 2.Alt. gegenüber P (versuchter Totschlag in mittelbarer
Täterschaft)
a) Vorprüfung
Keine (zurechenbare) Vollendung (+) P ist nicht tot (siehe oben). Strafbarkeit des
Versuchs (+), §§ 23 I, 12 I.
b) Tatentschluss
Vorsatz bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale, hier: bzgl. Tötung der P,
deliktischem Defizit der N und eigener Tatherrschaft der S (+)
c) Unmittelbares Ansetzen
Wann liegt unmittelbares Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft vor?
M 1: Mit dem Ansetzen des Tatmittlers. → hier (+) N hat die Tathandlung bereits
vorgenommen.
M 2: Mit dem Ansetzen des Hintermannes zur Beeinflussung des Tatmittlers. → hier
(+) S hatte den Beutelinhalt bereits vertauscht und sogar bereits den Irrtum bei
N hervorgerufen.
M 3: Wenn der Hintermann den Tatmittler aus seiner Einflusssphäre (der des
Hintermanns) entlässt. → hier (+) S hatte die N zur Tatausführung entlassen.
h. M.: Sobald nach der Vorstellung des Hintermannes eine Gefährdung des Tatobjekts
eintritt und sich der Schaden unmittelbar anschließen kann. In der Regel ist dies
der Fall, wenn der Hintermann seine Einwirkung auf den Tatmittler
abgeschlossen hat. Soll der Tatmittler aber erst nach einer gewissen Zeit tätig
werden, muss er (nach der Vorstellung des Hintermannes) noch mit der
Ausführung beginnen. → hier (+) Nach Vorstellung der S war das Leben der P
nach Austausch des Beutelinhalts bereits unmittelbar gefährdet, da die geplante
Verabreichung in Kürze erfolgen sollte.
→ Nach allen Ansichten unmittelbares Ansetzen (+) → Streitentscheid nicht
erforderlich.
d) Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
e) Ergebnis
§§ 212 I, 22, 23, 25 I 2.Alt. (+)
C. Abwandlung 2
I.
Strafbarkeit der N gemäß § 212 I StGB (+)
II. Strafbarkeit der S
1. §§ 212 I, 25 I 2. Alt. StGB
a) Tatbestand
P ist tot. Fraglich ist allerdings, ob eine Handlung vorliegt: S hat die unmittelbar zum
Tod führende Handlung nicht selbst vorgenommen. Die Handlung könnte der N über
§ 25 I Alt. 2 zugerechnet werden, wenn Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft
erfüllt sind:
Mittelbare Täterschaft ist die Tat „durch einen anderen“, d. h. mittels eines
menschlichen Werkzeuges. Kennzeichnend für die mittelbare Täterschaft ist die aus
tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unterlegene Stellung des Tatmittlers und die
beherrschende Rolle des Hintermannes, der das Gesamtgeschehen kraft seines
planvoll lenkenden Willens „in den Händen hält“.
N müsste als Werkzeug der S zu sehen sein, die als Hintermann das
Gesamtgeschehen kraft ihres planvoll lenkenden Willens in den Händen hält.
Voraussetzungen:
− Deliktisches Defizit beim Werkzeug oder eine der anerkannten Ausnahmen
− Täterwille (Rspr.) oder Tatherrschaft (Lit.) (Wissens-, Willens- oder normative
Tatherrschaft) des Hintermannes
Allerdings handelt N volldeliktisch verantwortlich, also vorsätzlich, rechtswidrig und
schuldhaft. Es liegt also kein deliktisches Defizit vor. Außerdem liegt keiner der
anerkannten Ausnahmefälle vor (= vermeidbarer Verbotsirrtum / Irrtum über den
konkreten Handlungssinn / organisatorische Machtapparate). → S hat keine
Tatherrschaft.
