Unternehmermagazin für die Bauwirtschaft Ausgabe 2 | Mai 2015 BG BAU aktuell Sicher, stabil und fest Im Interview: Prof. Franz Josef Radermacher Kompaktinfo Alkohol im Betrieb www.bgbau.de Praxisnahe Prävention – Was macht eigentlich ein Sicherheitsbeauftragter? NEU! Folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/bg_bau Beilage des Kompetenzzentrums For tbildung nach der DGU V Vorschrif t 2 T hema: Alkohol im Betrieb Inhalt PRAXISNAHE PRÄVENTION GEFÄHRLICHE HANDARBEIT GERÄT DIE WELT AUS DEN FUGEN? SANIERUNG DES ALTEN ELBTUNNELS Was macht eigentlich ein Sicherheitsbeauftragter und wie viele braucht ein Unternehmen? Gute Fachkenntnisse sind erforderlich für den sicheren Umgang mit Epoxidharzen. Interview mit Prof. Franz Josef Radermacher von der Universität Ulm. Nach über 100 Jahren wurden Schäden und Undichtigkeiten umfassend beseitigt. 28 12 18 34 04 IN KÜRZE 06 Sicher, stabil und fest – Arbeiten in der Höhe mit Podest-/ Plattformleitern, fahrbaren Arbeitsbühnen, Kleingerüsten 26 Wenn die Luft knapp ist – Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre 28 Praxisnahe Prävention – der Sicherheitsbeauftragte 31 Sicherer Start in die Saison – Motorradfahrer unterwegs 32 Persönlich und nah am Menschen – Reha-Koordinatoren betreuen Schwerstverletzte jetzt direkt vor Ort in den berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken SCHWERPUNKT MENSCH UND BETRIEB AUS UNFÄLLEN LERNEN SICHER UNTERWEGS 11 Sturz in den Tod – Monteur rutscht von Leitersprossen 12 14 Gefährliche Handarbeit – Umgang mit Epoxidharzen Giftige Luft – Abgase von Baumaschinen in geschlossenen Räumen, Hallen, Gräben Arbeiten an der Grenze – die neue Arbeitsstättenregel ASR A5.2 verbessert den Arbeitsschutz für Straßenbauer ARBEITSSICHERHEIT 16 REHABILITATION UND LEISTUNGEN IM BLICK 34 18 22 24 IM FOKUS Sanierung des Alten Elbtunnels – nach über 100 Jahren wurden Schäden und Undichtigkeiten umfassend beseitigt Interview mit Franz Josef Radermacher, Professor für Daten38 banken und künstliche Intelligenz an der Universität Ulm INFOMEDIEN ARBEITSMEDIZIN MIT GUTEM BEISPIEL Verschleiß im Gelenk – was tun bei Arthrose? Fett im Blut – zu viel Cholesterin schädigt Herz und Kreislauf 39 Mit Sicherheit besser sein – das besondere Engagement der Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH zum Thema Arbeitssicherheit IMPRESSUM BG BAU aktuell Mitgliedermagazin der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft Heft 2_2015 | ISSN 1615-0333 Herausgeber: Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) Hildegardstr. 29/30, 10715 Berlin www.bgbau.de Verantwortlich: Klaus-Richard Bergmann, Hauptgeschäftsführer Redaktion: Rolf Schaper (verantw.) Tel.: 0511 987-2530 E-Mail: [email protected] Dagmar Sobull Tel.: 0511 987-1528 E-Mail: [email protected] Fax: 0511 987-2545 BG BAU, Bezirksverwaltung Nord Hildesheimer Str. 309, 30519 Hannover Änderungen Presseversand: [email protected] Agentur: steindesign Werbeagentur GmbH, Hannover Titelbild: Mirko Bartels, Einklinker: Marc Darchinger Druck: Printmedienpartner GmbH, Hameln Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. natureOffice.com | DE-000-000000 Liebe Leserinnen, liebe Leser, vor einigen Wochen wurde in den Medien der 200. Geburtstag des Reichskanzlers Otto von Bismarck gefeiert. Warum eigentlich – und was geht uns das heute noch an? Für uns als Berufsgenossenschaft ist die Antwort ganz einfach: weil die Geschichte der Berufsgenossenschaften auf die von Bismarck erlassene Sozialgesetzgebung zurückgeht. 1884 wurde das von ihm initiierte Unfallversicherungsgesetz erlassen. Seitdem können Arbeitnehmer nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit ihre Ansprüche direkt an die Berufsgenossenschaft richten und nicht mehr an ihren Arbeitgeber. Und seit diesem Tag müssen Arbeitnehmer auch kein Verschulden ihres Arbeitgebers mehr nachweisen, um nach einem schweren Unfall Leistungen zu erhalten. Klaus-Richard Bergmann, Hauptgeschäftsführer der BG BAU Das war damals revolutionär. Denn es bedeutete praktisch die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht und eine materielle Absicherung der Arbeitnehmer nach Unfällen. Damit sichert das Gesetz bis heute den Betriebsfrieden, weil komplizierte Rechtsstreitigkeiten mit dem Unternehmer entfallen. Dieses solidarische Prinzip mit seiner paritätischen und partnerschaftlichen Selbstverwaltung funktioniert bis heute. Gleichzeitig ist mit unserer Selbstverwaltung eine Anpassung der Sozialversicherung an gesellschaftliche Veränderungen und Ansprüche jederzeit ohne staatliche Eingriffe möglich. Damals wurden neben der Unfallversicherung auch die Krankenversicherung (1883) und die Rentenversicherung (1889) gegründet. Sehr viel später erst wurde eine Arbeitslosenversicherung eingeführt. Mittlerweile wurden die eingeführten Sozialgesetze erfolgreich in viele Länder exportiert und sind bis heute eine große soziale Errungenschaft. Seitdem haben sich die Sozialversicherungszweige immer weiter entwickelt. Beispielsweise wurde unsere Unfallversicherung durch ein effektives Zusammenwirken von Prävention, Rehabilitation und Entschädigung nach dem Prinzip „Alles aus einer Hand“ immer besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten. Wie dies im Detail aussieht, erfahren Sie in dieser neuen Ausgabe. Viel Spaß bei der Lektüre. Ihr Klaus-Richard Bergmann 4 | In Kürze BG BAU aktuell 2 _ 2015 Praeventionsforum-plus.info NEUE SUCHMASCHINE Foto: iStockphoto Prävention ohne Landesgrenzen: Was in Deutschland Unfälle vermeidet, hilft auch im Ausland und umgekehrt. Deshalb haben die deutschsprachigen Unfallversicherungsträger länderübergreifend kooperiert und die Suchmaschine „Präventionsforum +“ aufgebaut, um den Informationsaustausch im Hinblick auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zu verbessern. Die Federführung für dieses Projekt liegt bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, die diese an die BG BAU übertragen hat. Das Onlineportal ermöglicht es, länderübergreifend und qualitätsgesichert nach Informationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zu suchen und Anforderungen der einzelnen Länder gezielt zu vergleichen. Die moderne Suchmaschine vernetzt viele Fachinformationen, so dass die Suche schnell und zielgerichtet verfeinert werden kann. Die Suchmaschine „Präventionsforum +“ bietet qualitätsgesicherte Infos von Internetseiten zum Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz. Interessierte Nutzer sind aufgefordert, ihre Anregungen einzubringen und so die Qualität der Suchmaschine fortwährend mit zu verbessern. Anmerkungen bitte per E-Mail senden an: [email protected] USC Näher am Kunden Zufriedenheit am Arbeitsplatz NEUE ZUSTÄNDIGKEIT BEI VERSICHERUNGSFÄLLEN JE BESSER DAS UMFELD, DESTO LÄNGER IM JOB Seit Juli 2014 gibt es bei der BG BAU eine neue Struktur bei der Bearbeitung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Die Zuständigkeit der Bezirksverwaltung und damit die Bearbeitung richtet sich seitdem nicht mehr nach dem Betriebssitz des Unternehmens, sondern nach der Region, in der die versicherte Person wohnt. Das ist bei der persönlichen Betreuung der Versicherten ein enormer Vorteil. Denn Mitarbeiter der BG BAU können die Schwerstverletzten und Erkrankten mit dem größten Beratungs- und Betreuungsbedarf nun wohnortnah und ohne große zeitliche Verzögerung besuchen. Diese regionale und kundenorientierte Bearbeitung der BG BAU ermöglicht eine noch bessere Betreuung und Rehabilitation der Betroffenen nach Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten. STH Ob A r b e i t n e h m e r b i s zum offiziellen Rentenalter im Beruf bleiben, ist e i n e r S t u d i e z u f o lge stark von den Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Betrieben abhängig. Am höchsten ist der Anteil der älteren Erwerbstätigen in den freien und hoch qualifizierten Berufen, wie das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen kürzlich ermittelte. Dazu gehören vor allem Ärzte, Selbstständige, Hochschuldozenten, Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie Sozial- und Geisteswissenschaftler. In körperlich anstrengenden Berufen wie auf dem Bau erfolgt der Eintritt in die Rente dagegen häufig früher. Etwa 70 Prozent der befragten Erwerbstätigen aus handwerklichen Berufen wünschen sich einen vorgezogenen Ruhestand überwiegend aus gesundheitlichen Gründen. Rund 80 Prozent der Vorruheständler aus landwirtschaftlichen Berufen beispielsweise nannten gesundheitliche Probleme und die anstrengende Tätigkeit als Hauptmotiv für den vorzeitigen Rentenantritt. Quelle: epd Foto: 123RF Die Anschriften der Bezirksverwaltungen und Dienstleistungszentren der BG BAU sind im Internet zu finden: www.bgbau.de, Webcode: WCMTdi Foto: Fotolia www.praeventionsforum-plus.info BG BAU aktuell 2_2015 In Kürze | 5 „Tag ohne Grenzen“ GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNGEN IM FOKUS VIEL SPORT, SPASS UND INKLUSION Im Rahmen des Arbeitsprogramms „Psyche“ der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) unterstützen die Aufsichtspersonen der Gesetzlichen Unfallversicherung die Unternehmen bei der Einbeziehung psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung. Hintergrund dafür ist der kontinuierliche Anstieg psychischer und psychosom a t i s c h e r E r k r a n ku nge n . Pro Jahr werden bundesweit über 59 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund einer psychischen Erkrankung registriert. Psychisch bedingte Erwerbsminderungsrenten machen derzeit etwa 41 Prozent aller Rentenneuzugänge aus. Seit Ende 2013 fordert das Arbeitsschutzgesetz ausdrücklich die Berücksichtigung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz in der Gefährdungsbeurteilung. Die Aufsichtspersonen überprüfen nun, inwiefern Unternehmen dieser Pflicht nachkommen, und bieten ihre Unterstützung an. Neben der Gefährdungsbeurteilung stehen die Gestaltung der Arbeitszeiten und der betriebliche Umgang mit traumatisierenden Ereignissen im Fokus. PM Am 5. und 6. Juni erwartet die Besucher auf dem Rathausmarkt in Hamburg eine bunte Mischung aus Informationen, Unterhaltung, spektakulären Sportvorführungen und Mitmachaktionen. Am „Tag ohne Grenzen“ laden die gesetzliche Unfallversicherung und ihre medizinischen Einrichtungen zu einem großen Aktionstag des Reha- und Behindertensports ein. Organisiert wird der „Tag ohne Grenzen“ vom Deutschen Rollstuhl-Sportverband. Spitzensportler mit Behinderungen zeigen sportliche Höchstleistungen und laden Menschen mit und ohne Behinderung zum Mitmachen ein. So wird Paralympics-Sieger Heinrich Popow gegen Besucher auf der Tartanbahn antreten. Skater können sich in der Halfpipe mit Deutschlands bestem Rollstuhl-Skater David Lebuser messen. Außerdem können Interessierte testen, wie man in einem Rollstuhl Hindernisse überwindet oder wie man eine Zielscheibe trifft, wenn die Sicht eingeschränkt ist. Damit wollen die Veranstalter zeigen, wie der Reha-Sport in den berufsgenossenschaftlichen Kliniken Menschen dabei unterstützt, nach einem Unfall wieder in ihr Leben zurückzukehren. Ergänzend gibt es Informationen zum System der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Leistungsspektrum der BGKliniken. DGUV Foto: 123RF Psychische Belastungen Weitere Infos und Handlungsempfehlungen zum Thema psychische Belastungen bei der Arbeit: www.gda-psyche.de, www.gefaehrdungsbeurteilung.de Ein-Personen-Gesellschaften Die EU-Kommission plant die Einführung einer Ein-PersonenGesellschaft mit beschränkter Haftung, kurz SUP (Societas Unius Personae) genannt. Ziel der EU-Neuregelung ist es, den grenzüberschreitenden Handel im Binnenmarkt und die Gründerkultur zu fördern. Die neue Rechtsform kann ohne persönliche Anwesenheit mit einem Mindestkapital von lediglich einem Euro innerhalb von drei Tagen online beantragt werden. Dabei hat der Gründer die freie Wahl unter allen 28 Mitgliedsstaaten der EU, eine Bindung von Satzungs- und Verwaltungssitz besteht nicht. Deutsche Handwerks- und Bauverbände sehen die EU-Pläne äußerst kritisch. Da die Identität der Gesellschafter in einem rein elektronischen Eintragungsverfahren nicht hinreichend geprüft werden könne, drohten neben Scheinselbstständigkeit auch Sozialdumping und Schwarzarbeit. Es sei zu befürchten, dass sich die Gründer häufig Länder mit Rechtsordnungen aussuchen werden, die die geringsten Anforderungen stellen, da der Satzungssitz unabhängig vom Ort der hauptsächlichen Geschäftstätigkeit gewählt Foto: iStockphoto SOZIALDUMPING UND SCHWARZARBEIT DROHEN werden kann. Das