„Kölner Bürger gegen Fluglärm eV“ (KBF). Wegen einiger aufwendig

I Inhaltsangabe V ist Vorsitzender der Bürgerinitiative „Kölner Bürger gegen Fluglärm e.V.“ (KBF). Wegen einiger aufwendiger Protestaktionen ist der Verein in finanzielle Schwierigkeiten geraten, die V beheben möchte. Er hat daher eine Spendenaktion ins Leben gerufen, an der sich insgesamt zehn finanzkräftige Bewohner seines Viertels mit Spenden zwischen 200,‐ und 800,‐ Euro beteiligt haben. Die Spender haben sich mit ihrem Namen und ihrer Adresse sowie der Höhe des jeweils geleisteten Betrages in eine Liste eingetragen. V möchte nun beim Bankier B vorsprechen, um auch ihn zu veranlassen, die KBF mit einer großzügigen Spende zu unterstützen. V schreibt daher vor die jeweiligen Beträge in der Liste eine „Eins“, sodass sich die Spendenbeträge um jeweils 1.000,‐ Euro erhöhen. Als V den B besucht, ist dieser zunächst bereit, dem Verein 500,‐ Euro zukommen zu lassen. V legt daraufhin dem B die manipulierte Liste vor. Wie von V erwartet möchte B angesichts der dort ersichtlichen Beträge nicht hinter den anderen Spendern zurückstehen und erhöht seine Spende schließlich auf 1.500,‐ Euro. Danach besucht V den D, der eine kleine Druckerei betreibt und regelmäßig für die Bürgerinitiative Informationsbroschüren und Flyer hergestellt hat. Als D dem V erklärt, dass er der KBF nicht mehr als 100,‐ Euro geben könne, weist ihn der V darauf hin, dass er künftig seine Druckaufträge an D einstellen müsse, falls D sich nicht zu einer höheren Spende bereiterklärt. Da die Geschäfte des D schlecht gehen und er auf die Aufträge der KBF angewiesen ist, übergibt D dem V schließlich einen Spendenbetrag in Höhe von 300,‐ Euro. V sieht die von D geleistete Spende als zu gering an. Als D für einen Augenblick sein Büro verlässt, blickt sich daher V im Raum nach Gegenständen um, die er eventuell an sich nehmen und zugunsten der KBF verwerten kann. Zunächst steckt er einen mit Edelsteinen besetzten und mit einer scharfen, 20 cm langen Klinge ausgestatteten Dolch ein, der zu Dekorationszwecken an der Wand hängt. Dann entdeckt V auf dem Schreibtisch den Schlüssel für den im Büro befindlichen Tresor des D. V vermutet, dass D dort sein Bargeld aufbewahrt. Er ergreift den Schlüssel und öffnet den verschlossenen Safe. V findet dort aber neben ihm wertlos erscheinenden Papieren nur einen Schuldschein für eine Darlehensforderung zugunsten des D in Höhe von 5.000,‐ Euro. V steckt den Schuldschein ein und verlässt eilig das Büro. Zuhause zeigt V seiner Ehefrau F den Schuldschein und erzählt ihr, wie er an das Papier des D gekommen ist. V bittet die F, sich bei ihrer Bank danach zu erkundigen, ob der Schuldschein von ihm, dem V, zugunsten der KBF verwertet werden könne. F erklärt sich bereit, bei der Bank anzurufen, erhält dort aber keine Auskunft. Demzufolge gerät das Papier bei V und F in Vergessenheit. Wie ist das Verhalten von V und F strafrechtlich zu beurteilen ? Eventuell erforderliche Strafanträge sind gestellt. II Literatur‐ und Abkürzungsverzeichnis Arzt, Gunther Brockhaus, Matthias Deutscher, Jörg Freund, Georg Gerhold, Thomas Herzberg, Rolf Joecks, Wolfgang Kindhäuser, Urs Kühl, Kristian Küpper, Georg Laufhütte, Heinrich Maurach, Reinhart Aufsätze Strafrecht Besonderer Teil 2000 (zitiert als: Arzt‐Weber BT) Die Urkundenfälschung und die Straflosigkeit der „schriftlichen Lüge“; Ein Erklärungsversuch aus historischer Sicht bis zum Reichsstrafgesetzbuch von 1871, Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik 2008 (zitiert als: Brockhaus ZIS 2008) Soziale Zweckverfehlung beim Spendenbetrug, Juristische Schulung 1995 (zitiert als: Deutscher JuS 1996) Grundfälle zu den Urkundendelikten Teil 1 und 2, Juristische Schulung 1993 bis 1994 (zitiert als: Freund JuS 1993/ Freund JuS 1994) Zweckverfehlung und Vermögensschaden, Schriften zum Strafrecht Heft 77 1988 (zitiert als: Gerhold) Bewusste Selbstschädigung beim Betrug, Monatszeitschrift für das deutsche Recht 1972 (zitiert als: Herzberg MDR 1972) Münchener Kommentar zum StGB 2006 (zitiert als: MK Bearbeiter) Sonderfragen des Betrugs (§ 263 StGB), Juristische Schulung 2006 (zitiert als: Kindhäuser JuS 2006) Strafgesetzbuch 26. Auflage 2007 (zitiert als: Lackner/Kühl Bearbeiter) Subjektiver Schadenseinschlag und Zweckverfehlung beim Betrug, Juristische Schulung 1992 (zitiert als: Küpper JuS 1992) Leipziger Kommentar zum StGB 12. Auflage 2008 (zitiert als: LK Bearbeiter) Die strafrechtliche Beurteilung des unberechtigten Erwerbs von Volkswagenaktien, Neue juristische Wochenschrift 1962 (zitiert als: Maurach NJW 1961) III Puppe, Ingeborg Rheineck, Renate Roxin, Claus Die neue Rechtsprechung zu den Fälschungsdelikten, Juristenzeitung 1991 (zitiert als: Puppe JZ 1991) Verwerflichkeit und Sittenwidrigkeit als unrechtsbegründende Merkmale im Strafrecht, Juristische Schulung 1964 (zitiert als: Roxin JuS 1964) Rudolphi, Hans‐Joachim Anmerkung zu BGH v. 10.11.1994 – 4 StR 331/94 (zitiert als: Rudolphi NStZ 1995) Schmoller, Kurt Schönke, Adolf Volk, Klaus Fälschungsbegriff und Geistigkeitstheorie 1979 (Zitiert als: Rheineck) Betrug bei bewusst unentgeltlichen Leistungen, Juristenzeitung 1991 (zitiert als: Schmoller JZ 1991) Kommentar zum Strafgesetzbuch 27. Auflage 2006 (zitiert als: Sch‐Sch Bearbeiter) Nötigung durch Drohung mit Unterlassen, Juristische Rundschau 1981 (zitiert als: Volk JR 1981) Alle Paragraphen, die ohne Zusatz stehen, sind dem Strafgesetzbuch Deutschland entnommen. Bei den übrigen Abkürzungen wird Kirchner/Butz gefolgt. IV Inhaltsverzeichnis Strafbarkeit des V Handlungsabschnitt: V und der Bankier B A. Urkundenfälschung § 267.......................................................................................................... 1 I.
Objektiver Tatbestand................................................................................................... 1 1. Der intendierte Rechtsgüterschutz......................................................................... 1 2. Urkundenbegriff...................................................................................................... 2 a) Verkörperte Gedankenerklärung............................................................... 2 b) Zum Beweis geeignet und bestimmt............................................................ 3 c) Aussteller erkennen lassen.......................................................................... 4 3. Tathandlung.............................................................................................................. 5 a) Unechte Urkunde......................................................................................... 5 b) Var.2 : Verfälschen einer echten Urkunde................................................... 6 c) Var. 1 und Var. 3........................................................................................... 6 II.
Subjektiver Tatbestand.................................................................................................... 7 III.
Rechtswidrigkeit und Schuld............................................................................................ 7 B. Betrug § 263................................................................................................................................. 8 I.
Objektiver Tatbestand..................................................................................................... 8 1. Vermögensschaden................................................................................................... 8 a) Berechnung des Vermögensschadens/der Kompensation........................... 9 i) Fallgruppe: Spendenfälle/ (un)bewusste Selbstschädigung............ 9 Handlungsabschnitt: V und der Druckereibetreiber D A. Erpressung § 253.......................................................................................................................... 12 I.