(A. A. mit der Begründung vertretbar, dass S von einer Tatherrschaft ihrerseits ausging
und somit Täterwillen hatte.)
b) Ergebnis
§§ 212 I, 25 I 2. Alt. StGB (–)
2. §§ 212 I, 25 I 2. Alt., 22, 23 StGB
a) Vorprüfung
Keine zurechenbare Vollendung (+), mangels deliktischem Defizit des Werkzeugs und
mangels Tatherrschaft
Strafbarkeit des Versuchs (+), §§ 23 I, 12
b) Tatentschluss
S hat Vorsatz hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale hier: Vorsatz bzgl. Tötung der P,
deliktischem Defizit der N und eigener Tatherrschaft (Wissensherrschaft)
c)
Unmittelbares Ansetzen
Wann liegt unmittelbares Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft vor?
M 1: Mit dem Ansetzen des Tatmittlers. → hier (+) s.o.
M 2: Mit dem Ansetzen des Hintermannes zur Beeinflussung des Tatmittlers. → hier
(+) s.o.
M 3: Indem der Hintermann den Tatmittler aus seiner, des Hintermannes
Einflusssphäre entlässt. → hier (+) s.o.
h. M.: Sobald nach der Vorstellung des Hintermannes eine Gefährdung des Tatobjekts
eintritt und sich der Schaden unmittelbar anschließen kann. In der Regel ist dies
der Fall, wenn der Hintermann seine Einwirkung auf den Tatmittler
abgeschlossen hat. Soll der Tatmittler aber erst nach einer gewissen Zeit tätig
werden, muss er (nach der Vorstellung des Hintermannes) noch mit der
Ausführung beginnen. → hier: (+) s.o.
→ Nach allen Ansichten liegt ein unmittelbares Ansetzen des S vor → Streitentscheid
nicht erforderlich!
d) Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
e) Ergebnis
§§ 212 I, 25 I 2. Alt., 22, 23 StGB (+)
Anmerkung: Nach einer starken Gegenansicht soll in Fällen, in denen der objektive
Tatbeitrag des vermeintlichen mittelbaren Täters eine Anstiftung (oder Beihilfe) ist, der
Hintermann sich aber eine Tatherrschaft vorstelle – wie hier –, nur wegen Teilnahme
zu bestrafen sein. Der Anstiftervorsatz (oder Gehilfenvorsatz) sei in dem Entschluss
zur mittelbaren Täterschaft als Minus enthalten. Diese Ansicht verstößt aber gegen
das Analogieverbot, denn §§ 26, 27 verlangen ausdrücklich auch Vorsatz des
Teilnehmers in Bezug auf den Vorsatz des Haupttäters, und in unserem Fall hält der
Teilnehmer den Haupttäter für vorsatzlos. Dieser Vorwurf trifft auch eine dritte Ansicht,
die Tateinheit annimmt zwischen Anstiftung (oder Beihilfe) und Versuch.
Lösung Fall 4 Katzenkönig (mittelbare Täterschaft)
D. Strafbarkeit des C gemäß § 212 I StGB
I.
Tatbestand (+)
II. Rechtswidrigkeit
1. Notwehr/Nothilfe, § 32?
(–), mangels tatsächlichem gegenwärtigem rechtswidrigem Angriff der O
2. Notstand, § 34?
(–), mangels tatsächlicher gegenwärtiger Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut
→ Irrtum des C über das tatsächliche Vorliegen einer Gefahr für eine Vielzahl von
Menschen lässt Rechtswidrigkeit unberührt.
III. Erlaubnistatbestandsirrtum
Irrtum über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Notwehr, § 32?
→ (–), C wusste, dass von O kein Angriff auf ein notwehrfähiges Rechtsgut ausging.
Irrtum über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Notstands, § 34?
→ Notstandslage, d. h. gegenwärtige Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut (+)
→ Notstandshandlung geeignet und erforderlich (+)
→ aber: Interessenabwägung: wesentliches Überwiegen des geschützten Rechtsguts;
hier (–), da bedrohtes Rechtsgut Leben (keine Abwägung Leben gegen Leben!)
