Drs. 21/3268 - DIE LINKE. Landesverband Hamburg

23. Februar 2016
Schriftliche Kleine Anfrage
des Abgeordneten Stephan Jersch (DIE LINKE) vom 15.02.16
und
Antwort des Senats
- Drucksache 21/3268 -
Betr.: Fluglärmbeschwerden
Obwohl laut Selbstauskunft der Flughafenbetreiber („Wochenblatt“-Anzeige „Leiseren Flugzeugen gehört die Zukunft“ in Nummer 5 vom 3.2.16) in den letzten zehn Jahren die
Lärmemission auf stabilem Niveau gehalten worden sei, haben in letzter Zeit Beschwerden
über Fluglärm massiv zugenommen. In der Anlage zu seinem Halbjahresbericht 2015 zu
Steuererträgen & Schulden (Drs. 21/1282) führt der Senat an, Bürgerinitiativen riefen die
Einwohnerschaft dazu auf, sich zu beschweren. Weiterhin gebe es vermehrt Anwohner, die
als Dauerbeschwerdeführer auftreten und sich konstant über die einzelnen Flugbewegungen
beschweren. Aufgrund der oben genannten Einflussfaktoren in der Entwicklung sei davon
auszugehen, dass die erfassten und bearbeiteten Fluglärmbeschwerden 2015 das Dreifache
des ursprünglich in der Haushaltskennzahl (EPL 6, B_266_01_018) vom Senat „geplanten“
Wertes erreichen werden und wir bei rund 7.500 Beschwerden „landen werden“. Das macht
deutlich, dass die Bürgerinitiativen sowohl im Norden als auch im Südwesten der Stadt sehr
erbost sind und Maßnahmen fordern.
Darauf ist seitens der Bürgerschaftsmehrheit unter anderem durch das Bürgerschaftliche Ersuchen und den sogenannten 16-Punkte-Plan reagiert worden.
Bereits beim ersten Treffen der Allianz für Fluglärmschutz im Sommer 2015 wurde seitens
der BUE (Behörde für Umwelt und Energie) konstatiert, diese verstärkte Beschwerdebereitschaft mache eine Bearbeitung der Beschwerden aufgrund ihrer hohen Anzahl nicht mehr
möglich.
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
Der Senat beantwortet die Fragen – teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Flughafen Hamburg GmbH und der Deutschen Flugsicherung GmbH – wie folgt:
1.
2.
3.
Wie viele Fluglärmbeschwerden wurden in den vergangenen fünf Jahren jeweils an die
Freie und Hansestadt Hamburg gestellt?
Wie entwickelt sich die Zahl der Fluglärmbeschwerden in Eidelstedt, Lurup, Osdorf, Iserbrook, Klein Flottbek und Nienstedten in den vergangenen fünf Jahren?
Wie bewerten der Senat oder die zuständige Behörde die Entwicklung bei den Fluglärmbeschwerden in den letzten fünf Jahren?
Jahr
2011
2012
2013
2014
2015
Beschwerden insgesamt
1.308
1.822
2.858
3.624
9.340
1.171
1.706
71
Unterschriftensammlungen
Hamburger Südwesten
Eidelstedt
5
13
9
20
62
Lurup/Osdorf
10
23
12
116
369
Flottbek
30
39
16
129
118
Nienstedten/Sülldorf/Rissen
19
29
4
78
130
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Die Flugbewegungszahlen insgesamt und auch die Zahl der Nachtflüge liegen nach wie vor unter dem
Niveau der Jahre 2006 – 2008. Von dort ausgehend sind die Flugbewegungen bis 2013 kontinuierlich
gesunken. Der Wiederanstieg der Flugbewegungszahlen und der Nachtflüge bis 2015 hat zu einem
deutlichen Anstieg der Fluglärmbeschwerden geführt. Lokale Effekte wie die Diskussion um die Mindestanfluglänge im Hamburger Nordosten/Kreis Stormarn bzw. die Debatte um das Flachstartverfahren und eine vermutete Flugroutenverlagerung im Westen Hamburgs motivierten weitere Bürger, sich
zu beschweren. Die Aufhebung der Unterscheidung von Einzel- und Dauerbeschwerdeführern im
Sommer 2015 zog einen überproportionalen Anstieg der Beschwerden im 2. Halbjahr 2015 nach sich.
4.
Da die Darstellung der bezirklichen Aufteilung der Fluglärmbeschwerden unter hamburg.de/fluglaermbeschwerden nur als Grafik vorhanden ist: Aus welchen Bezirken und
Landkreisen kamen in den vergangenen fünf Jahren jeweils wie viele Beschwerden?
Jahr
2011
2012
2013
2014
2015
Bezirk Altona
111
219
72
503
792
Bezirk Nord
331
416
930
453
486
Bezirk Eimsbüttel
207
214
80
292
387
Bezirk Wandsbek
178
274
658
1.025
4.147
Bezirk Mitte
57
66
144
62
85
Bezirk Harburg
7
13
5
8
2
Bezirk Bergedorf
5
5
3
6
7
Kreis Pinneberg
229
243
206
246
699
Kreis Segeberg
107
159
245
197
290
Kreis Stormarn
52
31
55
110
2.349
5.
