Südostschweiz vom 29.02.2016

REGION
Südostschweiz | Montag, 29. Februar 2016
Auch Graubünden will eine
zweite Gotthardröhre
Davos stellt
sich hinter
Langlaufsport
In Davos kann ein neues Langlaufzentrum gebaut werden. Das Davoser
Stimmvolk hat die Vorlage am Sonntag
mit 3339:547 Stimmen deutlich genehmigt. Die Investition beläuft sich auf
total rund drei Millionen Franken. Abzüglich der Beiträge Dritter und Gelder
aus dem Davoser Anlagefonds verbleiben der Gemeinde für den Neubau des
Langlaufzentrums Kosten von 1,88 Millionen Franken. Im Gebäude entsteht
auch ein Kindergarten, der mit einer
Investition von 800 000 Franken verbunden ist. Ingesamt kostet das Bauprojekt, das im November 2016 bezugsbereit sein soll, die Gemeinde 2,68 Millionen Franken. «Das ist sehr gut investiertes Geld und ein klares Bekenntnis
zum Langlaufsport», kommentierte
gestern Reto Branschi, CEO der Davoser Tourismusorganisation, das Abstimmungsresultat. Die Stimmbeteiligung lag bei 56,4 Prozent. (béz)
60 Prozent der Bündner Stimmbevölkerung sagen Ja zu einer zweiten Röhre am Gotthard.
Nur sieben Gemeinden lehnen die Vorlage ab. Die Stimmbeteilung lag bei 60 Prozent.
von Ursina Straub
D
ie deutlichste Zustimmung für eine zweite
Gotthardröhre kommt
aus der Region Viamala:
87 Prozent der Splügner
Stimmberechtigten sprechen sich für
einen zweiten Gotthard-Strassentunnel aus. In Casti-Wergenstein sind 83
Prozent für eine zweite Röhre und in
Hinterrhein liegt der Ja-Stimmenanteil bei 81 Prozent.
Die Vorlage abgelehnt haben sieben Bündner Gemeinden: Fläsch (Region Landquart), Madulain (Maloja),
Roveredo (Moesa), Scuol (Engiadina
Bassa / Val Müstair), Sta. Maria i.C.
(Moesa), Verdabbio (Moesa) und Waltensburg / Vuorz (Surselva).
Sanierung Gotthard-Strassentunnel
Eidgenössische Abstimmung
vom 28. Februar nach Gemeinden
Stimmbeteiligung: 60,61 %
Am meisten Nein aus Verdabbio
Der höchste Nein-Stimmenanteil
kommt aus den beiden Gemeinden
Verdabbio (57 Prozent Nein-Stimmen)
und Roveredo (53 Prozent Nein-Stimmen) in der Region Moesa sowie aus
Scuol (53 Prozent Nein-Stimmen) im
Unterengadin.
Tendenziell eine höhere Zustimmung hat die Vorlage in den Gemeinden erhalten, die an der San-Bernardino-Route liegen: In der Region Viamala beträgt der Ja-Stimmen-Anteil
67 Prozent. Auch in der Region Albula
waren 66 Prozent der Stimmberechtigten für die Vorlage, während die geringste Zustimmung die Region Engiadina Bassa/Val Müstair verzeichnet,
nämlich 52 Prozent.
«Tourismus hätte gelitten»
Hoch erfreut über die deutliche Zustimmung aus Graubünden zur zweiten Gotthardröhre war gestern CVPNationalrat Martin Candinas, der dem
Bündner Ja-Komitee angehörte. In diesem waren neben den bürgerlichen
Parteien alle grossen Wirtschaftsverbände sowie ACS und TCS vertreten.
