Sicher, stabil und fest

Unternehmermagazin für die Bauwirtschaft
Ausgabe 2 | Mai 2015
BG BAU aktuell
Sicher,
stabil
und fest
Im Interview:
Prof. Franz Josef
Radermacher
Kompaktinfo
Alkohol
im Betrieb
www.bgbau.de
Praxisnahe Prävention –
Was macht eigentlich ein
Sicherheitsbeauftragter?
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www.twitter.com/bg_bau
Beilage des Kompetenzzentrums
For tbildung nach der DGU V Vorschrif t 2
T hema: Alkohol im Betrieb
Inhalt
PRAXISNAHE
PRÄVENTION
GEFÄHRLICHE
HANDARBEIT
GERÄT DIE WELT AUS
DEN FUGEN?
SANIERUNG DES
ALTEN ELBTUNNELS
Was macht eigentlich ein Sicherheitsbeauftragter und wie viele
braucht ein Unternehmen?
Gute Fachkenntnisse sind erforderlich für den sicheren Umgang
mit Epoxidharzen.
Interview mit Prof. Franz Josef
Radermacher von der Universität
Ulm.
Nach über 100 Jahren wurden
Schäden und Undichtigkeiten
umfassend beseitigt.
28
12
18
34
04
IN KÜRZE
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Sicher, stabil und fest – Arbeiten in der Höhe mit Podest-/
Plattformleitern, fahrbaren Arbeitsbühnen, Kleingerüsten
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Wenn die Luft knapp ist – Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre
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Praxisnahe Prävention – der Sicherheitsbeauftragte
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Sicherer Start in die Saison – Motorradfahrer unterwegs
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Persönlich und nah am Menschen – Reha-Koordinatoren
betreuen Schwerstverletzte jetzt direkt vor Ort in den
berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken
SCHWERPUNKT
MENSCH UND BETRIEB
AUS UNFÄLLEN LERNEN
SICHER UNTERWEGS
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Sturz in den Tod – Monteur rutscht von Leitersprossen
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Gefährliche Handarbeit – Umgang mit Epoxidharzen
Giftige Luft – Abgase von Baumaschinen in geschlossenen
Räumen, Hallen, Gräben
Arbeiten an der Grenze – die neue Arbeitsstättenregel
ASR A5.2 verbessert den Arbeitsschutz für Straßenbauer
ARBEITSSICHERHEIT
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REHABILITATION UND LEISTUNGEN
IM BLICK
34
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24
IM FOKUS
Sanierung des Alten Elbtunnels – nach über 100 Jahren
wurden Schäden und Undichtigkeiten umfassend beseitigt
Interview mit Franz Josef Radermacher, Professor für Daten38
banken und künstliche Intelligenz an der Universität Ulm
INFOMEDIEN
ARBEITSMEDIZIN
MIT GUTEM BEISPIEL
Verschleiß im Gelenk – was tun bei Arthrose?
Fett im Blut – zu viel Cholesterin schädigt Herz und
Kreislauf
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Mit Sicherheit besser sein – das besondere Engagement
der Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH zum Thema
Arbeitssicherheit
IMPRESSUM
BG BAU aktuell
Mitgliedermagazin der Berufsgenossenschaft
der Bauwirtschaft
Heft 2_2015 | ISSN 1615-0333
Herausgeber:
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft
(BG BAU)
Hildegardstr. 29/30, 10715 Berlin
www.bgbau.de
Verantwortlich:
Klaus-Richard Bergmann,
Hauptgeschäftsführer
Redaktion:
Rolf Schaper (verantw.)
Tel.: 0511 987-2530
E-Mail: [email protected]
Dagmar Sobull
Tel.: 0511 987-1528
E-Mail: [email protected]
Fax: 0511 987-2545
BG BAU, Bezirksverwaltung Nord
Hildesheimer Str. 309, 30519 Hannover
Änderungen Presseversand:
[email protected]
Agentur:
steindesign Werbeagentur GmbH, Hannover
Titelbild:
Mirko Bartels, Einklinker: Marc Darchinger
Druck:
Printmedienpartner GmbH, Hameln
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben
nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion
wieder. Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag
enthalten.
natureOffice.com | DE-000-000000
Liebe Leserinnen,
liebe Leser,
vor einigen Wochen wurde in den Medien der 200. Geburtstag des Reichskanzlers Otto
von Bismarck gefeiert. Warum eigentlich – und was geht uns das heute noch an?
Für uns als Berufsgenossenschaft ist die Antwort ganz einfach: weil die Geschichte der
Berufsgenossenschaften auf die von Bismarck erlassene Sozialgesetzgebung zurückgeht.
1884 wurde das von ihm initiierte Unfallversicherungsgesetz erlassen. Seitdem können
Arbeitnehmer nach einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit ihre Ansprüche direkt an die Berufsgenossenschaft richten und nicht mehr an ihren Arbeitgeber. Und seit
diesem Tag müssen Arbeitnehmer auch kein Verschulden ihres Arbeitgebers mehr nachweisen, um nach einem schweren Unfall Leistungen zu erhalten.
Klaus-Richard
Bergmann,
Hauptgeschäftsführer
der BG BAU
Das war damals revolutionär. Denn es bedeutete praktisch die Ablösung der Unternehmerhaftpflicht und eine materielle Absicherung der Arbeitnehmer nach Unfällen. Damit
sichert das Gesetz bis heute den Betriebsfrieden, weil komplizierte Rechtsstreitigkeiten
mit dem Unternehmer entfallen. Dieses solidarische Prinzip mit seiner paritätischen und
partnerschaftlichen Selbstverwaltung funktioniert bis heute. Gleichzeitig ist mit unserer
Selbstverwaltung eine Anpassung der Sozialversicherung an gesellschaftliche Veränderungen und Ansprüche jederzeit ohne staatliche Eingriffe möglich. Damals wurden neben
der Unfallversicherung auch die Krankenversicherung (1883) und die Rentenversicherung
(1889) gegründet. Sehr viel später erst wurde eine Arbeitslosenversicherung eingeführt.
Mittlerweile wurden die eingeführten Sozialgesetze erfolgreich in viele Länder exportiert
und sind bis heute eine große soziale Errungenschaft.
Seitdem haben sich die Sozialversicherungszweige immer weiter entwickelt. Beispielsweise wurde unsere Unfallversicherung durch ein effektives Zusammenwirken von Prävention, Rehabilitation und Entschädigung nach dem Prinzip „Alles aus einer Hand“ immer
besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnitten. Wie dies im Detail aussieht,
erfahren Sie in dieser neuen Ausgabe.
Viel Spaß bei der Lektüre.
Ihr
Klaus-Richard Bergmann
4
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In Kürze
BG BAU aktuell 2 _ 2015
Praeventionsforum-plus.info
NEUE SUCHMASCHINE
Foto: iStockphoto
Prävention ohne Landesgrenzen: Was in Deutschland Unfälle
vermeidet, hilft auch im Ausland und umgekehrt. Deshalb haben
die deutschsprachigen Unfallversicherungsträger länderübergreifend kooperiert und die Suchmaschine „Präventionsforum +“
aufgebaut, um den Informationsaustausch im Hinblick auf
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz zu verbessern. Die
Federführung für dieses Projekt liegt bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, die diese an die BG BAU übertragen
hat. Das Onlineportal ermöglicht es, länderübergreifend und
qualitätsgesichert nach Informationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zu suchen und Anforderungen der einzelnen
Länder gezielt zu vergleichen. Die moderne Suchmaschine
vernetzt viele Fachinformationen, so dass die Suche schnell
und zielgerichtet verfeinert werden kann.
Die Suchmaschine
„Präventionsforum +“
bietet qualitätsgesicherte Infos von
Internetseiten zum
Thema Arbeits- und
Gesundheitsschutz.
Interessierte Nutzer sind aufgefordert, ihre Anregungen einzubringen und so die Qualität der Suchmaschine fortwährend
mit zu verbessern. Anmerkungen bitte per E-Mail senden an:
[email protected]
USC
Näher am Kunden
Zufriedenheit am Arbeitsplatz
NEUE ZUSTÄNDIGKEIT BEI
VERSICHERUNGSFÄLLEN
JE BESSER DAS UMFELD,
DESTO LÄNGER IM JOB
Seit Juli 2014 gibt es bei der BG BAU eine neue Struktur bei
der Bearbeitung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.
Die Zuständigkeit der Bezirksverwaltung und damit die Bearbeitung richtet sich seitdem nicht mehr nach dem Betriebssitz
des Unternehmens, sondern nach der Region, in der die versicherte Person wohnt. Das ist bei der persönlichen Betreuung
der Versicherten ein enormer Vorteil. Denn Mitarbeiter der BG
BAU können die Schwerstverletzten und Erkrankten mit dem
größten Beratungs- und Betreuungsbedarf nun wohnortnah und
ohne große zeitliche Verzögerung besuchen. Diese regionale
und kundenorientierte Bearbeitung der BG BAU ermöglicht
eine noch bessere Betreuung und Rehabilitation der Betroffenen nach Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten.
STH
Ob A r b e i t n e h m e r b i s
zum offiziellen Rentenalter im Beruf bleiben, ist
e i n e r S t u d i e z u f o lge
stark von den Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Betrieben abhängig. Am höchsten
ist der Anteil der älteren
Erwerbstätigen in den
freien und hoch qualifizierten Berufen, wie das
Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen
kürzlich ermittelte. Dazu
gehören vor allem Ärzte, Selbstständige, Hochschuldozenten,
Beschäftigte im öffentlichen Dienst sowie Sozial- und Geisteswissenschaftler. In körperlich anstrengenden Berufen wie
auf dem Bau erfolgt der Eintritt in die Rente dagegen häufig
früher. Etwa 70 Prozent der befragten Erwerbstätigen aus
handwerklichen Berufen wünschen sich einen vorgezogenen Ruhestand überwiegend aus gesundheitlichen Gründen.
Rund 80 Prozent der Vorruheständler aus landwirtschaftlichen Berufen beispielsweise nannten gesundheitliche Probleme und die anstrengende Tätigkeit als Hauptmotiv für den
vorzeitigen Rentenantritt.
Quelle: epd
Foto: 123RF
Die Anschriften der Bezirksverwaltungen und Dienstleistungszentren der BG BAU sind im Internet zu finden:
www.bgbau.de, Webcode: WCMTdi
Foto: Fotolia
www.praeventionsforum-plus.info
BG BAU aktuell 2_2015
In Kürze
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„Tag ohne Grenzen“
GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNGEN IM FOKUS
VIEL SPORT, SPASS
UND INKLUSION
Im Rahmen des Arbeitsprogramms „Psyche“ der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) unterstützen
die Aufsichtspersonen der Gesetzlichen Unfallversicherung
die Unternehmen bei der Einbeziehung psychischer Belastungen in die Gefährdungsbeurteilung. Hintergrund dafür
ist der kontinuierliche Anstieg
psychischer und psychosom a t i s c h e r E r k r a n ku nge n .
Pro Jahr werden bundesweit
über 59 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund einer psychischen Erkrankung
registriert. Psychisch bedingte Erwerbsminderungsrenten
machen derzeit etwa 41 Prozent aller Rentenneuzugänge aus. Seit Ende 2013 fordert das
Arbeitsschutzgesetz ausdrücklich die Berücksichtigung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz in der Gefährdungsbeurteilung. Die Aufsichtspersonen überprüfen nun, inwiefern
Unternehmen dieser Pflicht nachkommen, und bieten ihre
Unterstützung an. Neben der Gefährdungsbeurteilung stehen die Gestaltung der Arbeitszeiten und der betriebliche
Umgang mit traumatisierenden Ereignissen im Fokus. PM
Am 5. und 6. Juni erwartet die Besucher auf dem Rathausmarkt
in Hamburg eine bunte Mischung aus Informationen, Unterhaltung, spektakulären Sportvorführungen und Mitmachaktionen. Am „Tag ohne Grenzen“ laden die gesetzliche Unfallversicherung und ihre medizinischen Einrichtungen zu
einem großen Aktionstag des Reha- und Behindertensports
ein. Organisiert wird der „Tag ohne Grenzen“ vom Deutschen
Rollstuhl-Sportverband. Spitzensportler mit Behinderungen
zeigen sportliche Höchstleistungen und laden Menschen mit
und ohne Behinderung zum Mitmachen ein. So wird Paralympics-Sieger Heinrich Popow gegen Besucher auf der Tartanbahn antreten. Skater können sich in der Halfpipe mit
Deutschlands bestem Rollstuhl-Skater David Lebuser messen.
Außerdem können Interessierte testen, wie man in einem Rollstuhl Hindernisse überwindet oder wie man eine Zielscheibe trifft, wenn die Sicht eingeschränkt ist. Damit wollen
die Veranstalter zeigen, wie
der Reha-Sport in den berufsgenossenschaftlichen Kliniken
Menschen dabei unterstützt,
nach einem Unfall wieder in
ihr Leben zurückzukehren. Ergänzend gibt es Informationen
zum System der gesetzlichen
Unfallversicherung und dem
Leistungsspektrum der BGKliniken.
DGUV
Foto: 123RF
Psychische Belastungen
Weitere Infos und Handlungsempfehlungen zum Thema
psychische Belastungen bei der Arbeit:
www.gda-psyche.de, www.gefaehrdungsbeurteilung.de
Ein-Personen-Gesellschaften
Die EU-Kommission plant die Einführung einer Ein-PersonenGesellschaft mit beschränkter Haftung, kurz SUP (Societas Unius
Personae) genannt. Ziel der EU-Neuregelung ist es, den grenzüberschreitenden Handel im Binnenmarkt und die Gründerkultur
zu fördern. Die neue Rechtsform kann ohne persönliche Anwesenheit mit einem Mindestkapital von lediglich einem Euro innerhalb von drei Tagen online beantragt werden. Dabei hat der
Gründer die freie Wahl unter allen 28 Mitgliedsstaaten der EU,
eine Bindung von Satzungs- und Verwaltungssitz besteht nicht.
Deutsche Handwerks- und Bauverbände sehen die EU-Pläne äußerst kritisch. Da die Identität der Gesellschafter in einem rein
elektronischen Eintragungsverfahren nicht hinreichend geprüft
werden könne, drohten neben Scheinselbstständigkeit auch Sozialdumping und Schwarzarbeit. Es sei zu befürchten, dass sich die
Gründer häufig Länder mit Rechtsordnungen aussuchen werden,
die die geringsten Anforderungen stellen, da der Satzungssitz unabhängig vom Ort der hauptsächlichen Geschäftstätigkeit gewählt
Foto: iStockphoto
SOZIALDUMPING UND
SCHWARZARBEIT DROHEN
werden kann. Das bedeute für lokale Handwerksbetriebe, die sich
an geltende Regeln halten, eine unhaltbare Konkurrenzsituation,
befürchtet beispielsweise Ulrich Marx, Hauptgeschäftsführer des
Zentralverbandes des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH).
