Brustkrebs d - Universitätsspital Basel

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Brustkrebs
«Jede Frau verdient
die bestmögliche Behandlung»
Die Brust prägt die äussere Erscheinung und ist ein Sinnbild für Weiblichkeit und Sexualität. Die Diagnose
Brustkrebs bedeutet für Frauen daher nicht nur eine ernsthafte Erkrankung, sondern auch eine Bedrohung für
ihre weibliche Identität. Doch das Brustzentrum des Tumorzentrums am Universitätsspital Basel geht neue
Wege. Es setzt eine Kombination von Krebs- und ästhetischer Chirurgie ein, die den Frauen eine traumatische
Entstellung erspart. – Ein Interview mit zwei der führenden Experten im Bereich der onkoplastischen Chirurgie.
Dr. pharm. Chantal Schlatter, Apothekerin
Was unterscheidet Ihre Vorgehensweise
vom bisher üblichen Ablauf?
Prof. Schaefer: Früher waren die einzelnen
Behandlungsschritte meist hintereinander
geschaltet. Zuerst wurde der Tumor entfernt, und dann, wenn die Patientin die
Nachbehandlung überstanden hatte,
ging sie zum plastischen Chirurgen, der
die Brust wieder aufgebaut hat.
Soviel ich weiss, kann das
bis zu einem Jahr dauern.
Das ist eine schwierige Zeit
für Betroffene!
PD Dr. Weber: Wenn bei einer
Frau die Brust zuerst entfernt
wird und der Wiederaufbau im
Anschluss an die Chemotherapie und Bestrahlung folgt, kann
das sogar länger als ein Jahr dauern.
Viele Frauen sind mit dieser Situation
nicht zufrieden. Deshalb haben erfolgreiche
Brustkrebsoperationen heutzutage nicht
nur die sichere Entfernung des Krebses,
sondern auch ein sofortiges, ästhetisches
Resultat zum Ziel, weil wir wissen, dass dies
einen grossen Einfluss auf die Zufriedenheit
und Lebensqualität der betroffenen Frauen
hat. Wir erreichen das durch eine gemeinsame Operation mit dem onkologischen
Chirurgen, das ist der Krebschirurg, der den
Brustkrebs behandelt, und dem plastischen
Chirurgen, der für die Ästhetik zuständig ist.
Aus dieser Kombination entstanden ist das
Fachgebiet der onkoplastischen Chirurgie.
Dieses Verfahren lässt sich sowohl bei den
brusterhaltenden Operationen als auch bei
den Brustentfernungen anwenden. Wir arbeiten dabei gemeinsam in einem eigens
dafür geschaffenen Zentrum, dem Brustzentrum innerhalb des Tumorzentrums. In dieser gemeinsamen Struktur werden Absprachen, wie gemeinsame Fallbesprechungen,
später gemeinsame Operationstermine und
vieles mehr in ihrer Effizienz gesteigert, was
den Patientinnen direkt zugutekommt.
Prof. Schaefer: Durch die Zusammenarbeit
von onkologischem und plastischem Chirurgen können wir der Frau eine sogenannte Sofortrekonstruktion bieten, den direkten
Wiederaufbau der Brust, sodass sie die körperliche Entstellung gar nicht erst erlebt.
er nur das erkrankte Stück der Brust, und
der plastische Chirurg formt aus dem restlichen Brustgewebe wieder eine neue, etwas
kleinere, aber von der Form her ästhetisch
ansprechende Brust. Selbst wenn die Brust
komplett entfernt werden muss, können
wir in der gleichen Operation die Brust wiederherstellen. Die Patientin erlebt also nie
das Trauma einer Brustamputation.
Wie muss ich mir das vorstellen? Stehen
dann sowohl der Krebs- als auch der
plastische Chirurg am Operationstisch
der Frau?
Prof. Schaefer: In der Tat. Beide Disziplinen
sind anwesend und können in derselben
Operation hintereinander, teilweise aber
auch überlappend, die Brust sofort wiederherstellen. Kann der Tumorchirurg den
Krebs brusterhaltend operieren, entfernt
Auf welche Weise bauen Sie die Brust
wieder auf? Durch Implantate?
Prof. Schaefer: Seltener. Insbesondere für
einen teilweisen, aber auch für einen kompletten Wiederaufbau verwenden wir überwiegend körpereigenes Gewebe, in der Regel vom Unterbauch, das mikrochirurgisch
transplantiert wird. Damit füllen wir den
entstandenen Leerraum im Hautmantel der
entfernten Brustdrüse auf. Die Bauchdecke
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wird wie bei einer Bauchdeckenstraffung
wieder verschlossen. Auf diese Weise entsteht praktisch fast die gleiche Brust wie
vorher.
Ich habe Fotos von operierten Brustkrebspatientinnen gesehen, und sie
sehen wirklich gut aus!