→ Erlaubnistatbestandsirrtum (–)
Anmerkung: Da hier kein Erlaubnistatbestandsirrtum vorliegt, erübrigen sich
Ausführungen über seine umstrittene rechtliche Einordnung. Und: überflüssige
Ausführungen sind bestenfalls zeitraubend, im Regelfall führen sie sogar zu einer
negativen Bewertung.
IV. Schuld
1. Schuldunfähigkeit, § 20?
(–), von der Zurechnungsfähigkeit des C ist laut Sachverhalt auszugehen.
2. Entschuldigender Notstand, § 35 I?
(–), mangels gegenwärtiger, nicht anders abwendbarer Gefahr
3. Irrtum über das tatsächliche Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes, § 35
II?
(–), mangels Gefahrabwendungswille, da C nicht handelte, um seinen eigenen Tod
bzw. den nahe stehender Personen abzuwenden. Entscheidende Motivation des C
war die Rettung der Menschheit, nicht seines eigenen Lebens.
4. Irrtum über das Vorliegen eines übergesetzlichen entschuldigenden Notstands, §
35 II analog
(–) mangels gewissenhafter Prüfung des Vorliegens einer übergesetzlichen
Notstandssituation
5. Verbotsirrtum, § 17?
→ Verbotsirrtum (+), C erkennt zwar die grundsätzliche Rechtswidrigkeit seines Tuns,
meint aber trotzdem eine Abwägung zu Gunsten der zahlreichen vermeintlichen Opfer
vornehmen zu dürfen (Rechtsirrtum!)
→ aber: Vermeidbarkeit (+), da C als Polizeibeamter unter Anstrengung seines
Gewissens, bspw. durch Befragung einer Vertrauensperson oder Einholung von
Rechtsrat, die Fehlerhaftigkeit seiner Abwägung hätte erkennen können.
→ Daher nur fakultative Strafmilderung, § 17 S. 2.
V. Ergebnis
§ 212 I StGB (+)
E. Strafbarkeit der A gemäß §§ 212 I, 25 I Alt. 2 StGB
I.
Tatbestand
1. objektiver Tatbestand
O ist tot. A hat die unmittelbar zum Tod führende Handlung allerdings nicht selbst
vorgenommen. → Zurechnung der Handlung des C über § 25 I Alt. 2 StGB?
(+), wenn Voraussetzungen der mittelbaren Täterschaft erfüllt sind:
Mittelbare Täterschaft ist die Tat „durch einen anderen“, d. h. mittels eines
menschlichen Werkzeuges. Kennzeichnend für die mittelbare Täterschaft sind die aus
tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unterlegene Stellung des Tatmittlers und die
beherrschende Rolle des Hintermannes, der das Gesamtgeschehen kraft seines
planvoll lenkenden Willens „in den Händen hält“.
C müsste als Werkzeug der A zu sehen sein, die als Hintermann das
Gesamtgeschehen kraft ihres planvoll lenkenden Willens in den Händen hält.
Voraussetzungen: Deliktisches Defizit beim Werkzeug oder eine der anerkannten
Ausnahmen und Täterwille (Rspr.) oder Tatherrschaft (Lit.) (Wissens-, Willens- oder
normative Tatherrschaft) des Hintermannes.
Hier liegt kein Strafbarkeitsmangel des C vor, da der Verbotsirrtum vermeidbar war
und sich C daher strafbar gemacht hat. Allerdings ist mittelbare Täterschaft trotz
volldeliktischen Handelns des Tatmittlers in bestimmten Ausnahmefällen möglich
(sogenannte Lehre vom Täter hinter dem Täter; anerkannte Fallgruppe beispielsweise
Tatherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate [z.B. Mauerschützenfälle]).