Gemeinsam mit Verbänden des Baugewerbes und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt fordert der ZVDH die EU daher
auf, die Pläne für die Ein-Personen-Gesellschaft zurückzuziehen
und grundlegend zu überarbeiten.
PM ZVDH
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Schwerpunkt
Wenn beidhändig und mit
Kraftaufwand in der Höhe
gearbeitet wird, sind Plattformleitern eine stabile
und standsichere Lösung
auf Baustellen.
BG BAU aktuell 2_2015
BG BAU aktuell 2_2015
Schwerpunkt
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Sicher, stabil und fest
Rund 9.000 Unfälle mit Leitern ereignen sich pro Jahr auf Baustellen in Deutschland – oft mit schwersten Verletzungen. Dabei
gibt es zahlreiche Alternativen für sicheres Arbeiten in der Höhe.
TEXT: Joachim Maringer
FOTOS: Mirko Bartels, Günzburger Steigtechnik
V
on April 2011 bis Juni 2014 hat die BG BAU mehr als 600 Leiterunfälle mit schweren Verletzungsfolgen erfasst und ausgewertet. Erschütternde Bilanz: Insgesamt
sechs Unfälle endeten tödlich. Rund 80 Prozent der Unfälle mit schweren Verletzungen verursachten hohe Heilbehandlungskosten und dauerhafte Rentenzahlungen
der BG BAU in Höhe von jährlich rund 30 Millionen Euro. In mehreren Fällen mussten qualifizierte Facharbeiter ihren Beruf wegen bleibender Körperschäden aufgeben.
Arbeitsplätze und Verkehrswege
Leitern werden zum einen als Arbeitsplatz genutzt, von dem aus in der Höhe gearbeitet wird. Zum anderen werden Leitern auch als Verkehrsweg eingesetzt, um Höhenunterschiede beispielsweise beim Aufstieg auf eine Dachfläche oder Geschossdecke
zu überwinden. Im Wesentlichen werden Anlegeleitern und Stehleitern verwendet.
Dazu gehören auch mehrteilige Schiebeleitern sowie Mehrzweckleitern, die sowohl als
Anlegeleiter als auch als Stehleiter verwendet werden. Jeder Verwendungszweck birgt
seine eigenen Gefahren. Besonders häufig ereignen sich Leiterunfälle bei Dacharbeiten, im Hochbau sowie bei Zimmerer- und Malerarbeiten. In der Praxis werden Leitern
unterschiedlicher Länge eingesetzt. Rund 85 Prozent aller Leiterunfälle ereignen sich
allerdings in Höhen bis zu 3,00 m. Ursache für fast 90 Prozent aller Leiterunfälle ist
die mangelhafte Standsicherheit.
Unfallschwerpunkte
Falsche Anstellwinkel, fehlende Sicherung der Leiter am Leiterfuß oder am Anlegepunkt,
zu weites seitliches Hinauslehnen oder die Verwendung beschädigter Leitern führen
immer wieder zum Absturz oder Umsturz mit der Leiter. Ein weiterer Unfallschwerpunkt
ist das Abrutschen von einer Leitersprosse oder -stufe. Frische Mörtel- oder Putzreste, Erdreich, Feuchtigkeit sowie Schnee und Eis an den Schuhen der Leiterbenutzer
können ein Abrutschen von Sprossen und Stufen verursachen. Geeignete Schuhe und
die grobe Reinigung der Schuhsohlen vor dem Aufstieg können Unfälle verhindern.
So steht es im Gesetz
Bei der Auswahl geeigneter Arbeitsmittel für hochgelegene Arbeitsplätze und Verkehrswege macht das Arbeitsschutzgesetz klare Vorgaben. Der Unternehmer hat die
mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen zu beurteilen und Schutzmaßnahmen festzulegen. Die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln ist in der Betriebssicherheitsverordnung geregelt. Den Bereich Leitern umschreibt die Technische Regel
Betriebssicherheit (TRBS) 2121, Teil 2 – „Gefährdungen durch Absturz – Bereitstellung
und Benutzung von Leitern“.
Grundsätzlich ist zu prüfen, ob die Verwendung von Leitern überhaupt erforderlich
ist. Denn Ziel ist es, „Leitern wenn möglich durch sicherere Arbeitsmittel zu ersetzen“. Trotz des hohen Unfallgeschehens lässt die TRBS 2121-2 jedoch Ausnahmen
Von solchen mobilen
Tritten können
großformatige
Steine sicher
verlegt werden.
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Schwerpunkt
BG BAU aktuell 2_2015
zu. Deshalb sind Leitern auf Baustellen in vielen Bereichen nach wie vor im Einsatz.
Beispielsweise dürfen Arbeiten mit geringer Gefährdung, geringem Arbeitsaufwand,
geringem Schwierigkeitsgrad und geringer Dauer auch von Leitern aus durchgeführt
werden. Dabei sind auch die einzusetzende Körperkraft und die baulichen Gegebenheiten zu berücksichtigen.
Welche Leiter ist baustellentauglich?
Oben links: Für kurzzeitige
Arbeiten erlaubt: die Stufenstehleiter aus stabilem Fiberglas.
Oben rechts: Sicherer Treppenaufstieg zur ersten Geschossdecke
eines Rohbaus. Unten: Piktogramme weisen auf die richtige
Benutzung hin.
Die Auswahl an Leitern ist groß und erfordert vom Unternehmer eine gewissenhafte
Abwägung nach dem jeweiligen Einsatzzweck. Art und Größe einer geeigneten Leiter
richten sich nach der zu erledigenden Aufgabe. Leider werden in der Praxis allzu oft
ungeeignete oder zu kurze Leitern verwendet, was häufig ein sicherheitswidriges Verhalten der Benutzer und entsprechende Unfallgefahren mit sich bringt. Grundsätzlich
muss eine Leiter „baustellentauglich“ sein. Denn auf Baustellen herrscht meist ein
rauer Betrieb. Mechanische Beschädigungen durch Umfallen der Leiter, herabfallende
Bauteile sowie der Transport der Leiter von Baustelle zu Baustelle setzen dem Arbeitsmittel erheblich zu. Vorschädigungen sind eine häufige Ursache für das Versagen von
einzelnen Leiterteilen wie Sprossen oder Holmen. Häufig werden Leitern aus Aluminiumlegierungen auf Baustellen verwendet, auch wegen ihres geringen Gewichtes.
Doch Aluleitern sind empfindlich gegen Anstoßen, Umfallen und Abnutzung. Wenn
eine Aluleiter umfällt und auf harte Gegenstände schlägt, können Knicke und Anrisse
im Leiterholm entstehen, so dass die Leiter ausgemustert werden muss.
Leitern aus Holz sind wesentlich robuster. Sie sind zwar auch nicht unbegrenzt gegen
Stoß belastbar, vertragen aber ein Umfallen oder herabfallende Bauteile meist ohne
Schäden. Problematischer bei Holzeitern ist die mögliche Rissbildung in Faserrichtung an Holmen und Sprossen.
Nur wenig bekannt und verbreitet sind Fiberglas-Leitern, bei denen die Holme und
Sprossen aus GFK-Profilen bestehen. Obwohl sie sehr stabil, langlebig und witterungsbeständig sind, ist diese Leitervariante bisher auf Baustellen nicht sehr verbreitet.
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Schwerpunkt
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Auf das richtige
Leiterzubehör kommt es an.
Oben: Sprossenleiter mit
Einhängetritt. Mitte: Fußtraverse verhindert seitliches
Kippen. Unten: Leiterhaken
am oberen Anlegepunkt
verhindern das Wegrutschen.
Sprossen und Stufen standsicher machen
Leitersprossen müssen mindestens 20 mm breit sein. Sie werden als Stufen bezeichnet, wenn sie mehr als 80 mm breit sind. Das ist knapp bemessen, um einen sicheren Stand zu gewährleisten. Sicher stehen kann der Benutzer erst, wenn beide Füße
fest zum Beispiel auf einer Podest- oder Plattformleiter stehen. Doch Sprossen- und
Stufenleitern sind auf Baustellen weit verbreitet und nicht in allen Bereichen durch
Podestleitern oder andere Alternativen zu ersetzen.
Leitern lassen sich aber durch einfache Zubehörteile standsicherer ausrüsten. So
ist beispielsweise das Einhängepodest für Sprossenleitern eine kostengünstige und
praxisnahe Verbesserung der Standsicherheit. Neben dem Einhängepodest bieten etwa
Fußtraversen, Holmverlängerungen und Leiterhaken effektive Möglichkeiten zur Verbesserung der Standsicherheit. Werden Leitern als Verkehrsweg genutzt, sind ein ausreichender Leiterüberstand oder eine Haltevorrichtung über die Austrittstelle hinaus
sowie eine ausreichende Befestigung der Leitern am Anlegepunkt erforderlich, um
Unfälle zu vermeiden.
Leitern regelmäßig prüfen
Nach der Betriebssicherheitsverordnung sind Leitern innerhalb festgelegter Prüffristen
regelmäßig von einer befähigten Person zu prüfen. Die Prüffristen richten sich unter
anderem nach den tatsächlichen Betriebsverhältnissen, also der Dauer und Schwere
der Benutzung, sowie den Erfahrungen aus vorangegangenen Prüfungen. Sie werden
vom Unternehmer über die Gefährdungsbeurteilung ermittelt und festgelegt. Weitere
Prüfungen sind durchzuführen:
•
•
•
•
•
vor der ersten Inbetriebnahme
nach technischen Änderungen an Leitern
nach längerer Nichtbenutzung
nach Unfällen
nach Instandsetzungen
Ziel der regelmäßigen Leiterprüfungen ist es, Schäden rechtzeitig zu erkennen, zu beheben und so das Unfallrisiko beim Einsatz von Leitern zu minimieren.
Hierbei muss besonders auf Schäden wie Knicke, Anrisse an Holmen und Sprossen
oder Stufen, auf unbeschädigte Leiterfüße, Spreizsicherungen sowie intakte Gelenke
und Feststelleinrichtungen geachtet werden.
Mitarbeiter unterweisen
Anhand der Benutzungsanleitung, die sich beispielsweise in Form von Piktogrammen als
Aufkleber an der Leiter befindet, können die Verantwortlichen ihre Mitarbeiter im Umgang mit der Leiter unterweisen und die Unterweisung entsprechend dokumentieren.
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Schwerpunkt
BG BAU aktuell 2_2015
Mit diesem
Treppenturm ist
der Auf- und Abstieg
zum Konsolgerüst
jederzeit sicher
möglich.
694
BG-Information
Handlungsanleitung
für den Umgang mit
Leitern und Tritten
BGI 694 April 2007, aktualisierte Fassung Januar 2008
BGI 694 April
p 2007,
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aktualisierte
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Fassung
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WEITERE
INFOS
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694 (DGUV
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Inform
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Leiter eine
den sicheren Umgang mit Leitern
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zogene Handlungshilfe. Darin werden
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Schritte wie Bereitstellung, Unterweisung,
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und
Prüfung
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Zudem
Leitern
und Tritten
sind
d als Vorlage
Vo
orlage
eHandlungsanleitung
Leiterkon
ein Leiterkontrollblatt
und eine
Checkliste
cklist zur Prüfung
f
von Leitern ent
enthalten.
www.bgbau.de,
Webcode: M411-1
Seminare
Für befähigte Personen bietet die BG BAU regelmäßig Fachseminare an. Hier werden auch
rechtliche und technische Grundlagen sowie
eine Systematik zur Vorgehensweise bei der
Prüfung von Leitern vermittelt. Vergleichbare
Seminare werden auch von einigen Leiterherstellern angeboten.
www.bgbau.de,
Webcode: 2785346
Arbeitsschutzprämien
www.bgbau.de,
Webcode: WCZjAx
Sichere Arbeitsplätze in der Höhe
Für Standhöhen bis zu maximal 1,00 m und eine Arbeitshöhe von bis zu 3,00 m sind
Tritte eine Alternative. Sie sind oft klappbar und sehr viel sicherer als die vielfach verwendeten Sprossen- oder Stufenleitern. Mit ihrer breiten Auftrittsfläche gewährleisten Tritte schon beim Aufstieg und auch beim Stand auf Arbeitshöhe deutlich mehr
Standsicherheit. Aufsteckbare Handläufe an den seitlichen Begrenzungen der obersten
Standfläche tragen ebenfalls zum sicheren Arbeiten bei.
Fahrbare Arbeitsbühnen und Kleingerüste, Podest- oder Plattformleitern sowie Hubarbeitsbühnen ergänzen die Auswahl an sicheren Arbeitsplätzen. Besonders in den
üblichen Arbeitshöhen bis zu 4,00 m bieten die Hersteller von Kleinsthubarbeitsbühnen technische Weiterentwicklungen an, die Leitern ersetzen können.
Als Aufstieg zu hochgelegenen Arbeitsplätzen sind Bautreppen eine sichere Alternative.
Gerade zum Überwinden einer Geschossebene oder zum Betreten einer Baugrube sind
sie die richtige Wahl anstelle von meist zu kurzen und nicht gesicherten Anlegeleitern.
Selbst im klassischen Fassadengerüstbau haben sich Treppenaufstiege gegenüber den
innen liegenden Leitergängen seit langem bewährt.
Arbeitsschutzprämien der BG BAU
Jede Alternative zur Leiter ist aber nur so sicher wie der gewissenhafte Umgang damit. Werden beispielsweise fahrbare Arbeitsbühnen falsch auf-, um- oder abgebaut
oder benutzt, sind auch hier schwere Unfälle nicht auszuschließen. Die Anschaffung
von Podestleitern, Leiterzubehör und manuellen Hebebühnen wird in 2015 von der
BG BAU über das Programm „Arbeitsschutzprämien“ gefördert, ebenso wie das sicherheitsgerechte Leiterzubehör. Viele gute Gründe also, über sichere Alternativen
zur Leiter nachzudenken.
BG BAU aktuell 2_2015
Aus Unfällen lernen
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Sturz in den Tod
Die Entscheidung für eine Leiter hatte beim Montieren eines
Anschlussflansches fatale Folgen.
TEXT: Prävention
Die angelehnte
Stehleiter bot nur
wenig Stabilität.
I
n der Energiezentrale im Kellergeschoss eines Forschungsinstituts passierte ein tödlicher Unfall. Dort errichtete eine Anlagenbaufirma unter anderem
einen 3,70 Meter hohen Kältemittelspeicher. Der zuständige Obermonteur wollte
von einer Alu-Stehleiter aus, die er an den
runden Metallspeicher gelehnt hatte, einen Anschlussflansch montieren. Beim
Verschrauben des Flansches rutschte der
Mann von den Sprossen der Leiter ab und
stürzte aus gut zwei Metern Höhe zu Boden. Dabei erlitt er so schwere Kopfverletzungen, dass er zwei Tage später an den
Folgen starb. Zwei Kollegen, die den Unfall
unmittelbar erlebt hatten, waren danach
so traumatisiert, dass sie sich in psychologische Behandlung begeben mussten.