bedeute für lokale Handwerksbetriebe, die sich an geltende Regeln halten, eine unhaltbare Konkurrenzsituation, befürchtet beispielsweise Ulrich Marx, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH). Gemeinsam mit Verbänden des Baugewerbes und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fordert der ZVDH die EU daher auf, die Pläne für die Ein-Personen-Gesellschaft zurückzuziehen und grundlegend zu überarbeiten. PM ZVDH 6 | Schwerpunkt Wenn beidhändig und mit Kraftaufwand in der Höhe gearbeitet wird, sind Plattformleitern eine stabile und standsichere Lösung auf Baustellen. BG BAU aktuell 2_2015 BG BAU aktuell 2_2015 Schwerpunkt | 7 Sicher, stabil und fest Rund 9.000 Unfälle mit Leitern ereignen sich pro Jahr auf Baustellen in Deutschland – oft mit schwersten Verletzungen. Dabei gibt es zahlreiche Alternativen für sicheres Arbeiten in der Höhe. TEXT: Joachim Maringer FOTOS: Mirko Bartels, Günzburger Steigtechnik V on April 2011 bis Juni 2014 hat die BG BAU mehr als 600 Leiterunfälle mit schweren Verletzungsfolgen erfasst und ausgewertet. Erschütternde Bilanz: Insgesamt sechs Unfälle endeten tödlich. Rund 80 Prozent der Unfälle mit schweren Verletzungen verursachten hohe Heilbehandlungskosten und dauerhafte Rentenzahlungen der BG BAU in Höhe von jährlich rund 30 Millionen Euro. In mehreren Fällen mussten qualifizierte Facharbeiter ihren Beruf wegen bleibender Körperschäden aufgeben. Arbeitsplätze und Verkehrswege Leitern werden zum einen als Arbeitsplatz genutzt, von dem aus in der Höhe gearbeitet wird. Zum anderen werden Leitern auch als Verkehrsweg eingesetzt, um Höhenunterschiede beispielsweise beim Aufstieg auf eine Dachfläche oder Geschossdecke zu überwinden. Im Wesentlichen werden Anlegeleitern und Stehleitern verwendet. Dazu gehören auch mehrteilige Schiebeleitern sowie Mehrzweckleitern, die sowohl als Anlegeleiter als auch als Stehleiter verwendet werden. Jeder Verwendungszweck birgt seine eigenen Gefahren. Besonders häufig ereignen sich Leiterunfälle bei Dacharbeiten, im Hochbau sowie bei Zimmerer- und Malerarbeiten. In der Praxis werden Leitern unterschiedlicher Länge eingesetzt. Rund 85 Prozent aller Leiterunfälle ereignen sich allerdings in Höhen bis zu 3,00 m. Ursache für fast 90 Prozent aller Leiterunfälle ist die mangelhafte Standsicherheit. Unfallschwerpunkte Falsche Anstellwinkel, fehlende Sicherung der Leiter am Leiterfuß oder am Anlegepunkt, zu weites seitliches Hinauslehnen oder die Verwendung beschädigter Leitern führen immer wieder zum Absturz oder Umsturz mit der Leiter. Ein weiterer Unfallschwerpunkt ist das Abrutschen von einer Leitersprosse oder -stufe. Frische Mörtel- oder Putzreste, Erdreich, Feuchtigkeit sowie Schnee und Eis an den Schuhen der Leiterbenutzer können ein Abrutschen von Sprossen und Stufen verursachen. Geeignete Schuhe und die grobe Reinigung der Schuhsohlen vor dem Aufstieg können Unfälle verhindern. So steht es im Gesetz Bei der Auswahl geeigneter Arbeitsmittel für hochgelegene Arbeitsplätze und Verkehrswege macht das Arbeitsschutzgesetz klare Vorgaben. Der Unternehmer hat die mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen zu beurteilen und Schutzmaßnahmen festzulegen. Die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln ist in der Betriebssicherheitsverordnung geregelt. Den Bereich Leitern umschreibt die Technische Regel Betriebssicherheit (TRBS) 2121, Teil 2 – „Gefährdungen durch Absturz – Bereitstellung und Benutzung von Leitern“. Grundsätzlich ist zu prüfen, ob die Verwendung von Leitern überhaupt erforderlich ist. Denn Ziel ist es, „Leitern wenn möglich durch sicherere Arbeitsmittel zu ersetzen“. Trotz des hohen Unfallgeschehens lässt die TRBS 2121-2 jedoch Ausnahmen Von solchen mobilen Tritten können großformatige Steine sicher verlegt werden. 8 | Schwerpunkt BG BAU aktuell 2_2015 zu. Deshalb sind Leitern auf Baustellen in vielen Bereichen nach wie vor im Einsatz. Beispielsweise dürfen Arbeiten mit geringer Gefährdung, geringem Arbeitsaufwand, geringem Schwierigkeitsgrad und geringer Dauer auch von Leitern aus durchgeführt werden. Dabei sind auch die einzusetzende Körperkraft und die baulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Welche Leiter ist baustellentauglich? Oben links: Für kurzzeitige Arbeiten erlaubt: die Stufenstehleiter aus stabilem Fiberglas. Oben rechts: Sicherer Treppenaufstieg zur ersten Geschossdecke eines Rohbaus. Unten: Piktogramme weisen auf die richtige Benutzung hin. Die Auswahl an Leitern ist groß und erfordert vom Unternehmer eine gewissenhafte Abwägung nach dem jeweiligen Einsatzzweck. Art und Größe einer geeigneten Leiter richten sich nach der zu erledigenden Aufgabe. Leider werden in der Praxis allzu oft ungeeignete oder zu kurze Leitern verwendet, was häufig ein sicherheitswidriges Verhalten der Benutzer und entsprechende Unfallgefahren mit sich bringt. Grundsätzlich muss eine Leiter „baustellentauglich“ sein. Denn auf Baustellen herrscht meist ein rauer Betrieb. Mechanische Beschädigungen durch Umfallen der Leiter, herabfallende Bauteile sowie der Transport der Leiter von Baustelle zu Baustelle setzen dem Arbeitsmittel erheblich zu. Vorschädigungen sind eine häufige Ursache für das Versagen von einzelnen Leiterteilen wie Sprossen oder Holmen. Häufig werden Leitern aus Aluminiumlegierungen auf Baustellen verwendet, auch wegen ihres geringen Gewichtes. Doch Aluleitern sind empfindlich gegen Anstoßen, Umfallen und Abnutzung. Wenn eine Aluleiter umfällt und auf harte Gegenstände schlägt, können Knicke und Anrisse im Leiterholm entstehen, so dass die Leiter ausgemustert werden muss. Leitern aus Holz sind wesentlich robuster. Sie sind zwar auch nicht unbegrenzt gegen Stoß belastbar, vertragen aber ein Umfallen oder herabfallende Bauteile meist ohne Schäden. Problematischer bei Holzeitern ist die mögliche Rissbildung in Faserrichtung an Holmen und Sprossen. Nur wenig bekannt und verbreitet sind Fiberglas-Leitern, bei denen die Holme und Sprossen aus GFK-Profilen bestehen. Obwohl sie sehr stabil, langlebig und witterungsbeständig sind, ist diese Leitervariante bisher auf Baustellen nicht sehr verbreitet. BG BAU aktuell 2_2015 Schwerpunkt | 9 Auf das richtige Leiterzubehör kommt es an. Oben: Sprossenleiter mit Einhängetritt. Mitte: Fußtraverse verhindert seitliches Kippen. Unten: Leiterhaken am oberen Anlegepunkt verhindern das Wegrutschen. Sprossen und Stufen standsicher machen Leitersprossen müssen mindestens 20 mm breit sein. Sie werden als Stufen bezeichnet, wenn sie mehr als 80 mm breit sind. Das ist knapp bemessen, um einen sicheren Stand zu gewährleisten. Sicher stehen kann der Benutzer erst, wenn beide Füße fest zum Beispiel auf einer Podest- oder Plattformleiter stehen. Doch Sprossen- und Stufenleitern sind auf Baustellen weit verbreitet und nicht in allen Bereichen durch Podestleitern oder andere Alternativen zu ersetzen. Leitern lassen sich aber durch einfache Zubehörteile standsicherer ausrüsten. So ist beispielsweise das Einhängepodest für Sprossenleitern eine kostengünstige und praxisnahe Verbesserung der Standsicherheit. Neben dem Einhängepodest bieten etwa Fußtraversen, Holmverlängerungen und Leiterhaken effektive Möglichkeiten zur Verbesserung der Standsicherheit. Werden Leitern als Verkehrsweg genutzt, sind ein ausreichender Leiterüberstand oder eine Haltevorrichtung über die Austrittstelle hinaus sowie eine ausreichende Befestigung der Leitern am Anlegepunkt erforderlich, um Unfälle zu vermeiden. Leitern regelmäßig prüfen Nach der Betriebssicherheitsverordnung sind Leitern innerhalb festgelegter Prüffristen regelmäßig von einer befähigten Person zu prüfen. Die Prüffristen richten sich unter anderem nach den tatsächlichen Betriebsverhältnissen, also der Dauer und Schwere der Benutzung, sowie den Erfahrungen aus vorangegangenen Prüfungen. Sie werden vom Unternehmer über die Gefährdungsbeurteilung ermittelt und festgelegt. Weitere Prüfungen sind durchzuführen: • • • • • vor der ersten Inbetriebnahme nach technischen Änderungen an Leitern nach längerer Nichtbenutzung nach Unfällen nach Instandsetzungen Ziel der regelmäßigen Leiterprüfungen ist es, Schäden rechtzeitig zu erkennen, zu beheben und so das Unfallrisiko beim Einsatz von Leitern zu minimieren. Hierbei muss besonders auf Schäden wie Knicke, Anrisse an Holmen und Sprossen oder Stufen, auf unbeschädigte Leiterfüße, Spreizsicherungen sowie intakte Gelenke und Feststelleinrichtungen geachtet werden. Mitarbeiter unterweisen Anhand der Benutzungsanleitung, die sich beispielsweise in Form von Piktogrammen als Aufkleber an der Leiter befindet, können die Verantwortlichen ihre Mitarbeiter im Umgang mit der Leiter unterweisen und die Unterweisung entsprechend dokumentieren. 10 | Schwerpunkt BG BAU aktuell 2_2015 Mit diesem Treppenturm ist der Auf- und Abstieg zum Konsolgerüst jederzeit sicher möglich. 694 BG-Information Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten BGI 694 April 2007, aktualisierte Fassung Januar 2008 BGI 694 April p 2007, 2007,, aktualisi aktualisierte erte Fassung Fassung g Januar Januar 2008 2008 W WEITERE INFOS I Handlungshi Handlungshilfe ndlung ilfe Die e BGI 69 694 (DGUV ( Inform mation 208-016) 208-01 bieInformation tet für ür de Leiter eine den sicheren Umgang mit Leitern prax axisbezo zogene Handlungshilfe. Darin werden praxisbezogene wicht chtige S U wichtige Schritte wie Bereitstellung, Unterweisung, g, Umgang Umg und Prüfung g erläutert. Z Zudem Leitern und Tritten sind d als Vorlage Vo orlage eHandlungsanleitung Leiterkon ein Leiterkontrollblatt und eine Checkliste cklist zur Prüfung f von Leitern ent enthalten. www.bgbau.de, Webcode: M411-1 Seminare Für befähigte Personen bietet die BG BAU regelmäßig Fachseminare an. Hier werden auch rechtliche und technische Grundlagen sowie eine Systematik zur Vorgehensweise bei der Prüfung von Leitern vermittelt. Vergleichbare Seminare werden auch von einigen Leiterherstellern angeboten. www.bgbau.de, Webcode: 2785346 Arbeitsschutzprämien www.bgbau.de, Webcode: WCZjAx Sichere Arbeitsplätze in der Höhe Für Standhöhen bis zu maximal 1,00 m und eine Arbeitshöhe von bis zu 3,00 m sind Tritte eine Alternative. Sie sind oft klappbar und sehr viel sicherer als die vielfach verwendeten Sprossen- oder Stufenleitern. Mit ihrer breiten Auftrittsfläche gewährleisten Tritte schon beim Aufstieg und auch beim Stand auf Arbeitshöhe deutlich mehr Standsicherheit. Aufsteckbare Handläufe an den seitlichen Begrenzungen der obersten Standfläche tragen ebenfalls zum sicheren Arbeiten bei. Fahrbare Arbeitsbühnen und Kleingerüste, Podest- oder Plattformleitern sowie Hubarbeitsbühnen ergänzen die Auswahl an sicheren Arbeitsplätzen. Besonders in den üblichen Arbeitshöhen bis zu 4,00 m bieten die Hersteller von Kleinsthubarbeitsbühnen technische Weiterentwicklungen an, die Leitern ersetzen können. Als Aufstieg zu hochgelegenen Arbeitsplätzen sind Bautreppen eine sichere Alternative. Gerade zum Überwinden einer Geschossebene oder zum Betreten einer Baugrube sind sie die richtige Wahl anstelle von meist zu kurzen und nicht gesicherten Anlegeleitern. Selbst im klassischen Fassadengerüstbau haben sich Treppenaufstiege gegenüber den innen liegenden Leitergängen seit langem bewährt. Arbeitsschutzprämien der BG BAU Jede Alternative zur Leiter ist aber nur so sicher wie der gewissenhafte Umgang damit. Werden beispielsweise fahrbare Arbeitsbühnen falsch auf-, um- oder abgebaut oder benutzt, sind auch hier schwere Unfälle nicht auszuschließen. Die Anschaffung von Podestleitern, Leiterzubehör und manuellen Hebebühnen wird in 2015 von der BG BAU über das Programm „Arbeitsschutzprämien“ gefördert, ebenso wie das sicherheitsgerechte Leiterzubehör. Viele gute Gründe also, über sichere Alternativen zur Leiter nachzudenken. BG BAU aktuell 2_2015 Aus Unfällen lernen | 11 Sturz in den Tod Die Entscheidung für eine Leiter hatte beim Montieren eines Anschlussflansches fatale Folgen. TEXT: Prävention Die angelehnte Stehleiter bot nur wenig Stabilität. I n der Energiezentrale im Kellergeschoss eines Forschungsinstituts passierte ein tödlicher Unfall. Dort errichtete eine Anlagenbaufirma unter anderem einen 3,70 Meter hohen Kältemittelspeicher. Der zuständige Obermonteur wollte von einer Alu-Stehleiter aus, die er an den runden Metallspeicher gelehnt hatte, einen Anschlussflansch montieren. Beim Verschrauben des Flansches rutschte der Mann von den Sprossen der Leiter ab und stürzte aus gut zwei Metern Höhe zu Boden. Dabei erlitt er so schwere Kopfverletzungen, dass er zwei Tage später an den Folgen starb. Zwei Kollegen, die den Unfall unmittelbar erlebt hatten, waren danach so traumatisiert, dass sie sich in psychologische Behandlung begeben mussten. Das falsche Arbeitsmittel Sicher war das Arbeiten unter den beengten Verhältnissen in der Ecke im Bereich des Speichers nicht einfach. Doch das Entscheidende war wohl, dass der Mann für diese Arbeiten das falsche Arbeitsmittel eingesetzt hatte. Er verwendete nicht bestimmungsgemäß eine Stehleiter als Anlegeleiter. Möglicherweise war auch der Anstellwinkel der Stehleiter bei den Arbeiten zum Unfallzeitpunkt zu steil, das war nicht mehr zu ermitteln. Doch besonders bedauerlich war, dass sich im gleichen Raum mehrere geeignete Fahrgerüste und Anstellleitern befanden, die jedoch nicht benutzt wurden. Und am Tag vor dem Unfall wurden alle Beschäftigten der Firma auf der Baustelle von einer externen Fachkraft für Arbeitssicherheit in die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen auf dieser Baustelle eingewiesen – leider ohne Erfolg. 