Ausschlaggebend für den klaren
Entscheid seien wohl die Befürchtungen der Bevölkerung gewesen, dass
der Kanton mehr Verkehr zu schlucken hätte, wenn die zweite Gotthardröhre nicht gebaut würde, so Candinas. Und zwar nicht nur während der
Flimser sagen
zweimal Ja
Ja-Stimmen
70 % und mehr
60 – 69,9 %
Ja
60,2
50 – 59,9 %
40 – 49,9 %
%
Nein
39,8
weniger als 40 %
Quelle: Kanton Graubünden, Grafik: Südostschweiz
Sanierung des Gotthard-Strassentunnels, sondern etwa auch bei einem
Unfall im Tunnel. «Dieser Mehrverkehr kann nicht im Sinne des Tourismuskantons Graubünden sein», unterstrich Candinas.
Ernst Wyrsch, Präsident von Hotelleriesuisse Graubünden stiess ins gleiche Horn: «Der Abstimmungssonntag
ist ein guter Tag für uns Touristiker.»
Und er betonte: «Der Bündner Tourismus hätte unter einem Nein zu einer
zweiten Gotthardröhre gelitten.»
Alpenschutz nicht aushöhlen
«Das Volksverdikt ist klar», sagte SPNationalrätin Silva Semadeni, Präsidentin des Bündner Komitees Nein
zur 2. Gotthardröhre, «diesen Entscheid gilt es zu akzeptieren.» Massge-
bend sei neben dem Sicherheitsaspekt
wohl die «Angstmacherei der Gegner»
gewesen, der Umwegverkehr würde
sich auf die San-Bernardino-Route
verlagern, so Semadeni.
Sie erwarte nun, dass die Versprechungen, die vor der Abstimmung gemacht worden seien, eingehalten würden: «Nämlich, dass der Alpenschutz
nicht ausgehöhlt wird. Er ist nach wie
vor Teil der Verfassung.» Dies bedeute, dass der Tunnel nicht vierspurig
geführt werden dürfe und dass die
Verlagerung von Gütern auf die Strasse konsequent weitergeführt werden
müsse.
Enttäuscht zeigte sich Christian
Stricker, Präsident Grünliberale Graubünden, und ebenfalls im Nein-Komitee: «Das Schweizervolk riskiert im
Jahr der Eröffnung des Gotthardbasistunnels gerade auch dessen Beerdigung und die Torpedierung der
24-Milliarden-Investition Neat.»
«Emotionale Argumente»
Er vermutete, dass «die emotionalen
Argumente der Befürworter zur Sicherheit und der Isolation des Tessins
verfangen haben. Für Graubünden
kam noch die unbegründete Angst
vor Umwegverkehr am San Bernardino dazu.»
Dennoch glaubt Stricker, dass die
Mehrheit der Tunnelbefürworter zusammen mit den Gegnern der zusätzlichen Röhre noch immer zur Alpeninitiative stünden und die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene wünschten.
Herr Cavigelli, sind Sie froh über
das klare Ja zur zweiten Röhre?
MARIO CAVIGELLI: Froh und vor allem erleichtert. Denn bei einem Nein
wären wir vor der grossen Herausforderung gestanden, die Infrastruktur
auf der San-Bernardino-Route und
den Pässen Lukmanier und Julier auf
die aussergewöhnliche Situation vorzubereiten.
Fast 40 Prozent der Bündner Stimmenden haben sich gegen den
zweiten Strassentunnel ausgesprochen. Haben Sie Verständnis
für die Neinsager?
Zu einem ganz erheblichen Teil. Denn
die Abstimmung ist letztlich zu einer
Vertrauensfrage geworden: Glaubt
Erleichtert: Regierungsrat Mario Cavigelli
ist froh über die Zustimmung des Volkes
zur zweiten Gotthardröhre. Bild Yanik Bürkli
Die zweite Röhre werde früher
oder später zweispurig genutzt,
war das Hauptargument der Gegner. Ist diese Furcht unbegründet?