Das falsche Arbeitsmittel
Sicher war das Arbeiten unter den beengten Verhältnissen in der Ecke im Bereich
des Speichers nicht einfach. Doch das Entscheidende war wohl, dass der Mann für
diese Arbeiten das falsche Arbeitsmittel
eingesetzt hatte. Er verwendete nicht bestimmungsgemäß eine Stehleiter als Anlegeleiter. Möglicherweise war auch der Anstellwinkel der Stehleiter bei den Arbeiten
zum Unfallzeitpunkt zu steil, das war nicht
mehr zu ermitteln. Doch besonders bedauerlich war, dass sich im gleichen Raum
mehrere geeignete Fahrgerüste und Anstellleitern befanden, die jedoch nicht benutzt wurden. Und am Tag vor dem Unfall
wurden alle Beschäftigten der Firma auf
der Baustelle von einer externen Fachkraft
für Arbeitssicherheit in die erforderlichen
Sicherheitsvorkehrungen auf dieser Baustelle eingewiesen – leider ohne Erfolg.
12
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Arbeitssicherheit
BG BAU aktuell 2_2015
Epoxidharze können
bei Hautkontakt die Haut
reizen, oft lösen auch die
darin enthaltenen Härter
Verätzungen aus. Daher ist
das Tragen einer Schutzausrüstung erforderlich.
Gefährliche Handarbeit
Epoxidharze sind vielfältig einsetzbar, allerdings auch hoch
reaktiv. Deshalb sind beim Umgang mit diesen Chemikalien
gute Fachkenntnisse erforderlich.
TEXT: Dr. Klaus Kersting
BG BAU aktuell 2_2015
400
Arbeitssicherheit
Bauwirtschaft
Elektro
Verwaltung
Rohstoffe
Metall und Holz
Sonstiges
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13
350
300
250
200
150
100
50
0
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
2011
2012 2013
Bestätigte epoxidharzbedingte Erkrankungen bei den Berufsgenossenschaften
(Quelle: BK DOK)
D
ie Flügel der Windkraftanlagen,
anspruchsvolle Betonsanierungen
oder besonders belastbare Beschichtungen sind nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten dieser Hightech-Produkte. In der Bauwirtschaft
beispielsweise sind Epoxidharze beim
Oberflächenschutz von Beton und Metall
durch nichts zu ersetzen. Epoxidharze
verursachen allerdings häufig, gerade
bei den ersten Einsätzen in einem neuen
Bereich, Hautallergien bei den Beschäftigten, weil Informationen zum sicheren
Umgang fehlen. Während in stationären
Betrieben durch Automatisierung oder
Produktionsveränderungen der direkte
Hautkontakt mit Epoxidharzen deutlich
reduziert werden kann, ist dies in der Bauwirtschaft beim offenen und händischen
Umgang damit nicht möglich.
Hautallergien in der Bauwirtschaft besonders häufig
Epoxidharze können bei Hautkontakt die
Haut reizen, viele Härter können auch zu
Verätzungen führen. Allergische Hauterkrankungen sind die häufigsten Beschwerden. Die Verteilung der Epoxidharzerkrankungen auf die verschiedenen Branchen
zeigt, dass der Schwerpunkt in der Bauwirtschaft liegt. Betrachtet man die von
den erkrankten Personen ausgeübten
Berufe, so sind sogar 40 Prozent der Er-
krankten in typischen Bauberufen beschäftigt, zum Beispiel Fliesenleger, Maler, Beschichter und Maurer.
Schutzausrüstung notwendig
Wenn Epoxidharze verarbeitet werden,
muss der Verarbeiter die richtige Schutzausrüstung benutzen. Diese ist auf das
Arbeitsverfahren abzustimmen. Werden
Epoxidharze gespritzt, so ist ein Vollschutzanzug erforderlich. Bei geringerer Gefährdung kann davon abgewichen
werden. Unverzichtbar ist der Einsatz von
Schutzbrillen und Chemikalienschutzhandschuhen beim Mischen.
Unterstützung durch die BG BAU
Viele Gewerke müssen Epoxidharze verarbeiten. Hier fordert die BG BAU, dass Epoxidharze nur noch von Fachbetrieben verarbeitet werden. Denn wenn die Produkte
sicher gehandhabt werden, lassen sich allergische Hauterkrankungen weitgehend vermeiden. Der ASD der BG BAU führt arbeitsmedizinische Vorsorge durch. Personen, die
Umgang mit ungehärteten Epoxidharzen haben, müssen diese wahrnehmen.
Eine aktuelle Liste von Handschuhen mit einer Beständigkeit über
eine Schicht sowie zur Verwendung
als Spritzschutz ist zu finden unter:
www.bgbau.de, Webcode: WCZmVm
WEITERE INFOS
Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen zu Epoxidharzprodukten liefert
das Programm WINGIS
www.bgbau.de, Webcode: M107-60
www.wingismobile.de (für Smartphones)
Der „Praxisleitfaden für den Umgang mit
Epoxidharzen“ bietet praktische Beispiele zur
Verbesserung der Arbeitsbedingungen und
Informationen zum sicheren Umgang
mit Epoxidharzen.
www.bgbau.de, Webcode: M331-1,
Abruf-Nr. 676
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Arbeitssicherheit
BG BAU aktuell 2_2015
Giftige Luft
Abgase durch Verbrennungsmotoren von Baumaschinen führen
in geschlossenen Räumen, Hallen und tiefen Gräben zu Vergiftungen – manchmal sogar mit tödlichem Ausgang.
TEXT: Dr. Reinhold Rühl, Ulf Spod
Die unterschätzte Gefahr:
Beschäftigte sind gefährdet,
wenn Verbrennungsmotoren
von Baumaschinen in geschlossenen Hallen eingesetzt werden.
B
enzinbetriebene Maschinen stoßen
das gefährliche Kohlenmonoxid aus.
Bei dieselbetriebenen Maschinen atmen die Beschäftigten Dieselruß ein, der im
Arbeitsschutz seit 1991 als krebserzeugend
eingestuft ist. „Dabei sind die rechtlichen
Regeln zum Arbeitsschutz eindeutig und
Schutzmaßnahmen sollten unbedingt ergriffen werden“, sagt Dr. Reinhold Rühl,
Gefahrstoffexperte der BG BAU.
Vier Todesfälle im Jahr durch
Kohlenmonoxid
Allein im Jahr 2013 wurden der BG BAU
Fälle von 15 Beschäftigten bekannt, die
bei der Arbeit schwere Vergiftungen durch
Kohlenmonoxid aus benzinbetriebenen
Maschinen erlitten haben. Vier Menschen
sind an der Vergiftung gestorben. „Dabei
können in der Statistik der BG nicht einmal alle Fälle erfasst werden“, erläutert
Rühl. Häufig würden die Symptome igno-
riert oder die Betroffenen besuchen nur
den Hausarzt. Vielleicht liege es aber auch
daran, dass Unfälle erst dann bei der Berufsgenossenschaft gemeldet werden müssen, wenn die Beschäftigten länger als drei
Tage arbeitsunfähig sind.
Risiko vor allem in
geschlossenen Räumen
Bei schweren Vergiftungen durch das völlig geruchlose Kohlenmonoxid von benzinbetriebenen Maschinen, beispielsweise Steinsägen, Estrichglättern oder einer
Motorflex, stellt sich bei der Arbeit in geschlossenen Räumen erst Übelkeit und
Schwindel ein. „Dann müssen die Betroffenen sofort an die frische Luft gebracht,
notärztlich betreut oder vom Betriebs- oder
Notarzt an ein Krankenhaus überwiesen
werden“, so Rühl. Höhere Konzentrationen
als der vorgeschriebene Arbeitsplatzgrenzwert von 35 Milligramm pro Kubikmeter
BG BAU aktuell 2_2015
Luft können zur Bewusstlosigkeit und sogar zum Tod führen. Beim Einsatz benzinbetriebener Glättmaschinen können sogar
fünffach höhere Werte auftreten.
Dieselpartikel können
Lungenkrebs verursachen
Abgase von Dieselmotoren enthalten partikelförmige und gasförmige Schadstoffe.
Für diese Abgase, beispielsweise von Baggern, Radladern und Hebebühnen, gibt es
keine Alarmsignale, etwa durch Schwindelgefühle, aber sie wirken im Körper
chronisch und über viele Jahre. Wie groß
die Gefährdung der Beschäftigten beim
Einsatz von Maschinen ohne Dieselpartikelfilter in geschlossenen, teilweise geschlossenen oder schlecht belüfteten Bereichen wirklich ist, wird an folgendem
Beispiel deutlich: In einem Leitungsgraben wurde eine Feinstaubmessung durchgeführt. Das Messgerät saugte dabei die
gleiche Luftmenge pro Minute an, die auch
ein Mensch pro Minute einatmen würde,
wenn er dort mit einer handgeführten dieselbetriebenen Rüttelplatte ohne Dieselpartikelfilter den Boden verdichtet hätte.
Der geschwärzte Probeträger zeigte, wie
die Lunge des Beschäftigten belastet gewesen wäre, wenn dieser keinen Atemschutz
getragen hätte.
Arbeitssicherheit
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erforderlich sind. So sind bei Bauarbeiten
beispielsweise in Räumen oder unter Tage
beim Einsatz von Dieselmotoren Dieselpartikelfilter einzusetzen. Die Rechtslage nach
der Gefahrstoffverordnung sowie der Technischen Regel Gefahrstoffe „Abgase von
Dieselmotoren“ (TRGS 554) ist eindeutig.
Trotzdem werden diese Vorschriften auf
Baustellen häufig missachtet.
Umweltschutz ist noch kein
Schutz für die Beschäftigten
Einen Grund dafür, warum die Vorschriften oft nicht umgesetzt werden, sieht Rühl
darin, dass in der Praxis nicht immer klar
zwischen Vorgaben des Arbeits- und Umweltschutzes getrennt wird: „So gewährleistet die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte, ohne die eine Baumaschine nicht
in Verkehr gebracht werden darf, keineswegs auch den ausreichenden Schutz der
Beschäftigten.“ Als mögliche Schutzmaßnahmen können bei Benzinmotoren Katalysatoren oder abgasfreie Antriebe wie
Elektromotoren und bei Dieselmotoren Dieselpartikelfilter eingesetzt werden.
Die lungengängigen Rußpartikel werden
im Arbeitsschutz wie auch von der Internationalen Krebsagentur in Lyon (IARC) als
krebserzeugend eingestuft. Bei krebserzeugenden Stoffen gilt kein Arbeitsplatzgrenzwert, vielmehr müssen die Unternehmen
dafür sorgen, dass eine Gefährdung der
Beschäftigten nach dem Stand der Technik so weit wie möglich verringert wird.
Die BG BAU führt seit Jahren Arbeitsplatzmessungen zur Ermittlung der Abgasbelastungen für Beschäftigte durch und ist seit
drei Jahren im Gespräch mit Baumaschinenherstellern über die Möglichkeit, Antriebe herzustellen, die weniger schädliche
Abgase produzieren. Inzwischen werden
beispielsweise zum Verdichten von Erdauffüllungen Akku-Stampfer, Stampfer
mit emissionsarmen Benzinmotoren sowie gasbetriebene Stampfer angeboten.
Erste Praxistests in Gräben zeigten, dass
dabei deutlich weniger schädliche Abgase entstehen.
Zu wenig beachtet: die Betriebsanleitungen der Hersteller
BG BAU fördert Katalysatoren
und emissionsarme Motoren
„Die Gefahr durch Dieselpartikel und Kohlenmonoxid wird häufig unterschätzt“,
betont Rühl. Dabei liefern die Betriebsanleitungen der Hersteller schon deutliche Hinweise: Dort wird bei benzin- oder
dieselbetriebenen Maschinen immer gefordert, dass diese nicht in Hallen und
Räumen eingesetzt werden dürfen. Grundsätzlich sind die Unternehmen verpflichtet,
vor Aufnahme der Arbeiten eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Dabei
ist auch zu klären, welchen Abgasbelastungen die Beschäftigten voraussichtlich
ausgesetzt und welche Schutzmaßnahmen
Um die Prävention in den Betrieben
der Bauwirtschaft zu fördern, bietet die
BG BAU verschiedene Arbeitsschutzprämien an. Mitgliedsbetriebe erhalten einen Zuschuss von bis zu 250 Euro, wenn sie einen
Katalysator für Estrich- und Betonglättmaschinen anschaffen und einbauen lassen.
Für Vibrationsplatten und Stampfer mit
emissionsarmen Benzinmotoren gibt es
Zuschüsse bis 500 Euro.
Weitere Infos zu den Arbeitsschutzprämien der BG BAU:
www.bgbau.de, Webcode: WCZjAx
Oben: Einfachflügelglätter
mit Katalysator. Mitte: Der
schwarze Probeträger zeigt
die hohe Schadstoffbelastung
durch eine handgeführte
Rüttelplatte ohne Dieselpartikelfilter. Unten: Die Arbeitsbühne wird mit einem
Partikelfilter betrieben.
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Arbeitssicherheit
Die Arbeit auf Straßenbaustellen ist gefährlich
und psychisch belastend.
Der vorbeifahrende Verkehr, Lärm und Abgase
erhöhen das Risiko für
die Beschäftigten.
BG BAU aktuell 2_2015
BG BAU aktuell 2_2015
Arbeitssicherheit
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Arbeiten an der Grenze
Die Arbeitsstättenregel ASR A5.2 verbessert den Arbeitsschutz
für Beschäftigte auf Straßenbaustellen.
TEXT: Horst Leisering
FOTOS: Picture Alliance, Fotolia
B
ei Arbeiten im Grenzbereich zum Straßenverkehr ist das Risiko eines Beschäftigten, einem tödlichen Unfall zu erliegen, um ein Vielfaches höher als bei
anderen Beschäftigten der gewerblichen Wirtschaft. Der BG BAU sind aus den
letzten vier Jahren 20 Unfälle mit Todesfolge und weitere 37 Unfälle mit überwiegend
schweren Verletzungen bekannt. Hinzu kommen permanente Gefährdungen durch
Lärm, Abgase und besondere psychische Belastungen.
Konkretisierung der Schutzmaßnahmen
Die „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA 95) regeln ausschließlich verkehrsrechtliche Maßnahmen zur Verkehrslenkung auf Grundlage der
Straßenverkehrsordnung (StVO). Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten bleiben dort
allerdings unberücksichtigt. Diese sind in den einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften,
insbesondere der Verordnung über Arbeitsstätten und der Baustellenverordnung, geregelt. Technische Regeln für Arbeitsstätten geben den Stand der Technik, Arbeitsmedizin
und Arbeitshygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse
für das Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten wieder. Bei Einhaltung dieser
Technischen Regeln kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden
Anforderungen der Verordnung erfüllt sind (sogenannte Vermutungswirkung). Wählt
der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er damit mindestens die gleiche Sicherheit
und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.