In welchen Stadtteilen existieren Bürgerinitiativen gegen Fluglärm?
Der zuständigen Behörde sind Bürgerinitiativen aus folgenden Stadtteilen und Ortschaften bekannt:
In Hamburg: Langenhorn, Lemsahl, Lurup, Barmbek.
In Schleswig-Holstein: Ahrensburg, Elmenhorst, Norderstedt.
6.
7.
8.
9.
Wie lange speichert die zuständige Behörde die Informationen über einzelne Beschwerden und welche Informationen werden gespeichert?
Welchen Sinn hat die Erfassung von Beschwerden nach Kategorien? Was bezwecken
der Senat oder die zuständige Behörde mit dieser Unterscheidung?
Bewerten der Senat oder die zuständigen Behörden Beschwerden geringer oder höher,
wenn sie wiederholt erfolgen oder wenn sie durch Unterschriftensammlung erfolgen?
Laut Information der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) werden
Beschwerden, auch wenn sie sich auf mehrere Einzelvorfälle beziehen, jeweils nur als
eine Beschwerde gezählt. Von welchem Faktor zwischen Beschwerden und Vorfällen ist
bei den aktuellen Zahlen für 2015 auszugehen, das heißt wie viele Einzelvorfälle liegen
den Beschwerden zugrunde?
Auf Grund einer Anweisung des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten werden Fluglärmbeschwerden seit Sommer 2015 nicht mehr gespeichert, sondern nach der Zählung und Auswertung
gelöscht.
Eine Kategorisierung der Beschwerden nach Fragesteller erfolgt nicht mehr, die Unterscheidung in
Einzel- und Dauerbeschwerdeführer wurde im Sommer 2015 aufgegeben. Davor wurden Einzel- und
Dauerbeschwerdeführer getrennt gezählt, aber in den Statistiken gemeinsam ausgewiesen, siehe
dazu auch Drs. 20/12906.
Eine unterschiedliche Bewertung der Beschwerden wird von der zuständigen Behörde nicht vorgenommen.
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Es wurden bei insgesamt 9.340 Beschwerden 9.601 Beschwerdegründe angegeben.
10. Wie viele Anflüge und Landungen fanden jeweils in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich am Tag am Hamburger Flughafen statt?
Der Senat geht davon aus, dass die Fragestellung sich auf Starts und Landungen bezieht, sodass im
Folgenden auch Angaben zu den Starts gemacht werden.
Jahr
2011
2012
2013
2014
2015
Durchschnitt Landungen
217
209
197
211
217
Durchschnitt Starts
217
209
197
211
217
11. Welche Flugrouten gibt es in Hamburg und seit wann sind diese festgelegt? Bitte geben
Sie auch Daten zur Ausdehnung an und fügen Sie Originaltexte bei.
12. Wann sind Flugrouten verändert worden? Bitte geben Sie auch Daten zur Ausdehnung
an und fügen Sie Originaltexte bei.
Eine aktuelle graphische Darstellung der derzeit gültigen Flugrouten ist der Anlage 1 zu entnehmen.
Das älteste vorliegende Dokument zur Festlegung von An- und Abflugverfahren am Hamburger Flughafen ist die 87. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung vom 28.August 1981 (siehe Anlage 2). Die älteste grafische Darstellung von Flugrouten am Hamburger Flughafen befindet sich in
Anlage 3. Die letzte bedeutende Änderung der Abflugverfahren (Einführung RAMAR) wurde am
5.Oktober 2010 im Bundeanzeiger veröffentlicht (siehe Anlage 4).
13. Wie viele Anflüge und Landungen fanden jeweils in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich am Tag über den Stadtteilen Eidelstedt, Lurup, Osdorf, Iserbrook, Klein Flottbek und Nienstedten statt?
Die genannten Stadtteile befinden sich unter dem Anflugweg 05 und dem Abflugweg 23.
Jahr
2011
2012
2013
2014
2015
Durchschnitt Landungen
29
30
28
43
29
Durchschnitt Starts
73
63
47
71
73
14. Ist der „Flugkorridor“ in den letzten fünf Jahren ausgeweitet worden
beziehungsweise hat sich die Ausnutzung des „Flugkorridors“ über den Stadtteilen Eidelstedt, Lurup, Osdorf, Iserbrook und Klein Flottbek verändert?
Nein.
15. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang (Frage 13.) die Beschwerden?
In 2013 gab es, bedingt durch langwierige Sanierungsarbeiten der Bahn 1 (Niendorf/Langenhorn) in
Verbindung mit der Witterungslage einen deutlichen Rückgang von Starts über den Stadtteilen Eidelstedt, Lurup, Osdorf, Iserbrook und Klein Flottbek. Aus dem gleichen Grund war die Zahl der Landeanflüge in den Sommermonaten extrem gering.
Nach dem Tiefstand im Jahr 2013 hat sich die durchschnittliche Zahl der Abflüge auf dem Niveau von
2011 stabilisiert.