12 | Arbeitssicherheit BG BAU aktuell 2_2015 Epoxidharze können bei Hautkontakt die Haut reizen, oft lösen auch die darin enthaltenen Härter Verätzungen aus. Daher ist das Tragen einer Schutzausrüstung erforderlich. Gefährliche Handarbeit Epoxidharze sind vielfältig einsetzbar, allerdings auch hoch reaktiv. Deshalb sind beim Umgang mit diesen Chemikalien gute Fachkenntnisse erforderlich. TEXT: Dr. Klaus Kersting BG BAU aktuell 2_2015 400 Arbeitssicherheit Bauwirtschaft Elektro Verwaltung Rohstoffe Metall und Holz Sonstiges | 13 350 300 250 200 150 100 50 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Bestätigte epoxidharzbedingte Erkrankungen bei den Berufsgenossenschaften (Quelle: BK DOK) D ie Flügel der Windkraftanlagen, anspruchsvolle Betonsanierungen oder besonders belastbare Beschichtungen sind nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten dieser Hightech-Produkte. In der Bauwirtschaft beispielsweise sind Epoxidharze beim Oberflächenschutz von Beton und Metall durch nichts zu ersetzen. Epoxidharze verursachen allerdings häufig, gerade bei den ersten Einsätzen in einem neuen Bereich, Hautallergien bei den Beschäftigten, weil Informationen zum sicheren Umgang fehlen. Während in stationären Betrieben durch Automatisierung oder Produktionsveränderungen der direkte Hautkontakt mit Epoxidharzen deutlich reduziert werden kann, ist dies in der Bauwirtschaft beim offenen und händischen Umgang damit nicht möglich. Hautallergien in der Bauwirtschaft besonders häufig Epoxidharze können bei Hautkontakt die Haut reizen, viele Härter können auch zu Verätzungen führen. Allergische Hauterkrankungen sind die häufigsten Beschwerden. Die Verteilung der Epoxidharzerkrankungen auf die verschiedenen Branchen zeigt, dass der Schwerpunkt in der Bauwirtschaft liegt. Betrachtet man die von den erkrankten Personen ausgeübten Berufe, so sind sogar 40 Prozent der Er- krankten in typischen Bauberufen beschäftigt, zum Beispiel Fliesenleger, Maler, Beschichter und Maurer. Schutzausrüstung notwendig Wenn Epoxidharze verarbeitet werden, muss der Verarbeiter die richtige Schutzausrüstung benutzen. Diese ist auf das Arbeitsverfahren abzustimmen. Werden Epoxidharze gespritzt, so ist ein Vollschutzanzug erforderlich. Bei geringerer Gefährdung kann davon abgewichen werden. Unverzichtbar ist der Einsatz von Schutzbrillen und Chemikalienschutzhandschuhen beim Mischen. Unterstützung durch die BG BAU Viele Gewerke müssen Epoxidharze verarbeiten. Hier fordert die BG BAU, dass Epoxidharze nur noch von Fachbetrieben verarbeitet werden. Denn wenn die Produkte sicher gehandhabt werden, lassen sich allergische Hauterkrankungen weitgehend vermeiden. Der ASD der BG BAU führt arbeitsmedizinische Vorsorge durch. Personen, die Umgang mit ungehärteten Epoxidharzen haben, müssen diese wahrnehmen. Eine aktuelle Liste von Handschuhen mit einer Beständigkeit über eine Schicht sowie zur Verwendung als Spritzschutz ist zu finden unter: www.bgbau.de, Webcode: WCZmVm WEITERE INFOS Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen zu Epoxidharzprodukten liefert das Programm WINGIS www.bgbau.de, Webcode: M107-60 www.wingismobile.de (für Smartphones) Der „Praxisleitfaden für den Umgang mit Epoxidharzen“ bietet praktische Beispiele zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Informationen zum sicheren Umgang mit Epoxidharzen. www.bgbau.de, Webcode: M331-1, Abruf-Nr. 676 14 | Arbeitssicherheit BG BAU aktuell 2_2015 Giftige Luft Abgase durch Verbrennungsmotoren von Baumaschinen führen in geschlossenen Räumen, Hallen und tiefen Gräben zu Vergiftungen – manchmal sogar mit tödlichem Ausgang. TEXT: Dr. Reinhold Rühl, Ulf Spod Die unterschätzte Gefahr: Beschäftigte sind gefährdet, wenn Verbrennungsmotoren von Baumaschinen in geschlossenen Hallen eingesetzt werden. B enzinbetriebene Maschinen stoßen das gefährliche Kohlenmonoxid aus. Bei dieselbetriebenen Maschinen atmen die Beschäftigten Dieselruß ein, der im Arbeitsschutz seit 1991 als krebserzeugend eingestuft ist. „Dabei sind die rechtlichen Regeln zum Arbeitsschutz eindeutig und Schutzmaßnahmen sollten unbedingt ergriffen werden“, sagt Dr. Reinhold Rühl, Gefahrstoffexperte der BG BAU. Vier Todesfälle im Jahr durch Kohlenmonoxid Allein im Jahr 2013 wurden der BG BAU Fälle von 15 Beschäftigten bekannt, die bei der Arbeit schwere Vergiftungen durch Kohlenmonoxid aus benzinbetriebenen Maschinen erlitten haben. Vier Menschen sind an der Vergiftung gestorben. „Dabei können in der Statistik der BG nicht einmal alle Fälle erfasst werden“, erläutert Rühl. Häufig würden die Symptome igno- riert oder die Betroffenen besuchen nur den Hausarzt. Vielleicht liege es aber auch daran, dass Unfälle erst dann bei der Berufsgenossenschaft gemeldet werden müssen, wenn die Beschäftigten länger als drei Tage arbeitsunfähig sind. Risiko vor allem in geschlossenen Räumen Bei schweren Vergiftungen durch das völlig geruchlose Kohlenmonoxid von benzinbetriebenen Maschinen, beispielsweise Steinsägen, Estrichglättern oder einer Motorflex, stellt sich bei der Arbeit in geschlossenen Räumen erst Übelkeit und Schwindel ein. „Dann müssen die Betroffenen sofort an die frische Luft gebracht, notärztlich betreut oder vom Betriebs- oder Notarzt an ein Krankenhaus überwiesen werden“, so Rühl. Höhere Konzentrationen als der vorgeschriebene Arbeitsplatzgrenzwert von 35 Milligramm pro Kubikmeter BG BAU aktuell 2_2015 Luft können zur Bewusstlosigkeit und sogar zum Tod führen. Beim Einsatz benzinbetriebener Glättmaschinen können sogar fünffach höhere Werte auftreten. Dieselpartikel können Lungenkrebs verursachen Abgase von Dieselmotoren enthalten partikelförmige und gasförmige Schadstoffe. Für diese Abgase, beispielsweise von Baggern, Radladern und Hebebühnen, gibt es keine Alarmsignale, etwa durch Schwindelgefühle, aber sie wirken im Körper chronisch und über viele Jahre. Wie groß die Gefährdung der Beschäftigten beim Einsatz von Maschinen ohne Dieselpartikelfilter in geschlossenen, teilweise geschlossenen oder schlecht belüfteten Bereichen wirklich ist, wird an folgendem Beispiel deutlich: In einem Leitungsgraben wurde eine Feinstaubmessung durchgeführt. Das Messgerät saugte dabei die gleiche Luftmenge pro Minute an, die auch ein Mensch pro Minute einatmen würde, wenn er dort mit einer handgeführten dieselbetriebenen Rüttelplatte ohne Dieselpartikelfilter den Boden verdichtet hätte. Der geschwärzte Probeträger zeigte, wie die Lunge des Beschäftigten belastet gewesen wäre, wenn dieser keinen Atemschutz getragen hätte. Arbeitssicherheit | 15 erforderlich sind. So sind bei Bauarbeiten beispielsweise in Räumen oder unter Tage beim Einsatz von Dieselmotoren Dieselpartikelfilter einzusetzen. Die Rechtslage nach der Gefahrstoffverordnung sowie der Technischen Regel Gefahrstoffe „Abgase von Dieselmotoren“ (TRGS 554) ist eindeutig. Trotzdem werden diese Vorschriften auf Baustellen häufig missachtet. Umweltschutz ist noch kein Schutz für die Beschäftigten Einen Grund dafür, warum die Vorschriften oft nicht umgesetzt werden, sieht Rühl darin, dass in der Praxis nicht immer klar zwischen Vorgaben des Arbeits- und Umweltschutzes getrennt wird: „So gewährleistet die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte, ohne die eine Baumaschine nicht in Verkehr gebracht werden darf, keineswegs auch den ausreichenden Schutz der Beschäftigten.“ Als mögliche Schutzmaßnahmen können bei Benzinmotoren Katalysatoren oder abgasfreie Antriebe wie Elektromotoren und bei Dieselmotoren Dieselpartikelfilter eingesetzt werden. Die lungengängigen Rußpartikel werden im Arbeitsschutz wie auch von der Internationalen Krebsagentur in Lyon (IARC) als krebserzeugend eingestuft. Bei krebserzeugenden Stoffen gilt kein Arbeitsplatzgrenzwert, vielmehr müssen die Unternehmen dafür sorgen, dass eine Gefährdung der Beschäftigten nach dem Stand der Technik so weit wie möglich verringert wird. Die BG BAU führt seit Jahren Arbeitsplatzmessungen zur Ermittlung der Abgasbelastungen für Beschäftigte durch und ist seit drei Jahren im Gespräch mit Baumaschinenherstellern über die Möglichkeit, Antriebe herzustellen, die weniger schädliche Abgase produzieren. Inzwischen werden beispielsweise zum Verdichten von Erdauffüllungen Akku-Stampfer, Stampfer mit emissionsarmen Benzinmotoren sowie gasbetriebene Stampfer angeboten. Erste Praxistests in Gräben zeigten, dass dabei deutlich weniger schädliche Abgase entstehen. Zu wenig beachtet: die Betriebsanleitungen der Hersteller BG BAU fördert Katalysatoren und emissionsarme Motoren „Die Gefahr durch Dieselpartikel und Kohlenmonoxid wird häufig unterschätzt“, betont Rühl. Dabei liefern die Betriebsanleitungen der Hersteller schon deutliche Hinweise: Dort wird bei benzin- oder dieselbetriebenen Maschinen immer gefordert, dass diese nicht in Hallen und Räumen eingesetzt werden dürfen. Grundsätzlich sind die Unternehmen verpflichtet, vor Aufnahme der Arbeiten eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Dabei ist auch zu klären, welchen Abgasbelastungen die Beschäftigten voraussichtlich ausgesetzt und welche Schutzmaßnahmen Um die Prävention in den Betrieben der Bauwirtschaft zu fördern, bietet die BG BAU verschiedene Arbeitsschutzprämien an. Mitgliedsbetriebe erhalten einen Zuschuss von bis zu 250 Euro, wenn sie einen Katalysator für Estrich- und Betonglättmaschinen anschaffen und einbauen lassen. Für Vibrationsplatten und Stampfer mit emissionsarmen Benzinmotoren gibt es Zuschüsse bis 500 Euro. Weitere Infos zu den Arbeitsschutzprämien der BG BAU: www.bgbau.de, Webcode: WCZjAx Oben: Einfachflügelglätter mit Katalysator. Mitte: Der schwarze Probeträger zeigt die hohe Schadstoffbelastung durch eine handgeführte Rüttelplatte ohne Dieselpartikelfilter. Unten: Die Arbeitsbühne wird mit einem Partikelfilter betrieben. 16 | Arbeitssicherheit Die Arbeit auf Straßenbaustellen ist gefährlich und psychisch belastend. Der vorbeifahrende Verkehr, Lärm und Abgase erhöhen das Risiko für die Beschäftigten. BG BAU aktuell 2_2015 BG BAU aktuell 2_2015 Arbeitssicherheit | 17 Arbeiten an der Grenze Die Arbeitsstättenregel ASR A5.2 verbessert den Arbeitsschutz für Beschäftigte auf Straßenbaustellen. TEXT: Horst Leisering FOTOS: Picture Alliance, Fotolia B ei Arbeiten im Grenzbereich zum Straßenverkehr ist das Risiko eines Beschäftigten, einem tödlichen Unfall zu erliegen, um ein Vielfaches höher als bei anderen Beschäftigten der gewerblichen Wirtschaft. Der BG BAU sind aus den letzten vier Jahren 20 Unfälle mit Todesfolge und weitere 37 Unfälle mit überwiegend schweren Verletzungen bekannt. Hinzu kommen permanente Gefährdungen durch Lärm, Abgase und besondere psychische Belastungen. Konkretisierung der Schutzmaßnahmen Die „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA 95) regeln ausschließlich verkehrsrechtliche Maßnahmen zur Verkehrslenkung auf Grundlage der Straßenverkehrsordnung (StVO). Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten bleiben dort allerdings unberücksichtigt. Diese sind in den einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften, insbesondere der Verordnung über Arbeitsstätten und der Baustellenverordnung, geregelt. Technische Regeln für Arbeitsstätten geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder. Bei Einhaltung dieser Technischen Regeln kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind (sogenannte Vermutungswirkung). Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) hat die ASR A5.2 „Straßenbaustellen“ im Arbeitskreis Straßenbaustellen erarbeiten lassen und diese Regel in seiner Sitzung am 05.12.2013 beschlossen. Aufgrund des nachträglich von Vertretern der Verkehrsseite angemeldeten Diskussionsbedarfs zur beschlossenen Fassung wurde diese im April 2014 auf der Internetseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zunächst als Entwurf der breiten Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht. Gemäß § 7 der Verordnung über Arbeitsstätten hat der ASTA den Stand der Technik für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten auf Straßenbaustellen ermittelt und in der ASR A5.2 „Straßenbaustellen“ zusammengefasst. Doch solange die ASR A5.2 noch nicht im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht ist, löst diese noch nicht die oben dargestellte Vermutungswirkung aus. Orientierung bei der Gefährdungsbeurteilung Bei der Planung und Ausführung von Straßenbaumaßnahmen müssen unter anderem die Baustellenverordnung, das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung berücksichtigt werden. Der Entwurf der ASR A5.2 kann bereits jetzt im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung durch den Unternehmer eine wichtige Orientierung sein. Darüber hinaus liefert sie allen am Bau und bei der Unterhaltung von Straßen Beteiligten wichtige Informationen für die Planung und Ausführung von Straßenbaustellen. WEITERE INFOS Die vollständige Arbeitsstättenregel ASR A5.2 (zurzeit im Entwurf ) finden Sie unter folgender Quelle: www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/ Arbeitsstaetten/ASTA/Aktuelles.html 18 | Im Fokus BG BAU aktuell 2_2015 Gerät die Welt aus den Fugen? Interview mit Franz Josef Radermacher, Professor für Datenbanken und künstliche Intelligenz der Universität Ulm. FOTOS: Marc Darchinger „Beim Klimaschutz wie bei vielen anderen Themen befinden wir uns auf dem falschen Weg. Doch wir wollen das alles gar nicht so genau wissen und lügen uns gern in die Tasche.“ BG BAU aktuell 2_2015 Bis 2050 leben wahrscheinlich neun Milliarden Menschen auf der Erde. Doch in den letzten 15 Jahren wurden, beispielsweise verursacht durch Dürren, deutlich weniger Lebensmittel produziert. Wie können die Menschen dann ernährt werden? Grundsätzlich ist die Ernährung von neun bis zehn Milliarden Menschen kein Problem, denn wir produzieren heute schon Nahrung für 13 Milliarden Menschen. Das gilt allerdings nur bei vegetarischer Ernährung. Wir können die Nahrungsmittelproduktion weltweit auch noch weiter erhöhen, gegebenenfalls muss der individuelle Fleischkonsum reduziert werden. Insgesamt sind Ernährungsprobleme heute keine Frage der Verfügbarkeit von Nahrung, sondern resultieren aus fehlender Kaufkraft aufseiten der Armen. Letztlich herrscht auf diesem Globus eine unerträgliche Ungleichheit in Bezug auf Einkommen. Sie ist der Ausgangspunkt der Probleme im Bereich Ernährung. Viele Unternehmen – auch in der Bauwirtschaft – orientieren sich hin zu mehr Nachhaltigkeit. Was ist darunter zu verstehen? Ist das nur ein aktueller Trend oder rechnet sich Nachhaltigkeit für ein Unternehmen? Es ist gut, dass sich immer mehr Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit orientieren, auch in der Bauwirtschaft. Das sollten sie aus eigenem Interesse tun, auch im Interesse an einer guten Zukunft der Welt, aber durchaus auch als Reaktion auf Forderungen von aufgeklärten Bürgern, die mit den aktuellen Entwicklungen unzufrieden sind. Nach meinen Beobachtungen rechnet sich ein gewisser Umfang an Nachhaltigkeitsorientierung für Unternehmen, wenn diese klug im Rahmen der Möglichkeiten operieren, die die Märkte bieten. Klar ist aber auch, dass das, was Unternehmen heute in Bezug auf mehr Nachhaltigkeit freiwillig leisten können, nicht ausreicht, um die Welt in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen. Das heißt, wir bewegen uns in Richtung auf immer weniger nachhaltige Verhältnisse, obwohl sich einige Unternehmen durchaus bemühen, die Trends umzukehren. Letztlich haben wir massive Defizite in internationaler politischer Koordination. Und diese Defizite können nur partiell durch das Handeln einzelner Unternehmen kompensiert werden. Im Fokus | 19 Brauchen wir aus Ihrer Sicht mehr Nachhaltigkeit in der Bau- und Wohnungswirtschaft und welche Bedeutung hat für Sie der Immobiliensektor in der Klimafrage? Ja, wir brauchen mehr Nachhaltigkeit in der Bau- und Wohnungswirtschaft. So wie wir mehr Nachhaltigkeit in allen Segmenten der Gesellschaft brauchen. Dabei kommt hinzu, dass die Bau- und Wohnungswirtschaft ein hohes Potenzial für die Reduktion des Ressourcenverbrauchs besitzt, weil dieses Segment der Ökonomie sehr materialintensiv ist. Ich habe vor einigen Jahren die Nachhaltigkeitsstrategie des zentralen Immobilienausschusses (ZIA) mitentwickelt und engagiere mich mit dem Verband der deutschen Wohnungsbauwirtschaft (GdW) in Bezug auf die Klimafrage. Dabei ergeben sich deutliche Unterschiede zwischen Bauten für DAX-Unternehmen – das müssen heute „Green Buildings“ sein – und der Frage der energetischen Sanierung von Gebäuden für durchschnittliche Mieter. Hier spielen die Kosten eine entscheidende Rolle. Sieht man das Ganze von der Klimaseite her, ist es häufig besser, international in Kompensation zu investieren, zum Beispiel in Aufforstungsmaßnahmen in den Tropen, die der Atmosphäre CO 2 entziehen, als in Sanierungsprozesse einzutreten. Sanierung macht insbesondere dann wenig Sinn, wenn sie gegen den natürlichen Sanierungsrhythmus geschieht, dann ist sie nämlich viel zu teuer. Man sollte also energetische Sanierung mit dem normalen Sanierungsrhythmus verknüpfen. Beim Thema Klimaschutz sind zurzeit kaum Fortschritte erkennbar. In Indonesien und Südamerika werden nach wie vor riesige Urwälder abgeholzt, beispielsweise für Palmöl-Monokulturen für unseren Biosprit. Wo bleibt da die Nachhaltigkeit? In der Tat befinden wir uns in Bezug auf Klimaschutz auf dem falschen Weg. Nicht nur machen wir keine Fortschritte, vielmehr erhöhen sich jedes Jahr die weltweiten Klimagasemissionen um etwa 500 Millionen Tonnen. Das ist dann schon mehr an Zuwachs als die Hälfte der jährlichen deutschen Emissionen insgesamt. Und natürlich ist es mit Nachhaltigkeit überhaupt nicht kompatibel, wenn man Urwälder abholzt, um dann Palmöl-Monokulturen für unseren Biosprit zu produzieren. Das Prof. Franz Josef Radermacher (l.) im Gespräch mit Rolf Schaper von BG BAU aktuell. 20 | Im Fokus BG BAU aktuell 2_2015 gen zum automatischen Datenaustausch zwischen den Banken und Finanzämtern der beteiligten Staaten. Das ist überfällig, das ist dringend notwendig, das ist von entscheidender Bedeutung, wenn nachhaltige Entwicklung eine Chance haben soll. Welche Lehren können wir aus der letzten Finanzmarkt- und Eurokrise ziehen? „Die Bau- und Wohnungswirtschaft besitzt ein hohes Potenzial für die Reduktion des Ressourcenverbrauchs.“ Prof. Franz Josef Radermacher ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Aber hier wie anderswo „lügen wir uns gerne in die Tasche“. Wir wollen das alles gar nicht so genau wissen. International agierende Großunternehmen zahlen in Europa ganz legal fast keine Steuern. Doch jetzt regt sich dagegen immer mehr Widerstand. Was ist nötig, um mehr soziale Verantwortung und Gerechtigkeit bei den Global Playern zu erzielen? Es ist ein Skandal, dass die internationalen Regelungen über die letzten Jahrzehnte so entwickelt wurden, dass es international agierenden Großkonzernen in legaler Weise möglich ist, fast keine Steuern zu bezahlen. Das ist ein Skandal, weil das letzten Endes die Belastung des Mittelstandes und der Arbeitnehmer erhöht, denn irgendwer muss ja zum Schluss die Steuern bezahlen. Glücklicherweise ist die Politik, auch in Deutschland, seit der Weltfinanzkrise aufgewacht. Der Druck auf Steuerparadiese und auf aggressive Steuervermeidungskonstrukte hat deutlich zugenommen. Die G20 ist in Verbindung mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dabei, zu neuen Strukturen und neuen Verträgen für grenzüberschreitende ökonomische Prozesse zu kommen. Ganz wichtig sind auch die OECD-Vereinbarun- Die letzte Finanzmarktkrise zeigt uns sehr deutlich, dass für das vernünftige Funktionieren ökonomischer Systeme, im Besonderen auch des Finanzsektors, eine adäquate Regulierung eine absolute Schlüsselfrage ist. Insbesondere muss die staatliche Seite in die Prozesse und Geschäftsmodelle hineinschauen können. Ökonomische Aktivitäten außerhalb staatlicher Kontrolle sind kontraproduktiv. Die Staaten der Welt sind jetzt dabei, die Regulierung zu verbessern. Das ist aber alles andere als einfach, denn man ringt mit Akteuren, die unglaubliche Finanzvolumina besitzen und in unvorstellbarem Umfang daran verdienen, dass sie im Rahmen von relativ unregulierten und intransparenten Strukturen die Rendite für ihre Finanzprodukte hochschrauben können. Da wird viel Geld eingesetzt, um den politischen Prozess so zu beeinflussen, dass es nicht zu den eigentlich nötigen Veränderungen kommt. Die Eurokrise ist eine Folge der letzten Finanzkrise. Die Politik hat das System stabilisiert, indem sie sich verschuldet hat zugunsten derer, die enorme Gewinne eingestrichen haben. Das ist das bekannte Muster: „Privatisierung der Gewinne, Sozialisierung der Verluste“. Wir kämpfen nun in Europa für den Erhalt des Euro und letzten Endes für eine Stärkung der EU. Dies muss in Richtung Fiskalunion gehen, ist aber in dem bestehenden politischen Klima und unter den bestehenden Bedingungen nur schwer durchsetzbar. Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Welche Chancen sehen Sie darin für unsere Wirtschaft und die Bürger und welche Risiken? Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen hätte eine Chance für die Welt sein können, wenn eine ökologischsoziale Regulierung (green and inclusive market regulation) für diesen großen Markt das Ziel wäre. Dem ist aber nicht so, das (verdeckte) Ziel ist eher, den Markteintritt für Akteure wechselseitig zu erleichtern, die unter anderen Rahmenbedingungen BG BAU aktuell 2_2015 arbeiten als die Partnerseite. Resultierende Kostendifferenzen verschiedener Regulierungsansätze werden dann im Markt wirksam werden. In vielen Bereichen wird das einen Wettbewerbsdruck ausüben in Richtung einer Abwärtsspirale. Potenziell wird das die Qualität der Versorgung und die soziale Balance in Europa verschlechtern. Man muss sich dabei im Klaren darüber sein, dass die USA und Europa eben nicht in allen relevanten Fragen dieselbe Position vertreten. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Gerade was die soziale Balance anbelangt, ist die Situation in Europa deutlich verschieden von derjenigen in den USA. Dies alles in einen Markt zusammenzuführen beinhaltet Risiken und hat das Potenzial, zu einer Verschlechterung der Situation für viele Akteure zu führen. Dem stehen Chancen der deutlichen Verbesserung ihrer erzielbaren Renditen für wenige gegenüber. Die Akteure an der Spitze werden auch in diesem Fall profitieren. Können Sie die Bedenken dazu nachvollziehen, die in den Medien immer wieder diskutiert werden? Ich kann die Bedenken, die in den Medien zu TTIP thematisiert werden, sehr gut nachvollziehen. Es wird mit TTIP nicht anders sein als mit der Welthandelsorganisation (WTO). Die WTO ist heute Ursache dafür, dass ein engagierter Minister, wie Dr. Gerd Müller vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der die soziale Verantwortung in der Textilkette herstellen will, der sich für den Schutz von Arbeitnehmern in Bangladesch engagiert, massive Schwierigkeiten hat, sein Anliegen durchzusetzen. Denn nach den Regeln der WTO ist es uns in Deutschland eben nicht gestattet, sehr weitgehende soziale und ökologische Standards in unseren Wertschöpfungsketten verpflichtend für Importe zu fordern. Wir müssen vielmehr Produkte in unser Land lassen, die in Ländern der WTO-Zone produziert wurden, selbst wenn dort die Umwelt zerstört wird, selbst wenn dort sklavenartige Kinderarbeit stattfindet, egal, was wir in Bezug auf diese Themen in anderen internationalen Verträgen für Verabredungen getroffen haben. Bei TTIP wird das nicht anders sein. Das heißt nicht, dass wir in Deutschland die Produktionsbedingungen der USA übernehmen müssen. Es heißt vielmehr, dass Produkte, die unter den Marktbedingungen der USA gefertigt wurden, hier verkauft werden dürfen. Was heute teilweise nicht der Fall ist. Wenn die dortigen Produktionsprozesse zu niedrigeren Preisen führen, kann dies im Markt bewirken, dass Produkte, die nach unseren Standards vor Ort produziert wurden, zu teuer sind und das Nachsehen haben. Diese Art