Der Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) hat die ASR A5.2 „Straßenbaustellen“ im Arbeitskreis Straßenbaustellen erarbeiten lassen und diese Regel in seiner Sitzung am
05.12.2013 beschlossen. Aufgrund des nachträglich von Vertretern der Verkehrsseite
angemeldeten Diskussionsbedarfs zur beschlossenen Fassung wurde diese im April
2014 auf der Internetseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
(BAuA) zunächst als Entwurf der breiten Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht.
Gemäß § 7 der Verordnung über Arbeitsstätten hat der ASTA den Stand der Technik
für Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten auf Straßenbaustellen ermittelt und
in der ASR A5.2 „Straßenbaustellen“ zusammengefasst. Doch solange die ASR A5.2
noch nicht im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht ist, löst diese noch nicht
die oben dargestellte Vermutungswirkung aus.
Orientierung bei der Gefährdungsbeurteilung
Bei der Planung und Ausführung von Straßenbaumaßnahmen müssen unter anderem
die Baustellenverordnung, das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung
berücksichtigt werden. Der Entwurf der ASR A5.2 kann bereits jetzt im Rahmen der
Gefährdungsbeurteilung durch den Unternehmer eine wichtige Orientierung sein. Darüber hinaus liefert sie allen am Bau und bei der Unterhaltung von Straßen Beteiligten
wichtige Informationen für die Planung und Ausführung von Straßenbaustellen.
WEITERE INFOS
Die vollständige Arbeitsstättenregel ASR A5.2
(zurzeit im Entwurf ) finden Sie unter folgender Quelle:
www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/
Arbeitsstaetten/ASTA/Aktuelles.html
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Im Fokus
BG BAU aktuell 2_2015
Gerät die Welt aus
den Fugen?
Interview mit Franz Josef Radermacher, Professor für Datenbanken
und künstliche Intelligenz der Universität Ulm.
FOTOS: Marc Darchinger
„Beim Klimaschutz
wie bei vielen anderen
Themen befinden wir
uns auf dem falschen
Weg. Doch wir wollen
das alles gar nicht so
genau wissen und
lügen uns gern in
die Tasche.“
BG BAU aktuell 2_2015
Bis 2050 leben wahrscheinlich neun Milliarden Menschen auf der Erde. Doch in
den letzten 15 Jahren wurden, beispielsweise verursacht durch Dürren, deutlich
weniger Lebensmittel produziert. Wie
können die Menschen dann ernährt
werden?
Grundsätzlich ist die Ernährung von neun
bis zehn Milliarden Menschen kein Problem, denn wir produzieren heute schon
Nahrung für 13 Milliarden Menschen.
Das gilt allerdings nur bei vegetarischer
Ernährung. Wir können die Nahrungsmittelproduktion weltweit auch noch weiter
erhöhen, gegebenenfalls muss der individuelle Fleischkonsum reduziert werden.
Insgesamt sind Ernährungsprobleme heute
keine Frage der Verfügbarkeit von Nahrung, sondern resultieren aus fehlender
Kaufkraft aufseiten der Armen. Letztlich
herrscht auf diesem Globus eine unerträgliche Ungleichheit in Bezug auf Einkommen. Sie ist der Ausgangspunkt der Probleme im Bereich Ernährung.
Viele Unternehmen – auch in der Bauwirtschaft – orientieren sich hin zu mehr
Nachhaltigkeit. Was ist darunter zu verstehen? Ist das nur ein aktueller Trend
oder rechnet sich Nachhaltigkeit für ein
Unternehmen?
Es ist gut, dass sich immer mehr Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit orientieren, auch in der Bauwirtschaft. Das sollten sie aus eigenem Interesse tun, auch im
Interesse an einer guten Zukunft der Welt,
aber durchaus auch als Reaktion auf Forderungen von aufgeklärten Bürgern, die mit
den aktuellen Entwicklungen unzufrieden
sind. Nach meinen Beobachtungen rechnet
sich ein gewisser Umfang an Nachhaltigkeitsorientierung für Unternehmen, wenn
diese klug im Rahmen der Möglichkeiten
operieren, die die Märkte bieten. Klar ist
aber auch, dass das, was Unternehmen
heute in Bezug auf mehr Nachhaltigkeit
freiwillig leisten können, nicht ausreicht,
um die Welt in Richtung Nachhaltigkeit zu
bewegen. Das heißt, wir bewegen uns in
Richtung auf immer weniger nachhaltige
Verhältnisse, obwohl sich einige Unternehmen durchaus bemühen, die Trends
umzukehren. Letztlich haben wir massive Defizite in internationaler politischer
Koordination. Und diese Defizite können
nur partiell durch das Handeln einzelner
Unternehmen kompensiert werden.
Im Fokus
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Brauchen wir aus Ihrer Sicht mehr Nachhaltigkeit in der Bau- und Wohnungswirtschaft und welche Bedeutung hat für Sie
der Immobiliensektor in der Klimafrage?
Ja, wir brauchen mehr Nachhaltigkeit
in der Bau- und Wohnungswirtschaft.
So wie wir mehr Nachhaltigkeit in allen
Segmenten der Gesellschaft brauchen.
Dabei kommt hinzu, dass die Bau- und
Wohnungswirtschaft ein hohes Potenzial für die Reduktion des Ressourcenverbrauchs besitzt, weil dieses Segment der
Ökonomie sehr materialintensiv ist. Ich
habe vor einigen Jahren die Nachhaltigkeitsstrategie des zentralen Immobilienausschusses (ZIA) mitentwickelt und engagiere mich mit dem Verband der deutschen
Wohnungsbauwirtschaft (GdW) in Bezug
auf die Klimafrage. Dabei ergeben sich
deutliche Unterschiede zwischen Bauten
für DAX-Unternehmen – das müssen heute
„Green Buildings“ sein – und der Frage der
energetischen Sanierung von Gebäuden
für durchschnittliche Mieter. Hier spielen die Kosten eine entscheidende Rolle.
Sieht man das Ganze von der Klimaseite
her, ist es häufig besser, international in
Kompensation zu investieren, zum Beispiel
in Aufforstungsmaßnahmen in den Tropen, die der Atmosphäre CO 2 entziehen,
als in Sanierungsprozesse einzutreten.
Sanierung macht insbesondere dann wenig Sinn, wenn sie gegen den natürlichen
Sanierungsrhythmus geschieht, dann ist
sie nämlich viel zu teuer. Man sollte also
energetische Sanierung mit dem normalen
Sanierungsrhythmus verknüpfen.
Beim Thema Klimaschutz sind zurzeit
kaum Fortschritte erkennbar. In Indonesien und Südamerika werden nach
wie vor riesige Urwälder abgeholzt, beispielsweise für Palmöl-Monokulturen für
unseren Biosprit. Wo bleibt da die Nachhaltigkeit?
In der Tat befinden wir uns in Bezug auf
Klimaschutz auf dem falschen Weg. Nicht
nur machen wir keine Fortschritte, vielmehr erhöhen sich jedes Jahr die weltweiten Klimagasemissionen um etwa 500 Millionen Tonnen. Das ist dann schon mehr
an Zuwachs als die Hälfte der jährlichen
deutschen Emissionen insgesamt. Und natürlich ist es mit Nachhaltigkeit überhaupt
nicht kompatibel, wenn man Urwälder abholzt, um dann Palmöl-Monokulturen für
unseren Biosprit zu produzieren. Das
Prof. Franz
Josef Radermacher (l.)
im Gespräch mit
Rolf Schaper von
BG BAU aktuell.
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Im Fokus
BG BAU aktuell 2_2015
gen zum automatischen Datenaustausch
zwischen den Banken und Finanzämtern
der beteiligten Staaten. Das ist überfällig,
das ist dringend notwendig, das ist von
entscheidender Bedeutung, wenn nachhaltige Entwicklung eine Chance haben soll.
Welche Lehren können wir aus der letzten Finanzmarkt- und Eurokrise ziehen?
„Die Bau- und
Wohnungswirtschaft besitzt
ein hohes Potenzial für die
Reduktion des
Ressourcenverbrauchs.“
Prof. Franz Josef Radermacher
ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Aber
hier wie anderswo „lügen wir uns gerne
in die Tasche“. Wir wollen das alles gar
nicht so genau wissen.
International agierende Großunternehmen zahlen in Europa ganz legal fast
keine Steuern. Doch jetzt regt sich dagegen immer mehr Widerstand. Was ist
nötig, um mehr soziale Verantwortung
und Gerechtigkeit bei den Global Playern zu erzielen?
Es ist ein Skandal, dass die internationalen Regelungen über die letzten Jahrzehnte
so entwickelt wurden, dass es international agierenden Großkonzernen in legaler
Weise möglich ist, fast keine Steuern zu
bezahlen. Das ist ein Skandal, weil das
letzten Endes die Belastung des Mittelstandes und der Arbeitnehmer erhöht,
denn irgendwer muss ja zum Schluss die
Steuern bezahlen. Glücklicherweise ist
die Politik, auch in Deutschland, seit der
Weltfinanzkrise aufgewacht. Der Druck
auf Steuerparadiese und auf aggressive
Steuervermeidungskonstrukte hat deutlich zugenommen. Die G20 ist in Verbindung mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) dabei, zu neuen Strukturen und
neuen Verträgen für grenzüberschreitende
ökonomische Prozesse zu kommen. Ganz
wichtig sind auch die OECD-Vereinbarun-
Die letzte Finanzmarktkrise zeigt uns sehr
deutlich, dass für das vernünftige Funktionieren ökonomischer Systeme, im Besonderen auch des Finanzsektors, eine adäquate
Regulierung eine absolute Schlüsselfrage
ist. Insbesondere muss die staatliche Seite
in die Prozesse und Geschäftsmodelle hineinschauen können. Ökonomische Aktivitäten außerhalb staatlicher Kontrolle sind
kontraproduktiv. Die Staaten der Welt sind
jetzt dabei, die Regulierung zu verbessern.
Das ist aber alles andere als einfach, denn
man ringt mit Akteuren, die unglaubliche
Finanzvolumina besitzen und in unvorstellbarem Umfang daran verdienen, dass sie
im Rahmen von relativ unregulierten und
intransparenten Strukturen die Rendite
für ihre Finanzprodukte hochschrauben
können. Da wird viel Geld eingesetzt, um
den politischen Prozess so zu beeinflussen,
dass es nicht zu den eigentlich nötigen Veränderungen kommt. Die Eurokrise ist eine
Folge der letzten Finanzkrise. Die Politik
hat das System stabilisiert, indem sie sich
verschuldet hat zugunsten derer, die enorme Gewinne eingestrichen haben. Das ist
das bekannte Muster: „Privatisierung der
Gewinne, Sozialisierung der Verluste“. Wir
kämpfen nun in Europa für den Erhalt des
Euro und letzten Endes für eine Stärkung
der EU. Dies muss in Richtung Fiskalunion
gehen, ist aber in dem bestehenden politischen Klima und unter den bestehenden
Bedingungen nur schwer durchsetzbar.
Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) wird derzeit sehr
kontrovers diskutiert. Welche Chancen
sehen Sie darin für unsere Wirtschaft und
die Bürger und welche Risiken?
Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen hätte eine Chance für die
Welt sein können, wenn eine ökologischsoziale Regulierung (green and inclusive
market regulation) für diesen großen Markt
das Ziel wäre. Dem ist aber nicht so, das
(verdeckte) Ziel ist eher, den Markteintritt
für Akteure wechselseitig zu erleichtern,
die unter anderen Rahmenbedingungen
BG BAU aktuell 2_2015
arbeiten als die Partnerseite. Resultierende Kostendifferenzen verschiedener Regulierungsansätze werden dann im Markt
wirksam werden. In vielen Bereichen wird
das einen Wettbewerbsdruck ausüben in
Richtung einer Abwärtsspirale. Potenziell
wird das die Qualität der Versorgung und
die soziale Balance in Europa verschlechtern. Man muss sich dabei im Klaren darüber sein, dass die USA und Europa eben
nicht in allen relevanten Fragen dieselbe
Position vertreten. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Gerade was die soziale Balance anbelangt, ist die Situation in Europa
deutlich verschieden von derjenigen in den
USA. Dies alles in einen Markt zusammenzuführen beinhaltet Risiken und hat das
Potenzial, zu einer Verschlechterung der
Situation für viele Akteure zu führen. Dem
stehen Chancen der deutlichen Verbesserung ihrer erzielbaren Renditen für wenige gegenüber. Die Akteure an der Spitze
werden auch in diesem Fall profitieren.
Können Sie die Bedenken dazu nachvollziehen, die in den Medien immer wieder
diskutiert werden?
Ich kann die Bedenken, die in den Medien zu TTIP thematisiert werden, sehr gut
nachvollziehen. Es wird mit TTIP nicht anders sein als mit der Welthandelsorganisation (WTO). Die WTO ist heute Ursache
dafür, dass ein engagierter Minister, wie
Dr. Gerd Müller vom Bundesministerium
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, der die soziale Verantwortung in der Textilkette herstellen will, der
sich für den Schutz von Arbeitnehmern in
Bangladesch engagiert, massive Schwierigkeiten hat, sein Anliegen durchzusetzen. Denn nach den Regeln der WTO ist
es uns in Deutschland eben nicht gestattet, sehr weitgehende soziale und ökologische Standards in unseren Wertschöpfungsketten verpflichtend für Importe zu
fordern. Wir müssen vielmehr Produkte
in unser Land lassen, die in Ländern der
WTO-Zone produziert wurden, selbst wenn
dort die Umwelt zerstört wird, selbst wenn
dort sklavenartige Kinderarbeit stattfindet,
egal, was wir in Bezug auf diese Themen
in anderen internationalen Verträgen für
Verabredungen getroffen haben. Bei TTIP
wird das nicht anders sein. Das heißt nicht,
dass wir in Deutschland die Produktionsbedingungen der USA übernehmen müssen.
Es heißt vielmehr, dass Produkte, die unter
den Marktbedingungen der USA gefertigt
wurden, hier verkauft werden dürfen. Was
heute teilweise nicht der Fall ist. Wenn die
dortigen Produktionsprozesse zu niedrigeren Preisen führen, kann dies im Markt
bewirken, dass Produkte, die nach unseren
Standards vor Ort produziert wurden, zu
teuer sind und das Nachsehen haben. Diese Art von Schwierigkeiten ist zu erwarten.