Objektiver Tatbestand..................................................................................................... 12 1. Tathandlung.............................................................................................................. 13 a) Drohung mit einem Unterlassen................................................................... 13 i) Zweck‐Mittel‐Relation...................................................................... 15 B. Hausfriedensbruch § 123............................................................................................................. 16 I.
Objektiver Tatbestand..................................................................................................... 16 C. Diebstahl § 242............................................................................................................................. 16 I.
Objektiver Tatbestand..................................................................................................... 16 II.
Subjektiver Tatbestand.................................................................................................... 17 III.
Rechtswidrigkeit und Schuld............................................................................................ 17 D. Schwerer Diebstahl §§ 242, 243 I Nr.2........................................................................................ 18 I.
Objektiver Tatbestand..................................................................................................... 18 II.
Subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld.................................................... 18 III.
Regelfallbeispiel § 243 I Nr.2........................................................................................... 19 Handlungsabschnitt: V und seine Frau F Strafbarkeit der F A. Beihilfe zum Diebstahl §§ 242, 27............................................................................................... 20 B. Begünstigung § 257...................................................................................................................... 21 I.
Objektiver Tatbestand..................................................................................................... 21 1. Hilfeleisten................................................................................................................. 21 C. Strafvereitelung § 258.................................................................................................................. 22 D. Hehlerei § 259.............................................................................................................................. 23 I.
Objektiver Tatbestand..................................................................................................... 23 1. Absetzenhelfen.......................................................................................................... 23 1 Strafbarkeit des V Die KBF ist ein eingetragener Verein und als solcher eine Körperschaft des Privatrechts. Sie nimmt keine Tätigkeiten der öffentlichen Verwaltung wahr, sondern basiert allein auf einem Selbsthilferecht der Gemeinschaft. Daher ist V kein Amtstäger iSd § 11 I Nr.2 und es kommen keine Amtsträgerdelikte, insbesondere Tatbestandsqualifikationen in Betracht. Handlungsabschnitt: V und der Bankier B A. Urkundenfälschung § 267 Indem V die Spendenbeträge auf dem Zettel erhöht hat, könnte er sich nach § 267 strafbar gemacht haben. I.
Objektiver Tatbestand Hierfür müsste er zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde hergestellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte bzw. verfälschte Urkunde gebraucht haben. 1. Der intendierte Rechtsgüterschutz Als die allen Urkundendelikten gemeinsame Schutzintention wird auf einer relativ hohen Abstraktionsebene im Allgemeinen „die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs mit Urkunden, technischen Aufzeichnungen und Daten als Beweismitteln“ genannt.1 Doch bedarf diese Definition einer Spezifikation und Konkretisierung, ausgehend von den tatbestandlichen Besonderheiten des einschlägigen Lebenssachverhalts. 2 Für § 267 allgemein anerkanntes Rechtsgut wird speziell das Interesse an richtiger Zuschreibung verstanden. D.h. der durch das Verbot der Urkundenfälschung intendierte Rechtsgüterschutz zielt übergreifend auf den Schutz der Orientierungssichereit in Bezug auf einen in jeder Hinsicht einwandfreien Indikator des wahren Ausstellerwillens. 3 Es geht also um das Interesse der „aktiven und passiven“ Teilnehmer des Rechtsverkehrs an richtiger Zuschreibung (= Identität), wodurch neben 1 Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 Rn. 1 2 Freund JuS 1993, 731 3 Freund JuS 1993, 731 (739); Puppe JZ 1991, 551 (552) 2 dem Allgemeininteresse auch Individualinteressen geschützt werden.4 Es wird im Folgenden noch zu klären sein, ob V durch sein spezifisches Handeln und in Bezug auf die Interessen des B strafrechtlich gehandelt hat iSd § 267. 2. Urkundenbegriff Zunächst müsste der Spendenzettel unabhängig von seiner Echtheit eine Urkunde iSd § 267 darstellen. Eine Urkunde ist die verkörperte Gedankenerklärung, die geeignet und bestimmt ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen und ihren Aussteller erkennen lässt.5 a) Verkörperte Gedankenerklärung Die Gedankenerklärung dient der Abgrenzung zu bloßen Augenscheinsobjektiven, wie etwa Fußspuren oder Blutflecken, da in ihr menschliche Gedanken erkannt werden können. 6 Die Erklärung muss einen Inhalt haben, der über die bloße Aufzählung der Identitätsmerkmale ihres Ausstellers hinausgeht (Visitenkarte). 7 Vorliegend befand sich neben den Daten des Spender vor allem auch ihr Spendenbetrag, der sozusagen Kernaussage der Zettels war. Demnach liegt eine Gedankenerklärung vor. Verkörpert ist eine Gedankenerklärung jedenfalls dann, wenn die Willensäußerung stofflich‐fixiert niedergeschrieben wurde und visuell‐wahrnehmbar 8
(Perpetuierungsfunktion).
An die Dauerhaftigkeit solcher Verkörperungen werden grundsätzlich keine allzu strengen Anforderungen gestellt, sie ist jedenfalls bei einer älteren strengeren Ansicht bei einem Schriftstück gegeben.9 Aus der Perspektive derjenigen, dessen Irreführung vermieden werden soll (s.o.), muss sich also ein eindeutiger Erklärungswille ergeben. 10 Im vorliegenden Fall schrieben die Spender für alle Dritten gut lesbar ihre 4 Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 Rn.1 5 Freund JuS 1993, 1016 (1017); Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 Rn.2; BGHSt 16, 96 6 Arzt/Weber BT S. 714; Lackner/Kühl § 267 Rn. 4; Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 Rn. 4 7 Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 Rn. 5 8 BGHSt 5, 75, 79; 34, 375; Köln NJW 83, 769 9 Arzt‐Weber BT S. 715 10 Freund JuS 1993, 1016 (1017) 3 Namen, Adressen und Spendenbeträge auf ein insoweit stoffliches Papier. Daher liegt eine verkörperte Gedankenerklärung vor. b) Zum Beweis geeignet und bestimmt Dieser Zettel müsste auch zum Beweis geeignet und bestimmt sein (Beweisfunktion).11 Die Beweiseignung bestimmt sich objektiv und ist nach allgemeiner Auffassung in nahezu jeder verkörperten Gedankenerklärung inhärent. Lediglich auffallend schlechte Fälschungen seien hier rausgenommen. 12 Allerdings besteht zur Nutzung dieser Beweiseignung häufig nicht der geringste Anlass. Deshalb ist es sinnvoll, die Manipulation einer verkörperten Gedankenerklärung erst dann zu bestrafen, wenn zur Beweiseignung die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Beweisanlasses hinzutritt. Dieses Erfordernis des Beweisanlasses ist der wahre Kern des gängigen Merkmals der „Beweisbestimmung“. 