40 Finanzen BAUERNBLATT l 12. Dezember 2015 ■ Beratung rund um das Geld: Sozioökonomische Beratung Hilfe für existenzgefährdete Betriebe beim Schopf ergreifen Schwierige Situationen erfordern eine besondere Unterstützung für landwirtschaftliche Familien. In oftmals existenzgefährdenden Situationen entwickeln die sozioökonomischen Beratungskräfte der Landwirtschaftskammer gemeinsam mit der Familie Problemlösungen für den Betrieb und helfen bei der Umsetzung notwendiger Schritte. Rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Unternehmen gilt derzeit als finanziell gefährdet. Schon für die nahe Zukunft wird aufgrund der schwierigeren Rahmenbedingungen, insbesondere der volatilen Märkte, ein verstärkter Strukturwandel in Sozioökonomische Beratung kann Lösungswege aus der Krise aufzeigen. der Landwirtschaft die Folge sein. Foto: landpixel Erste Warnzeichen einer Unternehmensgefährdung sind oftmals an langfristigen Eigenkapitalverlusten und schrumpfenden Rücklagen abzulesen. Wenn kurzfristige Verbindlichkeiten stark ansteigen und Lieferantenkredite ebenfalls bestehen, ist dringender Handlungsbedarf geboten. Die sozioökonomischen Berater sind betriebswirtschaftliche Experten mit langjähriger Erfahrung, die auch die persönliche Tragweite der Probleme erkennen und verstehen. Die betrieblichen Anliegen werden selbstverständlich vertraulich behandelt. Je früher die Berater hinzugezogen werden, desto mehr Handlungsspielräume zur Einkommens- und Vermögenssicherung bestehen. Das Aufgabengebiet der sozioökonomischen Berater ist vielfältig. Es geht darum, Gewinnreserven bei den Betrieben aufzudecken und anschließend mit der Familie auf diesen Grundlagen Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Dabei kann als Ergebnis herauskommen, dass entweder der Betrieb durch entsprechende Umstellungen weitergeführt werden kann oder aber Rückzugsvarianten aus der Landwirtschaft vorstellbar werden. Oberstes Ziel ist dabei immer, möglichst viel Vermögen zu erhalten. Zukunftskonzepte entwickeln Zu Beginn eines Beratungsgespräches steht oftmals eine intensive Betriebsanalyse – die Zahlen aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung – im Hinblick auf die Ana- lyse der Rentabilität, Liquidität und Stabilität eines Betriebes. Hieraus können produktionstechnische Reserven sowie Kosteneinsparungsmöglichkeiten im Bereich der Betriebsorganisation und insbesondere Alternativen zu einer besseren Finanzierung der Unternehmen abgeleitet werden. Anhand der Ergebnisse besprechen Familie und Berater dann gemeinsam verschiedene Entwicklungs- und Anpassungsmöglichkeiten mit dem Ziel, stabile Lösungen zur Einkommens- und Vermögenssicherung zu finden. Je nach persönlicher und betrieblicher Ausgangssituation können diese sehr unterschiedlich aussehen. Für rund ein Drittel der Betriebe bestehen aus der Erfahrung in der Beratungspraxis heraus Konsolidierungsmöglichkeiten. Die Unternehmen können nach besonderen Anpassungsschritten langfristig im Haupterwerb fortgeführt werden. Für die verbleibenden zwei Drittel bieten kurz- oder mittel- fristige Ausstiegskonzepte besondere Möglichkeiten zur finanziellen Stabilisierung. Die Chancen selbst ergreifen Wichtig für die Familien ist, selbst initiativ zu werden und die besprochenen, notwendigen Maßnahmen auch konsequent umzusetzen. Bei Bedarf unterstützen die Berater die Familien bei diesen konkreten Umsetzungsschritten – zum Beispiel bei Bankgesprächen, Verhandlungen und Antragstellungen auch gegenüber anderen Institutionen. Betriebsumstellungen oder Rückzug Hofnachfolger. Wenn bereits jetzt die finanzielle Situation sehr eng ist, muss ein Rückzugskonzept besonders sorgfältig geplant werden. Ein „Fahrplan“ für die Arbeitswirtschaft, Investitionen, Finanzierung, Flächenund Prämienverwertung bietet nicht nur persönliche Klarheit, sondern ist unverzichtbare Grundlage für eine langfristige Vermögenssicherung. Ein Beispiel aus der Beratung Bernd Peters, 55 Jahre alt, und seine Frau Heike, fünf Jahre jünger, bewirtschaften einen 105 ha umfassenden Futterbaubetrieb mit 90 Milchkühen. Bisher wurden