Es ist auch zu erwarten, dass wir in Bezug
auf kommunale Dienste und die bei uns
sogenannte Daseinsfürsorge mehr Druck
erleben werden zu privatisieren. Im Bereich
der Schiedsgerichtsbarkeit ist darüber hinaus zu erwarten, dass viele Unternehmen in
Zukunft sehr viel Geld von unseren Staaten
dafür als Entschädigung erhalten werden,
dass sie sich durch unsere Gesetzgebung
in ihren Gewinnerwartungen behindert sehen. Es ist in diesem Kontext interessant,
die Entwicklung des Ölpreises in den letzten Jahren zu studieren. Der Markt hat dramatische Preisveränderungen erlebt. Das
war für viele Investoren ein Desaster. Aber
da dies der Markt ist, muss das akzeptiert
werden. Dagegen kann man nicht klagen,
da kann man auch von niemandem eine
Kompensation verlangen. Wären aber entsprechende Veränderungen in Preisrelationen als Folge politischer Entscheidungen eingetreten, etwa weil wir politisch
die Erzeugung von CO2-Emissionen verteuert hätten, dann wäre zukünftig damit
zu rechnen, dass betroffene Unternehmen
versuchen würden, sich für die aus diesen
politischen Entscheidungen resultierenden
ökonomischen Verluste beim Staat schadlos zu halten – letztlich wieder zulasten
der Steuerzahler. Dies ist für mich keine
besonders glückliche Perspektive.
Sind Sie in Bezug auf unsere Zukunft eher
ein Skeptiker oder ein Optimist?
Für mich gibt es schon seit langem drei
prinzipielle Möglichkeiten, wie die Zukunft
aussehen könnte. Da ist einerseits eine mit
Nachhaltigkeit kompatible Welt des Wohlstands mit relativer Ruhe und friedlichen
Verhältnissen – die sogenannte Welt in
Balance. Dann eine weltweite Zweiklassengesellschaft mit Elementen der Neofeudalisierung und der Unterdrückung einer
Unterklasse – manche nennen das auch
die Brasilianisierung der Welt. Und dann
gibt es noch den ökologischen Kollaps. Ich
halte die Brasilianisierung der Welt für die
wahrscheinlichste Zukunft, gebe aber auch
der Balance eine Wahrscheinlichkeit von
etwa 33 Prozent. In einem gewissen Sinne
kann man mich deshalb wohl als einen
optimistischen Skeptiker bezeichnen.
Im Fokus
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PROF. DR. DR. F. J. RADERMACHER
(DR. H. C.)
Professor für „Datenbanken und Künstliche
Intelligenz“ an der Universität Ulm, gleichzeitig Vorstand des Forschungsinstituts für
anwendungsorientierte Wissensverarbeitung
Ulm, Präsident des Senats der Wirtschaft
e. V., Bonn, Vizepräsident des Ökosozialen
Forum Europa, Wien, sowie Mitglied des Club
of Rome.
Radermacher studierte Mathematik und Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen
und der Universität Karlsruhe. 1982 habilitierte er in Mathematik an der RWTH Aachen. Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. globale
Problemstellungen, lernende Organisationen,
Umgang mit Risiken, Fragen der Verantwortung von Personen und Systemen, umweltverträgliche Mobilität, nachhaltige Entwicklung,
Überbevölkerung, Welternährung, Klima und
Energie, Regulierung des Weltfinanzsystems.
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Arbeitsmedizin
BG BAU aktuell 2_2015
Verschleiß im Gelenk
Arthrose ist eine schleichende Gelenkserkrankung, die
Knorpel zerstört. Wie können Gelenke geschützt werden
und beweglich bleiben?
TEXT: Dr. med. Sascha Plackov
FOTOS: iStockphoto, 123RF
Gesundes
Kniegelenk
Der Knorpel erfüllt im Gelenk eine
wichtige Funktion als Gleitmittel und
ermöglicht eine reibungsfreie Funktion.
Weil die Knorpelschicht selbst keine sensiblen
Nervenenden enthält, sind Schäden am Knorpel
immer erst spürbar, wenn die Defekte bereits zu
der darunterliegenden Knochenschicht reichen.
Starke Schmerzen stellen sich meist erst ein,
wenn Knochen auf Knochen reibt.
Kniegelenksarthrose
BG BAU aktuell 2_2015
Arbeitsmedizin
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A
rthrose ist die häufigste Gelenkerkrankung in Deutschland. Über fünf Millionen Patienten leiden darunter, mehr als zwei Millionen haben deswegen schon
ein künstliches Gelenk erhalten, teilt die Deutsche Arthrose Gesellschaft mit.
Am häufigsten erkranken die gewichtsbelasteten Gelenke wie Knie oder Hüfte. Aber
auch stark beanspruchte Gelenke wie Hand- und Fingergelenke sind oft betroffen.
Arthrose kann jeden treffen. Ein genetischer Hintergrund, der sich mit zunehmendem
Alter auswirkt, spielt hier eine wichtige Rolle. Aber auch Fehlstellungen und Verletzungen, die nicht gut ausgeheilt sind, können ein Gelenk im Lauf der Zeit schädigen.
Um dem entgegenzuwirken, kommt neben der Ernährung auch dem allgemeinen Lebensstil eine große Bedeutung zu. So sind Sport und Bewegungstherapie sowohl in
der Prävention als auch in der Rehabilitation der Arthrose wichtig. Denn Bewegung
verbessert die Funktion der Knorpelzellen, die vor allem durch regelmäßigen Druck
und die darauffolgende Entlastung ernährt werden. Bewegungsmangel dagegen lässt
die Muskelfasern schrumpfen und fördert Muskelschwäche, was die Funktion des betroffenen Gelenks negativ beeinflusst.
SO KÖNNEN SIE VORBEUGEN
Es gibt ein paar einfache Regeln, mit denen
man der Arthrose vorbeugen kann.
Typisch für eine beginnende Arthrose ist ein kurzer Anlaufschmerz. Im weiteren
Krankheitsverlauf kommt es dann zu belastungsabhängigen Dauerschmerzen, die
sogar nachts auftreten können. Ebenfalls typisch ist ein Wechsel zwischen schmerzhaften und schmerzarmen Episoden. Im Bereich der betroffenen Gelenke finden sich
oft schmerzhafte Sehnenansätze. Bei Verdacht auf Arthrose gilt es, sofort zu handeln
und einen Arzt aufzusuchen.
• Übergewicht vermeiden: Gewicht belastet
die Gelenke; Fettgewebe fördert entzündlichen Knorpelverlust.
Ergonomisch arbeiten
• Muskelaufbau und -training: Eine gut trainierte Muskulatur entlastet die Gelenke bei
jeder Bewegung.
Zwangshaltungen, ungünstige Körperhaltungen wie Überkopfarbeiten sowie andere
Fehl- und Überbelastungen im Beruf können die Gelenke ebenfalls schädigen. Arbeitgeber und Mitarbeiter sollten deshalb darauf achten, bei der Arbeit ergonomische
Hilfsmittel zu nutzen, Regeln zum richtigen Heben und Tragen einzuhalten und die
Körperhaltung öfter zu wechseln. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung können
Belastungen nach Art, Höhe, Dauer und Häufigkeit erkannt werden. Wichtige Bausteine zur Prävention der Arthrose sind ergonomische Hilfsmittel am Arbeitsplatz wie:
• Fliesenschneidemaschinen auf höhenverstellbaren Tischen,
• Kleingerüste oder Podeste bei Arbeiten im oberen Wandbereich,
• Teleskopstiele mit Anbauwerkzeugen oder Klebeauftragsgeräte,
die im Stehen genutzt werden.
Ziel aller Behandlungsmethoden ist es, die Schmerzen des Patienten zu lindern und
die Bewegungsfähigkeit wiederherzustellen. Man unterscheidet dabei hauptsächlich
zwischen konservativer und operativer Behandlung. Wichtige Bestandteile der konservativen Behandlung sind Krankengymnastik, physikalische Therapie sowie Elektro- und Ergotherapie. Sie stärken die Muskulatur, verbessern die Beweglichkeit und
stützen dadurch die Gelenke. Bei der medikamentösen Behandlung sind schmerzlindernde und entzündungshemmende Arzneimittel die wichtigsten Pfeiler. Hat die
Erkrankung jedoch ein Stadium erreicht, in dem eine Schmerzfreiheit und eine Aufrechterhaltung der Beweglichkeit mit den konservativen Maßnahmen nicht mehr gewährleistet werden kann, ist eine Operation mit einem künstlichen Gelenkersatz meist
nicht mehr zu umgehen.
• Bewegung fördert die Regeneration des
Knorpels in jedem Gelenk.
• Bewusst ernähren: Viel Gemüse und wenig
rotes Fleisch reduzieren knorpelschädliche
Entzündungsprozesse im Körper.
• Genussgifte meiden: Alkohol und Nikotin
schädigen auch die Vitalität der Knorpelzellen.
• Warnsignale beachten: Wer chronische
Schmerzen hat, beispielsweise nach Stürzen oder Unfällen, sollte einen Spezialisten
aufsuchen. Instabilität oder unbehandelte
Knorpelschäden können langfristig zu
Arthrose führen.
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Arbeitsmedizin
BG BAU aktuell 2_2015
Fett im Blut
Cholesterin ist ein wichtiger Baustein des menschlichen Körpers,
doch zu viel davon schädigt Herz und Kreislauf.
TEXT: Dr. med. Jobst Konerding
FOTOS: F1online, Fotolia, iStockphoto
Viele Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft ernähren sich falsch.
Das hat fatale
Folgen.
C
holesterin ist ein wichtiger Bestandteil unserer Haut und aller Zellmembranen.
Es wird benötigt, um bestimmte Hormone oder Gallensäuren herzustellen, die
den Fettabbau unterstützen. Zudem soll Cholesterin ein wichtiger Stoff für das
Gehirn und die Gedächtnisleistungen sein. Sehr hohe Cholesterinspiegel im Blut sind
aber auch gefährliche Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie führen zu
massiven Ablagerungen und Schäden an den Wänden der Herzkranzgefäße. Herzinfarkt
und Schlaganfall können die Folgen solcher Gefäßerkrankungen sein.
Die „Guten“ und die „Bösen“
Ob die Cholesterinwerte stimmen oder zu hoch sind, stellt der Arzt bei einer Blutuntersuchung fest. Dabei werden das Gesamtcholesterin sowie die beiden wichtigsten Untergruppen HDL (high density lipoprotein) und LDL (low density lipoprotein)
bestimmt. Die LDL-Teilchen gelten als „böse“. Sie transportieren Cholesterin in den
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Arbeitsmedizin
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Körper hinein, lagern sich an den Wänden der Blutgefäße ab und können dadurch Gefäßverkalkungen verursachen. Diese bilden sich vor allem in den Herzkranzarterien
aus, kommen aber auch in anderen Arterien vor, häufig im Gehirn sowie in Becken
und Beinen. HDL-Teilchen gelten als die „Guten“, weil sie Cholesterin aus den Wänden der Blutgefäße herauslösen und es aus dem Körper hinaustransportieren, also die
Blutgefäße vor Gefäßverkalkungen schützen. Ob und in welchem Maße ein bestimmter
Cholesterinspiegel das Risiko für Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
erhöht, ist abhängig von Alter, Körpergewicht, Geschlecht, Blutdruck, dem Rauchverhalten sowie vom Vorhandensein eines Diabetes.
Blutwerte: Wie hoch sollten sie sein?
Erhöhte Blutfette verursachen keine Beschwerden, sondern werden erkannt, wenn der
Arzt die Blutwerte kontrolliert. Dies kann beispielsweise im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge beim Arbeitsmedizinisch-Sicherheitstechnischen Dienst der BG
BAU (ASD der BG BAU) erfolgen. Grundsätzlich gilt: Während die Konzentration von
HDL-Cholesterin hoch sein darf, muss die Konzentration von LDL gering gehalten werden. Bei gesunden Menschen ohne zusätzliche Risikofaktoren und ohne Hinweise auf
Herz- und Gefäßerkrankungen sind Gesamtcholesterinwerte um 200 mg/dl (5,2 mmol/l)
und LDL-Cholesterinwerte um 115 mg/dl (3,0 mmol/l) wünschenswert. Falls Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegen, beispielsweise Übergewicht,
hoher Blutdruck, Bewegungsmangel oder Rauchen, sollten diese Werte auf jeden Fall
eingehalten werden. Menschen mit Diabetes oder einer Herz- oder Gefäßerkrankung
sollten ein Gesamtcholesterin unter 150 mg/dl (3,9 mmol/l) anstreben und ein LDLCholesterin von unter 70 mg/dl (1,8 mmol/l) erreichen.
• Viel Bewegung
Gesund ernähren – Cholesterin senken
• Medikamentöse Behandlung bei hohem
Risiko und sehr hohen Werten nur auf
ärztliche Anordnung
Am besten lassen sich die Blutfettwerte über die Ernährung regulieren. Lebensmittel,
die reich an gesättigten Fettsäuren sind, gilt es zu meiden. Dazu gehören etwa Sahne, Butter, Butterschmalz, Gänseschmalz, aber auch pflanzliche Fette wie Erdnussöl,
Kokosfett, Palmöl oder Margarine mit einem hohen Anteil an gehärteten Fetten. Aber
nicht jedes fetthaltige Nahrungsmittel ist schlecht für die Cholesterinwerte. Andere,
gesunde Fette wie Olivenöl oder die vielzitierten Omega-3-Fettsäuren, die unter anderem in Fisch, besonders reichlich in Lachs und Makrelen, sowie in Nüssen und Samen
enthalten sind, wirken sich günstig auf die Blutfette aus.
Fisch statt Fritten
Zur Vorbeugung gegen erhöhte Blutfette ist es sinnvoll, weitgehend auf tierische Fette zu verzichten, also möglichst wenig Butter, Sahne, fettreichen Käse, Fleisch und
Wurst zu essen. Gehärtete Pflanzenfette und Fette mit vielen gesättigten Fettsäuren
wie Kokos- und Palmfett, Schmalz, Mayonnaise und Speck sind ebenfalls zu meiden.
Diese sind beispielsweise in Pommes frites, Donuts, Crackern und Plunderstücken
enthalten. Gedünstetes und gegrilltes Essen ist generell fettärmer und gesünder als
Frittiertes und Paniertes. Zu empfehlen ist die sogenannte „Mittelmeerkost“ mit viel
frischem Obst und Gemüse, Getreideprodukten, Meeresfischen, Nüssen und Olivenöl.
Auch körperliche Bewegung beeinflusst die Blutfette günstig. Am besten sind Ausdauersportarten wie Joggen und schnelles Gehen, Wandern, Schwimmen, Radfahren
und Skilanglauf geeignet. Rauchen treibt die Cholesterinwerte ebenfalls in die Höhe.
Allein durch Verzicht auf den Glimmstängel lässt sich das Risiko für Herz-KreislaufErkrankungen als Folge erhöhter Blutfette wahrscheinlich um die Hälfte vermindern.
Cholesterinsenkende Medikamente wie beispielsweise Statine, die erhebliche Nebenwirkungen haben können, sollten nur bei erblich bedingten Cholesterinerhöhungen
oder erhöhten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden,
sofern der behandelnde Arzt das für erforderlich hält.
