Februar 2016 - krause & kollegen

Wirtschaftsstrafrechtliche Nachrichten – Februar 2016
Kurzübersicht zum Inhalt:
[1] Rechtsprechung
[2] Verwaltung
[3] Gesetzgebung
[4] Wirtschaftsstrafrecht à propos
[5] Impressum
[6] Hinweis zum Urheberrecht
----------------------------------------------------------------------[1] Rechtsprechung
----------------------------------------------------------------------BGH: Tatbeendigung beim Betrug
Karlsruhe. In seinem Beschluss vom 18.11.2015 (BGH, Beschluss v. 18.11.2015 – 4
StR 76/15), hat sich der 4. Strafsenat des BGH mit der Tatbeendigung beim Betrug befasst.
Nach den Feststellungen des LG Bochum veräußerte der Angeklagte ab dem Jahr 2006
über von ihm kontrollierte Firmen Immobilien zu überhöhten Preisen. Die Käufer verfügten jeweils nicht über hinreichende Eigenmittel und Einkünfte zur Aufnahme eines Kredites zum Erwerb der Wohnungen. Der Angeklagte spiegelte den Mitarbeitern der finanzierenden Bausparkassen durch Vorlage unrichtiger Unterlagen die Bonität der Darlehensnehmer vor, worauf es zum Abschluss der Darlehensverträge und zur Auszahlung der Valuta auf ein Anderkonto des beurkundenden Notars kam. Von diesem
Notaranderkonto wurden die Darlehensbeträge an die vom Angeklagten und den Käufern benannten Personen und Unternehmen ausgezahlt.
In den fünf verfahrensgegenständlichen Fällen wurden die Kaufverträge im Zeitraum
zwischen Dezember 2006 und März 2007 geschlossen. In demselben Zeitraum wurden
die Darlehensanträge bei der B. und der D. Bausparkasse gestellt. Die Eintragung der
Käufer als Eigentümer im Grundbuch erfolgte im Zeitraum zwischen April 2008 und Juni
2009. Feststellungen zu den Zeitpunkten, in denen die Auszahlungen vom Notaranderkonto an die von den Kaufvertragsparteien benannten Empfänger vorgenommen wurden, enthält das Urteil des LG Bochum nicht.
Als früheste zur Verjährungsunterbrechung geeignete Untersuchungshandlung erfolgte
am 25.02.2013 die Anordnung der ersten Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten.
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Das Landgericht Bochum hat den Angeklagten wegen Betruges in fünf Fällen zu der
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Angeklagten hob der BGH das Urteil auf und verwies die Sache an das LG zurück.
Weder den Urteilsgründen noch dem Akteninhalt sei zu entnehmen, wann die abgeurteilten Betrugstaten beendet waren. Der Senat könne daher nicht prüfen, ob das Verfahrenshindernis der Verjährung der Strafverfolgung vorliege.
Für die Beendigung eines Betrugs sei nach der ständigen Rechtsprechung BGH die
Erlangung des letzten vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils maßgeblich. Die vom
Angeklagten erstrebte Bereicherung habe in der Auszahlung der Darlehensvaluta an
die von ihm benannten Empfänger bestanden, so dass die Verjährung mit der vollständigen Auszahlung des Darlehensbetrages vom Notaranderkonto an die vom Angeklagten angegebenen Personen und Unternehmen begonnen habe.