13 Man unterscheidet gemeinhin zwischen drei Urkundenarten, die ihre Differenzierung gerade bei der Beweisbestimmung erfahren. Bei der Absichtsurkunde besteht bereits bei der Abgabe der Willensäußerung hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beweisanlass eintreten wird. Paradigma ist das Testament. Bei einer Deliktsurkunde handelt es sich um Schriftstücke, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen, z.B. einen beleidigenden Brief (§ 158).14 Es ist jedoch möglich, dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Beweisanlasses zunächst fehlt (z.B. bei Postkarten), aber später hinzutritt, nämlich dann etwa, wenn sich jemand auf dieses Schriftstück beruft. Hierfür ist es nicht einmal erforderlich, dass die Indikationsleistung, also die Beweisbedeutung, erst im Rahmen eines Prozesses zum Tragen kommt (Zufallsurkunde).15 11 Freund JuS 1993, 1016 (1019); Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 Rn. 8; BGH GA 70, 193 12 Freund JuS 1993, 1016 (1019); Lackner/Kühl § 267 Rn. 12; Bay NStZ‐RR 98, 331 13 Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 Rn.14; RGSt 67, 91; 233, 433; LK Gribbohm § 267 Rn. 63 14 LK Gribbohm § 267 Rn. 69 15 Freund JuS 1993 1016 (1020); BGHSt 3, 82; 13, 235; 17, 297 4 Vorliegend haben sich die Spender mit ihrem Namen und ihrer Adresse sowie der Höhe des jeweils geleisteten Betrages in die Liste eingetragen. Ob sie den Betrag bereits bei Eintragung in die Liste verrichtet haben, oder zusagten, den Betrag später zu überweisen, steht nicht im Sachverhalt. Allerdings dient diese Protokollierung des Spendenvorgangs in jedem Fall rechtserheblichen Umständen, d.h. den Spendern kam es gerade darauf an, ihre Beteiligung für einen späteren Beweisanlass zu dokumentieren. Mithin wäre der Spendenzettel als Absichtsurkunde zu klassifizieren. Selbst wenn man dies verneinen würde, etwa weil die Spender ungenannt bleiben möchten, oder weil sie sich hinterher von den Spenden distanzieren wollen, so handelt es sich in jedem Fall um eine Zufallsurkunde. V hat spätestens mit dem Vorzeigen der Liste bei B die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Beweisanlasses gesetzt, da B sich in einem späteren Prozess, etwa nachdem er die Spende nach §§ 119 ff. BGB angefochten hat, auf genau diese Liste berufen könnte. c) Aussteller erkennen lassen Ferner müsste die Urkunde noch den Aussteller erkennen lassen (Garantiefunktion). Der Aussteller muss ausdrücklich aus dem Schriftstück hervorgehen oder sonst zumindest erkennbar sein. 16 Über den alten Streit des Ausstellerbegriffs existiert mittlerweile Einigkeit. Eine ältere Auffassung vertrat die sogenannte Körperlichkeitstheorie, wonach Aussteller derjenige ist, der die Erklärung körperlich herstellt. 17 Diese Theorie ist mittlerweile überholt. Die herrschende Meinung vertritt die sog. Geistlichkeitstheorie. Demnach ist Aussteller derjenige, von dem die verkörperte Erklärung geistig herrührt, bzw. derjenige, der sie sich nach der Verkehrsauffassung zurechnen lassen muss.18 Indem die Spender ihre Namen in die Liste eingetragen haben, sind sie auch nach der engeren Körperlichkeitstheorie jeder für sich Aussteller iSd § 267 geworden. Das der Betrag nachträglich verändert wurde, oder die (nicht näher bekannte) 16 Freund Jus 1993, 1016 (1020); Köln NJW 2002, 528 17 Rheineck S. 20 18 Freund Jus 1993, 1016 (1021); Rheineck S. 22; Sch‐Sch Cramer/Hein § 267 Rn. 16; BGHSt 13, 382 (385); Koblenz NJW 95, 1625 (1626) 5 Vermutung, dass V zumindest seinen Verein oder den Zweck auf dem Zettel vermerkt hat und daher eine Art Rahmen konstruierte, spielt keine Rolle, denn es zählt zunächst (wie oben bereits dargestellt) die Frage nach der Zurechenbarkeit und zwar ausgehend vom Erkenntnishorizont desjenigen, dessen Täuschung vermieden werden soll. Mithin genügt der Spendenzettel den formalen Voraussetzungen einer strafrechtlichen Urkunde. 3. Tathandlung Die drei Tatbestandsalternativen des § 267 reduzieren sich nach allg. Meinung auf das Herstellen (Var. 1) und das Gebrauchen (Var. 2). 19Die Variante des Verfälschens hat nur dann Bedeutung, wenn der Aussteller selbst seine Gedankenerklärung nachträglich ändert.20 a) Unechte Urkunde Da alle Tathandlungsvarianten der Urkundenfälschung einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt – nämlich die unechte Urkunde – haben, bedarf es zunächst Klärung der Frage, ob der formal als Urkunde geeignete Spendenzettel (s.o.) „unecht“ ist bzw. wurde. Eine unechte Urkunde liegt vor, wenn sie den Anschein erweckt, von einem anderen als ihrem wirklichen Aussteller herzurühren. 21 Vor dem Hintergrund des Rechtsschutzziels des § 167 (s.o.) muss gerade mit den Ausstellern als geistige Urheber die Täuschung begangen worden sein, d.h. ihre Identität muss Angriffspunkt der Täuschung gewesen sein. Dagegen kommt es auf die Richtigkeit des Erklärten nicht an. 22 Dem wäre nicht so, wenn die Erklärung, die aus dem Zettel hervorgeht, (nur) eine sog. „schriftliche Lüge“ ist. Eine schriftliche Lüge liegt immer dann vor, wenn der Inhalt der Willenserklärung zwar unrichtig (also „gelogen“) ist, aber der Aussagende sich zum Aussteller bekennt, d.h. nicht über den Aussteller getäuscht 19 Arzt‐Weber BT S.722 20 Lackner/Kühl § 267 Rn.4; Puppe JZ 1991, 551f. 21 Freund JuS 1994, 30; Arzt/Weber BT 722; Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 Rn. 48 22 BGH 33 159; Düsseldorf wistra 99, 233; Stuttgart NJW 81, 1223; Lackner/Kühl § 267 Rn. 17 6 wird. 23 Sie ist nur ausnahmsweise strafbar im Zusammenhang mit Amtsinhabern, nicht jedoch zwischen Privaten.24 Im Kern geht es also um die Unterscheidung zwischen Echtheits‐ und Wahrheitsschutz. Hierbei stehen beide Möglichkeiten nicht alternativ zueinander, sondern die „Unechtheit“ ist vielmehr ein spezieller Fall der schriftlichen Lüge, da die Unechtheit eine spezielle Lüge über den Aussteller einer regelmäßig implizierten schriftlichen Lüge darstellt. 25 Eine strafbare Handlung der Urkundenfälschung liegt also vor, wenn der Täter gerade auch über die Identität des Ausstellers getäuscht hat. Dies liegt vor, wenn er eine unechte Urkunde hergestellt hat. b) Herstellen einer echten Urkunde Herstellen einer unechten Urkunde bedeutet, dass über die Identität des Ausstellers der Gedankenerklärung getäuscht wird. Die Erklärung stammt in Wirklichkeit nicht von dem, der als Aussteller (scheinbar) erkennbar ist. 26 Dies liegt jedenfalls auch bei jedem unbefugten nachträglichen Verändern des gedanklichen Inhalts der Urkunde vor, wenn die Urkunde den Eindruck erweckt, daß sie von vornherein den ihr nachträglich beigelegten Inhalt hatte.27 V hat die Beträge der Spender nachträglich und ohne Befugnis geändert. Trotzdem wird der Betrag nach dem Horizont des B – welcher maßgeblich ist (s.o.) – den Ausstellern – also den anderen Spendern – zugerechnet und das fälschlicherweise. Der Schutzzweck des § 267 wird gewahrt, da sowohl mit dem Inhalt, der dem Ausstellern zugerechnet werden soll, als auch über die Identität des Ausstellers getäuscht wurde. Es liegt also ein „größeres Unrecht“ vor, als bei einer bloßen inhaltlichen Lüge. Mithin hat V eine unechte Urkunde hergestellt. c) Verfälschen und Gebrauchen Die Variante des Verfälschens hat in den meisten Fällen keinen eigenen Anwendungsbereich (s.o.), sondern geht regelmäßig in dem Akt der 23 Freund JuS 1994, 30; Brockhaus ZIS 2008, 556 24 Brockhaus ZIS 2008, 556 25 Freund JuS 1994, 30 26 Arzt‐Weber BT S. 722 27 Köln VRS 59, 342; Hamm NJW 69, 625; MK Erb § 267 Rn. 183; Freund JuS 1994, 30 (34) 7 Herstellung einer unechten Urkunde auf. So liegt es auch hier vor, da der Spendenzettel zunächst eine echte Urkunde war, welche nachträglich durch V „verfälscht“ wurde, indem er den Betrag zu seinem Vorteil manipuliert hat. Insofern hat sich die Beweisrichtung geändert, wie es typisch ist für die Fälle von Preisetikettenmanipulation, welche hier vergleichbar sind. 28 Gebraucht wird eine unechte Urkunde nach üblichem Verständnis, wenn sie dem zu Täuschenden in der Weise zugänglich gemacht wird, dass er die Möglichkeit der Kenntnisnahme besitzt.29 V hat dem B die Liste direkt vorgelegt und seine Spendenmanipulation unmittelbar eingesetzt. Er hat damit auch die Alt. 3 des § 267 verwirklicht. II.
