AG_D_Gemeindeebene_Bericht_Reformkongress V01

Reformkongress am 16. Januar 2016 in Cottbus
Bericht aus der Arbeitsgruppe D „Gemeindeebene – Ämter, Amtsgemeinde,
Mitverwaltung, Ortsteile“
Impulsreferat: Prof. Dr. Sabine Kuhlmann
Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Universität
Potsdam
Moderatorin:
Anke Plättner
Zusammenfassung der Diskussion aus der Arbeitsgruppe
Allgemeine Ausführungen/Verfahrensfragen
Der Ablauf der Arbeitsgruppensitzung gliederte sich in ein kurzes Impulsreferat von Frau Prof. Dr.
Kuhlmann und eine anschließende Diskussion des Auditoriums, welche von Frau Plättner koordiniert
und abschließend zusammengefasst wurde.
In ihrem Impulsreferat ist Frau Prof. Dr. Kuhlmann schwerpunktmäßig auf die Größenkriterien für eine
Weiterentwicklung der gemeindlichen Ebene und die hierbei zur Verfügung stehenden Modelle eingegangen. Anknüpfend an das Arbeitsmaterial für den Reformkongress und die Tatsache der sehr unterschiedlichen Positionen zur Frage der Festlegung einer Regelmindesteinwohnerzahl, für die hauptamtliche Verwaltungen auf der gemeindlichen Ebene künftig in der Regel zuständig sein sollen, stellte Frau
Prof. Dr. Kuhlmann fest, dass auch in der Verwaltungswissenschaft hierzu keine allgemeingültige Zahl
existiere. Es sei vielmehr eine Frage der politischen Gewichtung, da man auch nicht alle Faktoren
gleichzeitig optimieren könne. Außerdem sei die optimale Größe einer Verwaltungsstruktur auch aufgabenabhängig. Aus verwaltungsökonomischer Sicht sei zu bedenken, dass mit der Vergrößerung von
Strukturen auch ein Verlust an Demokratie einhergehe und dass bei zu großen Strukturen Wegekosten
sowie Frustrations- und Ballungskosten entstehen könnten. Bei der Vorstellung der zur Diskussion stehenden Modelle beschränkte sich Frau Prof. Dr. Kuhlmann zunächst auf die Einheitsgemeinde und das
Amtsgemeindemodell. Für die Einheitsgemeinde spreche ihre klare Struktur. Die damit verbundene
Transparenz bedeute ein Plus an Demokratie. Allerdings seien den Ortsteilen einer Einheitsgemeinde
weniger Entscheidungsmöglichkeiten zugewiesen als z. B. den Mitgliedsgemeinden einer Amtsgemeinde. Die Amtsgemeinde solle im Unterschied zum Amt als Gebietskörperschaft ausgestaltet werden.
Dadurch würde der Verwaltungsaufwand zwischen den zwei Ebenen verringert, weil der Amtsgemeinde
eigene Selbstverwaltungsaufgaben übertragen würden. Die Organe der Amtsgemeinde würden direkt
durch die Bürgerinnen und Bürger der Amtsgemeinde demokratisch legitimiert. Als Nachteil der Amtsgemeinde im Vergleich zur Einheitsgemeinde wies Frau Prof. Dr. Kuhlmann darauf hin, dass mehrstufige Modelle immer die Tendenz zu Doppelzuständigkeiten haben. Der notwendige Koordinations- und
Abstimmungsaufwand zwischen den beiden Ebenen führe im Vergleich zur Einheitsgemeinde zu einer
geringeren Effizienz.
Eingangs der Diskussion wurde das weitere Verfahren in der Arbeitsgruppe nachgefragt und eine ordentliche Dokumentation angemahnt, um die Arbeitsergebnisse für die weitere Diskussion zu sichern.
Durch Frau Plättner und Frau Prof. Dr. Kuhlmann wurde klargestellt, dass das Ziel dieser Arbeitsgruppensitzung darin besteht, zusammenzutragen, wo und inwieweit für eine Weiterentwicklung der gemeindlichen Ebene noch Entscheidungsbedarf besteht.
Ausführungen zum Arbeitsmaterial für den Reformkongress
Mit Blick auf das Arbeitsmaterial für den Reformkongress wurde kritisiert, dass dieses nicht vollständig
sei und dass die Darstellung der verschiedenen Positionen ohne Angabe der Zahl der Wiederholungen
fälschlicherweise den Eindruck vermittle, es hätte insoweit ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den
Positionen bestanden, obgleich sich die Teilnehmer der Leitbildkonferenzen zu etwa 70 Prozent kritisch
geäußert hätten. Es wurde bedauert, dass der Innenminister seiner Zusage, die Fragen aus den Leitbildkonferenzen zu beantworten, nicht nachgekommen sei, da dies als Ausgangspunkt für die heutige
Diskussion wichtig gewesen wäre.