von Schwierigkeiten ist zu erwarten. Es ist auch zu erwarten, dass wir in Bezug auf kommunale Dienste und die bei uns sogenannte Daseinsfürsorge mehr Druck erleben werden zu privatisieren. Im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit ist darüber hinaus zu erwarten, dass viele Unternehmen in Zukunft sehr viel Geld von unseren Staaten dafür als Entschädigung erhalten werden, dass sie sich durch unsere Gesetzgebung in ihren Gewinnerwartungen behindert sehen. Es ist in diesem Kontext interessant, die Entwicklung des Ölpreises in den letzten Jahren zu studieren. Der Markt hat dramatische Preisveränderungen erlebt. Das war für viele Investoren ein Desaster. Aber da dies der Markt ist, muss das akzeptiert werden. Dagegen kann man nicht klagen, da kann man auch von niemandem eine Kompensation verlangen. Wären aber entsprechende Veränderungen in Preisrelationen als Folge politischer Entscheidungen eingetreten, etwa weil wir politisch die Erzeugung von CO2-Emissionen verteuert hätten, dann wäre zukünftig damit zu rechnen, dass betroffene Unternehmen versuchen würden, sich für die aus diesen politischen Entscheidungen resultierenden ökonomischen Verluste beim Staat schadlos zu halten – letztlich wieder zulasten der Steuerzahler. Dies ist für mich keine besonders glückliche Perspektive. Sind Sie in Bezug auf unsere Zukunft eher ein Skeptiker oder ein Optimist? Für mich gibt es schon seit langem drei prinzipielle Möglichkeiten, wie die Zukunft aussehen könnte. Da ist einerseits eine mit Nachhaltigkeit kompatible Welt des Wohlstands mit relativer Ruhe und friedlichen Verhältnissen – die sogenannte Welt in Balance. Dann eine weltweite Zweiklassengesellschaft mit Elementen der Neofeudalisierung und der Unterdrückung einer Unterklasse – manche nennen das auch die Brasilianisierung der Welt. Und dann gibt es noch den ökologischen Kollaps. Ich halte die Brasilianisierung der Welt für die wahrscheinlichste Zukunft, gebe aber auch der Balance eine Wahrscheinlichkeit von etwa 33 Prozent. In einem gewissen Sinne kann man mich deshalb wohl als einen optimistischen Skeptiker bezeichnen. Im Fokus | 21 PROF. DR. DR. F. J. RADERMACHER (DR. H. C.) Professor für „Datenbanken und Künstliche Intelligenz“ an der Universität Ulm, gleichzeitig Vorstand des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung Ulm, Präsident des Senats der Wirtschaft e. V., Bonn, Vizepräsident des Ökosozialen Forum Europa, Wien, sowie Mitglied des Club of Rome. Radermacher studierte Mathematik und Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen und der Universität Karlsruhe. 1982 habilitierte er in Mathematik an der RWTH Aachen. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. globale Problemstellungen, lernende Organisationen, Umgang mit Risiken, Fragen der Verantwortung von Personen und Systemen, umweltverträgliche Mobilität, nachhaltige Entwicklung, Überbevölkerung, Welternährung, Klima und Energie, Regulierung des Weltfinanzsystems. 22 | Arbeitsmedizin BG BAU aktuell 2_2015 Verschleiß im Gelenk Arthrose ist eine schleichende Gelenkserkrankung, die Knorpel zerstört. Wie können Gelenke geschützt werden und beweglich bleiben? TEXT: Dr. med. Sascha Plackov FOTOS: iStockphoto, 123RF Gesundes Kniegelenk Der Knorpel erfüllt im Gelenk eine wichtige Funktion als Gleitmittel und ermöglicht eine reibungsfreie Funktion. Weil die Knorpelschicht selbst keine sensiblen Nervenenden enthält, sind Schäden am Knorpel immer erst spürbar, wenn die Defekte bereits zu der darunterliegenden Knochenschicht reichen. Starke Schmerzen stellen sich meist erst ein, wenn Knochen auf Knochen reibt. Kniegelenksarthrose BG BAU aktuell 2_2015 Arbeitsmedizin | 23 A rthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung in Deutschland. Über fünf Millionen Patienten leiden darunter, mehr als zwei Millionen haben deswegen schon ein künstliches Gelenk erhalten, teilt die Deutsche Arthrose Gesellschaft mit. Am häufigsten erkranken die gewichtsbelasteten Gelenke wie Knie oder Hüfte. Aber auch stark beanspruchte Gelenke wie Hand- und Fingergelenke sind oft betroffen. Arthrose kann jeden treffen. Ein genetischer Hintergrund, der sich mit zunehmendem Alter auswirkt, spielt hier eine wichtige Rolle. Aber auch Fehlstellungen und Verletzungen, die nicht gut ausgeheilt sind, können ein Gelenk im Lauf der Zeit schädigen. Um dem entgegenzuwirken, kommt neben der Ernährung auch dem allgemeinen Lebensstil eine große Bedeutung zu. So sind Sport und Bewegungstherapie sowohl in der Prävention als auch in der Rehabilitation der Arthrose wichtig. Denn Bewegung verbessert die Funktion der Knorpelzellen, die vor allem durch regelmäßigen Druck und die darauffolgende Entlastung ernährt werden. Bewegungsmangel dagegen lässt die Muskelfasern schrumpfen und fördert Muskelschwäche, was die Funktion des betroffenen Gelenks negativ beeinflusst. SO KÖNNEN SIE VORBEUGEN Es gibt ein paar einfache Regeln, mit denen man der Arthrose vorbeugen kann. Typisch für eine beginnende Arthrose ist ein kurzer Anlaufschmerz. Im weiteren Krankheitsverlauf kommt es dann zu belastungsabhängigen Dauerschmerzen, die sogar nachts auftreten können. Ebenfalls typisch ist ein Wechsel zwischen schmerzhaften und schmerzarmen Episoden. Im Bereich der betroffenen Gelenke finden sich oft schmerzhafte Sehnenansätze. Bei Verdacht auf Arthrose gilt es, sofort zu handeln und einen Arzt aufzusuchen. • Übergewicht vermeiden: Gewicht belastet die Gelenke; Fettgewebe fördert entzündlichen Knorpelverlust. Ergonomisch arbeiten • Muskelaufbau und -training: Eine gut trainierte Muskulatur entlastet die Gelenke bei jeder Bewegung. Zwangshaltungen, ungünstige Körperhaltungen wie Überkopfarbeiten sowie andere Fehl- und Überbelastungen im Beruf können die Gelenke ebenfalls schädigen. Arbeitgeber und Mitarbeiter sollten deshalb darauf achten, bei der Arbeit ergonomische Hilfsmittel zu nutzen, Regeln zum richtigen Heben und Tragen einzuhalten und die Körperhaltung öfter zu wechseln. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung können Belastungen nach Art, Höhe, Dauer und Häufigkeit erkannt werden. Wichtige Bausteine zur Prävention der Arthrose sind ergonomische Hilfsmittel am Arbeitsplatz wie: • Fliesenschneidemaschinen auf höhenverstellbaren Tischen, • Kleingerüste oder Podeste bei Arbeiten im oberen Wandbereich, • Teleskopstiele mit Anbauwerkzeugen oder Klebeauftragsgeräte, die im Stehen genutzt werden. Ziel aller Behandlungsmethoden ist es, die Schmerzen des Patienten zu lindern und die Bewegungsfähigkeit wiederherzustellen. Man unterscheidet dabei hauptsächlich zwischen konservativer und operativer Behandlung. Wichtige Bestandteile der konservativen Behandlung sind Krankengymnastik, physikalische Therapie sowie Elektro- und Ergotherapie. Sie stärken die Muskulatur, verbessern die Beweglichkeit und stützen dadurch die Gelenke. Bei der medikamentösen Behandlung sind schmerzlindernde und entzündungshemmende Arzneimittel die wichtigsten Pfeiler. Hat die Erkrankung jedoch ein Stadium erreicht, in dem eine Schmerzfreiheit und eine Aufrechterhaltung der Beweglichkeit mit den konservativen Maßnahmen nicht mehr gewährleistet werden kann, ist eine Operation mit einem künstlichen Gelenkersatz meist nicht mehr zu umgehen. • Bewegung fördert die Regeneration des Knorpels in jedem Gelenk. • Bewusst ernähren: Viel Gemüse und wenig rotes Fleisch reduzieren knorpelschädliche Entzündungsprozesse im Körper. • Genussgifte meiden: Alkohol und Nikotin schädigen auch die Vitalität der Knorpelzellen. • Warnsignale beachten: Wer chronische Schmerzen hat, beispielsweise nach Stürzen oder Unfällen, sollte einen Spezialisten aufsuchen. Instabilität oder unbehandelte Knorpelschäden können langfristig zu Arthrose führen. 24 | Arbeitsmedizin BG BAU aktuell 2_2015 Fett im Blut Cholesterin ist ein wichtiger Baustein des menschlichen Körpers, doch zu viel davon schädigt Herz und Kreislauf. TEXT: Dr. med. Jobst Konerding FOTOS: F1online, Fotolia, iStockphoto Viele Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft ernähren sich falsch. Das hat fatale Folgen. C holesterin ist ein wichtiger Bestandteil unserer Haut und aller Zellmembranen. Es wird benötigt, um bestimmte Hormone oder Gallensäuren herzustellen, die den Fettabbau unterstützen. Zudem soll Cholesterin ein wichtiger Stoff für das Gehirn und die Gedächtnisleistungen sein. Sehr hohe Cholesterinspiegel im Blut sind aber auch gefährliche Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie führen zu massiven Ablagerungen und Schäden an den Wänden der Herzkranzgefäße. Herzinfarkt und Schlaganfall können die Folgen solcher Gefäßerkrankungen sein. Die „Guten“ und die „Bösen“ Ob die Cholesterinwerte stimmen oder zu hoch sind, stellt der Arzt bei einer Blutuntersuchung fest. Dabei werden das Gesamtcholesterin sowie die beiden wichtigsten Untergruppen HDL (high density lipoprotein) und LDL (low density lipoprotein) bestimmt. Die LDL-Teilchen gelten als „böse“. Sie transportieren Cholesterin in den BG BAU aktuell 2_2015 Arbeitsmedizin | 25 Körper hinein, lagern sich an den Wänden der Blutgefäße ab und können dadurch Gefäßverkalkungen verursachen. Diese bilden sich vor allem in den Herzkranzarterien aus, kommen aber auch in anderen Arterien vor, häufig im Gehirn sowie in Becken und Beinen. HDL-Teilchen gelten als die „Guten“, weil sie Cholesterin aus den Wänden der Blutgefäße herauslösen und es aus dem Körper hinaustransportieren, also die Blutgefäße vor Gefäßverkalkungen schützen. Ob und in welchem Maße ein bestimmter Cholesterinspiegel das Risiko für Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, ist abhängig von Alter, Körpergewicht, Geschlecht, Blutdruck, dem Rauchverhalten sowie vom Vorhandensein eines Diabetes. Blutwerte: Wie hoch sollten sie sein? Erhöhte Blutfette verursachen keine Beschwerden, sondern werden erkannt, wenn der Arzt die Blutwerte kontrolliert. Dies kann beispielsweise im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge beim Arbeitsmedizinisch-Sicherheitstechnischen Dienst der BG BAU (ASD der BG BAU) erfolgen. Grundsätzlich gilt: Während die Konzentration von HDL-Cholesterin hoch sein darf, muss die Konzentration von LDL gering gehalten werden. Bei gesunden Menschen ohne zusätzliche Risikofaktoren und ohne Hinweise auf Herz- und Gefäßerkrankungen sind Gesamtcholesterinwerte um 200 mg/dl (5,2 mmol/l) und LDL-Cholesterinwerte um 115 mg/dl (3,0 mmol/l) wünschenswert. Falls Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegen, beispielsweise Übergewicht, hoher Blutdruck, Bewegungsmangel oder Rauchen, sollten diese Werte auf jeden Fall eingehalten werden. Menschen mit Diabetes oder einer Herz- oder Gefäßerkrankung sollten ein Gesamtcholesterin unter 150 mg/dl (3,9 mmol/l) anstreben und ein LDLCholesterin von unter 70 mg/dl (1,8 mmol/l) erreichen. • Viel Bewegung Gesund ernähren – Cholesterin senken • Medikamentöse Behandlung bei hohem Risiko und sehr hohen Werten nur auf ärztliche Anordnung Am besten lassen sich die Blutfettwerte über die Ernährung regulieren. Lebensmittel, die reich an gesättigten Fettsäuren sind, gilt es zu meiden. Dazu gehören etwa Sahne, Butter, Butterschmalz, Gänseschmalz, aber auch pflanzliche Fette wie Erdnussöl, Kokosfett, Palmöl oder Margarine mit einem hohen Anteil an gehärteten Fetten. Aber nicht jedes fetthaltige Nahrungsmittel ist schlecht für die Cholesterinwerte. Andere, gesunde Fette wie Olivenöl oder die vielzitierten Omega-3-Fettsäuren, die unter anderem in Fisch, besonders reichlich in Lachs und Makrelen, sowie in Nüssen und Samen enthalten sind, wirken sich günstig auf die Blutfette aus. Fisch statt Fritten Zur Vorbeugung gegen erhöhte Blutfette ist es sinnvoll, weitgehend auf tierische Fette zu verzichten, also möglichst wenig Butter, Sahne, fettreichen Käse, Fleisch und Wurst zu essen. Gehärtete Pflanzenfette und Fette mit vielen gesättigten Fettsäuren wie Kokos- und Palmfett, Schmalz, Mayonnaise und Speck sind ebenfalls zu meiden. Diese sind beispielsweise in Pommes frites, Donuts, Crackern und Plunderstücken enthalten. Gedünstetes und gegrilltes Essen ist generell fettärmer und gesünder als Frittiertes und Paniertes. Zu empfehlen ist die sogenannte „Mittelmeerkost“ mit viel frischem Obst und Gemüse, Getreideprodukten, Meeresfischen, Nüssen und Olivenöl. Auch körperliche Bewegung beeinflusst die Blutfette günstig. Am besten sind Ausdauersportarten wie Joggen und schnelles Gehen, Wandern, Schwimmen, Radfahren und Skilanglauf geeignet. Rauchen treibt die Cholesterinwerte ebenfalls in die Höhe. Allein durch