CHOLESTERINWERTE SENKEN
• Mittelmeerkost: Diät mit wenig
tierischem Fett
• Rauchen aufgeben
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Arbeitsmedizin
BG BAU aktuell 2_2015
Wenn die Luft knapp ist
Arbeiten in sauerstoffreduzierter Atmosphäre
erfordern besondere organisatorische Maßnahmen. Auch Versicherte der BG BAU sind in
diesen Bereichen tätig.
TEXT: Dr. med. Jobst Konerding
FOTO: iStockphoto
Sauerstoffreduzierte Atmosphäre
Um die Gesundheit der
Mitarbeiter zu schützen,
ist in sauerstoffreduzierten
Bereichen der Sauerstoffgehalt der Luft ständig
zu prüfen. Sonst besteht
Lebensgefahr.
BG BAU aktuell 2_2015
D
er Mensch benötigt Sauerstoff zum
Leben. Die normale Umgebungsluft besteht hauptsächlich aus 21
Prozent Sauerstoff und 78 Prozent Stickstoff. Wie viel Sauerstoff über die Lungen
in den Blutkreislauf gelangt, ist unter anderem abhängig vom Sauerstoffdruck in
der Atemluft. Ist dieser Druck vermindert,
wird weniger Sauerstoff aufgenommen.
Folge: Die Leistungsfähigkeit des Menschen vermindert sich.
Zur Vermeidung von Bränden in Räumen
oder Lagern mit extrem brandgefährdeten
Gütern wie PC-Servern werden Brandvermeidungsanlagen eingesetzt. Dort wird
der Sauerstoff in der Raumluft von normalerweise 21 Prozent durch Zugabe von
Stickstoff auf 13 – 17 Prozent gesenkt. So
werden in diesen Anlagen Brände bereits
in ihrer Entstehung gehindert. Zur Brandvermeidung von explosiven Gütern wird
die Sauerstoffkonzentration vereinzelt sogar auch auf bis zu 8 Prozent abgesenkt.
Auch Versicherte der BG BAU sind zeitweise in solchen Bereichen tätig. Denn in
den Brandvermeidungsanlagen mit Sauerstoffkonzentrationen zwischen 13 und 17
Prozent werden beispielsweise auch Reinigungstätigkeiten oder bauliche Renovierungsarbeiten verrichtet. Dabei muss
sichergestellt werden, dass der Aufenthalt
und die Arbeit in sauerstoffreduzierter Atmosphäre keine gesundheitlichen Risiken
für die Beschäftigten birgt.
Risikoklassen
Bei Arbeiten in sauerstoffreduzierter Umgebung werden vier Risikoklassen unterschieden, die sich unterschiedlich auf
den Gesundheitszustand auswirken. Die
Risikoklasse 1 gilt für Sauerstoffkonzentrationen von 15 – 17 %, die Risikoklasse 2
für Konzentrationen von 13 – 15 %. Tätigkeiten bei weiterer Absenkung des Sauerstoffanteils auf weniger als 13 % (Klasse 3)
sind nur zulässig, wenn umgebungsluftunabhängiger Atemschutz getragen wird.
Organisatorische Maßnahmen
Um die Gesundheit der Beschäftigten bei
Arbeiten in sauerstoffreduzierten Bereichen zu schützen, sind einige organisatorische Maßnahmen zu beachten. Dazu
gehört die regelmäßige Unterweisung über
die Gefährdungen, Schutzmaßnahmen und
Verhaltensregeln. Der Aufenthalt in Bereichen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre
soll möglichst kurz gehalten werden. Im
Falle eines Alarms ist der Raum unverzüglich zu verlassen.
Die Sauerstoffkonzentration im sauerstoffreduzierten Bereich ist mindestens alle
zehn Minuten zu messen und aufzuzeichnen. Die Ergebnisse sind für mindestens
ein Jahr zu archivieren. Eine Kontaktaufnahme mit Personen außerhalb der Räume mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre
muss ständig gewährleistet sein, zum Beispiel durch Rufverbindung, Telefon, Funk
oder dergleichen.
Eignungsuntersuchung
erforderlich
Bestimmte chronische Erkrankungen
können sich in sauerstoffreduzierter
Umgebung verschlimmern. Dazu zählen
chronische Herzerkrankungen wie eine
Verengung der Herzkranzgefäße und Lungenerkrankungen wie Bronchialasthma
oder chronische obstruktive Lungenerkrankungen. Mit einer Verschlimmerung
ist auch bei epileptischen Anfallsleiden,
Hirndurchblutungsstörungen oder schweren Anämien zu rechnen. Nur Personen mit
einem ausreichenden Seh- und Hörvermögen dürfen in solchen Bereichen beschäftigt werden, da optische und akustische
Warnsignale erkannt werden müssen.
Personen, die sauerstoffreduzierte Bereiche
der Risikoklassen 1 oder 2 betreten, sollten
sich vor Arbeitsaufnahme einer Eignungsuntersuchung unterziehen. Bei der Untersuchung wird festgestellt, ob bei diesen Personen gesundheitliche Bedenken gegen eine
Tätigkeit in derartigen Bereichen bestehen.
Die Untersuchung umfasst neben einer ausführlichen ärztlichen Beratung und Untersuchung auch einen Lungenfunktionstest,
ein Ruhe-EKG, Blutuntersuchungen und bei
Bedarf auch ein Belastungs-EKG.
Für weitere Beratungen über Gefährdungen oder Untersuchungen stehen die Betriebsärzte vom Arbeitsmedizinisch-Sicherheitstechnischen Dienst der BG BAU (ASD
der BG BAU) zur Verfügung.
Arbeitsmedizin
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Zutritt für Unbefugte verboten!
Sauerstoffmangel!
RISIKOKLASSEN UND
SCHUTZMASSNAHMEN
• Klasse 0:
Sauerstoffkonzentration 17 – 21 %:
Unterweisung der Mitarbeiter
• Klasse 1:
Sauerstoffkonzentration 15 – 17 %:
Eignungsuntersuchung nach G 28, Unterweisung der Mitarbeiter, nach vier Stunden
Aufenthalt ist eine Pause von 30 Minuten
außerhalb der sauerstoffreduzierten Bereiche erforderlich
• Klasse 2:
Sauerstoffkonzentration 13 – 15 %:
Eignungsuntersuchung nach G 28, Unterweisung der Mitarbeiter, nach zwei
Stunden Aufenthalt ist eine Pause von 30
Minuten außerhalb der sauerstoffreduzierten Bereiche erforderlich
• Klasse 3:
Sauerstoffkonzentration unter 13 %:
Betreten ohne besondere Maßnahmen,
zum Beispiel umgebungsluftunabhängiges
Atemschutzgerät, nicht zulässig
Nähere Infos:
DGUV Information 205-006: Arbeiten
in sauerstoffreduzierter Atmosphäre
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Mensch und Betrieb
BG BAU aktuell 2_2015
Praxisnahe Prävention
Was macht eigentlich ein Sicherheitsbeauftragter und wie viele
braucht ein Unternehmen?
TEXT: Dagmar Sobull
FOTO: 123RF
Sicherheitsbeauftragte
machen sich in ihrem
Unternehmen für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz stark.
M
eine Aufgabe ist es, die Kollegen vor Ort direkt anzusprechen, wenn bei der
Arbeitssicherheit etwas falsch läuft“, beschreibt Martin Kück seine Aufgabe als Sicherheitsbeauftragter. Seit sechs Jahren ist er bei der Wortmann
GmbH in Bremen als Platzmeister tätig. Mängel an Schutzeinrichtungen etwa oder
andere Gefahrenquellen auf der Baustelle oder im Betrieb meldet er umgehend an
seine Vorgesetzten.
Anerkannt bei Vorgesetzten und Kollegen und mit der täglichen Arbeit vertraut, wissen Sicherheitsbeauftragte genau, wo der Schuh drückt. Sie unterstützen die anderen
Akteure des Arbeitsschutzes dabei, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Un-
BG BAU aktuell 2_2015
ternehmen zu thematisieren und zu verbessern. Als „Kollegen unter Kollegen“ achten
sie beispielsweise darauf, dass Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden und die
jeweils erforderliche Persönliche Schutzausrüstung (PSA) auch getragen wird.
„Wenn ich auf unseren Baustellen Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften sehe,
reagiere ich sofort und greife ein“, sagt Hermann Gödecke. Der Maschinist bei der Firma Meyer-Tochtrop ist seit 25 Jahren als Sicherheitsbeauftragter tätig und kennt die
Schwachstellen genau. Im Rahmen seiner täglichen Arbeit hat er ein Auge auf mögliche
Gefährdungen wie zum Beispiel Stolperfallen oder technische Defekte und macht seine
Kollegen auf mögliche Unfall- und Gesundheitsgefahren aufmerksam. Dabei setzt er
vor allem auf die Einsicht der Kollegen. Wichtig ist auch, dass der Sicherheitsbeauftragte die Gefährdungen an den jeweiligen Arbeitsplätzen gut kennt.
Mensch und Betrieb
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„Ich spreche
meine Kollegen
vor Ort direkt
an, wenn bei der
Sicherheit etwas
falsch läuft.“
Martin Kück, Platzmeister und Sicherheitsbeauftragter der Wortmann GmbH
Ein Ehrenamt
Sicherheitsbeauftragte sind ehrenamtlich tätig. Sie haben weder Weisungsbefugnis
noch eine Aufsichtsfunktion. Deshalb können sie für ihr Wirken auch nicht ziviloder strafrechtlich belangt werden. Ihre Aufgabe besteht einzig und allein darin,
ihren Arbeitgeber oder ihre Vorgesetzten zu beraten, Mängel und Unfallgefahren zu
melden und Verbesserungen anzuregen. Die rechtliche Verantwortung liegt beim
Unternehmer.
Persönliche Anforderungen
Angehende Sicherheitsbeauftragte müssen gewisse persönliche Voraussetzungen erfüllen, auf die Arbeitgeber bei der Auswahl achten sollten. Beschäftigte, die besonders
erfahren, fach- und sachkundig, von Kollegen akzeptiert, engagiert und sozialkompetent
sind, eignen sich am besten für das Amt eines Sicherheitsbeauftragten. Sie genießen
bei Kollegen und Vorgesetzten Ansehen und Vertrauen, sind kommunikativ und besitzen Einfühlungsvermögen. Außerdem sollten sie vom Arbeitsschutz überzeugt und
Vorbild dafür sein. Mitarbeiter, die eine eigenständige Verantwortung im Betrieb haben,
wie Meister oder andere Vorgesetzte, sind weniger als Sicherheitsbeauftragte geeignet.
Im Arbeitsschutzausschuss (ASA) mitreden
Eine erfolgreiche Prävention hängt ganz wesentlich vom Zusammenwirken und vom
gegenseitigen Informationsaustausch aller im Betrieb ab. Deshalb sieht das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) vor, dass sich Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit mindestens viermal pro Jahr zum Erfahrungsaustausch treffen. Dazu muss jedes Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten einen
Arbeitsschutzausschuss (ASA) bilden. In diesem Rahmen hat auch der Sicherheitsbeauftragte die Möglichkeit, Fragen und Anregungen aus seinem Arbeitsbereich einzubringen und so den Arbeitsschutz im Unternehmen weiterzuentwickeln, ebenso wie
im Rahmen von Begehungen und Unfalluntersuchungen.
„Bei Verstößen
gegen Unfallverhütungsvorschriften reagiere ich sofort.“
Hermann Gödecke,
Maschinist bei der Firma
Meyer-Tochtrop GmbH
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Mensch und Betrieb
BG BAU aktuell 2_2015
Wie viele Sicherheitsbeauftragte braucht ein Unternehmen?
Jedes Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern hat mindestens einen Sicherheitsbeauftragten zu bestellen. Die Grundlagen dafür sind im Sozialgesetzbuch VII geregelt.
Die Bestellung kann formlos erfolgen, sollte aber grundsätzlich schriftlich festgehalten werden und die Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten beschreiben. Ein Muster
für die Bestellung ist in Kapitel 4 der BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ enthalten.
Die Ernennung erfolgt in Absprache mit dem Betriebsrat und sollte umgehend allen
Beschäftigten bekanntgegeben werden.
In der Praxis hat es sich bewährt, auch in Betrieben mit weniger als 21 Mitarbeitern
Sicherheitsbeauftragte zu bestellen oder in größeren Betrieben mehr Sicherheitsbeauftragte zu bestellen als gesetzlich gefordert. Das ist besonders bei Baubetrieben mit
mehreren Baustellen sinnvoll.
Der Sicherheitsbeauftragte
Aktiv im Arbeitsschutz
Aktiv im Arbeitsschutz
Der Sicherheitsbeauftragte
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Bestellung,
Aufgaben und Verantwortung
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Sicherheitsbeauftragten ist in der Broschüre
Broschür „Der
Sicherheitsbeauftragte. Aktiv im ArbeitsArb
schutz“ nachzulesen.
www.bgbau-medien.de
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Abruf-Nr.
Möglichkeiten und Chancen
Klare Absprachen und Zielsetzungen sind die Voraussetzung dafür, dass das Engagement der Sicherheitsbeauftragten erfolgreich ist und von allen Beteiligten als Bereicherung erlebt wird. Deshalb sollten Sicherheitsbeauftragte zu Beginn ihrer Tätigkeit ihre
Aufgaben mit dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten absprechen. Dabei ist zu klären, wie
der Informationsaustausch in der Firma funktioniert. Wichtig für den Sicherheitsbeauftragten ist der Kontakt zum Betriebsarzt und zur Sicherheitsfachkraft des Betriebes.
Zudem sollte sichergestellt sein, dass der Sicherheitsbeauftragte zu den Sitzungen des
Arbeitsschutzausschusses (ASA) eingeladen wird, sofern der Betrieb über dieses Gremium verfügt. Auch der zuständige Ansprechpartner der Prävention der BG BAU sollte
dem Sicherheitsbeauftragten bekannt sein, und der Arbeitgeber sollte ihm ermöglichen,
an Qualifizierungsmaßnahmen der BG BAU für Sicherheitsbeauftragte teilzunehmen.
Im Arbeitsalltag hat der Sicherheitsbeauftragte besonders auf ein sicheres Arbeitsumfeld zu achten, beispielsweise auf Absturzsicherungen, sicher geböschte Baugruben
und verbaute Gräben sowie sichere Stromquellen. Er sollte seine Kollegen auf Stolperfallen, Rutsch- und Sturzgefahren hinweisen und sie ermuntern, sich mit geeigneter
Persönlicher Schutzausrüstung wie Helm, Sicherheitsschuhen und Schutzbrille vor
äußeren Gefahren zu schützen. Auch die Motivation der Kollegen zur Verwendung von
Hautschutzmitteln gehört zu seinen Aufgaben. An heißen Sommertagen sollte dabei
auch wirkungsvoller Sonnenschutz zum Einsatz kommen.