Der Auffassung des LG Bochum, die Beendigung der Tat sei erst mit der Grundbucheintragung der jeweiligen Käufer als Eigentümer eingetreten, vermochte der BGH nicht
zu folgen. Dabei könne dahinstehen, ob vom Beendigungsbegriff des § 78a S. 1 StGB
auch Verdeckungshandlungen, die nicht Merkmale des objektiven oder subjektiven Tatbestands erfüllen, erfasst sein könnten, wenn sie Teil des Tatplans seien, in zeitlichem
Zusammenhang mit der Planverwirklichung stünden und dadurch die erlangte Beute
gesichert werden solle (vgl. LK-StGB/Schmid, 12. Aufl., § 78a Rn. 4). Denn die Eigentumsumschreibung auf die Käufer der Wohnungen sei jedenfalls keine Verdeckungshandlung in diesem Sinne gewesen. Durch die Eigentumsübertragung sei weder ein
Verhalten des Angeklagten verschleiert oder verdeckt worden noch habe sie der Sicherung des Erlangten gegen drohende Entziehung gedient. Zudem sei der Angeklagte an
dieser Handlung nicht selbst beteiligt gewesen. Er habe auf ihre Durchführung auch
keinen Einfluss gehabt. Allein der Zusammenhang zwischen Vollzug der Kaufverträge
und den betrügerisch erlangten Finanzierungsdarlehen rechtfertige es nicht, für die Beendigung der Betrugstaten auf die Eigentumseintragung abzustellen.
Der demnach für die Beendigung der Tat maßgebliche Zeitpunkt der Auszahlung der
Darlehensvaluta an die Empfänger sei weder den Urteilsfeststellungen noch der Verfahrensakte zu entnehmen. Der Senat könne daher nicht prüfen, ob für diese Taten zum
Zeitpunkt der Anordnung der ersten Beschuldigtenvernehmung am 25.02.2013 bereits
Verjährung eingetreten sei.
Ergänzend hat der Senat auf Folgendes hingewiesen:
Bestehe beim Betrug der Taterfolg in einer Mehrzahl von Ereignissen, dann sei für die
Beendigung der Zeitpunkt der Erlangung des letzten vom Tatvorsatz umfassten Vermögensvorteils maßgebend. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der erstrebte Vorteil
an verschiedene Empfänger ausgezahlt werden solle, beginne die Verjährung daher mit
der Auszahlung des letzten, vom Angeklagten erstrebten Teilbetrages an den von ihm
bestimmten Empfänger.
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----------------------------------------------------------------------[2] Verwaltung
----------------------------------------------------------------------Strafrichter fordern stärkere Konzentration von Wirtschaftsstrafsachen und einen
Fachkräftepool für Wirtschaftsstrafkammern
Hannover. Am 16.02.2016 fand in Hannover der erste bundesweite Strafkammertag
statt. Etwa 70 Strafrichterinnen und Strafrichter aus Land- und Oberlandesgerichten im
ganzen Bundesgebiet trafen sich in der niedersächsischen Landeshauptstadt, um Fragen der Effizienzsteigerung im Strafverfahren zu erörtern. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte eine Forderung der Arbeitsgruppe „Handlungsbedarf in Wirtschaftsstrafverfahren“. Die bestehende Konzentration von Wirtschaftsstrafsachen auf spezialisierte
Kammern solle deutlich ausgebaut werden. Vorgeschlagen wurde die Einrichtung festgelegter Standorte für Wirtschaftsstrafkammern, die nicht nur landesweit, sondern gegebenenfalls auch länderübergreifend zuständig seien. Der Präsident des OLG Celle,
Götz von Olenhusen, wies darauf hin, dass eine länderübergreifende Konzentration
nach § 120 Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes bei Staatsschutzsachen bereits
nach geltendem Recht möglich sei. Die Einrichtung länderübergreifender Wirtschaftsstrafkammern setze lediglich eine Erweiterung der Norm im Gerichtsverfassungsgesetz
sowie Staatsverträge zwischen den Ländern voraus. Ziel sei die Professionalisierung
von Verfahren. Aus diesem Grund seien bei den Wirtschaftsstrafkammern auch Fachkräftepools einzurichten, bestehend etwa aus angestellten Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern.
Der Strafkammertag wurde durch die Präsidenten der Oberlandesgerichte initiiert und
fand dieses Jahr zum ersten Mal statt. Er solle dazu dienen, Experten aus der Praxis
die Gelegenheit zu geben, an der rechtspolitischen Diskussion zur Effizienzsteigerung
in Strafverfahren teilzunehmen. Anlass war der im Oktober des vergangenen Jahres
vorgelegte Bericht der Expertenkommission des Bundesjustizministeriums, der in der
gerichtlichen Praxis auf geteiltes Echo gestoßen war.