Verzicht auf den Glimmstängel lässt sich das Risiko für Herz-KreislaufErkrankungen als Folge erhöhter Blutfette wahrscheinlich um die Hälfte vermindern. Cholesterinsenkende Medikamente wie beispielsweise Statine, die erhebliche Nebenwirkungen haben können, sollten nur bei erblich bedingten Cholesterinerhöhungen oder erhöhten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden, sofern der behandelnde Arzt das für erforderlich hält. CHOLESTERINWERTE SENKEN • Mittelmeerkost: Diät mit wenig tierischem Fett • Rauchen aufgeben 26 | Arbeitsmedizin BG BAU aktuell 2_2015 Wenn die Luft knapp ist Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre erfordern besondere organisatorische Maßnahmen. Auch Versicherte der BG BAU sind in diesen Bereichen tätig. TEXT: Dr. med. Jobst Konerding FOTO: iStockphoto Sauerstoffreduzierte Atmosphäre Um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen, ist in sauerstoffreduzierten Bereichen der Sauerstoffgehalt der Luft ständig zu prüfen. Sonst besteht Lebensgefahr. BG BAU aktuell 2_2015 D er Mensch benötigt Sauerstoff zum Leben. Die normale Umgebungsluft besteht hauptsächlich aus 21 Prozent Sauerstoff und 78 Prozent Stickstoff. Wie viel Sauerstoff über die Lungen in den Blutkreislauf gelangt, ist unter anderem abhängig vom Sauerstoffdruck in der Atemluft. Ist dieser Druck vermindert, wird weniger Sauerstoff aufgenommen. Folge: Die Leistungsfähigkeit des Menschen vermindert sich. Zur Vermeidung von Bränden in Räumen oder Lagern mit extrem brandgefährdeten Gütern wie PC-Servern werden Brandvermeidungsanlagen eingesetzt. Dort wird der Sauerstoff in der Raumluft von normalerweise 21 Prozent durch Zugabe von Stickstoff auf 13 – 17 Prozent gesenkt. So werden in diesen Anlagen Brände bereits in ihrer Entstehung gehindert. Zur Brandvermeidung von explosiven Gütern wird die Sauerstoffkonzentration vereinzelt sogar auch auf bis zu 8 Prozent abgesenkt. Auch Versicherte der BG BAU sind zeitweise in solchen Bereichen tätig. Denn in den Brandvermeidungsanlagen mit Sauerstoffkonzentrationen zwischen 13 und 17 Prozent werden beispielsweise auch Reinigungstätigkeiten oder bauliche Renovierungsarbeiten verrichtet. Dabei muss sichergestellt werden, dass der Aufenthalt und die Arbeit in sauerstoffreduzierter Atmosphäre keine gesundheitlichen Risiken für die Beschäftigten birgt. Risikoklassen Bei Arbeiten in sauerstoffreduzierter Umgebung werden vier Risikoklassen unterschieden, die sich unterschiedlich auf den Gesundheitszustand auswirken. Die Risikoklasse 1 gilt für Sauerstoffkonzentrationen von 15 – 17 %, die Risikoklasse 2 für Konzentrationen von 13 – 15 %. Tätigkeiten bei weiterer Absenkung des Sauerstoffanteils auf weniger als 13 % (Klasse 3) sind nur zulässig, wenn umgebungsluftunabhängiger Atemschutz getragen wird. Organisatorische Maßnahmen Um die Gesundheit der Beschäftigten bei Arbeiten in sauerstoffreduzierten Bereichen zu schützen, sind einige organisatorische Maßnahmen zu beachten. Dazu gehört die regelmäßige Unterweisung über die Gefährdungen, Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln. Der Aufenthalt in Bereichen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre soll möglichst kurz gehalten werden. Im Falle eines Alarms ist der Raum unverzüglich zu verlassen. Die Sauerstoffkonzentration im sauerstoffreduzierten Bereich ist mindestens alle zehn Minuten zu messen und aufzuzeichnen. Die Ergebnisse sind für mindestens ein Jahr zu archivieren. Eine Kontaktaufnahme mit Personen außerhalb der Räume mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre muss ständig gewährleistet sein, zum Beispiel durch Rufverbindung, Telefon, Funk oder dergleichen. Eignungsuntersuchung erforderlich Bestimmte chronische Erkrankungen können sich in sauerstoffreduzierter Umgebung verschlimmern. Dazu zählen chronische Herzerkrankungen wie eine Verengung der Herzkranzgefäße und Lungenerkrankungen wie Bronchialasthma oder chronische obstruktive Lungenerkrankungen. Mit einer Verschlimmerung ist auch bei epileptischen Anfallsleiden, Hirndurchblutungsstörungen oder schweren Anämien zu rechnen. Nur Personen mit einem ausreichenden Seh- und Hörvermögen dürfen in solchen Bereichen beschäftigt werden, da optische und akustische Warnsignale erkannt werden müssen. Personen, die sauerstoffreduzierte Bereiche der Risikoklassen 1 oder 2 betreten, sollten sich vor Arbeitsaufnahme einer Eignungsuntersuchung unterziehen. Bei der Untersuchung wird festgestellt, ob bei diesen Personen gesundheitliche Bedenken gegen eine Tätigkeit in derartigen Bereichen bestehen. Die Untersuchung umfasst neben einer ausführlichen ärztlichen Beratung und Untersuchung auch einen Lungenfunktionstest, ein Ruhe-EKG, Blutuntersuchungen und bei Bedarf auch ein Belastungs-EKG. Für weitere Beratungen über Gefährdungen oder Untersuchungen stehen die Betriebsärzte vom Arbeitsmedizinisch-Sicherheitstechnischen Dienst der BG BAU (ASD der BG BAU) zur Verfügung. Arbeitsmedizin | 27 Zutritt für Unbefugte verboten! Sauerstoffmangel! RISIKOKLASSEN UND SCHUTZMASSNAHMEN • Klasse 0: Sauerstoffkonzentration 17 – 21 %: Unterweisung der Mitarbeiter • Klasse 1: Sauerstoffkonzentration 15 – 17 %: Eignungsuntersuchung nach G 28, Unterweisung der Mitarbeiter, nach vier Stunden Aufenthalt ist eine Pause von 30 Minuten außerhalb der sauerstoffreduzierten Bereiche erforderlich • Klasse 2: Sauerstoffkonzentration 13 – 15 %: Eignungsuntersuchung nach G 28, Unterweisung der Mitarbeiter, nach zwei Stunden Aufenthalt ist eine Pause von 30 Minuten außerhalb der sauerstoffreduzierten Bereiche erforderlich • Klasse 3: Sauerstoffkonzentration unter 13 %: Betreten ohne besondere Maßnahmen, zum Beispiel umgebungsluftunabhängiges Atemschutzgerät, nicht zulässig Nähere Infos: DGUV Information 205-006: Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre 28 | Mensch und Betrieb BG BAU aktuell 2_2015 Praxisnahe Prävention Was macht eigentlich ein Sicherheitsbeauftragter und wie viele braucht ein Unternehmen? TEXT: Dagmar Sobull FOTO: 123RF Sicherheitsbeauftragte machen sich in ihrem Unternehmen für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz stark. M eine Aufgabe ist es, die Kollegen vor Ort direkt anzusprechen, wenn bei der Arbeitssicherheit etwas falsch läuft“, beschreibt Martin Kück seine Aufgabe als Sicherheitsbeauftragter. Seit sechs Jahren ist er bei der Wortmann GmbH in Bremen als Platzmeister tätig. Mängel an Schutzeinrichtungen etwa oder andere Gefahrenquellen auf der Baustelle oder im Betrieb meldet er umgehend an seine Vorgesetzten. Anerkannt bei Vorgesetzten und Kollegen und mit der täglichen Arbeit vertraut, wissen Sicherheitsbeauftragte genau, wo der Schuh drückt. Sie unterstützen die anderen Akteure des Arbeitsschutzes dabei, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Un- BG BAU aktuell 2_2015 ternehmen zu thematisieren und zu verbessern. Als „Kollegen unter Kollegen“ achten sie beispielsweise darauf, dass Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden und die jeweils erforderliche Persönliche Schutzausrüstung (PSA) auch getragen wird. „Wenn ich auf unseren Baustellen Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften sehe, reagiere ich sofort und greife ein“, sagt Hermann Gödecke. Der Maschinist bei der Firma Meyer-Tochtrop ist seit 25 Jahren als Sicherheitsbeauftragter tätig und kennt die Schwachstellen genau. Im Rahmen seiner täglichen Arbeit hat er ein Auge auf mögliche Gefährdungen wie zum Beispiel Stolperfallen oder technische Defekte und macht seine Kollegen auf mögliche Unfall- und Gesundheitsgefahren aufmerksam. Dabei setzt er vor allem auf die Einsicht der Kollegen. Wichtig ist auch, dass der Sicherheitsbeauftragte die Gefährdungen an den jeweiligen Arbeitsplätzen gut kennt. Mensch und Betrieb | 29 „Ich spreche meine Kollegen vor Ort direkt an, wenn bei der Sicherheit etwas falsch läuft.“ Martin Kück, Platzmeister und Sicherheitsbeauftragter der Wortmann GmbH Ein Ehrenamt Sicherheitsbeauftragte sind ehrenamtlich tätig. Sie haben weder Weisungsbefugnis noch eine Aufsichtsfunktion. Deshalb können sie für ihr Wirken auch nicht ziviloder strafrechtlich belangt werden. Ihre Aufgabe besteht einzig und allein darin, ihren Arbeitgeber oder ihre Vorgesetzten zu beraten, Mängel und Unfallgefahren zu melden und Verbesserungen anzuregen. Die rechtliche Verantwortung liegt beim Unternehmer. Persönliche Anforderungen Angehende Sicherheitsbeauftragte müssen gewisse persönliche Voraussetzungen erfüllen, auf die Arbeitgeber bei der Auswahl achten sollten. Beschäftigte, die besonders erfahren, fach- und sachkundig, von Kollegen akzeptiert, engagiert und sozialkompetent sind, eignen sich am besten für das Amt eines Sicherheitsbeauftragten. Sie genießen bei Kollegen und Vorgesetzten Ansehen und Vertrauen, sind kommunikativ und besitzen Einfühlungsvermögen. Außerdem sollten sie vom Arbeitsschutz überzeugt und Vorbild dafür sein. Mitarbeiter, die eine eigenständige Verantwortung im Betrieb haben, wie Meister oder andere Vorgesetzte, sind weniger als Sicherheitsbeauftragte geeignet. Im Arbeitsschutzausschuss (ASA) mitreden Eine erfolgreiche Prävention hängt ganz wesentlich vom Zusammenwirken und vom gegenseitigen Informationsaustausch aller im Betrieb ab. Deshalb sieht das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) vor, dass sich Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit mindestens viermal pro Jahr zum Erfahrungsaustausch treffen. Dazu muss jedes Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss (ASA) bilden. In diesem Rahmen hat auch der Sicherheitsbeauftragte die Möglichkeit, Fragen und Anregungen aus seinem Arbeitsbereich einzubringen und so den Arbeitsschutz im Unternehmen weiterzuentwickeln, ebenso wie im Rahmen von Begehungen und Unfalluntersuchungen. „Bei Verstößen gegen Unfallverhütungsvorschriften reagiere ich sofort.“ Hermann Gödecke, Maschinist bei der Firma Meyer-Tochtrop GmbH 30 | Mensch und Betrieb BG BAU aktuell 2_2015 Wie viele Sicherheitsbeauftragte braucht ein Unternehmen? Jedes Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern hat mindestens einen Sicherheitsbeauftragten zu bestellen. Die Grundlagen dafür sind im Sozialgesetzbuch VII geregelt. Die Bestellung kann formlos erfolgen, sollte aber grundsätzlich schriftlich festgehalten werden und die Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten beschreiben. Ein Muster für die Bestellung ist in Kapitel 4 der BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ enthalten. Die Ernennung erfolgt in Absprache mit dem Betriebsrat und sollte umgehend allen Beschäftigten bekanntgegeben werden. In der Praxis hat es sich bewährt, auch in Betrieben mit weniger als 21 Mitarbeitern Sicherheitsbeauftragte zu bestellen oder in größeren Betrieben mehr Sicherheitsbeauftragte zu bestellen als gesetzlich gefordert. Das ist besonders bei Baubetrieben mit mehreren Baustellen sinnvoll. Der Sicherheitsbeauftragte Aktiv im Arbeitsschutz Aktiv im Arbeitsschutz Der Sicherheitsbeauftragte WEITERE WE EIT ITER EREE INFOS INFO IN FOS S Alles Wissenswerte rund nd um die Best Be B Bestellung, Aufgaben und Verantwortung ntwortung wortung derr S Sic Sicherheitsbeauftragten ist in der Broschüre Broschür „Der Sicherheitsbeauftragte. Aktiv im ArbeitsArb schutz“ nachzulesen. www.bgbau-medien.de g au r 619 Abruf-Nr. Möglichkeiten und Chancen Klare Absprachen und Zielsetzungen sind die Voraussetzung dafür, dass das Engagement der Sicherheitsbeauftragten erfolgreich ist und von allen Beteiligten als Bereicherung erlebt wird. Deshalb sollten Sicherheitsbeauftragte zu Beginn ihrer Tätigkeit ihre Aufgaben mit dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten absprechen. Dabei ist zu klären, wie der Informationsaustausch in der Firma funktioniert. Wichtig für den Sicherheitsbeauftragten ist der Kontakt zum Betriebsarzt und zur Sicherheitsfachkraft des Betriebes. Zudem sollte sichergestellt sein, dass der Sicherheitsbeauftragte zu den Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses (ASA) eingeladen wird, sofern der Betrieb über dieses Gremium verfügt. Auch der zuständige Ansprechpartner der Prävention der BG BAU sollte dem Sicherheitsbeauftragten bekannt sein, und der Arbeitgeber sollte ihm ermöglichen, an Qualifizierungsmaßnahmen der BG BAU für Sicherheitsbeauftragte teilzunehmen. Im Arbeitsalltag hat der Sicherheitsbeauftragte besonders auf ein sicheres Arbeitsumfeld zu achten, beispielsweise auf Absturzsicherungen, sicher geböschte Baugruben und verbaute Gräben sowie sichere Stromquellen. Er sollte seine Kollegen