Ausführungen zum Größenkriterium und zur Regelmindesteinwohnerzahl
Zur Frage des Größenkriteriums bestand Einigkeit dahingehend, dass vor der Bestimmung einer Regelmindesteinwohnerzahl für eine hauptamtliche Verwaltung auf der gemeindlichen Ebene feststehen
sollte, für welche Aufgaben diese Verwaltungseinheiten zuständig sein sollen. Wiederholt wurde zudem
angeregt, keine einheitliche Regelmindesteinwohnerzahl festzulegen, sondern insofern zwischen dem
Berliner Umland und den berlinfernen Regionen zu differenzieren und ggf. Korridore festzulegen. Neben
der Einwohnerzahl sollte zudem die Fläche eine Rolle spielen. Für die berlinfernen Regionen wurde
mehrfach die Befürchtung geäußert, dass bei einer Regelmindesteinwohnerzahl von 10.000 unbeherrschbare Flächengrößen entstehen würden. Ein anderer Diskussionsansatz ging davon aus, dass
wichtiger als eine Regelmindesteinwohnerzahl die Leistungsfähigkeit einer gemeindlichen Verwaltung
sei. Diese könne z. B. auch an einer Mindestgröße für die Verwaltung von 50 Mitarbeitern festgemacht
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werden, ab der ein effektives Arbeiten möglich sei. Als weiteres alternatives Kriterium für die Leistungsfähigkeit einer hauptamtlichen Verwaltung auf der gemeindlichen Ebene wurde die Zuständigkeit für
mindestens eine weiterführende Schule benannt. Es wurde auch die Position vertreten, dass es während der Freiwilligkeitsphase keiner festen Zielgrößen bedürfe. Das Land solle jedoch verschiedene
Modelle bereitstellen, die Spielräume für flexible Lösungen bieten. Insoweit wurde einhellig bemängelt,
dass konkretere Aussagen zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen für die neuen Modelle Amtsgemeinde und Mitverwaltung bislang nicht vorliegen.
Diskussion über die verschiedenen Modelle der hauptamtlichen Verwaltung auf der gemeindlichen Ebene:
Im weiteren Verlauf der Diskussion wurden die verschiedenen Modelle der hauptamtlichen Verwaltung
auf der gemeindlichen Ebene erörtert. Hier gingen die Meinungen teilweise weit auseinander.
1. Ämter
Für die bestehenden Ämter wurde seitens der anwesenden Amtsdirektorinnen und Amtsdirektoren teilweise vertreten, dass sich dieses Modell bewährt habe und effektiv sei. Teilweise wurde aber auch kritisch festgestellt, dass mit den vorhandenen finanziellen Mitteln und dem vorhandenen Personal faktisch nur noch Pflichtaufgaben wahrgenommen werden könnten und dass die Beschäftigten in der notwendigerweise schlanken Amtsverwaltung nur noch Generalisten seien. Auch wurde konstatiert, dass in
der Amtsstruktur Parallelinfrastrukturen aufrechterhalten würden, obwohl eine Bündelung eigentlich
sinnvoll wäre. Außerdem wurde vorgetragen, dass eine flächenmäßige Vergrößerung nur begrenzt
möglich sei, da Größe sich auch negativ auf die Effizienz auswirken könne. Es wurde darauf hingewiesen, dass ein Amt bereits nach der derzeitigen Rechtslage mit der Bewältigung der Gremienarbeit (z. B.
bei einem Amt mit drei Gemeinden: 12 Gremien, die im sechs-Wochen-Rhythmus tagen) an seine Belastungsgrenze stoße. Es wurde wiederholt darum gebeten, die Ortsteilrechte nicht weiter zu stärken,
um auch die Entscheidungsfindung nicht noch weiter zu erschweren.
2. Einheitsgemeinde:
Bezogen auf die Einheitsgemeinde wurde dagegen vorgetragen, dass diese das effizienteste Modell
sei, wenn man die Ortsbeiräte einbezieht und deren Handlungsmöglichkeiten stärkt. Der Effizienzvorteil
der Einheitsgemeinde gegenüber dem Amt wurde besonders nachdrücklich von Bürgermeistern von
Einheitsgemeinden bekräftigt, die aus einem Amt hervorgegangen sind und demzufolge beide Modelle
praktiziert haben. Auch als eine kleinere Einheitsgemeinde mit weniger als 5.000 Einwohnerinnen und
Einwohnern könne man leistungsfähig sein, weshalb kein zwingender Veränderungsbedarf gesehen
werde.