Prof. Schaefer: Das liegt daran, dass die
Konzepte, die wir als plastische Chirurgen
bei der onkoplastischen Therapie verwenden, aus dem Bereich der Brustverkleinerungs- und den Bruststraffungsoperationen
stammen. Das sind dieselben Techniken,
erfordern aber besonders viel Kreativität,
weil wir immer wieder auf Situationen treffen, die man in einer gesunden Brust nicht
vorfindet. Wenn der Tumor beispielsweise
im oberen Teil der Brust sitzt, ist es sehr anspruchsvoll, das Gewebe aus dem unteren
Teil, der erhalten bleibt, nach oben zu rotieren und wieder neu zu formen.
PD Dr. Weber: Ja, das ist das, was die onkoplastische Chirurgie ausmacht. In der Regel
ist es so: Wenn eine Patientin grosse und
hängende Brüste hat und man auf beiden
Seiten operiert, dann gelingt es häufig,
dass die Patientin nach der Operation deutlich besser aussieht als vorher. Wenn die
Brüste aber klein sind oder man nur ein-
Prof. Dirk Johannes Schaefer, Chefarzt Plastische,
rekonstruktive, ästhetische Chirurgie
und Handchirurgie, Universitätsspital Basel
seitig operiert, dann ist das Ziel der onkoplastischen Chirurgie, die Asymmetrie und
die Deformationen so gering wie möglich
zu halten. Das Ziel ist jedoch in jedem Fall,
dass die Brustkrebspatientin sich mit ihrer
Erscheinung wohlfühlt.
Habe ich richtig verstanden, dass man je
nachdem beide Brüste operiert?
PD Dr. Weber: Ja, es kann sein, dass man aus
ästhetischen Gründen auch die gesunde
Brust operiert, um eine optimale Symmetrie zu erreichen, wenn die Patientin dies
wünscht. Seit Dezember letzten Jahres müssen die Krankenkassen bei einer Brustkrebstherapie auch Operationen an der gesunden
Brust übernehmen, wenn dies nötig ist. Das
zeigt deutlich, dass nun anerkannt wird, dass
die ästhetischen Resultate und damit die
Tumorzentrum:
Gemeinsam
mehr
Chancen.
PD Dr. med. Walter Weber, Leitender Arzt
Brustchirurgie, Leiter Brustzentrum,
Universitätsspital Basel
Patientenzufriedenheit und Lebensqualität
als essenzielles Recht betrachtet werden.
Welche Voraussetzungen müssen für
eine solche onkoplastische Operation mit
Sofortrekonstruktion gegeben sein?
Prof. Schaefer: Die Patientin muss die gesundheitlichen Voraussetzungen mitbringen, um eine längere Operation durchzustehen, und der onkologische Chirurg muss
sich sicher sein, dass er alles entfernt hat.
Bei einer Operation dieser Grössenordnung
entsteht natürlich auch ein grösserer Blutverlust, der von einem erfahrenen Chirurgen minimiert werden kann. Ausserdem ist
es sehr wichtig, dass man gut zusammenarbeitet, möglichst viel parallel in zwei Teams,
um die Operationszeit so kurz wie möglich
zu halten.
PD Dr. Weber: Die brusterhaltende onkoplastische Chirurgie dauert deutlich weniger lang als der Wiederaufbau einer entfernten Brust mit körpereigenem Gewebe.
Was das Ergebnis betrifft, könnte man
fast meinen, es kommt gar nicht mehr so
sehr darauf an, ob die Frau brusterhaltend operiert werden kann oder ob die
Brust sogar ganz entfernt werden muss.
Der Begriff der Mastektomie hat ein wenig an Schrecken verloren.
PD Dr. Weber: Ja, der Schrecken ist deutlich kleiner, seit die plastische Chirurgie
so grosse Fortschritte gemacht hat und so
gute Resultate beim Wiederaufbau liefert.
Allerdings hat die brusterhaltende Operation eigene Vorteile, z. B. bleibt das Gefühl
in der Brust erhalten, was auch die besten
Rekonstruktionstechniken nicht liefern
können. Insofern war es für uns wichtig,
auch bei der brusterhaltenden Operation
Fortschritte zu machen. Dank der onkoplastischen Chirurgie können wir jetzt auch
in Situationen brusterhaltend operieren, in
denen man die Brust bisher entfernt hat.
Das scheint viele Vorteile zu haben.
Weshalb hat man Brustkrebspatientinnen nicht schon viel früher auf diese
Weise operiert?
PD Dr. Weber: Die Technik gibt es eigentlich
schon seit vielen Jahren, aber sie hat sich
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nicht durchgesetzt, weil der Aufwand bei
dieser Vorgehensweise sehr viel grösser ist.
Die Operationen müssen mit allen Experten
zusammen geplant und durchgeführt werden, man muss für alle Beteiligten passende
Termine finden. Nach der Operation müssen
auch die Nachkontrollen gemeinsam wahrgenommen werden. Der Zeitaufwand ist
enorm! Und das ist ein Grund, warum sich
das Verfahren bisher nicht durchgesetzt hat,
obwohl es offensichtlich die besten Resultate liefert. Es gibt seit Längerem einzelne
Zentren in den USA und verschiedenen Ländern Europas, wie zum Beispiel England und
Deutschland. Vor vier Jahren haben wir das
nun auch bei uns in Basel im Brustzentrum
mit grossem Erfolg eingeführt und operieren jetzt sicher einen Drittel der Frauen
brusterhaltend onkoplastisch.