auf Stolperfallen, Rutsch- und Sturzgefahren hinweisen und sie ermuntern, sich mit geeigneter Persönlicher Schutzausrüstung wie Helm, Sicherheitsschuhen und Schutzbrille vor äußeren Gefahren zu schützen. Auch die Motivation der Kollegen zur Verwendung von Hautschutzmitteln gehört zu seinen Aufgaben. An heißen Sommertagen sollte dabei auch wirkungsvoller Sonnenschutz zum Einsatz kommen. Schulungsangebote und Informationen der BG BAU Die BG BAU bietet Grund- und Aufbauseminare sowie Fortbildungen an, in denen Sicherheitsbeauftragte die sozialen Kompetenzen stärken und das nötige Arbeitsschutzwissen erwerben können. Außerdem gibt es Seminare zu Spezialthemen sowie Arbeitshilfen und Informationsbroschüren zum Thema Prävention. Diese Angebote sollten Sicherheitsbeauftragte nutzen. BG BAU aktuell 2_2015 Sicher unterwegs | 31 Sicherer Start in die Saison Mit den ersten Sonnenstrahlen holen viele Motorradfahrer ihre Maschinen aus dem Winterschlaf und mischen sich wieder ins Straßenbild. Autofahrer müssen sich an die Verkehrsteilnehmer auf zwei Rädern gewöhnen, die im Winter eher selten zu sehen waren. TEXT und FOTO: DVR V or allem beim Abbiegen und bei Wendemanövern sollten Autofahrer besonders umsichtig fahren, um keinen Zweiradfahrer zu übersehen. Aber auch die Motorradfahrer selbst können einiges dafür tun, damit sie im Straßenverkehr besser wahrgenommen werden. Schutzkleidung in hellen Kontrastfarben verbessert ihre Sichtbarkeit für andere. Auch Tagfahrlicht an Motorrädern, das auffälliger wirkt als das vorgeschriebene Abblendlicht, hilft, Kollisionen zwischen Motorrädern und anderen Fahrzeugen zu vermeiden, besonders im Bereich von Kreuzungen und Einmündungen. Das Risiko, mit dem Motorrad zu verunglücken, ist laut DVR europaweit 18-mal höher als mit dem Pkw. Überschätzte Fähigkeiten Zudem sind Können und Erfahrung Voraussetzung für den sicheren Start in die Saison. So registriert der ADAC bei insgesamt 1.500 untersuchten Motorradunfällen mit 39 Prozent auffällig viele Alleinunfälle. Häufig seien es Fehler in Kurven, die durch zu hohe Geschwindigkeit und eine Fehleinschätzung der physikalischen und persönlichen Möglichkeiten zu schweren Unfällen führen. Auch zu kräftige Bremsmanöver in der Kurve und überhastete Notbremsungen führten häufig zu Unfällen, beobachten die Unfallforscher. Der hohe Anteil an Unfällen, bei denen Motorradfahrer die eigenen fahrerischen Möglichkeiten falsch einschätzen, zeige, wie anspruchsvoll Motorradfahren ist. Ein hohes Maß an Können, Konzentration, Disziplin und Beobachtungsgabe sei Voraussetzung für den unfallfreien Fahrspaß auf dem Motorrad. 32 | Rehabilitation und Leistungen BG BAU aktuell 2_2015 Persönlich und nah am Menschen Reha-Koordinatoren der BG BAU betreuen jetzt schwerstverletzte Patienten direkt vor Ort in den berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken (BGU). TEXT: Petra Fröhlich FOTOS: Doris Leuschner Reha-Koordinatorin Petra Fröhlich spricht fast täglich mit Patienten wie Negeste Teclai und beobachtet dabei gute Fortschritte im Heilverfahren. M it den Reha-Koordinatoren, die in einem eigenen Büro in jeder BGU untergebracht sind, hat die BG BAU nun zentrale Ansprechpartner vor Ort. „Die Zusammenarbeit von Ärzten, Therapeuten und der Klinikverwaltung mit der BG BAU ist dadurch noch enger geworden“, erläutert Dr. med. Henry Kohler, Chefarzt des Reha-Zentrums der BGU Ludwigshafen. „Dies ermöglicht eine noch bessere Betreuung der Verletzten nach Arbeitsunfällen.“ Auch die Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern wie Orthopädietechnikern und -schuhmachern sowie den außerhalb der Klinik angesiedelten Fachärzten trägt zur effektiven Rehabilitation bei. So können die Reha-Koordinatoren die Versicherten der BG BAU sofort nach der stationären Aufnahme am Krankenbett persönlich beraten, ihre Fragen beantworten und Lösungen finden. Unterstützung bei der Rückkehr ins Arbeitsleben In allen neun BGUen sind Reha-Koordinatoren vor Ort im Einsatz. Im Reha-Zentrum der BGU Ludwigshafen ist RehaKoordinatorin Petra Fröhlich im Dienste der BG BAU aktiv. EDV-technisch ist sie an die BG BAU angebunden und kann auf die BG BAU aktuell 2_2015 elektronisch vorhandenen Akten zugreifen. „Das Spannende an meiner Tätigkeit ist der persönliche Kontakt mit Menschen in einer Situation, in der sie auf professionelle Hilfe angewiesen sind“, sagt Fröhlich. Sie besucht die Patienten auf den Akutstationen möglichst unmittelbar nach dem Unfall und berät sie über Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, beispielsweise zum Verletztengeld, zur beruflichen Wiedereingliederung oder zu den Fahrtkosten. Bei Negeste Teclai beobachtet die Reha-Koordinatorin fast täglich Fortschritte. Die Reinigungskraft hatte bei einem Autounfall auf dem Weg zu ihrer Einsatzstelle mehrere Brüche an Füßen, Beinen, Wirbelsäule und Rippen erlitten und war mehrfach operiert worden. Mittlerweile läuft sie an zwei Unterarmgehstützen. „Ziel ist die Rückkehr von Frau Teclai an den alten Arbeitsplatz“, erläutert Fröhlich. Zusammen mit den behandelnden Ärzten plant Fröhlich die weitere Rehabilitation und arbeitet an der Entwicklung eines Reha-Planes mit. Sie nimmt an den wöchentlichen Visiten und am Abschlussgespräch mit Ärzten und Therapeuten teil und unterstützt die Patienten bei der beruflichen Wiedereingliederung. So begleitet die Reha-Koordinatorin die schwerstverletzten Patienten direkt nach dem Unfall durch alle Phasen der Rehabilitation mit dem Ziel der erfolgreichen Wiedereingliederung in den Beruf und die Gemeinschaft. Sie ist Ansprechpartnerin für die verschiedensten Belange der Versicherten und der Ärzte und steht in ständigem Kontakt zu den Kollegen in den Dienstleistungszentren oder Bezirksverwaltungen der BG BAU. Betreuung auch nach Ende der Behandlung Im Rahmen regelmäßiger Sondersprechstunden mit dem behandelnden Arzt und der Reha-Koordinatorin stellen sich bereits entlassene Patienten vor, um das weitere ambulante Heilverfahren zu besprechen und einen individuellen Reha-Plan auszuarbeiten. Bei Dominik Abromeit beispielsweise, der bei einem Sturz vom Dach einen Fersenbeinbruch erlitt, erscheint eine Wiedereingliederung in seinen alten Beruf als Dachdecker fraglich. Deshalb ist nun ein Test geplant, um herauszufinden, welche Tätigkeiten er trotz seiner bleibenden Beeinträchtigung infolge des Fersenbeinbruchs noch machen kann. Dazu wird er erneut für zwei Tage stationär aufgenom- men. Anhand der Testergebnisse beraten die Beteiligten dann über Abromeits berufliche Zukunft. Dankbarkeit als Motivation „Meine Arbeit ist vielseitig, abwechslungsreich und anspruchsvoll, kein Tag ähnelt dem anderen“, sagt Fröhlich. Allerdings sei die Arbeit auch nicht immer einfach, weil sie täglich mit schweren Schicksalen konfrontiert werde. Kraft für diese Aufgabe schöpfe sie auch aus den positiven Rückmeldungen der Versicherten: „Die Dankbarkeit von Menschen, denen ich trotz ihrer schweren Verletzungen weiterhelfen konnte, motiviert mich jeden Tag neu.“ Und die Patienten wissen ihren Einsatz zu schätzen, wie Rückmeldungen an Fröhlich zeigen: „Während wir Patienten mit unseren körperlichen oder seelischen Traumata beschäftigt sind, verrichten Sie Ihre Arbeit stets mit einem Lächeln, was mir in dieser schweren Zeit immer mindestens genauso wichtig war, wie Ihr sehr engagierter Einsatz bei der Hilfe im Verwaltungsdschungel“, schreibt beispielsweise Thomas Behnert und betont: „Es ist von großem Vorteil, eine persönliche Ansprechpartnerin vor Ort zu haben, die lösungsorientiert arbeitet.“ Ein hoher Anteil aller Patienten im Akut- und Rehabilitationsbereich in der BGU Ludwigshafen kommt von der BG BAU. Denn nach wie vor ist die Arbeit im Baugewerbe mit besonderen Gefahren verbunden. Eine Neuausrichtung der Kliniklandschaft wird künftig zu einer weiteren Konzentration der Schwerverletzten in den BGUs führen – ein weites Tätigkeitsfeld für die neuen RehaKoordinatoren. Rehabilitation und Leistungen | 33 Oben: Dr. med. Henry Kohler (l.) im Gespräch mit Reha-Koordinatorin Petra Fröhlich und Patient Dominik Abromeit. Unten: Die BG-Unfallkliniken in Deutschland. 34 | Im Blick BG BAU aktuell 2_2015 Sanierung des Alten Elbtunnels Seit 1911 unterqueren die beiden Röhren die Norderelbe in Hamburg. Der Bau war damals eine technische Sensation. Nach über 100 Jahren machten Schäden und Undichtigkeiten eine umfassende Sanierung erforderlich. TEXT: Rolf Schaper FOTOS: Firma HC Hagemann, Mirko Bartels, Hamburg Bildarchiv, Atlas Copco Deutschland D er Hamburger Hafen expandierte um das Jahr 1900 stark. Täglich mussten 20.000 Werft- und 25.000 Hafenarbeiter bei Schichtwechsel mit Fähren auf die andere Elbseite transportiert werden. Doch für viele Arbeiter waren die Fähren zu teuer. Nach langen Abwägungen entschied man sich 1903 für den Bau eines Tunnels, ob- wohl es dafür nur ganz wenige Vorbilder gab, beispielsweise in Amerika und England. Baurat Ludwig Wendemuth erhielt schließlich den Auftrag für die Planung der beiden Tunnel mit einer Länge von 426 Metern und einem Durchmesser von 4,7 Metern. Die Spurweite war für Pferdefuhrwerke ausgelegt, daneben befanden sich zwei Fußwege. BG BAU aktuell 2_2015 Im Blick | 35 Heute erfolgt die Sanierung mit modernstem Atemschutz. Damals diente für den Bau des Elbtunnels der Harbour Tunnel in Glasgow, Schottland als Vorbild. Dieser wurde zwischen 1890 und 1896 gebaut. Riskanter Tunnelbau Den Auftrag für den Bau erhielt das Unternehmen Philipp Holzmann. 1907 wurden zunächst die beiden Zugangsbauwerke in St. Pauli und Steinwerder errichtet. Diese wurden als Senkkästen in der sogenannten Caisson-Bauweise gefertigt und auf die geplante Tiefe gebracht. Dabei wird Druckluft eingesetzt, um mit dem erzeugten Überdruck das Eindringen von Wasser in den Baukörper zu verhindern. Doch mit dem Einsatz von Druckluft hatte man bisher nur wenig Erfahrung. So starben drei Arbeiter durch die sogenannte Taucherkrankheit. Zwei weitere starben bei anderen Arbeitsunfällen. Danach wurden die horizontalen Tunnelröhren im Schildvortriebsverfahren auf einer Sohlentiefe von 24 Metern errichtet, ebenfalls mit Druckluft. Zwischen der Tunnelröhre und 36 | Im Blick BG BAU aktuell 2_2015 Die Passage ist für Fußgänger übrigens kostenlos, genau wie vor 100 Jahren. Schon 1906 entbrannte in der Hamburger Bürgerschaft darüber eine hitzige Debatte. Von den Sozialdemokraten wurde bereits damals pointiert argumentiert: „Weil die Bourgeoisie für die Instandhaltung der Reitwege auf der Uhlenhorst auch keine Abgaben bezahlt, muss die Tunnelbenutzung für Arbeiter frei sein.“ So einfach war das damals. Das Interesse an dieser besonderen Baustelle in Deutschland war damals riesig. Sogar Seine Majestät Kaiser Wilhelm II. besichtigte 1910 das Bauwerk. Am Ende kostete der Tunnelbau, bei dem 4.400 Bauarbeiter eingesetzt wurden, rund 10,7 Millionen Goldmark. Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst dem Flussbett lag damals eine nur drei Meter dicke Schlickschicht. Beim Tunnelbau kam es zu über 100 Druckluftunfällen. Das führte 1908 sogar zu einem Streik der Arbeiter. Im Januar 1909 wurde auf Druck der Öffentlichkeit der Mediziner Dr. Bornstein eingestellt, um die Sicherheit bei den Druckluftarbeiten zu verbessern. Dieser setzte sogar Hunde als Versuchstiere ein und gewann dabei wichtige grundlegende Erkenntnisse für Druckluftarbeiten. Die Arbeit unter einem ständigen Luftüberdruck war beschwerlich und erforderte einen anschließenden Aufenthalt der Beschäftigten in einer Dekompressionskammer. Ein Tunnel mit Aufzügen Oben: Christian Weber (r.), Geschäftsführer von HC Hagemann, und Victor Gozens, Bauleiter von HC Hagemann, kennen die Probleme bei der Sanierung des Alten Elbtunnels ganz genau. Unten: Durch die Druckluftbelastung mussten die Arbeiter damals nach dem Ausschleusen noch mit Sauerstoff behandelt werden, um der sogenannten Taucherkrankheit vorzubeugen. Dieser Tunnel hatte allerdings eine Besonderheit, er hatte keine Zufahrtsrampen. Stattdessen wurden in den beiden Zugangsbauwerken in Steinwerder und St. Pauli je Uferseite sechs Aufzüge mit einer Tragfähigkeit von bis zu 10 Tonnen eingebaut. Fußgänger, Fahrräder und Autos werden damit auch heute noch bis auf die Tunnelebene befördert und wieder nach oben. Im letzten Jahr benutzten 1,2 Millionen Fußgänger und Radfahrer diesen Tunnel im Einbahnverkehr sowie 121.000 Autos. „Dieses Tunnel-Bauwerk ist so einmalig, dass es 2011 sogar mit dem Titel ‚Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland‘ ausgezeichnet wurde“, erklärt Bauleiter Victor Gozens vom Hamburger Bauunternehmen HC Hagemann GmbH & Co.KG. Der 35-jährige Holländer ist als Bauleiter für die Abwicklung der Sanierung verantwortlich, die von einer Arbeitsgemeinschaft gemeinsam mit der Ed. Züblin AG durchgeführt wird. Von der Leistung der damaligen Bauleute ist Gozens tief beeindruckt. „Kaum zu glauben, was die Kollegen damals in nur vier Jahren Bauzeit fertiggestellt haben.