Subjektiver Tatbestand Neben dem nach den allgemeinen Regeln des § 15 geforderten vorsätzlichen Handelns müsste V auch mit der Absicht gehandelt haben, den Rechtsverkehr zu Täuschen. Dieses Merkmal liegt vor, wenn ein Irrtum über die Echtheit der Urkunde erregt und der Getäuschte durch den gedanklichen Inhalt zu einem rechtlich erheblichen Verhalten bestimmt werden soll. 30 V hatte fest vorgehabt, durch die Erhöhung der Spendenbeträge der anderen, den B zu einem bestimmten rechtserheblichen Verhalten, nämlich dem großzügigen Spenden, zu veranlassen. Mithin hat er absichtlich gehandelt und den subjektiven Tatbestand des § 267 verwirklicht. III.
Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtfertigende oder entschuldigende Gründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere spielen vor dem Hintergrund des Rechtsschutzziels (s.o.) die relativ noblen Absichten des V keine Rolle für die strafrechtliche Beurteilung. Mithin ist V strafbar aus § 267 I Alt. 2. Wegen des einheitlichen Tatgeschehens erfährt auch Alt. 3 keine eigenständige Bedeutung. 28 Freund JuS 1994, 30 (35); OLG Düsseldorf NJW 1982, 2268 29 Freund JuS 1994, 30 (35); BGHSt 36, 64 (65f.); OLG Nürnberg StV 2007, 133‐134 30 Sch‐Sch Cramer/Heine § 267 85; BGH 5, 149; Lackner/Kühl § 267 Rn. 25 8 B. Betrug § 263 V könnte einen Betrug zu Gunsten der KBF und zu Lasten des D begangen haben gem. § 263, indem er den B zur Erhöhung des Spendenbetrags bewegt hat. I.
Objektiver Tatbestand Hierfür müsste er in Bereicherungsabsicht durch eine Täuschungshandlung einen Irrtum erregt haben, der den B zu einer Vermögensverfügung veranlasste, die für diesen einen Vermögensschaden bedeutete. 31 Indem V dem B den manipulierten Spendenzettel vorgezeigt hat, hat er über Tatsachen getäuscht, denn diese Handlung stellt eine ausdrückliche, intellektuelle Einwirkung über konkrete Geschehnisse und Zustände der Gegenwart da. 32 Infolge dieser Täuschung wurde bei dem B auch ein Irrtum erregt, da er die Fehlvorstellung hatte, die anderen Spender auf der Liste hätten Summen jenseits der 1.000,‐ Euro gezahlt. Aufgrund diesen Irrtums, hat B über sein Vermögen verfügt und zwar unmittelbar vermögensmindernd.33 Problematisch ist die Voraussetzung des Vermögensschadens. 1. Vermögensschaden Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der Vergleich der Vermögenslage vor und nach der Verfügung ergibt, dass eine Vermögensminderung vorliegt. 34 Maßgeblich ist eine Saldierung von Vermögensverlusten und Vermögenszuwächsen (Gesamtsaldierung). 35 Ausgehend vom Schutzgut des § 263, ist es irrelevant, ob sich das Opfer aufgrund der Täuschung nur geschädigt fühlt, objektiv aber keine Wertbußen erlitten hat.36 31 Sch‐Sch Cramer § 263 Rn.5 32 OLG Stuttgart NStZ 2003, 554 (555) 33 BGH NStZ 2003, 313 (314); BGHSt 14, 170 (172) 34 BGH NJW 2001, 3718 (3719) 35 BGHSt 3, 102; 16, 321; Sch‐Sch Cramer § 263 Rn.99 36 Lackner/Kühl § 263 Rn. 37 9 Nach diesem objektiv‐individuellen Schadensbegriff fehlt es folglich an einem Schaden, wenn eine vollständige Kompensation vorliegt. Diese Kompensation muss dafür aber in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schadenseintritt stehen. 37 a) Berechnung des Vermögensschadens/der Kompensation Zunächst ist fraglich, ob B überhaupt eine Vermögendsminderung erlitten hat. In den meisten Fällen besteht ein Vermögensschaden in der Weggabe einer Sache oder einer sonstigen Vermögensstück, z.B. Geld. 38 Aus dem Sachverhalt kann nicht entnommen werden, ob B seinen Spendenbetrag bereits vor Ort, d.h. während des Gesprächs mit V, oder erst später bezahlen will. Diese Frage kann aber dahinstehen, da es allgemein anerkannt ist, dass auch eine konkrete Vermögensgefährdung in Form eines sog. Eingehungsbetrug als Schaden iSd § 263 angesehen werden kann.39 Mithin reicht schon die (schriftliche) rechtsverbindliche Zusage, eine Leistung in Zukunft zu erbringen aus. Problematisch ist aber, dass B vorliegend zwar keine Kompensation für seine Vermögensverfügung (= die Spende) erhalten hat, eine solche aber auch nicht beabsichtigte. Diese Fallgruppe der Spenden‐, Bettel‐ und Schenkungsbetrügerein zeichnet sich durch eine bewusste Selbstschädigung aus. i)
Fallgruppe: Spendenfälle/(un)bewusste Selbstschädigung Fraglich ist also, ob der Tatbestand des Betrugs eine unbewusste Selbstschädigung voraussetzt, d.h. ob der Tatbestand voraussetzt, dass dem Opfer der vermögensschädigende Charakter seines Verhaltens verborgen bleibt, oder ob ein Betrug auch dann angenommen werden kann, wenn dem Getäuschten der vermögensschädigende Charakter seines Verhaltens bewusst ist. Hierüber herrscht Streit.40 37 BGH 16 220; NStZ 97, 32; BGH 36, 320 (328); 38, 186 (193) 38 Sch‐Sch Cramer § 263 Rn.125 39 Bay NJW 1999, 663; Stuttgart NJW 2002, 384 40 FS Klug Rudolphi S. 315 ( S. 325 f.); Deutscher JuS 1996, 296 (297) 10 Eine Auffassung bejaht generell eine bewusste Selbstschädigung. 41 Insbesondere die Rechtsprechung vertritt die Ansicht, dass es für die Bejahung eines Vermögensschadens ausreiche, wenn dass Opfer infolge der Täuschung Vermögenswerte weggibt. Auf eine Saldierung der Vermögensverringerung durch andere Vermögenswerte komme es nicht an. Entscheident sei nur, dass das Opfer zu einer Vermögensverfügung veranlasst wurde, welche es bei Kenntnis der tatsächlichen Sachlage nicht vorgenommen hätte. 42 Dagegen wird eingewendet, dass der Betrug ein Vermögensdelikt sei und durch die Bejahung auch von bewussten Selbstschädigungen auch solche Fälle sanktioniert würden, die (nur) die Dispositionsfreiheit beeinträchtigen.43 Diese Dispositionseinschränkung reiche aber nicht aus, vielmehr müssten zusätzliche Umstände hinzutreten, da sonst bloße „Affektionsinteressen“ in den Schutzbereich miteinbezogen würden. 44 Eine andere Auffassung verneint hingegen generell eine bewusste Selbstschädigung.45 Diese ältere Ansicht verneint eine Strafbarkeit in allen Fällen des Bettel‐, Spenden‐ und sonstigen Schenkungsbetrugs, da sie voraussetzt, dass das Opfer sich unbewusst selbst schädigt, da ihm der schädigende Charakter seiner Verfügung verschleiert wird.
