Stand Donnerstag, 9. Juli 2015 Rabbinatskandidat Moshe Baumel beantwortet Fragen von Ofek per e-Mail Ofek: Könnten Sie sich vorstellen, als Rabbiner einer Einheitsgemeinde einen von Laien (Frauen und Männer) gestalteten Partnership-Minjan auf dem Areal der Gemeinde zu tolerieren? Könnten Sie sich vorstellen, als Rabbiner einer Einheitsgemeinde einen von einem open-othodoxen Gast-Rabbiner gestalteten Partnership-Minjan auf dem Areal der Gemeinde zu tolerieren? Baumel: Der Partnership-Minyan ist ein im Moment relativ kontroverses Thema innerhalb der modernen Orthodoxie. Es gibt nämlich diverse Modelle, die zweifelsohne halachische Schwachpunkte aufweisen und überarbeitet werden müssen. Konkret sind das Modelle, in denen Frauen vor der Gesamtgemeinde vorbeten und für die Gesamtgemeinde aus der Thora vorlesen. Das Israelische Oberrabbinat, das Oberrabbinat von Grossbritannien (was selber eine große Gewichtung in modern-orthodoxen Gemeinden Europas hat), die Conference of European Rabbis (CER), in der an die 300 Gemeinderabbiner aus Europas Gemeinden Mitglieder sind, und auch die modern-orthodoxe Yeshiva University haben zum jetzigen Zeitpunkt offiziell halachische Schwierigkeiten damit. (Ob sich das noch ändern wird, wird die Zeit zeigen.) Die Einführung eines Partnership-Minyan auf dem Areal der IGB könnte demnach eine Isolation der IGB von diesen internationalen rabbinischen Institutionen und auch anderen modern orthodox geführten Gemeinden Europas bedeuten, was meines Erachtens nicht im Sinne der meisten Gemeindemitglieder der IGB wäre. Dennoch sehe ich ganz klar ein, und das möchte ich hier betonen, dass eine passende Lösung gefunden werden muss und ich dabei auf jeden Fall helfen möchte. Sicher ist auch, dass schon jetzt eine Möglichkeit geschaffen werden muss, in der Männer und Frauen auf einer gleichen Ebene, jedoch mit halachischer Mechitza (zum Beispiel in der kleinen Synagoge) beten können. Was aber konkret den Partnership-Minyan angeht, würde ich beim jetzigen Stand der Dinge zwei Phasen vorschlagen: 1. Falls es eine Gruppe in der IGB gibt, die einen Partnership-Minyan möchte, würde ich mir wünschen, dass dieser Minyan in lokaler Nähe zur Gemeinde stattfindet (aber nicht auf dem Areal), damit diese Gruppe mit der ganzen Gemeinde anschließend beim Kiddusch teilnehmen kann. Diese Einheit muss gepflegt werden. Ich würde selbstverständlich mit dieser Gruppe lernen und ihr Schiurim ihrer Wahl anbieten, sowohl am Schabbat, als auch am Wochentag. Dem gemeinsamen Lernen und Diskutieren sind keine Grenzen gesetzt. 2. Bezüglich eines solchen Minyans auf dem Gemeindeareal, würde ich mich mit der Gruppe, die das wünscht, zusammensetzen und Punkt für Punkt den Ablauf eines solchen Minyans besprechen, um heraus zu finden, was die Menschen genau wollen und was sie bewegt. Mit der Hoffnung, dass wir dann auf ein gemeinsames Modell kommen werden, würde ich anerkannte halachische Autoritäten aus modern-orthodoxen und open-orthodoxen Kreisen befragen, ob im speziellen Fall der IGB ein solches Modell akzeptabel wäre. Wie gesagt, ich glaube es ist ganz im Sinne der Gemeinde sich nicht zu isolieren, vor allem weil die IGB im Moment eine führende und vorbildliche Rolle innerhalb der jüdischen Einheitsgemeinden im deutschsprachigen Europa einnimmt. Im Falle einer positiven Antwort, würde ich dann gemeinsam mit der Gruppe eine passende open-orthodoxe Person aussuchen, die den Partnership-Minyan leitet und sich an die Modell-Vorgaben der Gruppe hält. C:\Users\Rolf Stürm\J\Ofek\Vorstand_2015ff\Antworten_Baumel_bearbeitet_2.docx 09.07.15 23:50 Seite 1 Stand Donnerstag, 9. Juli 2015 Ofek: Könnten Sie sich vorstellen, als Rabbiner einer Einheitsgemeinde