“ Seit der Inbetriebnahme hat der Alte Elbtunnel viel mitgemacht. So wurden verschiedenste Umbauten in den Zugangsbauwerken vorgenommen. Im letzten Krieg wurden die Eingangsgebäude und der Tunnel beschädigt. Damals diente die Röhre vielen Hamburgern auch als Luftschutzbunker. Später wurde die Elbe wegen der größeren Schiffe vertieft und der Tunnel musste mit einer Betonabdeckung gegen Auftrieb gesichert werden. All diese Einflüsse haben dem Bauwerk zugesetzt. Nach über 100 Jahren lässt die Dichtigkeit der alten Stahltübbinge mit ihren Bleifugen langsam nach und einige Fliesen sind schon herabgefallen. Eine Sanierung war dringend geboten. BG BAU aktuell 2_2015 Überraschungen bei Sanierung Die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) erteilt als Betreiberin des Alten Elbtunnels alle Aufträge für die Instandhaltungsarbeiten und überwacht sie. Doch zunächst gab sie nur grünes Licht für die Sanierung der Oströhre und ein Eingangsgebäude. Zuerst wurde das Schachtgebäude St. Pauli saniert. Dort wurden insbesondere die Stahlkonstruktion, Natursteinfassade, Eindeckung und Fenster nach historischem Vorbild instand gesetzt. Dann kam der Tunnel dran. Doch hier waren die tatsächlichen Schäden gravierender, als man es bei der Ausschreibung angesetzt hatte. Die Tübbinge und Leitungen waren viel stärker durch Korrosion geschädigt, als man erwartet hatte, ebenso die Bleifugen. Nach und nach wurden weitere Durchfeuchtungsschäden entdeckt und vieles andere. Röhre gegen Aufschwimmen gesichert Ziel der Sanierung ist es, alle Schäden zu beseitigen, die Substanz zu verbessern und die Tunnelsicherheit zu erhöhen. Dabei sollen in jeder Bauphase die Sicherheit der Beschäftigten und die Anforderungen des Denkmalschutzes gewährleistet sein. Zunächst wurden die alten keramischen Ornamente und Reliefs im Tunnel gesichert, um sie später wieder einzubauen. Dann erfolgte eine Außen- und Innenballastierung des Tunnels mit Steinen und Stahlplatten, um ein „Aufschwimmen“ des Tunnels durch das reduzierte Eigengewicht zu verhindern. Danach konnte die Innenschale bis an die Stahltübbinge heran entfernt werden. Diese wurden dann mit einem Hochdruckwasserverfahren gereinigt und der Austausch von 10.700 Metern Bleifugen konnte beginnen. Ebenso wurden tausende alte, marode Nieten durch Schrauben ersetzt. Die Fugen zwischen den Tübbingen wurden – historisch getreu – mit frischer Bleiwolle versehen, die dort mit Spezialhämmern eingetrieben wurde. Erhebliche Bleikontaminierung Bei den Abbrucharbeiten wurde nach ersten Messungen sehr schnell deutlich, dass eine hohe Schadstoffbelastung durch Blei vorlag. Daher mussten sofort Schutzmaß- Im Blick | 37 nahmen für die Beschäftigten eingeleitet werden, beispielsweise Schwarz-WeißBereiche eingerichtet und Einweganzüge sowie Atemschutzgeräte zur Verfügung gestellt werden. Anfangs wurde noch mit filtrierenden Filterhalbmasken gearbeitet. Doch die Arbeit damit war anstrengend und immer wieder waren Maskenpausen erforderlich. Später wurden Atemschutzhauben verwendet, die von den Beschäftigten wegen der geringeren Belastung bevorzugt wurden. Regelmäßig waren die BG BAU und das Hamburger Amt für Arbeitsschutz auf der Baustelle, um die Sicherheit der Beschäftigten zu überprüfen. Im Rahmen eines Biomonitorings wurden den Beschäftigten regelmäßig Blutproben entnommen. So konnte kontrolliert werden, ob die Schutzmaßnahmen auch sicher funktionierten. „Wir mussten unsere Mitarbeiter fortlaufend informieren, warum diese Blutuntersuchungen nötig waren“, erinnert sich Geschäftsführer Weber. Finanzielle Unterstützung vom Bund Die Tübbinge wurden mit Spritzbeton bis an den Rand der inneren Flansche aufgefüllt. Eine darauf montierte Drainagematte soll künftig möglicherweise eindringendes Sickerwasser gezielt abführen. Dann wurde das Innere der Tunnelröhre mit einer neuen 25-40 cm dicken Betonschale versehen. In eine Spezialschalung, montiert auf einem 12 Meter langen Schalwagen, brachte man selbstverdichtenden Beton ein, der nach dem Aushärten die Röhre stabilisiert. Danach wurden von einem tunnelgerechten Rollgerüst aus die Fliesen verlegt. Dabei werden so viele alte Fliesen und Reliefs wie möglich verwendet, damit der historische Charakter des Tunnels erhalten bleibt. Anschließend soll noch die alte PAK-belastete Fahrbahn ausgetauscht werden, die Tübbinge im unteren Bereich saniert und ein neuer Kabelkanal eingebaut werden. Eine gute Nachricht kam kürzlich aus Berlin: Der Bund wird sich zur Hälfte an der Sanierung des weltweit einmaligen Baudenkmals beteiligen. Damit ist die Finanzierung des Gesamtprojektes gesichert und bis 2019 soll auch die zweite Röhre saniert sein. Oben: Mit Spritzbeton wurden die Flansche aufgefüllt. Mitte: Bei allen Arbeiten mit Blei mussten die Beschäftigten Einweganzüge und Atemschutzgeräte tragen. Unten: Arbeiten an der Gewölbeschalung. 38 | Infomedien BG BAU aktuell 2_2015 ROHRLEITUNGSBAU Die bisherige Berufsgenossenschaftliche Regel (BGR) 236 Rohrleitungsbauarbeiten wurde in eine DGUV-Information überführt. Hintergrund dafür ist die Neustrukturierung des DGUVVorschriften- und Regelwerkes. Die Struktur der BGR wurde übernommen Rohrleitungsbauarbeiten und an die technische Entwicklung angepasst. Anpassungen gab es im Bereich der Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit sowie im Anhang 2 „Gefährdungsbeurteilung“. EBE MASSNAHMEN ZUM SCHUTZ GEGEN ABSTURZ 201-052 DGUV Information 201-052 Januar 2015 Abruf-Nr.: DGUV Information 201-052 „MÄNNER IM BETRIEB(S)ZUSTAND“ Die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 „Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen“ wurde im April 2014 um „Abweichende/ergänzende Anforderungen für Baustellen“ ergänzt. Die im DGUV Fachbereich Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz Bauwesen erarbeitete Informationsbei Bauarbeiten schrift „Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz bei Bauarbeiten“ greift die Bestimmungen der genannten Technischen Regel auf und dient dem Unternehmer als Handlungshilfe zur Durchführung der stets notwendigen Gefährdungsbeurteilung. In der Schrift werden dazu auch Anwendungs- und Praxisbeispiele aufgezeigt, bei denen Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz im begründeten Einzelfall nicht oder nicht durchgängig realisiert werden können. MSC 201-057 DGUV Information 201-057 Januar 2015 Abruf-Nr.: DGUV Information 201-057 Männer sterben rund sechs Jahre früher als Frauen und leiden fast doppelt so häufig unter chronischen Erkrankungen. Sie kümmern sich nachweislich viel weniger um die eigene Gesundheit als Frauen und sind nur schwer für Präventionsangebote zu begeistern. In dem neuen Praxisratgeber zur Männergesundheit zeigt der Arbeitsmediziner Dr. Peter Kölln, wie Männer gezielt und effektiv für das Thema sensibilisiert werden können. Dabei kommen 55 Experten aus Psychologie und Gesundheitswissenschaften zu Wort und geben Empfehlungen aus unterschiedlichen Perspektiven. Der Umgang mit dem eigenen Körper, die erhöhte Risikobereitschaft und Unfallgefahr im Berufsleben und der Raubbau am eigenen Körper sind nur einige der Themen. Viele Beispiele aus der betrieblichen Praxis runden das Spektrum ab. Peter Kölln, Männer im Betrieb(s)Zustand, Der Praxisratgeber zur Männergesundheit, Universum Verlag Wiesbaden, 2014, 403 Seiten, 39,00 Euro, ISBN 978-3-898869-412-4 BENUTZUNG VON GEHÖRSCHUTZ Auf Baustellen lässt sich Lärm oft nicht vermeiden. Deshalb ist geeigneter Gehörschutz meist unentbehrlich. Sobald der Lärmpegel am Arbeitsplatz den Wert von 80 Dezibel übersteigt, müssen Betriebe Gehörschutz bereitstellen. Ab 85 Dezibel Benutzung von Gehörschutz sind die Arbeitnehmer verpflichtet, den Gehörschutz zu tragen. Die jetzt aktualisierte DGUV Regel 112-194, „Benutzung von Gehörschutz“, informiert über verschiedene Arten von Gehörschutz, die Auswahlkriterien, die richtige Nutzung bis hin zu Tragedauer und Pflege. Auch über die Kombination von mehreren Persönlichen Schutzausrüstungen, die Unterweisung und die arbeitsmedizinische Vorsorge informiert die Broschüre. MSC 112-194 DGUV Regel 112-194 Mai 2011 aktualisierte Fassung Januar 2015 Abruf-Nr.: DGUV Regel 112-194 BESTELLUNGEN Alle Printmedien, CDs und DVDs der BG BAU können Sie über unseren Zentralversand unter Angabe der Abrufnummer direkt bestellen. Unter www.bgbau-medien.de können Sie die Medien einsehen, bestellen oder herunterladen. BG BAU – Zentralversand, Landsberger Straße 309, 80687 München Fax: 0800 6686688-38400, E-Mail: [email protected] BG BAU aktuell 2_2015 Mit gutem Beispiel | 39 Mit Sicherheit besser sein Die Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH redet nicht nur über Arbeitssicherheit, sondern tut auch praktisch viel dafür. TEXT: Dagmar Sobull FOTO: Mirko Bartels D ie Gesundheit seiner Mitarbeiter ist für Walter Stuber oberstes Gebot. Der Geschäftsführer der Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH und sein Kompagnon Dirk Eckart führen das Unternehmen auf der Grundlage christlicher Werte. „Die Verantwortung für unsere Mitarbeiter und ihre Familien treibt uns an, sichere Arbeitsplätze zu schaffen“, sagt Eckart. So bekomme jeder neue Mitarbeiter neben einer eintägigen Unterweisung und einem Handbuch auch eine Grundausstattung der Persönlichen Schutzausrüstung ausgehändigt. Große Unterweisung ganz praktisch Einmal pro Jahr veranstaltet das rund 50 Mitarbeiter zählende Unternehmen eine große Unterweisung für alle Beschäftigten gemeinsam. Dabei wird neben theoretischen Kenntnissen auch sehr viel Praxis vermittelt, beispielsweise die Höhenrettung: „Dann bauen wir auf dem Bauhof einen Treppenturm auf, von dem aus sich jemand abseilt, der zu Übungszwecken gerettet werden muss“, erzählt Eckart. Großen Wert legen die beiden Geschäftsführer auch auf regelmäßige Schulungen ihrer Mitarbeiter. Durchschnittlich 55 Stunden pro Jahr verbringe jeder Beschäftigte mit Weiterbildung, sagt Stuber. So seien sämtliche Mitarbeiter als Ersthelfer ausgebildet, die Hälfte von ihnen habe einen Kettensägenschein und „abgesehen von einem Lehrling unter 18 Jahren haben alle gewerblichen Mitarbeiter einen Staplerschein“. Eigeninitiative fördern Auch die Gesundheit der Beschäftigten ist den Chefs viel wert. Gymnastische Aktivitäten ihrer Mitarbeiter unterstützen sie mit bis zu 500 Euro pro Jahr. Wer im Laufe eines Jahres keine Krankschreibung einreiche, bekomme eine Prämie von bis zu 800 Euro, zusätzlich zum Urlaub zwei sogenannte Bonustage für die Gesundheit frei, und jeder Nichtraucher werde pro Arbeitsstunde mit einem Gehaltsplus von 0,20 Cent belohnt. Um die Eigeninitiative der Mitarbeiter zu fördern, haben die Chefs einen Videowettbewerb ins Leben gerufen. Einmal pro Jahr werden die besten von Mitarbeitern eingereichten Videos aus dem Arbeitsleben mit Geldprämien in Höhe von einmal 1.000 und zweimal 500 Euro prämiert. „Mit dem Wettbewerb wollen wir die Beschäftigten anregen, sich mit ihrer Arbeit auseinanderzusetzen“, sagt Stuber. Dass sich das enorme Engagement in Sachen Arbeitssicherheit auch wirtschaftlich lohnt, davon sind die beiden Geschäftsführer überzeugt. „Wenn ich auf einem ordentlichen Gerüst nur zehn Prozent schneller arbeiten kann, weil ich keine Störungen im Bauablauf habe, spart der Auftraggeber bei einem Auftragsvolumen von einer Million Euro richtig viel Geld“, gibt Stuber ein Beispiel. „Wir wollen anders sein als andere“, ergänzt Eckart, „unsere Mitarbeiter sollen lange bei uns arbeiten und jeden Tag gesund nach Hause gehen.“ Den Geschäftsführern Walter Stuber (r.) und Dirk Eckart liegt die Gesundheit ihrer Mitarbeiter am Herzen. Bei den Gerüstbauern gehört selbstverständlich auch ein Sicherheitsgeschirr zur Persönlichen Schutzausrüstung. Postvertriebsstück ∙ Deutsche Post AG ∙ Entgelt bezahlt ∙ 09478 „Qualitätsarbeit geht nur mit konsequentem Arbeitsschutz.“ Markus Leonhardt, Unternehmer für Maler-, Ausbau- und Fassadenarbeiten. ko i s i R n i e K eit! b r A r e d i be heiten rank d Berufsk n u e ll fä Un eidbar. sind verm ten BAU bera G B r e d n Experte tützen Sie. rs und unte Mehr zu unseren Leistungen: www.bgbau.de
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