Ist Tatherrschaft in Form von Irrtumsherrschaft möglich bei vermeidbarem
Verbotsirrtum des Tatmittlers?
e. A.: sogenannte strenge Verantwortungstheorie: Mittelbare Täterschaft kann nur
durch volle Schuldlosigkeit des Werkzeugs begründet werden. Argument: Nach
§ 17 schließt der vermeidbare Verbotsirrtum die Schuld des Täters nicht aus.
Daher geht das Gesetz von einem noch freien Handeln des irrenden Täters aus.
Wenn das Gesetz aber von einem noch freien Handeln ausgeht, kann man nicht
ein unfreies, vom Hintermann instrumentalisiertes Handeln annehmen. D. h.:
Die Tatherrschaft des Hintermanns muss dort enden, wo die eigene
Tatherrschaft des Tatmittlers (durch freies und persönliches Handeln) beginnt.
Hier: Schuld des C (+), er ist deliktisch verantwortlicher Täter → nach dieser
Auffassung Irrtumsherrschaft (–)
a. A.: sogenannte eingeschränkte Verantwortungstheorie: Ein vermeidbarer
Verbotsirrtum schließt mittelbare Täterschaft des den Irrtum hervorrufenden
Hintermanns trotz der eigenen Verantwortlichkeit des Tatmittlers nicht per se
aus. Argument: Ausschlaggebend ist allein, welche Kenntnisse der unmittelbar
Handelnde tatsächlich gehabt hat, nicht aber, welche er hätte haben können.
Tatherrschaftsbegründend ist die tatsächlich vorhandene, ausgenutzte
Unkenntnis des Werkzeugs über die materielle Rechtswidrigkeit seines
Verhaltens. Auch der im vermeidbaren Irrtum handelnde Täter hat bei
Tatbegehung kein Unrechtsbewusstsein. Die Frage der Vermeidbarkeit des
Irrtums ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium für das Vorliegen von
Tatherrschaft des Hintermanns. Ein Verantwortungsdefizit durch Irrtum lässt
noch Raum für die Irrtumsherrschaft des Hintermanns. Die Existenz der
Mittäterschaft zeigt außerdem, dass Tatherrschaft des einen nicht die
Tatherrschaft des anderen ausschließt. Es ist daher auf das Kriterium der vom
Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft abzustellen. → hier: A rief
durch das Erzeugen und Stärken des Glaubens des C an den Katzenkönig und
an die Notwendigkeit eines Menschenopfers den Tatentschluss bei C hervor.
Durch das Beziehungs- und Einwirkungsgeflecht zwischen A und C war dessen
Steuerungsfähigkeit erheblich eingeengt. Bei wertender Betrachtung steuerte
daher die A trotz deliktischer Verantwortlichkeit des C das Geschehen → hier:
Irrtumsherrschaft (+)
Die besseren Argumente sprechen für die eingeschränkte Verantwortungstheorie,
daher soll ihr gefolgt werden, → A ist mittelbare Täterin → Zurechnung der Handlung
des C über § 25 I Alt. 2 StGB (+) (a. A. vertretbar).
a) subjektiver Tatbestand (+)
2. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
3. Ergebnis
§§ 212 I, 25 I Alt. 2 (+)
Anmerkung: Im Originalfall überlebte die O.
Lösung Fall 5 Schweinebraten (mittelbare Täterschaft)
Der Sachverhalt ist Teil einer Originalklausur von Prof. Dr. Tonio WALTER. Nachfolgend
daher auch die Originallösungshinweise.
F. Die Abführtropfen
I.
S / § 223 / Verabreichen der Abführlösung (+)
1. Tatbestand (+)
Dadurch, dass S durch Verabreichen der Abführlösung einen schweren
Durchfall bei Z hervorruft, hat er ihr körperliches Wohlbefinden erheblich
beeinträchtigt. Er hat sie also körperlich misshandelt, § 223 I Alt. 1.