einen von Laien (Frauen und Männer) gestalteten egalitären Minjan auf dem Areal der Gemeinde zu tolerieren? Könnten Sie sich vorstellen, als Rabbiner einer Einheitsgemeinde einen von einem/einer Masorti- oder Reform-Gast-Rabbiner/in gestalteten egalitären Minjan auf dem Areal der Gemeinde zu tolerieren? Baumel: Die Statuten der IGB lauten wie folgt: § 2 sagt, dass sämtliche Institutionen der Gemeinde gemäss den Bestimmungen des jüdischen Religionsgesetzes und im Sinne der Tradition zu führen sind. § 95 sagt, dass der Rabbiner in allen religiösen Fragen die Entscheidung nach den Normen des codifizierten Religionsgesetzes zu treffen hat. Als die Statuten vor mehreren Jahrzehnten verfasst worden sind, kann ich mir gut vorstellen, dass die Verfasser unter „jüdischem Religionsgesetz“ und „codifiziertem Religionsgesetz“ zweifelsohne den Schulchan Aruch meinten. Mir persönlich ist kein anderer autoritativer Gesetzeskodex außer dem Schulchan Aruch und seinen Kommentatoren bekannt. Nicht-orthodoxe Strömungen lehnen die Autorität des Schulchan Aruch jedoch größtenteils ab. Dementsprechend würde die Einführung eines nicht-orthodoxen egalitären Minjans den momentanen Statuten der IGB widersprechen. Jedenfalls müsste ein solches Unterfangen meines Erachtens grundlegend innerhalb der Gemeinde diskutiert werden, weil es direkt die Statuten betrifft, so dass ich diese Frage nicht allein zu entscheiden habe. Dabei würde es primär auch um die Frage gehen, was eine Einheitsgemeinde genau ist und welche Möglichkeiten sie nicht-orthodoxen Gruppen bieten sollte. Dasselbe gilt dementsprechend dann auch bei der Frage, ob eine nicht-orthodoxe Leitungsperson diesen Minjan auf dem Gemeindeareal führen kann. Ich bin aber gerne bereit mich an dieser Diskussion aktiv zu beteiligen und diverse Lösungsansätze zu finden. Ofek: In der konsultativen Gemeindeversammlung wurde diskutiert, ob Ihr Vorbild Rabbiner Hildesheimer Rabbiner einer Einheits- oder Austrittsgemeinde war. Können Sie uns bitte Ihre Meinung schildern? Baumel: Hildesheimers Adass Jisroel ist definitiv KEIN Vorbild für eine Einheitsgemeinde. Die Adass folgte dem Austritt und hat mit den Strukturen der IGB nichts zu tun. Man muss demnach zwischen Rabbiner Hildesheimers eigener Gemeinde und seinem menschenoffenen Bildungsideal am Rabbinerseminar zu Berlin differenzieren. Am Rabbinerseminar bereitete er die Studenten schliesslich auf die deutschen Einheitsgemeinden vor und lehrte ihnen das, was sie in ihrem Beruf in den Einheitsgemeinden brauchen werden. Demnach kann nur sein pädagogisches Bildungsideal, und auch nur beschränkt, als ein Vorbild dienen, denn auch hierbei gilt zu beachten, dass wir nicht mehr im 19. Jh. leben und die Bedürfnisse der Einheitsgemeinden sich im Laufe der Zeit geändert haben. Der gemeinsame Nenner jedoch zwischen Hildesheimers Bildungsideal der jüdischen Einheit und der heutigen Einheitsgemeinde ist definitiv die Hervorhebung des Individuums und seiner Bedürfnisse und die Bereitschaft für halachische Innovation. C:\Users\Rolf Stürm\J\Ofek\Vorstand_2015ff\Antworten_Baumel_bearbeitet_2.docx 09.07.15 23:50 Seite 2 Stand Donnerstag, 9. Juli 2015 Ofek: Könnten Sie sich vorstellen, als Rabbiner einer Einheitsgemeinde bei einer pluralistischen Gruppe einen Schiur zu geben? Baumel: Sehr gerne gebe ich einen Schiur in der Ofek...und nicht nur einen...wenn Sie wollen :) Auch bin ich bereit im Rahmen eines Limmud-ähnlichen Programms in den Dialog zu treten, diverse Meinungen auszutauschen und vor allem auch neue Perspektiven kennenzulernen. C:\Users\Rolf Stürm\J\Ofek\Vorstand_2015ff\Antworten_Baumel_bearbeitet_2.docx 09.07.15 23:50 Seite 3
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