Schulungsangebote und Informationen der BG BAU
Die BG BAU bietet Grund- und Aufbauseminare sowie Fortbildungen an, in denen Sicherheitsbeauftragte die sozialen Kompetenzen stärken und das nötige Arbeitsschutzwissen erwerben können. Außerdem gibt es Seminare zu Spezialthemen sowie Arbeitshilfen und Informationsbroschüren zum Thema Prävention. Diese Angebote sollten
Sicherheitsbeauftragte nutzen.
BG BAU aktuell 2_2015
Sicher unterwegs
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Sicherer Start
in die Saison
Mit den ersten Sonnenstrahlen holen viele Motorradfahrer ihre
Maschinen aus dem Winterschlaf und mischen sich wieder ins
Straßenbild. Autofahrer müssen sich an die Verkehrsteilnehmer auf
zwei Rädern gewöhnen, die im Winter eher selten zu sehen waren.
TEXT und FOTO: DVR
V
or allem beim Abbiegen und bei
Wendemanövern sollten Autofahrer besonders umsichtig fahren, um keinen Zweiradfahrer zu übersehen. Aber auch die Motorradfahrer selbst
können einiges dafür tun, damit sie im
Straßenverkehr besser wahrgenommen
werden. Schutzkleidung in hellen Kontrastfarben verbessert ihre Sichtbarkeit
für andere. Auch Tagfahrlicht an Motorrädern, das auffälliger wirkt als das vorgeschriebene Abblendlicht, hilft, Kollisionen
zwischen Motorrädern und anderen Fahrzeugen zu vermeiden, besonders im Bereich von Kreuzungen und Einmündungen.
Das Risiko, mit dem
Motorrad zu verunglücken, ist laut DVR europaweit 18-mal höher
als mit dem Pkw.
Überschätzte Fähigkeiten
Zudem sind Können und Erfahrung Voraussetzung für den sicheren Start in die
Saison. So registriert der ADAC bei insgesamt 1.500 untersuchten Motorradunfällen
mit 39 Prozent auffällig viele Alleinunfälle. Häufig seien es Fehler in Kurven, die
durch zu hohe Geschwindigkeit und eine
Fehleinschätzung der physikalischen und
persönlichen Möglichkeiten zu schweren
Unfällen führen. Auch zu kräftige Bremsmanöver in der Kurve und überhastete Notbremsungen führten häufig zu Unfällen,
beobachten die Unfallforscher. Der hohe
Anteil an Unfällen, bei denen Motorradfahrer die eigenen fahrerischen Möglichkeiten falsch einschätzen, zeige, wie anspruchsvoll Motorradfahren ist. Ein hohes
Maß an Können, Konzentration, Disziplin
und Beobachtungsgabe sei Voraussetzung
für den unfallfreien Fahrspaß auf dem Motorrad.
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Rehabilitation und Leistungen
BG BAU aktuell 2_2015
Persönlich und nah
am Menschen
Reha-Koordinatoren der BG BAU betreuen jetzt schwerstverletzte
Patienten direkt vor Ort in den berufsgenossenschaftlichen
Unfallkliniken (BGU).
TEXT: Petra Fröhlich
FOTOS: Doris Leuschner
Reha-Koordinatorin
Petra Fröhlich spricht
fast täglich mit Patienten
wie Negeste Teclai und
beobachtet dabei
gute Fortschritte im
Heilverfahren.
M
it den Reha-Koordinatoren, die
in einem eigenen Büro in jeder
BGU untergebracht sind, hat die
BG BAU nun zentrale Ansprechpartner vor
Ort. „Die Zusammenarbeit von Ärzten, Therapeuten und der Klinikverwaltung mit der
BG BAU ist dadurch noch enger geworden“,
erläutert Dr. med. Henry Kohler, Chefarzt
des Reha-Zentrums der BGU Ludwigshafen.
„Dies ermöglicht eine noch bessere Betreuung der Verletzten nach Arbeitsunfällen.“ Auch die Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern wie Orthopädietechnikern
und -schuhmachern sowie den außerhalb
der Klinik angesiedelten Fachärzten trägt
zur effektiven Rehabilitation bei. So können die Reha-Koordinatoren die Versicherten der BG BAU sofort nach der stationären
Aufnahme am Krankenbett persönlich beraten, ihre Fragen beantworten und Lösungen finden.
Unterstützung bei der Rückkehr
ins Arbeitsleben
In allen neun BGUen sind Reha-Koordinatoren vor Ort im Einsatz. Im Reha-Zentrum der BGU Ludwigshafen ist RehaKoordinatorin Petra Fröhlich im Dienste der
BG BAU aktiv. EDV-technisch ist sie an die
BG BAU angebunden und kann auf die
BG BAU aktuell 2_2015
elektronisch vorhandenen Akten zugreifen. „Das Spannende an meiner Tätigkeit
ist der persönliche Kontakt mit Menschen
in einer Situation, in der sie auf professionelle Hilfe angewiesen sind“, sagt Fröhlich. Sie besucht die Patienten auf den
Akutstationen möglichst unmittelbar nach
dem Unfall und berät sie über Leistungen
aus der gesetzlichen Unfallversicherung,
beispielsweise zum Verletztengeld, zur
beruflichen Wiedereingliederung oder
zu den Fahrtkosten. Bei Negeste Teclai
beobachtet die Reha-Koordinatorin fast
täglich Fortschritte. Die Reinigungskraft
hatte bei einem Autounfall auf dem Weg
zu ihrer Einsatzstelle mehrere Brüche an
Füßen, Beinen, Wirbelsäule und Rippen
erlitten und war mehrfach operiert worden. Mittlerweile läuft sie an zwei Unterarmgehstützen. „Ziel ist die Rückkehr von
Frau Teclai an den alten Arbeitsplatz“, erläutert Fröhlich. Zusammen mit den behandelnden Ärzten plant Fröhlich die
weitere Rehabilitation und arbeitet an
der Entwicklung eines Reha-Planes mit.
Sie nimmt an den wöchentlichen Visiten
und am Abschlussgespräch mit Ärzten
und Therapeuten teil und unterstützt die
Patienten bei der beruflichen Wiedereingliederung. So begleitet die Reha-Koordinatorin die schwerstverletzten Patienten
direkt nach dem Unfall durch alle Phasen
der Rehabilitation mit dem Ziel der erfolgreichen Wiedereingliederung in den Beruf
und die Gemeinschaft. Sie ist Ansprechpartnerin für die verschiedensten Belange
der Versicherten und der Ärzte und steht
in ständigem Kontakt zu den Kollegen in
den Dienstleistungszentren oder Bezirksverwaltungen der BG BAU.
Betreuung auch nach Ende der
Behandlung
Im Rahmen regelmäßiger Sondersprechstunden mit dem behandelnden Arzt und
der Reha-Koordinatorin stellen sich bereits
entlassene Patienten vor, um das weitere
ambulante Heilverfahren zu besprechen
und einen individuellen Reha-Plan auszuarbeiten. Bei Dominik Abromeit beispielsweise, der bei einem Sturz vom Dach einen Fersenbeinbruch erlitt, erscheint eine
Wiedereingliederung in seinen alten Beruf
als Dachdecker fraglich. Deshalb ist nun
ein Test geplant, um herauszufinden, welche Tätigkeiten er trotz seiner bleibenden
Beeinträchtigung infolge des Fersenbeinbruchs noch machen kann. Dazu wird er
erneut für zwei Tage stationär aufgenom-
men. Anhand der Testergebnisse beraten
die Beteiligten dann über Abromeits berufliche Zukunft.
Dankbarkeit als Motivation
„Meine Arbeit ist vielseitig, abwechslungsreich und anspruchsvoll, kein Tag ähnelt
dem anderen“, sagt Fröhlich. Allerdings
sei die Arbeit auch nicht immer einfach,
weil sie täglich mit schweren Schicksalen
konfrontiert werde. Kraft für diese Aufgabe schöpfe sie auch aus den positiven
Rückmeldungen der Versicherten: „Die
Dankbarkeit von Menschen, denen ich
trotz ihrer schweren Verletzungen weiterhelfen konnte, motiviert mich jeden Tag
neu.“ Und die Patienten wissen ihren Einsatz zu schätzen, wie Rückmeldungen an
Fröhlich zeigen: „Während wir Patienten
mit unseren körperlichen oder seelischen
Traumata beschäftigt sind, verrichten Sie
Ihre Arbeit stets mit einem Lächeln, was
mir in dieser schweren Zeit immer mindestens genauso wichtig war, wie Ihr sehr
engagierter Einsatz bei der Hilfe im Verwaltungsdschungel“, schreibt beispielsweise Thomas Behnert und betont: „Es
ist von großem Vorteil, eine persönliche
Ansprechpartnerin vor Ort zu haben, die
lösungsorientiert arbeitet.“ Ein hoher Anteil aller Patienten im Akut- und Rehabilitationsbereich in der BGU Ludwigshafen
kommt von der BG BAU. Denn nach wie vor
ist die Arbeit im Baugewerbe mit besonderen Gefahren verbunden. Eine Neuausrichtung der Kliniklandschaft wird künftig zu einer weiteren Konzentration der
Schwerverletzten in den BGUs führen – ein
weites Tätigkeitsfeld für die neuen RehaKoordinatoren.
Rehabilitation und Leistungen
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Oben: Dr. med. Henry
Kohler (l.) im Gespräch mit
Reha-Koordinatorin Petra
Fröhlich und Patient Dominik
Abromeit. Unten:
Die BG-Unfallkliniken
in Deutschland.
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Im Blick
BG BAU aktuell 2_2015
Sanierung des
Alten Elbtunnels
Seit 1911 unterqueren die beiden Röhren die Norderelbe in Hamburg. Der Bau war damals eine technische Sensation. Nach über
100 Jahren machten Schäden und Undichtigkeiten eine umfassende Sanierung erforderlich.
TEXT: Rolf Schaper
FOTOS: Firma HC Hagemann, Mirko Bartels, Hamburg Bildarchiv, Atlas Copco Deutschland
D
er Hamburger Hafen expandierte
um das Jahr 1900 stark. Täglich
mussten 20.000 Werft- und 25.000
Hafenarbeiter bei Schichtwechsel mit Fähren auf die andere Elbseite transportiert
werden. Doch für viele Arbeiter waren die
Fähren zu teuer.
Nach langen Abwägungen entschied man
sich 1903 für den Bau eines Tunnels, ob-
wohl es dafür nur ganz wenige Vorbilder
gab, beispielsweise in Amerika und England. Baurat Ludwig Wendemuth erhielt
schließlich den Auftrag für die Planung
der beiden Tunnel mit einer Länge von
426 Metern und einem Durchmesser von
4,7 Metern. Die Spurweite war für Pferdefuhrwerke ausgelegt, daneben befanden
sich zwei Fußwege.
BG BAU aktuell 2_2015
Im Blick
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Heute erfolgt die
Sanierung mit modernstem
Atemschutz. Damals diente
für den Bau des Elbtunnels
der Harbour Tunnel in Glasgow, Schottland als Vorbild.
Dieser wurde zwischen 1890
und 1896 gebaut.
Riskanter Tunnelbau
Den Auftrag für den Bau erhielt das Unternehmen Philipp Holzmann. 1907 wurden
zunächst die beiden Zugangsbauwerke in
St. Pauli und Steinwerder errichtet. Diese
wurden als Senkkästen in der sogenannten Caisson-Bauweise gefertigt und auf
die geplante Tiefe gebracht. Dabei wird
Druckluft eingesetzt, um mit dem erzeugten Überdruck das Eindringen von Wasser
in den Baukörper zu verhindern. Doch mit
dem Einsatz von Druckluft hatte man bisher nur wenig Erfahrung. So starben drei
Arbeiter durch die sogenannte Taucherkrankheit. Zwei weitere starben bei anderen Arbeitsunfällen. Danach wurden die
horizontalen Tunnelröhren im Schildvortriebsverfahren auf einer Sohlentiefe von
24 Metern errichtet, ebenfalls mit Druckluft. Zwischen der Tunnelröhre und
36
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Im Blick
BG BAU aktuell 2_2015
Die Passage ist für Fußgänger übrigens
kostenlos, genau wie vor 100 Jahren. Schon
1906 entbrannte in der Hamburger Bürgerschaft darüber eine hitzige Debatte.
Von den Sozialdemokraten wurde bereits
damals pointiert argumentiert: „Weil die
Bourgeoisie für die Instandhaltung der
Reitwege auf der Uhlenhorst auch keine
Abgaben bezahlt, muss die Tunnelbenutzung für Arbeiter frei sein.“ So einfach war
das damals.
Das Interesse an dieser besonderen Baustelle in Deutschland war damals riesig.
Sogar Seine Majestät Kaiser Wilhelm II.
besichtigte 1910 das Bauwerk. Am Ende
kostete der Tunnelbau, bei dem 4.400 Bauarbeiter eingesetzt wurden, rund 10,7 Millionen Goldmark.
Wahrzeichen der
Ingenieurbaukunst
dem Flussbett lag damals eine nur drei
Meter dicke Schlickschicht.
Beim Tunnelbau kam es zu über 100 Druckluftunfällen. Das führte 1908 sogar zu einem Streik der Arbeiter. Im Januar 1909
wurde auf Druck der Öffentlichkeit der
Mediziner Dr. Bornstein eingestellt, um
die Sicherheit bei den Druckluftarbeiten
zu verbessern. Dieser setzte sogar Hunde
als Versuchstiere ein und gewann dabei
wichtige grundlegende Erkenntnisse für
Druckluftarbeiten. Die Arbeit unter einem
ständigen Luftüberdruck war beschwerlich
und erforderte einen anschließenden Aufenthalt der Beschäftigten in einer Dekompressionskammer.
Ein Tunnel mit Aufzügen
Oben: Christian Weber (r.),
Geschäftsführer von HC Hagemann,
und Victor Gozens, Bauleiter von
HC Hagemann, kennen die Probleme
bei der Sanierung des Alten Elbtunnels ganz genau. Unten: Durch die
Druckluftbelastung mussten die Arbeiter damals nach dem Ausschleusen noch mit Sauerstoff behandelt
werden, um der sogenannten Taucherkrankheit vorzubeugen.
Dieser Tunnel hatte allerdings eine Besonderheit, er hatte keine Zufahrtsrampen. Stattdessen wurden in den beiden
Zugangsbauwerken in Steinwerder und
St. Pauli je Uferseite sechs Aufzüge mit
einer Tragfähigkeit von bis zu 10 Tonnen
eingebaut. Fußgänger, Fahrräder und
Autos werden damit auch heute noch bis
auf die Tunnelebene befördert und wieder nach oben. Im letzten Jahr benutzten
1,2 Millionen Fußgänger und Radfahrer
diesen Tunnel im Einbahnverkehr sowie
121.000 Autos.
„Dieses Tunnel-Bauwerk ist so einmalig,
dass es 2011 sogar mit dem Titel ‚Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland‘ ausgezeichnet
wurde“, erklärt Bauleiter Victor Gozens
vom Hamburger Bauunternehmen HC Hagemann GmbH & Co.KG. Der 35-jährige
Holländer ist als Bauleiter für die Abwicklung der Sanierung verantwortlich, die
von einer Arbeitsgemeinschaft gemeinsam mit der Ed. Züblin AG durchgeführt
wird. Von der Leistung der damaligen
Bauleute ist Gozens tief beeindruckt.