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Aus kriminalpolitischen Erwägungen wird gegen diese Auffassung allerdings angeführt, dass es nicht überzeugen könne, wenn jemand im Namen einer humanitären Organisation Spenden sammelt, in Wahrheit jedoch für die eigene Tasche sammelt. 47 Auch wenn einige Vertreter dieser Ansicht einschränkend Subventionsbetrügerein aus dieser Ansicht herausnehmen, diese mithin also doch bestraft wissen wollen, 48 kann über die unbefriedigten Strafbarkeitslücken nicht hinweggedacht werden. Eine dritte Ansicht differenziert mithilfe der sog. „Zweckverfehlungslehre“. Demnach sei ein Vermögensschaden auch dann anzunehmen, wenn die Leistung infolge der Täuschung ihren wirtschaftlich relevanten, objektiven 41 BayObLG NJW 1952, 798; OLG Stuttgart NJW 1971, 632; LG Aachen NJW 1950, 759 42 Schmoller JZ 1991, 117 (118); BGH NJW 1995, 539 (540); 1992, 2167 43 Maiwald NJW 1981, 2780; MK Hefendehl § 263 Rn. 650 44 Schmoller JZ 1991, 117 (118); MK Hefendehl § 263 Rn. 662 45 Maurach NJW 1961, 625 (629); Arzt‐Weber BT S. 514 46 Schmoller JZ 1991, 117 (118); Rudolphi NStZ 1995, 289 47 MK Hefendehl § 263 Rn. 659 48 Arzt‐Weber BT S. 515 11 Zweck verfehle und aus diesem Grund zu einer wirtschaftlich sinnlosen Ausgabe werde. 49 Gegen diese dritte Aufassung existieren jedoch ebenfalls Bedenken. Erstens spricht gegen sie, dass es keine hinreichenden Kriterien für den „objektiven Zweck“ gebe, da eine Vermögensverfügung eigentlich immer aufgrund einer bestimmten subjektiven Zwecksetzung beruhe. So kann jemand auch nur deswegen spenden, weil er sich davon Werbung oder Publicity erhofft, mithin also einen mittelbaren wirtschaftlichen Gegenwert anstrebt.50 Zum anderen komme es zu einer unzulässigen Saldierung von Vermögenswerten mit immateriellen Zwecken, die vor dem Hintergrund der herrschenden Vermögensbegriffen, nämlich dem Wirtschaftlichen und dem Juristisch‐Ökonomischen, keinen Sinn ergebe, denn die Zweckerreichung als solche sei kein Vermögensgegenstand und damit nicht saldierbar.51 Bezogen auf den vorliegenden Fall stellt sich also die Frage, wie die jeweiligen Ansätze entscheiden würden. Vorliegend hat V einen sogenannten Spendenbetrug begangen, indem er über die Höhe der Spendenbeträge der Anderen getäuscht hat und der B infolge dieser Täuschung und aufgrund seines Interesses daran, nicht weniger als die anderen Spender zu zahlen, seine Spende auf 1.500,‐ Euro erhöht hat. Er hätte jedoch in jedem Fall gespendet. Bei Annahme der generellen Verneinung eines Betrugs in den Fällen bewusster Selbstschädigung wäre V straflos. Auch bezüglich der Einwände gegen diese Ansicht ergibt sich nichts anderes, da die angesprochenen kriminalpolitischen Strafbarkeitslücken im vorliegenden Fall keine Bedeutung erfahren, da das „Imponiergehabe“ des B eine tragende Rolle für die Vermögensverfügung gespielt hat. Letztlich wird diese Auffassung auch kaum noch vertreten. Auch bei der vermittelnden, dritten Ansicht bliebe eine Strafbarkeit aus, da die Zweckverfehlungslehre nicht greift. B hat nicht den Zweck seiner Spende verfehlt, da der V sehr wohl den Betrag wie verabredet verwenden will. Insoweit handelt es sich bei den Interessen des B um 49MK Hefendehl § 263 Rn. 665f.; Gerhold S. 20; Sch‐Sch Cramer § 263 Rn. 102; BGH NJW 1992, 2167; BGH NJW 95, 539; Deutscher JuS 1996, 296 (298) 50 Schmoller JZ 1991, 117 (120); Gerhold S. 21 51 Herzberg MDR 1972, 93 (95); Schmoller 1991, 117 (121); Gerhold S. 22 12 bloße, irrelevante „Affektionsinteressen“. 52 Die Kritiker gegen diese dritte Auffassung stammen zumeist aus dem Lager der ersten Theorie, der generellen Bejahung einer bewussten Selbstschädigung. Hier gibt es einen Fall aus dem Jahre 1952, der die gleiche Problematik und die gleiche Konstellation behandelte wie der Ausgangsfall. 53 Dort hat das BayObLG eine Strafbarkeit bejaht. Die herrschende Meinung sieht dieses Ergebnis allerdings als überzogen an. Aufgrund der Privatautonomie im Alltag und dem der freien Marktwirtschaft inhärenten Streben nach wirtschaftlichem Vorteil, kann nicht jedes Mittel, das unlauter erscheint, direkt zu einer Strafbarkeit führen. 54 Auch die neueren Anhänger der ersten Theorie gehen bei derartigen Fällen von einer Straflosigkeit aus, wenn sie dies auch dogmatisch damit begründen, dass es bestimmte Täuschungen gibt, die die alleinige Verantwortlichkeit des Getäuschten für seine Vermögensverfügung unberrührt lassen, da der Getäuschte in diesen Fällen die Vermögensverriungerung allein zu verantworten hat. („Mitläufereffekt“)55 Mithin kommen alle relevanten Meinungen zu dem gleichen Ergebnis, welches für sich auch sachgerecht erscheint. Daher ist ein Vermögensschaden zu verneinen und der objektive Tatbestand des § 263 ist nicht erfüllt. Mithin ist V nicht strafbar gem. § 263. Handlungsabschnitt: V und der Druckereibetreiber D A. Erpressung § 253 V könnte sich strafbar gemacht haben aus § 253, als er den D zur Abgabe eines Spendenbetrugs bewegt hat. I.
Objektiver Tatbestand Hierfür müsste er in Bereicherungsabsicht einen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung genötigt 52 Küpper JuS 1992, 642 (643); Kindhäuser JuS 2006, 590 (593) 53 BayObLG NJW 1952, 758 54 Sch‐Sch Cramer § 263 Rn.104; Gerhold S. 20; Herzberg MDR 1972, 93 55 Schmoller JZ 1991, 117 (129) 13 haben und dadurch dem Vermögen des Genötigten einen Nachteil zugefügt haben. 1. Tathandlung In Betracht kommt eine Nötigung des V. Die Tathandlung der erpresserischen Nötigung des § 253 ist deckungsgleich mit der des § 240. 56
Demnach ist die Drohung das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Ein empfindliches Übel wird dann bejaht, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von einer solchen Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten iS des Täterverlangens zu motivieren. 57 Vorliegend hat V dem D erklärt, dass er künftig seine Druckaufträge einstellen müsse, falls D keinen höheren Spendenbetrag zahlt. Somit hat V mit einem Unterlassen gedroht. Hierbei ist wichtig, dass V, ohne darauf näher eingehen zu müssen, wegen der Privatautonomie rechtlich nicht verpflichtet ist, den Drucker D zu beauftragen. Ob solch ein Verhalten überhaupt eine Drohung iSd § 240 darstellt, ist umstritten. a) Drohung mit Unterlassen Es wird die Frage aufgeworfen, ob hierfür eine Garantenpflicht des Drohenden iS des § 13 notwendig sein soll. Die wohl herrschende Meinung vertritt die sog. Allgemeine Pflichttheorie. 58 Demnach sei eine Drohung mit einer Unterlassung nur dann tatbestandsmäßig, wenn der Drohende rechtlich verpflichtet ist, die entsprechende Handlung vorzunehmen. Denn aus dem Autonomieprinzip folge, dass jeder für die Vornahme einer Handlung einen „Preis“ fordern könne, solange er nicht rechtlich verpflichtet ist, die Handlung vorzunehmen. Liegt keine Handlungspflicht vor, stelle die freiwillige Beseitigung eines Übels ‐ auch unter einer Bedingung ‐ eine Freiheitserweiterung und keine Freiheitsbeschränkung dar. Die sog. Garantenpflichttheorie schränkt die Strafbarkeit noch weiter ein, da 56 Lackner/Kühl § 240 Rn.4; BGH NJW 1983, 765 57 Arzt‐Weber BT S. 236; BGH NStZ 1987, 222 (223); 1982, 287 58 RGSt 14, 264 (265); 63, 424 (425 f.); BGH GA 1960, 277 (278); OLG Hamburg NJW 1980, 2592; Dreher/Tröndle § 240 Rdn. 6a 14 sie sogar eine spezielle Garantenpficht nach § 13 verlangt. 59 Mithin wäre V nicht strafbar aus § 263. Kritik wird einmal daran geübt, dass angeblich nur unter der Bedingung einer rechtlichen Einstandspflicht die Ankündigung, einem anderen einen Nachteil zuzufügen, gleichtgestellt werden könne mit der Ankündigung, die vorgegebenen Verhältnisse nicht zu verändern bzw. zu unterlassen.60 Dies sei aus der Sicht der Kritiker aber sachlich falsch, denn beide Handlungen seien rein sachlich betrachtet gleichwertig, da der Effekt der Drohung in jedem Fall das Opfer unter Druck setzt.61 Außerdem sei die Drohung mit einem Unterlassen im Gegensatz zur Drohung durch Unterlassen ein Begehungsdelikt, sodass die Relation zwischen Garantenstellung und Rechtgut eine andere ist als in der Dogmatik der Unterlassungsdelikte.62 Aus diesem Grund stellt die Verwerflichkeitstheorie auf die Zweck‐Mittel‐