rund 650.000 kg Milch an die Molkerei geliefert. Die männliche Nachzucht wird zum Teil gemästet, und 15 ha stehen dem Marktfruchtbau zur Verfügung. Das Ertragsniveau liegt bei 72 dt/ha Getreide beziehungsweise 40 dt/ha Raps. Der gemeinsame Sohn Klaus, 20 Jahre, besucht die Höhere Landbauschule (HöLa) zur weiteren Vorbereitung auf seinen späteren landwirtschaftlichen Beruf. Alles lief in geordneten Bahnen. Die Arbeit war mithilfe des Einsatzes von Lohnunternehmen und Maschinenringen noch gut zu bewältigen. Die verbleibende kurze Zeit bis zum Schulabschluss des Sohnes würde die Familie schon managen. In den Jahresabschlüssen der vergangenen Jahre wurde im Mittel ein Gewinn von gut 110.000 € erzielt. Nach Abzug der Privatentnahmen und einer privaten Vermögensbildung von 65.000 € sowie einer Tilgung von 30.000 € verblieben gut 15.000 € Eigenkapital zum Beispiel für weitere Investitionen im Betrieb, ohne auf andere Abschreibungen zurückgreifen zu müssen. Doch die finanziell guten Zeiten haben sich abrupt verändert. Ein deutlicher Preisrückgang bei der Milch und eine schwere Erkrankung des Betriebsleiters haben das bisher stabile System über den Haufen geworfen. Die Familie entscheidet sich, eine Beratung für die weiteren jetzt notwendigen Schritte in Anspruch zu nehmen. Familie und Betrieb sind in der Landwirtschaft aufs Engste verbunden. Schwere Erkrankungen des Betriebsleiters beziehungsweise der Ehefrau oder gar ein Todesfall erfordern oft weitreichende Betriebsumstellungen. Hier bieten die sozioökonomischen Beratungskräfte der Landwirtschaftskammer wichtigen Rat und Unterstützung. Viele der landwirtschaftlichen Betriebe in Vorgehensweise Schleswig-Holder Beratung stein haben aus unterMit dem Berater gemeinsam wird Familie und Berater besprechen verschiedene Möglichkei- ganz das betriebliche und familiäre Umten mit dem Ziel, stabile Lösungen zur Einkommenssiche- schiedlichen rung zu finden. Foto: landpixel Gründen keinen feld analysiert. Die Szenarien „Wei- Finanzen ■ BAUERNBLATT l 12. Dezember 2015 terführung“, „Umstellung“ oder „Aufgabe“ des Betriebs werden in ihren finanziellen Dimensionen aufgezeigt. Die Vorstellungen der Familie bilden bei der Erörterung der Handlungsalternativen immer die Grundlage. Deshalb sind Zahlen bei diesen Planungsrechnungen nur eine Seite der Betrachtung. Im Mittelpunkt, und damit viel wichtiger, sind die Äußerungen, Wünsche und Reaktionen der betroffenen Menschen. In schweren Zeiten, in denen grundlegend über die Zukunft eines Betriebs entschieden werden muss, gilt es vor allem, die emotionale Belastung der Beteiligten zu erfassen und zu berücksichtigen. Besonders wichtig ist hierbei zu akzeptieren, dass die neue Situation von der Familie oftmals als Bedrohung empfunden wird. Wer sich aber bedroht fühlt, ist in der Regel nicht sehr handlungsfähig. Soll oder muss ein Veränderungsprozess in Gang gesetzt und durchgeführt werden, benötigen die betroffenen Menschen hierfür Kraft und Ener- ZINSBAROMETER Stand 7. Dezember 2015 Die Zinsspannen am Kapitalmarkt nehmen zu. Das Zinsbarometer bietet lediglich erste Anhaltspunkte zur aktuellen Kapitalmarktsituation (ohne Gewähr). Bei den gekennzeichneten Zinssätzen können sich je nach persönlicher Verhandlungssituation deutliche Abweichungen ergeben. Zinsen Geldanlage % Festgeld 10.000 €, 3 Monate1) 0,05 - 1,40 Kredite Landwirtschaftliche Rentenbank2) % effektiv (Sonderkreditprogramm) Maschinenfinanzierung 6 Jahre Laufzeit, Zins 6 Jahre fest 1,00 langfristige Darlehen 10 Jahre Laufzeit, Zins 5 Jahre fest 1,00 20 Jahre Laufzeit, Zins 10 Jahre fest 1,41 Baugeld-Topkonditionen3) Zins 10 Jahre fest 1,32 - 1,84 Zins 15 Jahre fest 1,82 - 2,34 1) Marktausschnitt (100 % Einlagensicherung) 2) Zinssatz Preisklasse A, Margenaufschlag 0,35 bis 2,85 %, je nach Bonität und Besicherung (7 Preisklassen) 3) Quelle: www.capital.de (Spanne der Topkonditionen) FAZIT Vor allem für Milchviehbetriebe ist die finanzielle Situation im Moment sehr angespannt. Foto: Isa-Maria Kuhn gie. Wenn die beteiligten Personen erkennen, dass die neue Situation für sie auch eine