----------------------------------------------------------------------[3] Gesetzgebung
----------------------------------------------------------------------Cum/Ex-Untersuchungsausschuss hat sich konstituiert
Berlin. Der von den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beantragte Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der „im Zeitraum 1999 bis 2012 vollzogenen“
Cum/Ex-Geschäfte (wir berichteten in der WSNA-Ausgabe 12/2015) ist am 25.02.2016
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zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Vorsitzender des Untersuchungsausschusses ist Hans-Ulrich Krüger (SPD).
Aufgabe des Untersuchungsausschusses wird nach der Eingangsrede des Bundestagspräsidenten sein, die Ursachen und Entwicklung der Cum/Ex-Geschäfte zu untersuchen. Von den Untersuchungen sollen nicht nur Stellen des Bundes sondern auch
private Geldinstitute und Geldinstitute mit Bundesbeteiligung umfasst sein. Der Untersuchungsausschuss möchte klären, ob und wann geeignete Maßnahmen zur Unterbindung von Cum/Ex-Geschäften ergriffen wurden, ob diese Maßnahmen ausreichten und
wer die Verantwortung für die ggf. nicht erfolgte Unterbindung der Geschäfte trug.
Nach Presseberichten soll der Ausschuss beabsichtigen, von Oskar Lafontaine (damals
SPD), Hans Eichel (SPD), Peer Steinbrück (SPD) bis hin zum heutigen Amtsinhaber
Wolfgang Schäuble (CDU) alle Finanzminister seit 1999 vorzuladen.
Forderung nach unabhängigem Polizeibeauftragten des Bundes wird lauter - Gesetzesentwurf vorgelegt
Berlin. Nachdem im vergangenen Jahr von unterschiedlichen Stellen wie dem Institut
für Menschenrechte und der Polizeigewerkschaft die Forderung nach einem unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes erhoben wurde, hat die Fraktion der BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gemeinsam mit zahlreichen Abgeordneten am 19.02.2016 einen Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/7616) über die unabhängige Polizeibeauftragte oder den unabhängigen Polizeibeauftragten, das sog. Bundespolizeibeauftragtengesetz (BPolBeauftrG), vorgelegt. Der Gesetzentwurf ist hier aufrufbar.
Durch die Einführung des unabhängigen Polizeibeauftragten sollen Bürger, Menschenrechtsorganisationen und Beschäftigte die Möglichkeit haben, Missstände und Fehler
anzuzeigen, ohne dabei Sanktionen oder berufliche Nachteile befürchten zu müssen.
Eine derartige Möglichkeit bestünde bislang nicht, Fehlverhalten könne bisher lediglich
in einer Fach- bzw. Dienstaufsichtsbeschwerde oder im Rahmen einer strafrechtlichen
Aufarbeitung überprüft werden. Die sei ungenügend, da Fach- und Dienstaufsichtsbeschwerden lediglich der Selbstkontrolle der Verwaltung dienten und eine strafrechtliche
Aufarbeitung wegen der überdurchschnittlich häufigen Einstellung von Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte selten erfolge. Einige Bundesländer hätten vor dem Hintergrund dieser Problematik bereits entsprechende Stellen eingerichtet (z. B. RheinlandPfalz). Auf Bundesebene besteht eine derartige Stelle bisher nicht.
Der unabhängige und weisungsfreie Bundespolizeibeauftragte soll Fehler, Fehlverhalten sowie strukturelle Mängel erkennen und verhindern und insbesondere „typische“
Konfliktsituationen lösen. Beispielhaft nennt der Gesetzentwurf die Situation, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen Beamte dadurch erschwert würden, dass Kollegen, „die
an den Vorfällen nicht beteiligt waren, aber Kenntnisse von den Geschehnissen haben,
sich im Fall einer nicht sofortigen Aussage dem Verdacht aussetzen, eine Strafvereite-
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lung begangen zu haben“. Diese Zeugen aus dem Kreis der Polizei seien „dabei für die
Aufklärung der Haupttat typischerweise so wichtig, dass die Ermittlungen ohne entsprechende Aussagen wenig erfolgversprechend sind. Daher erweisen sich Ermittlungen
gegen eben diese Beamtinnen und Beamte wegen des Verdachts einer Strafvereitelung
regelmäßig nicht zuletzt aufgrund des Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 55 StPO
als entscheidendes Hemmnis für die Aufklärungen entsprechender Haupttaten“. Eine
wichtige Aufgabe des Polizeibeauftragten werde es daher sein, „die Beamtinnen und
Beamten in dieser schwierigen Situation zu beraten“.