Relation ab.63 Ihr zu Folge ist eine Drohung mit einer Unterlassung auch dann tatbestandsmäßig, wenn den Drohenden keine Handlungspflicht trifft. Entscheidend sei allein die Frage der Verwerflichkeit.64 Für die Nötigung entscheidend sei nicht, was man tun oder unterlassen, sondern womit man drohen dürfe. Andernfalls hinge die Strafbarkeit oft vom Formulierungsgeschick des Täters ab (droht er mit einem Tun oder mit einem Unterlassen?). Auch ein an sich rechtmäßiges Unterlassen könne somit sozialwidrig als Mittel zur Erreichung eines Ziels eingesetzt werden. Kritisiert an dieser Theorie wird aber, dass die Ausdehnung des Tatbestands auf ein Element der Rechtswidrigkeit, nämlich der Verwerflichkeitsprüfung, gegen den Bestimmheitsgrundsatz verstoße. Allerdings wäre eine Streitentscheidung entbehrlich, wenn auch bei einer Überprüfung der Zweck‐Mittel‐Relation gem. § 240 II eine Verwerflichkeit ausgeschlossen werden kann. Dann wäre V in jedem Fall nicht strafbar aus § 253. 59Arzt/Weber BT S.237; SK Horn/Wolters § 240 Rn. 16, 43 f.; Roxin JuS 1964, 373 (377) 60 OLG Hamburg NJW 1980, 2592 (2593) 61 Volk JR 1981, 274 62 Volk JR 1981, 274 63 Hillenkamp, JuS 1994, 767 (770); Lackner/Kühl, § 240 Rn. 14; Sch‐Sch Eser § 240 Rn. 10; BGHSt 31, 195 64 BGHSt 31, 195‐202 15 i)
Zweck‐Mittel‐Relation Das Merkmal der Verwerflichkeit ist bei einem Verhalten des Täters anzunehmen, das einen erhöhten Grad sittlicher Missbilligung unterliegt und als sozial unerträglich eingestuft wird. Hierbei ist eine Erfassung aller wesentlichen Umstände und eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Rechte, Güter und Interessen erforderlich. 65 Es wird eine dreigliedrige Prüfung vorgenommen. Erstens ist nach dem Inhalt der Drohung zu Fragen. Das in Aussicht gestellte Übel muss von solcher Erheblichkeit sein, daß seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren. Dies ist nicht der Fall, wenn von diesem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, daß er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält. 66 Zweitens muss der Täter tatsächlich oder nach den Befürchtungen des Bedrohten Herr des Geschehens sein.67 Letztens muss die Verquickung von Mittel und Zweck nach allen bei der Wertung zu berücksichtigenden Umständen verwerflich sein. 68 Ungeachtet der Zweifelhaftigkeit der ersten beiden Punkte, nämlich die fragwürdige Qualität der „Bedrohung“ für D als auch die tatsächliche Herrschaftslage des V über die wirtschaftlichen Handlungen der KBF, erlaubt die Privatautonomie, wie bereits erwähnt, auch gewisse moralisch fragwürdige Praktiken, solange keine strikten, gesetzlichen Grenzen überschritten werden. Dies muss auch so sein, da sonst eine Ausweitung der Strafbarkeit auf alle erdenklichen geschäftlichen Unternehmungen stattfinden könnte, was für eine freie, liberale Marktwirtschaft untragbar wäre. Das die Geschäfte des D schlecht laufen, kann in diesem besonderen Fall dem V nicht negativ ausgelegt werden, denn sonst wären auch andere strafrechtserhebliche Handlungen denkbar, etwa dass V bei einem Druckauftrag versucht, den D mit dem gleichen Argument ‐ nämlich die Beendigung des Geschäftsverhältnisses ‐ beim Preis zu drücken. Diese marktwirtschaftlich völlig nachvollziehbare Handlung kann offensichtlich nicht strafwürdig sein. Da der D solchen „Bedrohungen“ entgegenstehen 65 LG Neuruppin 2004 Akt.z.: 11 Qs 154/04; BGH MDR 1988,75 66 BGH NStZ 1983, 311 67 BGH NStZ 1983, 311 68 BGH NStZ 1983, 311 16 muss und die geschäftliche Beziehung zwischen V und D ohnehin eine Erweiterung des Handlungsspielraums des D darstellt, fällt die Verwerflichkeitsprüfung negativ aus. Mithin ist die Handlung des V nicht verwerflich und stellt somit in keinem Fall eine strafbare Drohung mit einem Unterlassen iSd § 253 dar. V ist nicht strafbar aus § 253. B. Hausfriedensbruch § 123 Indem V sich in dem Büro des D bei dessen Abwesenheit aufgehalten hat, könnte er sich nach § 123 strafbar gemacht haben. I.
Objektiver Tatbestand Hierfür müsste V ohne Befugnis in den Geschäftsräumen eines anderen verweilt und sich auf die Aufforderung des Berechtigen hin nicht entfernt haben. Das Büro des B ist ein Geschäftsraum iS des § 123. Auch hat V sich in diesem Geschäftsraum aufgehalten. Jedoch bedarf es vorliegend irgendeiner Willensäußerung des Berechtigten, dass der „Eindringling“ sich entfernen soll. 69 Vorliegend ist D nur mal kurz aus dem Büro raus. Mithin liegt kein Fall des Hausfriedensbruchs nach § 123 vor C. Diebstahl § 242 V könnte sich aus § 242 strafbar gemacht haben, indem er den 20cm langen Dolch eingesteckt hat. I.
Objektiver Tatbestand Hierfür müsste er eine fremde bewegliche Sache in Zueignungsabsicht weggenommen haben. Der Dolch ist eine fremde bewegliche Sache. Wegnahme bedeutet der Bruch fremden und die Begründung neuen Gewahrsams.70 Ob überhaupt fremder Gewahrsam besteht, richtet sich nach der Verkehrsauffassung bzw. nach sozial‐normativen Gesichtspunkten.71 Der Dolch befand sich im Büro des D, mithin in dessen 69 Arzt‐Weber S. 195 70 Arzt‐Weber S. 310; MK Schmitz § 242 Rn. 41 71 Arzt‐Weber S. 311; MK Schmitz § 242 Rn. 47 17 Gewahrsamsspähre. Fremder Gewahrsam ist jedenfalls dann gebrochen, wenn er ohne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aufgehoben wird. Neuer Gewahrsam wird jedenfalls dann begründet, wenn der Täter die tatsächliche Sachherrschaft derart erlangt hat, dass ihrer Ausübung keine weiteren Hindernisse mehr entgegenstehen. Vorliegend hat V den Dolch eingesteckt und somit eine Gewahrsamsenklave geschaffen.72 Darüber hinaus hat er ohne Kenntnis des D mitsamt dem Dolch in der Tasche das Büro eilig verlassen. Mithin liegt eine Wegnahme iS des § 242 vor. II.
Subjektiver Tatbestand V hat auch vorsätzlich gehandelt. Darüber hinaus verlangt § 242 eine spezielle Zueignungsabsicht, die aus einer wenigstens vorrübergehende Aneignungskomponente und einer dauerhaften Enteignungskomponente besteht.73 Dass er in der Vorstellung gehandelt hat, den Dolch an sich zu nehmen und zugunsten der KBF zu verwerten, ist unschädlich, da seit dem 6. StrRG 1998 die Drittzueignungsabsicht gesetzlich normiert ist. 74 V hat auch nicht in dem Glauben gehandelt, gerechtfertigt zu sein bzw. einen einredefreien Anspruch auf den Dolch zu haben. Mithin ist der Tatbestand des Diebstahls erfüllt. III.
Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtfertigungs‐ und Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Es kommen keine Regelbeispiele nach § 243 in Betracht, da V sich mit Einverständnis des D bereits im Büro aufgehalten hat und somit keine der in § 243 S.2 Nr.1 genannten Tathandlungen ausgeführt hat. Auch hat er laut mangelnder Angaben im Sachverhalt nicht vorgehabt, eine gewisse Einnahmequelle von einiger Dauer für die KBF zu schaffen. Daher ist V strafbar aus § 242. 72
BGHSt 41, 198 (205); LG Gera NJW 2000, 159 (160) 73 MK Schmitz § 242 Rn. 108 74 Sch‐Sch Eser § 242 Rn. 57; Lackner/Kühl § 242 Rn. 26a; Bundestagsdrucksache 13/8587 S. 43 18 D. Schwerer Diebstahl §§ 242, 243 I S.2 Nr.2 Indem V den Tresor öffnete und den Schuldschein herausgenommen hat, könnte er sich aus § 242 iVm § 243 I S.2 Nr.2 strafbar gemacht haben. I.
Objektiver Tatbestand Hierfür müsste er zunächst eine fremde bewegliche Sache in Zueignungsabsicht weggenommen haben. Bei dem Schuldschein handelt es sich um eine dem D als Forderungsgläubiger gehörende (§ 952 BGB) und folglich für V fremde bewegliche Sache. Diese hat er auch weggenommen. II.
Subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld Bereits der allgemeine Tatbestandsvorsatz ist fraglich, da V einen anderen Inhalt vermutete, nämlich Bargeld, und von dem Schuldschein nichts wusste. Insoweit könnte T einem „Error in objebcto“ unterlegen sein. Allerdings muss nach allgemeiner Auffassung der Vorsatz im Zeitpunkt der Wegnahme vorliegen. 75 Error in objebcto‐Fälle beim Diebstahl gibt es darum nur dann, wenn der Täter bei der Wegnahme das Behältnis der begehrten Sache wegnimmt und dann hinterher beim Öffnen seinen Fehler bemerkt.76 So liegt es aber hier nicht vor. V hat noch bevor er den Schuldschein eingesteckt hat, also vor der eigentlichen Wegnahme (s.o.), sich bereits damit abgefunden, anstatt des vermuteten Geldes den Schuldschein zu entwenden. Mithin hat V vorsätzlich gehandelt. Ebenso hatte er im Zeitpunkt der Wegnahme Zueignungsabsicht. Die sonstigen Voraussetzungen des subjektiven Tatbestands liegen auch vor. Rechtfertigende oder entschuldigende Gründe sind nicht ersichtlich. 75 BGH NStZ 2004, 386 76 BGH NStZ 2008, 155 19 III.
Regelfallbeispiel § 243 I S.2 Nr.2 Fraglich ist, ob V auch das Regelbeispiel des § 243 I S.2 Nr. verwirklicht hat. In objektiver Hinsicht müsste es sich bei dem Tresor um ein verschlossenes Behältnis handeln. Dies ist dann der Fall, wenn das Behältnis der Aufnahme von Sachen dient und nicht dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden. 77 Verschlossen ist es, wenn sein Inhalt durch ein Schloss oder eine sonstige technische oder elektronische Schließvorrichtung gegen einen ordnungswidrigen Zugriff gesichert ist.78 Formal erfüllt der Tresor des D diese Voraussetzungen. § 243 I Nr.2 verlangt sonach, dass der Täter eine die Wegnahme tatsächlich erschwerende Schließvorrichtung, beispielsweise die elektronischen und mechanischen Sicherungen einer Registrierkasse 79 oder eines Tresors überwindet, um das darin befindliche Geld wegzunehmen. Erst die darin zu Tage tretende Entfaltung einer besonderen kriminellen Energie rechtfertigt die erhöhte Strafdrohung des § 243.80 Problematisch ist aber, dass D den Schlüssel zum Tresor offen auf dem Schreibtisch hat liegen lassen. Fraglich ist also, ob der Safe wirklich gegen rechtswidrigen Zugriff gesichert war. In einem vergleichbaren Fall aus dem Jahre 1973 hatte der BGH zu entscheiden, ob eine besondere Schutzvorrichtung überwunden wird, wenn der Täter an der Kurbel, die seitlich an einer Kasse befestigt ist, dreht, um diese zu öffnen. Der BGH hatte dies verneint und der dem Fall zugrundeliegenden Konstruktion bereits die besondere Schutzvorrichtungseigenschaft aberkannt. 81 In einem ähnlich gelagerten Fall aus dem Jahre 1988 befand das OLG Frankfurt jedoch aufgrund der Genese des § 243 I Nr.2, 82 es komme überhaupt nicht darauf an, ob und wie der Dieb die Schutzvorrichtung beseitigt. Entscheident sei die Qualität als besondere Schutzvorschrift, welche jedenfalls dann bejaht wird, wenn das geschlossene Behältnis erst mit Hilfe einer anderen Vorrichtung 77 Arzt‐Weber BT S. 365; 78 Arzt‐Weber BT S. 367; MK Schmitz § 243 Rn. 35 79 OLG Frankfurt NJW 1988, 3028; BGH NJW 1974, 567 80 OLG Hamm JR 1982, 119; OLG Stuttgart NJW 1982, 1659 81 BGH NJW 1974, 567 82 Bundesratsdrucksache 200/82, Seite 403 20 geöffnet werden könne und diese Vorrichtung, etwa in Form eines Schlüssels, nicht direkt am zu öffnenden Objekt, etwa der Kasse, aufzufinden war, also nicht „im Schloss stecke“. 83 Dieser Argumentation ist zu folgen. Im vorliegenden Fall lag der Schlüssel auf dem Schreibtisch. Über die genaue Entfernung zum Tresor und die Ordnung auf dem Schreibtisch, welche ein eventuelles Wühlen des V erforderlich gemacht hätte, steht nichts im Sachverhalt. Trotzdem hat V den Schlüssel benutzt, um einen extra gegen fremden Zugriff gesicherten – verschlossenen – Tresor zu öffnen. Mithin ist das Regelbeispiel erfüllt. Da es sich bei dem Regelbeispiel nach § 243 um eine Strafzumessungsregel handelt, wird der höhere Strafrahmen zwar indiziert durch das Vorliegen eines Regelbeispiels, allerdings kann man bei Vorliegen von strafmildernden Umständen von dieser höheren Strafe absehen, wenn es geboten erscheint. Solche liegen aber nicht vor. V ist strafbar gem. § 242 iVm § 243 I S.2 Nr.2 in Tatmehrheit mit § 242 sowie aus § 267. Die gleichzeitig verwirklichten Unterschlagungen gem. § 246 I treten kraft gesetzlicher Subsidiarität zurück. Handlungsabschnitt: V und seine Frau F Strafbarkeit der F A. Beihilfe zum Diebstahl §§ 242, 27, 25 II F könnte sich, indem sie dem V nach dessen Diebstahl behilflich geworden ist, strafbar gemacht haben gem. §§ 242, 27. Problematisch ist hierbei die Abgrenzung von Begünstigung nach § 257 (s.u.) und Beihilfe an der Vortat im Zeitraum zwischen der Vollendung und der Beendigung der Tat. Dieser Rechtsstreit wäre dann obsolet, wenn das zu beurteilende Verhalten der F erst nach der Beendigungsphase geschehen wäre. 84 Speziell der Diebstahl gem. § 242 ist dann beendet, wenn der Täter die Beute hinreichend gesichert hat. 85Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn er die Sache mit zu 83 OLG Frankfurt NJW 1988, 3028 (3029) 84 BGH NStZ 2008, 152 85 BGHSt 34, 265 (270) 21 sich nach Hause genommen hat. Mithin war der Diebstahl des V schon beendet und F konnte keine Teilnehmerin mehr sein. Sie ist nicht strafbar aus §§ 242, 27. B. Begünstigung § 257 Indem F für den Mann bei der Bank angerufen hat, um sich über die Verwertungsmöglichkeiten des Schuldscheins zu erkundigen, könnte sie sich strafbar gemacht haben aus § 257. I.