Weiterhin stellt der Durchfall einen pathologischen Zustand dar, den S
hervorgerufen hat. Also hat S die Z auch in ihrer Gesundheit geschädigt. S
ist in Kenntnis der Sachlage und handelt damit (mindestens) direkt
vorsätzlich.
2. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
S handelt rechtswidrig und schuldhaft.
II. A / § 25 I Alt. 2, § 223 / Auffordern des S, die Lösung zu verabreichen (+/–
)
Eine Körperverletzung durch A in mittelbarer Täterschaft scheitert: S weist
weder ein deliktisches Defizit auf noch ist eine der anerkannten Ausnahmen
einschlägig. Überdies hat A keine Tatherrschaft, da er S weder wissensmäßig
noch willensmäßig noch in rechtlicher Hinsicht überlegen ist. S ist klar, dass es
sich bei der Lösung um Abführmittel handelt. Zum gleichen Ergebnis kommt
man mit der modifizierten subjektiven Täterlehre der Rechtsprechung (a. A. mit
einer subjektiven Theorie ohne objektive Grundlage [à la „Badewannenfall“]
noch vertretbar).
Es ist nahezu zweifelsfrei, dass keine mittelbare Täterschaft vorliegt. Breite
Ausführungen zu ihr sind daher an dieser Stelle nicht geboten, sofern die
mittelbare Täterschaft nicht mit einer extrem subjektiven Theorie bejaht wird.
III. A / §§ 22, 25 I Alt. 2, § 223 / Auffordern des S, die Lösung zu verabreichen
(+)
1. Tatentschluss (+)
A geht aber davon aus, dass S ahnungslos ist. Legt man also As
Vorstellung zugrunde, so hat er Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens
über den unvorsätzlich handelnden S. Diese vermeintliche Tatherrschaft
will A zur Körperverletzung durch den S nutzen. Mithin hat A Tatentschluss
bezüglich einer Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft.1
Diese Konstellation der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft ist im
Ergebnis umstritten, siehe unten F.IV.2 und V. Der Streit kann schon an
dieser Stelle mit den vollständigen Lösungen (Endergebnissen) der
unterschiedlichen Ansichten dargestellt werden. Methodisch genauer ist
jedoch der hier beschrittene Lösungsweg.
2. Unmittelbares Ansetzen (+)
A müsste auch unmittelbar angesetzt haben. Der Versuchsbeginn für den
mittelbaren Täter ist im Streit. Eine Ansicht2 stellt auf das Ansetzen des
Tatmittlers nach der Tätervorstellung ab, eine zweite3 auf das Ansetzen des
Hintermannes zur Beeinflussung des Tatmittlers, eine dritte auf das
Entlassen des Tatmittlers aus der Einflusssphäre des Hintermanns4. Die
herrschende Ansicht hält das unmittelbare Ansetzen des mittelbaren Täters
analog zur Ansatzformel beim unmittelbaren Täter für dann gegeben, wenn
nach der Vorstellung des Hintermannes eine Gefährdung des Tatobjekts
eintritt und sich der Schaden unmittelbar anschließen kann.5 In unserem
Fall hat S – auch nach der Vorstellung des A – die unmittelbar zum
Taterfolg führende Handlung sogar bereits vorgenommen. Damit ist auch
1
Siehe zum Problem der vermeintlichen mittelbaren Täterschaft auch mein Skript REX AT Rn. 261.
2
Für sie KRACK ZStW 110 (1998) S. 611 (625 ff.).
3
Stellvertretend BAUMANN JuS 1963, 92 f.
4
Dafür z. B. BEULKE W/B40 Rn. 613.
5
Für die herrschende Ansicht ESER, Albin, in: S/S28 § 22 Rn. 54a m. w. N.; HILLENKAMP, Thomas, in: LK12
§ 22 Rn. 157 f.
nach der strengsten Ansicht unmittelbares Ansetzen gegeben, der Streit
kann dahinstehen.