„Kaum zu glauben, was die Kollegen damals in nur vier Jahren Bauzeit fertiggestellt haben.“
Seit der Inbetriebnahme hat der Alte Elbtunnel viel mitgemacht. So wurden verschiedenste Umbauten in den Zugangsbauwerken vorgenommen. Im letzten
Krieg wurden die Eingangsgebäude und
der Tunnel beschädigt. Damals diente die
Röhre vielen Hamburgern auch als Luftschutzbunker. Später wurde die Elbe wegen der größeren Schiffe vertieft und der
Tunnel musste mit einer Betonabdeckung
gegen Auftrieb gesichert werden. All diese
Einflüsse haben dem Bauwerk zugesetzt.
Nach über 100 Jahren lässt die Dichtigkeit
der alten Stahltübbinge mit ihren Bleifugen langsam nach und einige Fliesen sind
schon herabgefallen. Eine Sanierung war
dringend geboten.
BG BAU aktuell 2_2015
Überraschungen bei Sanierung
Die Hafenverwaltung Hamburg Port
Authority (HPA) erteilt als Betreiberin des
Alten Elbtunnels alle Aufträge für die Instandhaltungsarbeiten und überwacht
sie. Doch zunächst gab sie nur grünes
Licht für die Sanierung der Oströhre und
ein Eingangsgebäude. Zuerst wurde das
Schachtgebäude St. Pauli saniert. Dort
wurden insbesondere die Stahlkonstruktion, Natursteinfassade, Eindeckung und
Fenster nach historischem Vorbild instand
gesetzt. Dann kam der Tunnel dran. Doch
hier waren die tatsächlichen Schäden gravierender, als man es bei der Ausschreibung angesetzt hatte. Die Tübbinge und
Leitungen waren viel stärker durch Korrosion geschädigt, als man erwartet hatte, ebenso die Bleifugen. Nach und nach
wurden weitere Durchfeuchtungsschäden
entdeckt und vieles andere.
Röhre gegen Aufschwimmen
gesichert
Ziel der Sanierung ist es, alle Schäden zu
beseitigen, die Substanz zu verbessern und
die Tunnelsicherheit zu erhöhen. Dabei
sollen in jeder Bauphase die Sicherheit
der Beschäftigten und die Anforderungen des Denkmalschutzes gewährleistet
sein. Zunächst wurden die alten keramischen Ornamente und Reliefs im Tunnel
gesichert, um sie später wieder einzubauen. Dann erfolgte eine Außen- und Innenballastierung des Tunnels mit Steinen und
Stahlplatten, um ein „Aufschwimmen“ des
Tunnels durch das reduzierte Eigengewicht
zu verhindern.
Danach konnte die Innenschale bis an die
Stahltübbinge heran entfernt werden. Diese wurden dann mit einem Hochdruckwasserverfahren gereinigt und der Austausch
von 10.700 Metern Bleifugen konnte beginnen. Ebenso wurden tausende alte, marode Nieten durch Schrauben ersetzt. Die
Fugen zwischen den Tübbingen wurden –
historisch getreu – mit frischer Bleiwolle
versehen, die dort mit Spezialhämmern
eingetrieben wurde.
Erhebliche Bleikontaminierung
Bei den Abbrucharbeiten wurde nach ersten Messungen sehr schnell deutlich, dass
eine hohe Schadstoffbelastung durch Blei
vorlag. Daher mussten sofort Schutzmaß-
Im Blick
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37
nahmen für die Beschäftigten eingeleitet
werden, beispielsweise Schwarz-WeißBereiche eingerichtet und Einweganzüge
sowie Atemschutzgeräte zur Verfügung
gestellt werden. Anfangs wurde noch mit
filtrierenden Filterhalbmasken gearbeitet.
Doch die Arbeit damit war anstrengend
und immer wieder waren Maskenpausen
erforderlich. Später wurden Atemschutzhauben verwendet, die von den Beschäftigten wegen der geringeren Belastung bevorzugt wurden.
Regelmäßig waren die BG BAU und das
Hamburger Amt für Arbeitsschutz auf der
Baustelle, um die Sicherheit der Beschäftigten zu überprüfen. Im Rahmen eines
Biomonitorings wurden den Beschäftigten regelmäßig Blutproben entnommen. So
konnte kontrolliert werden, ob die Schutzmaßnahmen auch sicher funktionierten.
„Wir mussten unsere Mitarbeiter fortlaufend informieren, warum diese Blutuntersuchungen nötig waren“, erinnert sich Geschäftsführer Weber.
Finanzielle Unterstützung
vom Bund
Die Tübbinge wurden mit Spritzbeton bis
an den Rand der inneren Flansche aufgefüllt. Eine darauf montierte Drainagematte
soll künftig möglicherweise eindringendes
Sickerwasser gezielt abführen. Dann wurde das Innere der Tunnelröhre mit einer
neuen 25-40 cm dicken Betonschale versehen. In eine Spezialschalung, montiert
auf einem 12 Meter langen Schalwagen,
brachte man selbstverdichtenden Beton
ein, der nach dem Aushärten die Röhre
stabilisiert. Danach wurden von einem
tunnelgerechten Rollgerüst aus die Fliesen
verlegt. Dabei werden so viele alte Fliesen
und Reliefs wie möglich verwendet, damit
der historische Charakter des Tunnels erhalten bleibt. Anschließend soll noch die
alte PAK-belastete Fahrbahn ausgetauscht
werden, die Tübbinge im unteren Bereich
saniert und ein neuer Kabelkanal eingebaut werden.
Eine gute Nachricht kam kürzlich aus Berlin: Der Bund wird sich zur Hälfte an der Sanierung des weltweit einmaligen Baudenkmals beteiligen. Damit ist die Finanzierung
des Gesamtprojektes gesichert und bis 2019
soll auch die zweite Röhre saniert sein.
Oben: Mit Spritzbeton wurden die Flansche aufgefüllt.
Mitte: Bei allen Arbeiten mit
Blei mussten die Beschäftigten Einweganzüge und
Atemschutzgeräte tragen.
Unten: Arbeiten an der Gewölbeschalung.
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Infomedien
BG BAU aktuell 2_2015
ROHRLEITUNGSBAU
Die bisherige Berufsgenossenschaftliche Regel (BGR) 236 Rohrleitungsbauarbeiten wurde in eine DGUV-Information überführt. Hintergrund dafür
ist die Neustrukturierung des DGUVVorschriften- und Regelwerkes. Die
Struktur der BGR wurde übernommen
Rohrleitungsbauarbeiten
und an die technische Entwicklung
angepasst. Anpassungen gab es im
Bereich der Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit sowie im Anhang 2 „Gefährdungsbeurteilung“.
EBE
MASSNAHMEN ZUM SCHUTZ
GEGEN ABSTURZ
201-052
DGUV Information 201-052
Januar 2015
Abruf-Nr.: DGUV Information 201-052
„MÄNNER IM BETRIEB(S)ZUSTAND“
Die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 „Schutz vor Absturz und
herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen“ wurde im
April 2014 um „Abweichende/ergänzende Anforderungen für Baustellen“
ergänzt. Die im DGUV Fachbereich
Maßnahmen zum
Schutz gegen Absturz
Bauwesen erarbeitete Informationsbei Bauarbeiten
schrift „Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz bei Bauarbeiten“ greift
die Bestimmungen der genannten Technischen Regel auf und
dient dem Unternehmer als Handlungshilfe zur Durchführung
der stets notwendigen Gefährdungsbeurteilung. In der Schrift
werden dazu auch Anwendungs- und Praxisbeispiele aufgezeigt, bei denen Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz im
begründeten Einzelfall nicht oder nicht durchgängig realisiert
werden können.
MSC
201-057
DGUV Information 201-057
Januar 2015
Abruf-Nr.: DGUV Information 201-057
Männer sterben rund sechs Jahre
früher als Frauen und leiden fast
doppelt so häufig unter chronischen Erkrankungen. Sie kümmern
sich nachweislich viel weniger um
die eigene Gesundheit als Frauen
und sind nur schwer für Präventionsangebote zu begeistern. In dem
neuen Praxisratgeber zur Männergesundheit zeigt der Arbeitsmediziner Dr. Peter Kölln, wie Männer
gezielt und effektiv für das Thema sensibilisiert werden können. Dabei kommen 55 Experten aus Psychologie und Gesundheitswissenschaften zu Wort und geben Empfehlungen aus
unterschiedlichen Perspektiven. Der Umgang mit dem eigenen Körper, die erhöhte Risikobereitschaft und Unfallgefahr
im Berufsleben und der Raubbau am eigenen Körper sind nur
einige der Themen. Viele Beispiele aus der betrieblichen Praxis runden das Spektrum ab.
Peter Kölln, Männer im Betrieb(s)Zustand, Der Praxisratgeber
zur Männergesundheit, Universum Verlag Wiesbaden, 2014,
403 Seiten, 39,00 Euro, ISBN 978-3-898869-412-4
BENUTZUNG VON GEHÖRSCHUTZ
Auf Baustellen lässt sich Lärm oft
nicht vermeiden. Deshalb ist geeigneter Gehörschutz meist unentbehrlich. Sobald der Lärmpegel am Arbeitsplatz den Wert von 80 Dezibel
übersteigt, müssen Betriebe Gehörschutz bereitstellen. Ab 85 Dezibel
Benutzung von Gehörschutz
sind die Arbeitnehmer verpflichtet,
den Gehörschutz zu tragen. Die jetzt
aktualisierte DGUV Regel 112-194,
„Benutzung von Gehörschutz“, informiert über verschiedene Arten von Gehörschutz, die Auswahlkriterien, die richtige Nutzung bis hin zu Tragedauer und Pflege. Auch über die
Kombination von mehreren Persönlichen Schutzausrüstungen, die Unterweisung und die arbeitsmedizinische Vorsorge
informiert die Broschüre.
MSC
112-194
DGUV Regel 112-194
Mai 2011 aktualisierte Fassung Januar 2015
Abruf-Nr.: DGUV Regel 112-194
BESTELLUNGEN
Alle Printmedien, CDs und DVDs der BG BAU können Sie über unseren Zentralversand unter
Angabe der Abrufnummer direkt bestellen. Unter www.bgbau-medien.de können Sie die Medien
einsehen, bestellen oder herunterladen.
BG BAU – Zentralversand, Landsberger Straße 309, 80687 München
Fax: 0800 6686688-38400, E-Mail: [email protected]
BG BAU aktuell 2_2015
Mit gutem Beispiel
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39
Mit Sicherheit besser sein
Die Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH redet nicht nur
über Arbeitssicherheit, sondern tut auch praktisch viel dafür.
TEXT: Dagmar Sobull
FOTO: Mirko Bartels
D
ie Gesundheit seiner Mitarbeiter ist
für Walter Stuber oberstes Gebot.
Der Geschäftsführer der Gemeinhardt Gerüstbau Service GmbH und sein
Kompagnon Dirk Eckart führen das Unternehmen auf der Grundlage christlicher
Werte. „Die Verantwortung für unsere Mitarbeiter und ihre Familien treibt uns an,
sichere Arbeitsplätze zu schaffen“, sagt
Eckart. So bekomme jeder neue Mitarbeiter
neben einer eintägigen Unterweisung und
einem Handbuch auch eine Grundausstattung der Persönlichen Schutzausrüstung
ausgehändigt.
Große Unterweisung ganz
praktisch
Einmal pro Jahr veranstaltet das rund 50
Mitarbeiter zählende Unternehmen eine
große Unterweisung für alle Beschäftigten gemeinsam. Dabei wird neben theoretischen Kenntnissen auch sehr viel Praxis
vermittelt, beispielsweise die Höhenrettung: „Dann bauen wir auf dem Bauhof
einen Treppenturm auf, von dem aus sich
jemand abseilt, der zu Übungszwecken gerettet werden muss“, erzählt Eckart. Großen Wert legen die beiden Geschäftsführer auch auf regelmäßige Schulungen ihrer
Mitarbeiter. Durchschnittlich 55 Stunden
pro Jahr verbringe jeder Beschäftigte mit
Weiterbildung, sagt Stuber. So seien sämtliche Mitarbeiter als Ersthelfer ausgebildet,
die Hälfte von ihnen habe einen Kettensägenschein und „abgesehen von einem
Lehrling unter 18 Jahren haben alle gewerblichen Mitarbeiter einen Staplerschein“.
Eigeninitiative fördern
Auch die Gesundheit der Beschäftigten ist
den Chefs viel wert. Gymnastische Aktivitäten ihrer Mitarbeiter unterstützen sie mit
bis zu 500 Euro pro Jahr. Wer im Laufe eines
Jahres keine Krankschreibung einreiche,
bekomme eine Prämie von bis zu 800 Euro,
zusätzlich zum Urlaub zwei sogenannte Bonustage für die Gesundheit frei, und jeder
Nichtraucher werde pro Arbeitsstunde mit
einem Gehaltsplus von 0,20 Cent belohnt.
Um die Eigeninitiative der Mitarbeiter zu
fördern, haben die Chefs einen Videowettbewerb ins Leben gerufen. Einmal pro Jahr
werden die besten von Mitarbeitern eingereichten Videos aus dem Arbeitsleben
mit Geldprämien in Höhe von einmal 1.000
und zweimal 500 Euro prämiert. „Mit dem
Wettbewerb wollen wir die Beschäftigten
anregen, sich mit ihrer Arbeit auseinanderzusetzen“, sagt Stuber.
Dass sich das enorme Engagement in Sachen Arbeitssicherheit auch wirtschaftlich
lohnt, davon sind die beiden Geschäftsführer überzeugt. „Wenn ich auf einem ordentlichen Gerüst nur zehn Prozent schneller
arbeiten kann, weil ich keine Störungen im
Bauablauf habe, spart der Auftraggeber bei
einem Auftragsvolumen von einer Million
Euro richtig viel Geld“, gibt Stuber ein Beispiel. „Wir wollen anders sein als andere“,
ergänzt Eckart, „unsere Mitarbeiter sollen
lange bei uns arbeiten und jeden Tag gesund nach Hause gehen.“
Den Geschäftsführern
Walter Stuber (r.) und Dirk
Eckart liegt die Gesundheit ihrer Mitarbeiter am
Herzen. Bei den Gerüstbauern gehört selbstverständlich auch ein
Sicherheitsgeschirr zur
Persönlichen Schutzausrüstung.
Postvertriebsstück ∙ Deutsche Post AG ∙ Entgelt bezahlt ∙ 09478
„Qualitätsarbeit geht
nur mit konsequentem
Arbeitsschutz.“
Markus Leonhardt,
Unternehmer für
Maler-, Ausbau- und
Fassadenarbeiten.
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