Objektiver Tatbestand Hierfür müsste F einem anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in Vorteilssicherungsabsicht Hilfe leisten. Eine Vortat (= der Diebstahl), begangen durch einen anderen (= den V) liegt vor. Diese Vortat ist auch beendet (s.o.). Fraglich ist die Tathandlung. 1. Hilfeleisten Bestritten ist, ob die subjektive Tendenz des Täters, die Vorteile zu sichern, ausreicht, 86 oder ob eine objektive Qualität der Handlung zu fordern ist, sei es eine tatsächliche Verbesserung der Lage des Vortäters, 87
sei es die objektive Eignung der Handlung, den Vortäter günstiger zu stellen.88 Die h.M. sieht in der ersten Aufassung eine kriminalpolitisch überflüssige Ausdehnung des Tatbestandes auf völlig ungefährliche Handlungen. Die Begünstigung setze eine abstrakte Gefahr für das geschützte Restitutionsinteresse voraus, welche nur dann gegeben sei, wenn das Rechtsgut wenigstens objektiv gefährdet ist. 89 Außerdem verlange der Tatbestand auch schon einen tatsächlich objektiv existenten Vorteil aus einer Vortat und nicht bloß subjektive Tendenzen.90 86 RGSt 66, 324 87 RGSt 63, 241; 76, 34; BGHSt 2, 376 88 Lackner/Kühl § 257 Rn. 3; BGHSt 4, 422; BGH NJW 71, 526 89 Sch‐Sch Stree § 257 Rn. 15; Lackner/Kühl § 257 Rn. 16 90 Sch‐Sch Stree § 257 Rn. 15 22 Bei den beiden Varianten der zweiten Aufassung kommt es auf eine Streitentscheidung nicht an, da die (weitere) Ansicht, die eine tatsächliche Besserstellung des Vortäters voraussetzt, im vorliegenden Fall zur Verneinung einer Begünstigung führen würde. V hat den Schuldschein nicht einlösen können. Da F aber im Übrigen sehr wohl mit subjektiver Hilfeleistungstendenz gehandelt hat – sie wusste von der Illegalität des Schuldschein und dem Diebstahl – kommt es darauf an, ob der Anruf der F tatsächlich objektiv geeignet ist, dem V die Vorteile des Diebstahl zu sichern. 91 Dies ist prinzipiell auch dann möglich, wenn der Täter ein sog. Inhaberpapier zur Verwertung bringt, da durch die möglichst rasche Einlösung solcher Papiere der (Vor‐)Täter regelmäßig Schutzmechanismen umgehen kann, die zu Gunsten des Berechtigten eingreifen sollen. Mit fortschreitender Zeit wird es immer wahrscheinlicher, daß das Abhandenkommen des Wertpapiers entdeckt und dann durch eine „Sperre“, durch Aufklärung der bezogenen Bank für die vermutlich mangelnde Berechtigung des Überbringers oder in sonstiger Weise die Auszahlung tatsächlich verhindert wird. Die rechtzeitige Einlösung des Wertpapiers sichert den Vortäter also zugleich gegen die Gefahr, seine Tatbeute wieder zu verlieren. 92 Vorliegend hat F den Schuldschein aber nicht eingelöst, sondern lediglich versucht sich zu erkundigen und selbst dieser Versuch „scheiterte“, da bei der Bank niemand ranging. Auch bei einem Vergleich mit der Kasuistik der Begünstigungsfälle erscheint das Verhalten der F (noch) nicht strafwürdig, da ein vergleichbarer Fall das tatsächliche Abheben von einem gestohlenen Sparbuch voraussetzte und es dem Täter zudem gerade darauf ankam, einer drohenden Kontosperrung zuvorzukommen. 93
Dies kann vorliegend nicht angenommen werden. F hat nicht Hilfe geleistet iSd § 257. Mithin ist F nicht strafbar aus § 257. C. Strafvereitelung § 258 Aufgrund der Exkulpationsvorschrift des § 258 VI kommt eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung nicht in Betracht. 91 MK Cramer § 257 Rn. 16; Sch‐Sch Stree § 257 Rn. 15; BGHSt 4, 221 (225); Arzt‐Weber BT S. 654 92 OLG Zweibrücken BB 1995, 1318; BGHSt. 2, 362; RGLZ 1915, 1383 93 RGSt 39, 236 23 D. Hehlerei § 259 F könnte sich strafbar gemacht haben aus § 259, indem sie bei der Bank angerufen hat, um sich über die Verwertungsmöglichkeiten des Schuldscheins für ihren Mann zu informieren. I.
Objektiver Tatbestand Das setzt voraus, dass sie in Bereicherungsabsicht eine Sache, die ein anderer zuvor gestohlen hat, abgesetzt oder abzusetzen geholfen hat. Da der Schuldschein ein verkörperter Gegenstand ist, der eine Forderung verkörpert, ist er eine Sache iSd § 259. Ferner ist ihr Mann ein anderer, der die Sache gestohlen hat (s.o.). Fraglich ist die Tathandlung 1) Absetzenhelfen In Frage kommt das Absetzenhelfen. Absetzenhelfen bedeutet das im wirtschaftlichen Interesse des Vortäters liegende unselbstständige, in gewisser Weise somit weisungsgebundene Unterstützen des Vortäters bei seinen Absatzbemühungen. 94 Ein Problem, was sowohl die Tatbestandsvariante des Absetzenhelfens als auch des Absetzens betrifft, ist die Frage nach einem Absatzerfolgserfordernis. Hierüber herrscht Streit. Die bisherige Rechtsprechung ist der Auffassung, dass es nicht auf den Erfolg ankomme, sondern dass jede von einem Absatzwillen getragene vorbereitende Tätigkeit genüge, soweit sie geeignet sei, die rechtswidrige Vermögenslage aufrecht zu erhalten. 95 Begründet wird dies mit der Genese des § 259 n.F. 96, wonach der Gesetzgeber den Rechtszustand vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung belassen wollte. Daraus folge, dass 94 BGHSt 27, 45 (48); BGH NJW 1979, 2621 95 LK Ruß § 259 Rn. 21; BGH NJW 1955, 350 (351); BGHSt 22, 206 (207); BGH NJW 1978, 2042 96 Bundestagsdruckssache 7/550, S. 252 (253) 24 das "Absetzenhelfen" des § 259 nF der Absatzhilfe und damit dem "Mitwirken zum Absatz" des § 259 aF entspreche.97 Die h.L. dagegen verlangt einen tatsächlichen Absatz, mit der Folge, das bei Ausbleiben des Absatzerfolgs, (nur) ein Versuch vorliegt. 98 Hierfür spreche der final gefasste Wortlaut des § 259 n.F., denn das Wort "absetzt" verlange mehr als eine auf Absatz gerichtete Tätigkeit, nämlich den Absatz, und wenn das so sei, müsse das auch bei der anderen Alternative "oder absetzen hilft" gelten.99 Dieser Streit könnte jedoch dann obsolet sein, wenn F auch nach der wesentlich weiteren Auffassung der Rechtsprechung bloß straffreie Hilfe bei der Vorbereitung zukünftigen Absetzens geleistet hat. 100 Dies wird jedenfalls dann bejaht, wenn, ohne dass ein Absatzplan bestand, der Helfer die Beute bloß verwahren oder sich bloß über die Absatzmöglichkeiten erkundigen soll. 101 Es kommt für die Abgrenzung zwischen einer ‐ straflosen ‐ Hilfe bei der bloßen Vorbereitung eines Absatzes und einer ‐ strafbaren ‐ versuchten oder vollendeten Absatzhilfe darauf an, ob die Hilfeleistung im Vorfeld eines im Einzelnen noch nicht absehbaren und auch noch nicht konkret geplanten Absatzes erfolgte oder sich in einen bereits festgelegten Absatzplan fördernd einfügte und aus der Sicht des Vortäters den Beginn des Absatzvorganges darstellte. 102 F erfährt zu hause das erste Mal überhaupt von dem Diebstahl und somit auch von eventuellen Absatzmaßnahmen ihrerseits. Auch der V hatte vor oder während der Tatbegehung an eine solche Möglichkeit (mangels anderer Angaben im Sachverhalt) nicht gedacht. Demnach hat F lediglich Hilfe bei einer Vorbereitung eines Absatzes geleistet. Mithin ist eine Streitentscheidung entbehrlich, da F schon nach der strengeren Auffassung der Rechtsprechung keine Absatzhilfe geleistet hat. F ist nicht strafbar aus § 259. F ist straffrei. 97 BGHSt 26, 358 (359) 98 Küper JuS 1975, 633; Blei JA 1975, 450, Sch‐Sch Stree § 259 Rdn. 38 99 OLG Köln NJW 1975, 987 (988) 100 BGH NJW 1989, 1490 101 BGH NStZ 1993, 282 102 BGH NStZ 2008, 152 (153); BGH NJW 1989, 1490