Da es auf den Streit nicht ankommt, ist eine umfassende Streitdarstellung
mit Argumenten methodisch fehlerhaft.
3. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)
An Rechtswidrigkeit und Schuld bestehen keine Zweifel.
IV. A / §§ 26, 223 / Auffordern des S, die Lösung zu verabreichen (+/–)
1. Objektiver Tatbestand (+/–)
a) Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat (+)
Mit der Körperverletzung gemäß § 223 I durch S zulasten der Z liegt eine
vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat vor.
b) Bestimmen zur Tat (+/–)
S hat auf die Aufforderung des A hin den Entschluss gefasst, der Z die
Lösung mit dem Abführmittel zu verabreichen. Also hat A mittels
kommunikativer Beeinflussung S hervorgerufen zur Tat bestimmt. (Eine
a. A. ist mit PUPPES Theorie vom Unrechtspakt [siehe etwa in NStZ 2006,
424] vertretbar; dann ist aber eine Beihilfe des A zu prüfen.)
2. Subjektiver Tatbestand (+/–)
Fraglich ist, ob A entsprechenden Vorsatz hat. Nach dem Wortlaut des § 26
ist erforderlich, dass der Anstifter den Haupttäter vorsätzlich zu einer
vorsätzlichen rechtswidrigen Tat bestimmt. Voraussetzung ist also
insbesondere, dass der Anstifter Vorsatz in Bezug auf den Vorsatz des
Haupttäters hat.6 Daran fehlt es aber für A in unserem Fall, denn er hält S
für vorsatzlos.
Eine Ansicht im Schrifttum7 bejaht dennoch einen Anstiftervorsatz mit der
Begründung, der Wille zur Anstiftung sei als „qualitatives Weniger“ im
Willen zur Täterschaft enthalten. Eine alleinige Bestrafung wegen Versuchs
reiche nicht hin, da sie den Hintermann so behandle, als habe er an der
vollendeten Rechtsgutsverletzung nicht mitgewirkt. 8 Wer dieser Ansicht –
die allerdings im Hinblick auf den ausdrücklichen Wortlaut des § 26 gegen
das Analogieverbot verstößt – folgt, muss in unserem Fall den subjektiven
6
Vgl. mein Skript REX AT Rn. 261.
7
Für sie BEULKE W/B40 Rn. 549; HEINE, Günter, in: S/S28 Vor §§ 25 ff Rn. 79; KÜHL § 20 Rn. 87.
8
So BEULKE a. a. O.
Tatbestand der §§ 26, 223 bejahen. Da an Rechtswidrigkeit und Schuld
erneut keine Zweifel bestehen, ist A auf dem Boden dieser Ansicht A wegen
Anstiftung zur Körperverletzung strafbar. Wer sich an den Wortlaut des
§ 26 hält, verneint die Strafbarkeit des A insoweit – es bleibt beim Versuch
in mittelbarer Täterschaft.
V. A / §§ 27, 223 / Versetzen des Wassers mit Abführmittel (+/–)
Objektiv verwirklicht A mit dem Versetzen des Wassers mit Abführmittel eine
Beihilfe zur Körperverletzung. Subjektiv fehlt es nach vorzugswürdiger Ansicht
erneut am Teilnehmervorsatz. Wer ihn bejaht, kommt aber dazu, dass die
Anstiftung die Beihilfe verdrängt.
Verneint man oben mit der Ansicht von PUPPE (oder fälschlicherweise) bereits
den objektiven Tatbestand der Anstiftung, so taucht der oben F.IV.2 ausgeführte
Streit über das Verhältnis zwischen Teilnehmervorsatz und Vorsatz zur
Täterschaft beim subjektiven Tatbestand der Beihilfe zur Körperverletzung auf
(Gehilfenvorsatz im Vorsatz zur mittelbaren Täterschaft enthalten?).