Ich sehe die Gefahr nicht. Die Politik
ist jetzt allerdings gefordert, das Vertrauen des Stimmvolks zu bestätigen,
also den Grundsatz, dass der Schwerverkehr auf die Schiene verlagert werden soll und die Kapazität auf den
alpenquerenden Strassen und am
Gotthard nicht vergrössert werden
darf. Gerade aus der Sicht eines Gebirgskantons haben wir den Auftrag,
diesbezüglich in Bern exakt hinzuschauen, damit diese Regeln nicht
Surlej neu in
der Dorfzone
umgangen werden. Wir haben als Gebirgskanton alles Interesse daran, dass
der alpenquerende Schwerverkehr
auf die Schiene verlagert wird.
Über den Gotthard hinausgedacht:
Wird es aus Umweltgründen nicht
notwendig werden, weiteres
Wachstum des Güterverkehrs insgesamt zu verhindern?
Sie meinen, ob Gütertransporte eingeschränkt werden sollten?
Wahlkreise
abgeschafft
Dass sie begrenzt werden müssen.
Das könnte in der Zukunft vielleicht
eine These werden. Doch wir gehen in
unseren Prognosen von unserer jetzigen Technik aus. Es ist aber gut möglich, dass sowohl Güter- als auch Personentransporte in der Zukunft mit
neuer Technik viel umweltfreundlicher
abgewickelt werden können als heute.
Mit 515:104 Stimmen hat die Gemeinde Val Müstair gestern einer Änderung
der Gemeindeverordnung zugestimmt.
Damit wird der Wahlkreis «circul electoral» für die Wahl des Gemeindevorstands abgeschafft. Künftig gibt es somit keine Wahlen mehr in den einzelnen Fraktionen, sondern nur noch
über die ganze Val Müstair. ( fh)
Regierungsrat Mario Cavigelli glaubt, dass die zweite Röhre der Verlagerungspolitik nicht schaden wird.
Gerade die Gebirgskantone müssten darauf achten, dass das nicht geschieht.
man an die Verlagerungspolitik des
Bundes oder glaubt man nicht daran?
Wer da misstrauisch war, hat wohl ein
Nein in die Urne gelegt. Wer daran
glaubte, sehr wahrscheinlich ein Ja.
Klare Ergebnisse zu den kommunalen
Vorlagen in Flims: Die Stimmberechtigten haben den vom Gemeindevorstand beantragten zwei Bodenkäufen
mit deutlichem Mehr zugestimmt. Der
Kaufvertrag mit der einfachen Gesellschaft «Geschwister Kuhn» (Gutveina
Sut) wurde mit 668:488 Stimmen angenommen, die Kaufverträge mit der Boliga AG (Schulhausnähe) mit 718:444
Stimmen. Damit hat sich die Gemeinde Flims zum Gesamtpreis von rund
fünf Millionen Franken Baulandreserven gesichert. Diese sollen für den
Wohnungsbau für Einheimische und
die Schule aufwendet werden. (dea)
Die Stimmberechtigten der Gemeinde
Arosa haben der Teilrevision der Ortsplanung Pflegeheim Surlej mit 689:491
Stimmen zugestimmt. Die Stimmbeteiligung lag bei 51 Prozent. Zur Finanzierung des im Oktober 2014 eröffneten
Alterszentrums Arosa sollte das frühere Pflegeheim Surlej verkauft werden.
Um einen möglichst hohen Verkaufserlös zu erzielen, beantragte der Gemeindevorstand, die Parzelle 229 aus
der Zone für öffentliche Bauten und
Anlagen zu nehmen und neu der Dorfzone zuzuweisen.
Wie es mit der Liegenschaft weitergeht, ist noch nicht klar. Die Rekursfrist
zum Gemeinderatsentscheid über den
Verkauf der Liegenschaft an einen Davoser Immobilieninvestor (Ausgabe
vom 11. Februar) läuft noch bis heute
Montag. (phw)
«Alles Interesse an der Verlagerung»
mit Mario Cavigelli
sprach Ueli Handschin
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