----------------------------------------------------------------------[4] Wirtschaftsstrafrecht à propos
----------------------------------------------------------------------BFH: Organschaft mit Tochterpersonengesellschaft möglich - Neuordnung der
Konzernbesteuerung bei der Umsatzsteuer
München. Der fünfte Senat des BFH hat in drei Urteilen vom 02.12.2015 grundlegend
zu Fragen der Konzernbesteuerung im Umsatzsteuerrecht Stellung genommen. Den
Urteilen lagen verschiedene Sachverhalte zugrunde, deren rechtliche Würdigung jeweils bisher streitige Bereiche der Organschaft betrafen.
Mittels teleologischer Extension erweiterte der BFH den Kreis möglicher abhängiger
Organgesellschaften (Urteil vom 02.12.2015 - V R 25/13). Entgegen der bisherigen
Rechtsprechung könne nicht nur mit einer juristischen Person eine Organschaft eingegangen werden. Auch eine Personengesellschaft könne unter bestimmten Voraussetzungen Organgesellschaft sein: bei juristischen Personen könnten aufgrund des hier
herrschenden Prinzipien (Mehrheitsherrschaft, klare rechtliche Ausgestaltung der Gründung und Anteilsübertragung) die Beherrschungsvoraussetzungen regelmäßig rechtssicher entschieden werden. Dies könne bei Personengesellschaften aufgrund der dort
herrschenden Leitlinien (Einstimmigkeitsprinzip, Gründung ohne Formzwang, formfreie
Übertragung der Anteile) zwar grundsätzlich nicht gelten. Dort wo aber allein der Organträger und andere von ihm finanziell beherrschte Gesellschaften an der Tochterpersonengesellschaft beteiligt seien, könne die Beherrschung ebenso wenig in Frage gestellt
werden. In diesen Fällen sei eine Organschaft daher auch mit einer Personengesellschaft möglich.
Hinsichtlich der konkreten Voraussetzungen einer organschaftlichen Beherrschung hält
der BFH ebenso weiter an der Voraussetzung einer eigenen Mehrheitsbeteiligung des
Organträgers an der Tochtergesellschaft wie einer (regelmäßig vorauszusetzenden)
personellen Verflechtung über die Geschäftsführung der Personengesellschaft fest (Urteil vom 02.12.2015 – V R 15/14). Eine Organschaft könne auch nicht aus Gründen des
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Unionsrechts auf lediglich eng miteinander verbundene Personen erweitert werden. Eine Organschaft zwischen Schwesterngesellschaften sei daher weiterhin nicht möglich.
Darüber hinaus hält der BGH weiterhin daran fest, dass Organträger nur sein kann, wer
auch Unternehmer ist (Urteil vom 02.12.2015 – V R 67/14). Eine juristische Person des
öffentlichen Rechts, welche nicht unternehmerisch tätig ist, könne eine Organschaft
nicht begründen. Die Organschaft sei eine Vereinfachungsmaßnahme, die eine eigene
Unternehmerstellung des Organträgers voraussetze, um missbräuchlichen Praktiken zu
verhindern. Die im konkreten Streitfall klagende Tochtergesellschaft einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts könne sich daher nicht darauf berufen, dass ihre Leistungen an die Muttergesellschaft nicht steuerbar seien.
----------------------------------------------------------------------[5] Impressum
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Redaktion:
Rechtsanwalt Dr. Daniel Travers
Rechtsanwältin Dr. Franziska Schulze-Luckow, LL.M. (LSE)
Rechtsanwalt Dr. Markus Twele
Rechtsanwältin Dr. Eda Tekin
Rechtsanwalt Dr. Thomas Himmelreich
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