Chance sein kann, kommt oft Bewegung in den Veränderungsprozess. Entscheidung und Folgen In dem vorliegenden Fall entschied sich die Familie für eine Aufgabe des Betriebs. Mit der Bank wurde eine Vereinbarung getroffen, wie durch Inventarverkäufe die vorhandenen Verbindlichkeiten zurückgeführt werden können. Auch der Landhandel unterstützte das vorgelegte Kon- zept. Durch den Verkauf einer 1,5 ha großen Wiese mit Teich konnten die letzten Verbindlichkeiten vollständig getilgt werden. Die verbliebenen eigenen Betriebsflächen und der Stall wurden verpachtet. Bernd Peters fand nach kurzer Zeit eine Anstellung als Hausmeister. Seine Frau Heike arbeitet jetzt halbtags in einer Pflegeeinrichtung. Die Altersversorgung des Betriebsleiterehepaars konnte gesichert werden. Der Sohn Klaus wird nach Abschluss der HöLa noch die Fachhochschule besuchen. Dann hat er alle Optionen für seine berufliche Zukunft in der Agrarwirtschaft. Viele Betriebe stehen aufgrund der volatilen Märkte derzeit vor schwierigen Zeiten im Hinblick auf ihre weitere Entwicklung. Dies gilt für die Höfe und somit das eigene Vermögen, aber auch, und dies im Besonderen, für die betroffenen Personen in den Landwirtschaftsfamilien. Bei manchen Betrieben ist sogar die Existenz gefährdet. Geschulte Beratungskräfte der Landwirtschaftskammer können in diesen Situationen helfen, wenn es zum einen darum geht, Vermögenswerte zu erhalten, und zum anderen insbesondere darum, Familienmitglieder positiv in die Zukunft zu begleiten. Nicht immer geht es um die Betriebsaufgabe. In vielen Fällen reicht eine Umstellung des Betriebs, um ihn dann in anderer Form weiterzuführen. Dr. Karl-Heinrich Deerberg Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 31-94 53-220 [email protected] Jens Rohwer Landwirtschaftskammer Tel.: 04 31-94 53-231 [email protected] Chancen und Risiken der Niedrigzinsphase Betriebsfinanzierung und Altersvorsorge ohne Fallen Um die Betriebsfinanzierung und die Altersvorsorge in der Niedrigzinsphase geht es bei einer öffentlichen Vortrags- und Diskussionsveranstaltung der DLG-Arbeitsgruppe Banken und Versicherungen am 11. Januar 2016 im Rahmen der DLGWintertagung in München. Die Kapitalmarktzinsen bewegen sich seit Jahren auf einem historischen Tiefstand. Für Unternehmer bieten sich dadurch Möglichkeiten, Investitionen günstig zu finanzieren und gegebenenfalls kurzfristige Verbindlichkeiten langfristig umzuschulden. Dies ist jedoch auch mit Risiken verbunden. Denn steigende Zinsen nach Ablauf der Zinsbindungsphase und zu kurz gewählte Darlehenslaufzeiten können die Liquidität in der Zukunft stark beein- trächtigen. Auch auf die richtige Altersvorsorge ist in der Niedrigzinsphase zu achten. Die Veranstaltung findet im Internationalen Congress Center München (ICM) im Saal 13a statt und beginnt um 17 Uhr. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der DLG-Arbeitsgruppe Banken und Versicherungen, Dr. Rüdiger Fuhrmann, Leiter Agrarbanking bei der Nord/LB in Hannover, geht es in einem Einführungsvortrag um Fragen zur Konjunktur, zur Zinspolitik und zur Sachwertentwicklung. Hierzu referiert Wilfried Gerling, Vorstandsmitglied der Münchner Bank eG. Worauf Unternehmer beim Finanzieren in der Niedrigzinsphase achten sollen, erläutert Christopher Braun, Abteilungsdirektor Landwirtschaft, bei der DZ Bank AG in Frankfurt am Main. Welche Rolle die Lebensversicherung bei der Altersvorsorge heutzutage spielt, darüber informiert Ulrike Taube, Bereichsleiterin R+V Lebensversicherung AG in Wiesbaden. Aus Sicht der Praxis nimmt der Land- und Energiewirt Jörg Lange aus Petershagen (Nordrhein-Westfalen) Stellung. Er stellt seine Strategie in Bezug auf das Investieren und Vorsorgen in der Niedrigzinsphase vor. Die Teilnahme an dieser Veranstaltung ist kostenfrei. Aus organisatorischen Gründen wird um eine vorherige Anmeldung gebeten. Diese kann online unter http:// www.dlg.org/wintertagung.html vorgenommen werden. Interessenten finden unter diesem Link zudem das vollständige Veranstaltungsprogramm. pm DLG 41
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