Im Übrigen siehe Antwort zu 1. – 3.
16. Hat die Anzahl von „Tiefflügen“ beziehungsweise Flachstarts über Eidelstedt, Lurup, Osdorf, Iserbrook und Klein Flottbek in den letzten Jahren zugenommen?
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a.
Wenn ja: Welche Ursachen gibt es hierfür?
Es liegt keine statistische Erhebung über die Anzahl von Flachstarts vor. Im September 2014 hat die
Lufthansa für Ihre Flotte das Flachstartverfahren eingeführt, welches schon seit 2012 von vielen anderen Airlines am Hamburger Flughafen praktiziert wird. Eine Auswertung der Steigprofile von Lufthansa-Flugzeugen vor und nach der Umstellung hat jedoch ergeben, dass sich die tatsächlich geflogenen
Flughöhen gleichwohl nicht maßgeblich geändert haben.
17. Werden von den Fluggesellschaften bei An- und Abflügen Verfahren getestet, mit denen
Treibstoffkosten gesenkt und/oder Flugrouten günstiger gestaltet werden können?
a. Wenn ja: Welche Verfahren beziehungsweise welche Flugroutenänderungen sind
dies?
b. Wenn
ja:
Finden
solche
Erprobungen
über
Eidelstedt,
Lurup,
Osdorf, Iserbrook, Klein Flottbek und Nienstedten statt?
c. Wenn ja: Sind solche Verfahren genehmigungs- oder anmeldepflichtig?
Am Flughafen Hamburg kommen ausschließlich bereits getestete Flugverfahren zum Einsatz.
18. Wie verteilten sich die Anflüge und Landungen jeweils auf welche Stunden am Tag über
Eidelstedt, Lurup, Osdorf, Iserbrook, Klein Flottbek und Nienstedten?
19. Wie viele Anflüge und Landungen erfolgten insbesondere zwischen 6 Uhr und 7 Uhr und
zwischen 22 und 23 Uhr? Bitte die Zahlen für Eidelstedt, Lurup, Osdorf, Iserbrook, Klein
Flottbek und Nienstedten getrennt ausweisen.
Die genannten Stadtteile liegen unter dem Landegleitpfad 05. Die folgende Tabelle zeigt die Anflüge
(Landungen) der letzten 5 Jahre. Die Daten werden in erfragter Form nicht erfasst. Eine über die Fragestellung hinausgehende Auswertung und stündliche Darstellung von jährlich bis zu 26.632 (2015)
Starts, war in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden
Zeit nicht möglich.
Zeit
00-01
01-02
02-03
03-04
04-05
05-06
06-07
07-08
08-09
09-10
10-11
11-12
12-13
13-14
14-15
15-16
16-17
17-18
18-19
19-20
20-21
21-22
22-23
23-24
2011
5
4
4
7
2
2
51
541
648
646
895
584
377
512
422
490
625
887
690
899
839
1.075
432
52
2012
8
1
4
3
5
7
78
476
603
636
776
643
365
538
463
535
661
967
805
834
713
1.096
548
49
2013
5
3
2
6
0
2
52
384
672
677
763
619
364
461
564
524
643
850
758
818
581
914
549
64
2014
3
2
8
3
4
4
99
629
1.058
1.122
1.170
842
665
888
781
613
828
1.134
1.321
1.284
715
1.459
1.112
118
2015
5
2
3
1
4
3
86
331
547
806
744
512
462
538
658
396
625
782
828
781
490
1.066
790
64
Es werden sowohl bei Starts als auch Landungen alle genannten Stadtteile nacheinander überflogen,
so dass sich eine Einzelausweisung erübrigt.
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20. Wie hoch sind die Einnahmen des Hamburger Flughafens pro Jahr in den letzten fünf
Jahren?
In Mio. EUR
2010
2011
2012
2013
2014
Umsatzerlöse
248,6
253,3
251,5
254,5
271,3
Gewinn
41,8
49,2
39,0
37,3
40,2
*) Umsatz und Jahresabschluss 2015 wurden noch nicht endgültig festgestellt
2015
*)
*)
21. Welche Kosten fallen durchschnittlich pro Tag während der Betriebszeiten des Hamburger Flughafens an?
Während der Betriebszeiten des Hamburger Flughafens entstehen einer Vielzahl von Wirtschaftssubjekten tägliche Kosten, zu denen dem Senat keine Gesamtübersichten bekannt sind.
22. Wie hoch war der Gewinn des Hamburger Flughafens jeweils in den vergangenen fünf
Jahren?
Siehe Antwort zu 20.
23. Wie kommt die Flughafen Hamburg GmbH zu der Einschätzung, dass bei einem Wegfall
der Flugbewegungen ab 22 Uhr (Nachtflugverbot) die Erlösausfälle des Flughafens mehr
als die Hälfte des heutigen Gewinns betragen würde? Welche Annahmen und welche
konkrete Berechnungen liegen dieser Aussage zugrunde?
Siehe Drs. 20/11143.
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