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3. Amtsgemeinde:
Die Amtsgemeinde wurde überwiegend kritisch gesehen. Während die Entscheidungen im Amt maßgeblich von den amtsangehörigen Gemeinden bestimmt würden, würde in der Amtsgemeinde die Amtsgemeindevertretung entscheiden („wie ein Kreistag im Kleinen“). Die Konsensfunktion des Amtes werde
dadurch herabgesetzt. Es wurde angemahnt, dass die ehrenamtlichen Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden zwingend kraft ihres Amtes Mitglieder der Amtsgemeindevertretung sein müssten. Mit Bezug
auf die geringen Wahlbeteiligungen bei den Landratswahlen wurde bezweifelt, dass die Direktwahl des
Amtsgemeindebürgermeisters von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen würde. Die Amtsgemeinde wurde auch als Vorstufe zur Einheitsgemeinde bezeichnet. Herr Graf wies als Vertreter des
Städte- und Gemeindebundes darauf hin, dass geklärt werden müsse, ob die Amtsgemeinde am kommunalen Finanzausgleich beteiligt werden müsse, wofür aus seiner Sicht Vieles spreche. Frau Prof. Dr.
Kuhlmann stellte zusammenfassend fest, dass die Amtsgemeinde gegenüber dem Amt keine Revolution sei. Die wesentlichen Unterschiede bestünden in der demokratischen Legitimation und der Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben. Das Amt werde dadurch von einer Bundkörperschaft zu einer
vollwertigen Gemeinde weiterentwickelt und damit gleichzeitig unter Berücksichtigung der Verfassungsrechtsprechung rechtssicher ausgestaltet. Sie bezeichnete die Amtsgemeinde als einen Kompromiss für
die Fälle, wo eine Einheitsgemeinde nicht möglich sei. Ein Mitarbeiter der Landesregierung stellte fest,
dass die Aussagen zur Amtsgemeinde im Leitbildentwurf ergänzt werden müssten. Hierbei dürften insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen der Amtsgemeinde und den Mitgliedsgemeinden von Interesse sein sowie die Entscheidung, ob die Amtsgemeinde parallel zum Amt eingeführt werde oder dieses ablösen sollte. Frau Prof. Dr. Kuhlmann warnte davor, zu viele Modelle gleichzeitig anzubieten.
4. Mitverwaltung
Die Mitverwaltung wurde nur nachrangig diskutiert. Gleichwohl gab es Befürworter und Kritiker. Aus
Sicht von Frau Prof. Dr. Kuhlmann sei die Mitverwaltung kein echtes Modell, sondern lediglich eine
Ausweichlösung in den Fällen, wo sich nichts anderes anbiete. Bei der Mitverwaltung handele es sich
um keine einfache Konstruktion. Es bestehe ein Legitimitätsproblem, da der Hauptverwaltungsbeamte
der mitverwaltenden Gemeinde, der im Wege der horizontalen Organleihe auch die Funktion des
Hauptverwaltungsbeamten für die mitverwaltete Gemeinde übernimmt, durch die Bürgerinnen und Bürger der mitverwalteten Gemeinde in keinerlei Weise - auch nicht mittelbar - demokratisch legitimiert sei.
Die Mitverwaltung entspräche daher nicht der Idee von kommunaler Selbstverwaltung.
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Resümee
Konsens bestand insoweit, als dass die Weiterentwicklung der gemeindlichen Ebene auf freiwilliger
Basis erfolgen sollte. Das Land solle hierfür die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. Es würden
mehrere Modelle gebraucht, die flexible Lösungen ermöglichen. U. a. wurde gefragt, ob es im Rahmen
von Neugliederungen auch möglich sei, Gemeindeteile herauszulösen. Die Möglichkeit, durch interkommunale Kooperationen (auch über Kreisgrenzen hinweg) die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, solle
dabei nicht von vornherein ausgeschlossen werden. In diesem Bereich gäbe es bereits erfolgreiche
Beispiele. Vor diesem Hintergrund wurde mehr Vertrauen in die Kommunen angemahnt, dass diese auf
Eigeninitiative und durch individuelle Lösungen Wege zu einer zukunftsfähigen und leistungsfähigen
Verwaltungsstruktur finden.
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