Prof. Schaefer: Das, was früher nacheinander durchgeführt worden ist, fassen wir
heute in einem interdisziplinären Zentrum
zusammen. Von Anfang an steht die Frau
mit allen Fachvertretern in Kontakt. Sie geht
umfassend informiert und mit Aussicht auf
ein gutes Ergebnis in die Operation, ohne
dass sie dabei entstellt wird.
Was ist die Kehrseite der Medaille?
Gibt es auch Nachteile bei der onkoplastischen Sofortrekonstruktion?
PD Dr. Weber: Die betroffene Frau hat eine
grössere Operation vor sich. Falls die Brust
entfernt und ein Direktaufbau mit Eigengewebe gemacht wird, dann zieht sich diese
Operation über mehrere Stunden, und der
Spitalaufenthalt dauert mehrere Tage. Nach
dem Austritt überwiegen aber klar die
Vorteile. Ein weiterer Nachteil aller brusterhaltenden Therapien ist allgemein, dass
etwa jede fünfte Patientin mehr als einmal
operiert werden muss, bis man genügend
Tumor entfernt hat. So oder so können
noch kleinste Tumorableger in der Brust zurückbleiben. Das ist auch der Grund, warum
nach der brusterhaltenden Therapie in der
Regel noch eine Bestrahlung benötigt wird.
Ich würde Sie noch gerne zum
Brustkrebs-Screening befragen.
Was hat es damit für eine Bewandtnis?
PD Dr. Weber: Das sogenannte Brustkrebs-Screening dient zur Früherkennung
von Brustkrebs. In sämtlichen Kantonen
der Schweiz, die ein systematisches Programm anbieten, werden alle Frauen zwischen 50 und 70 alle zwei Jahre zu einer
Mammografie, einer Röntgenuntersuchung
der Brüste, eingeladen. Das Screening hat
Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass die
brustkrebsbedingten Todesfälle damit um
20 Prozent reduziert werden können. Der
Nachteil ist, dass die Untersuchung bei vie-
len Patientinnen Fehlalarme auslöst; das
heisst, dass etwas auffällig ist, was weiter
abgeklärt werden muss und dann doch
harmlos ist. Das kann Ängste auslösen. Ein
weiteres Problem ist, das man auch gewisse
Brustkrebse entdeckt, die wahrscheinlich
zu Lebzeiten nie Probleme gemacht hätten.
Aber beim Entdecken bleibt es ja nicht,
man operiert diesen Brustkrebs dann ja
auch, obwohl es vielleicht gar nicht nötig
gewesen wäre!
PD Dr. Weber: Ja, der zweite Nachteil ist,
dass das Screening zu einer gewissen Überbehandlung führen kann. Je höher allerdings das individuelle Risiko einer Frau ist,
an Brustkrebs zu erkranken, desto besser
wird das Verhältnis der Vorteile im Vergleich zu den Nachteilen. Es ist und bleibt
aber eine individuelle Entscheidung.
Wäre es denn nicht das Ziel, zu erforschen,
welcher Brustkrebs effektiv behandelt
werden muss und bei welchem man
beobachtend abwarten kann?
PD Dr. Weber: Das ist richtig! Weltweit laufen
riesige Anstrengungen, um die Arten von
Brustkrebs zu identifizieren, die sehr langsam oder gar nicht fortschreiten, die man
also in Ruhe lassen kann. Aber das ist Zu-
kunftsmusik. Im Moment wissen wir es nicht
und müssen einen Brustkrebs in der Regel
auch behandeln, wenn wir ihn entdecken.
Was ist Ihr Rat an Frauen, die mit der Diagnose «Brustkrebs» konfrontiert werden?
Prof. Schaefer: Betroffene Frauen sollten
sich keine bestimmte Methode aufdrängen
lassen, sondern sich an eine Stelle wenden,
wo das gesamte Spektrum an Möglichkeiten angeboten wird, damit man die beste
individuelle Lösung für sie finden kann.
PD Dr. Weber: Eine Frau mit dieser Diagnose sollte wissen, dass es zertifizierte Zentren gibt, die sich ausschliesslich auf die
Behandlung von Brustkrebs spezialisiert
haben. Sie darf sich bei ihrem behandelnden Arzt ruhig nach onkoplastischer Chirurgie erkundigen, oder ob er jemanden
weiss, der sich damit auskennt. Sie sollte
sich fragen: Wo sind die Leute, die sich ausschliesslich mit Brustkrebs befassen, sich
darauf spezialisiert haben? Denn dort sind
die Chancen am grössten, dass sie die bestmögliche Behandlung erhält. Das Tumorzentrum Universitätsspital Basel bietet Krebspatientinnen und -patienten ein umfassendes Angebot für die Behandlung und Nachsorge ihrer Erkrankung – auf höchstem Niveau
und nach neuestem Stand der Forschung.
unispital-basel.ch/tumorzentrum