Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter

Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406
Geschichte Wichtrach
Heft 1, Version 2.0
Übersicht:
Heft
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Titel
Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter
Wichtrach unter Schultheiss und Rat von Bern
Vom Niedergang des alten Bern bis zum demokratischen Volksstaat
Vom Bundesstaat bis zum 1. Weltkrieg
Die Zeit der Weltkriege
Grosse Veränderungen
Konsolidierung und Ausbau
Die Migration zur Gemeinde Wichtrach
Sonderheft „Wichtrachs Milleniumwerk: Die Fusion“
Sonderheft „Kirchgemeinde und Kirche Wichtrach“
Sonderheft „Wichtrachs Wirtschaft“
Periode
300 v. Chr. - 1406
1406 - 1740
1740 - 1848
1848 - 1914
1914 - 1945
1946 - 1975
1975 - 2003
2004 - 2011
1999 - 2004
1180 - 2011
1562 - 2011
Kritik, Ergänzungen, Verweise, Anregungen zu diesem Heft sind zu richten an:
Peter Lüthi, Bergacker 3, 3114 Wichtrach; [email protected]; Tf. 031 781 00 38
Aufarbeitungen erfolgen möglichst mit der nächsten Version
Ausgabe: 1.08.2015
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Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406
Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter
Achtung: Das Konzept der Wichtracher Hefte ist in Anhang 5 zu lesen. Kursiv geschriebene Teile
verweisen auf Pendenzen, zu bearbeitende oder in Bearbeitung stehende Beiträge.
Anhang 1 zeigt die verschiedenen Geschehnisse in Wichtrach, der Kirchgemeinde, im wichtigen
Umfeld in der zeitlichen Abfolge (Zeittabelle).
Inhalt
1. Die Spuren unserer Herkunft ..................................................................................................................... 3
1.1. Zum historischen Rahmen der Periode ........................................................................................................................ 3
1.2. Zur Geologie des Aaretal ............................................................................................................................................. 4
1.3. Über die Verkehrswege ............................................................................................................................................... 4
1.3.1. Die Aare ..................................................................................................................................................................................4
1.3.2. Der Verkehrsweg durch das Aaretal (rechts der Aare) ............................................................................................................4
1.3.3.Der Verkehrsweg durch das Gürbetal (links der Aare, am Westhang des Belpbergs) ..............................................................4
2. Belegte frühzeitliche Aussagen zu Wichtrach ........................................................................................... 5
2.1. Die archäologischen Funde auf dem Gemeindegebiet Wichtrach ............................................................................... 5
2.2. LaTène-Zeit, die Kelten ............................................................................................................................................... 5
2.3. Die Römer.................................................................................................................................................................... 6
2.3.1. Der Gutshof in Wichtrach .......................................................................................................................................................7
2.3.2. Weitere Funde im Bereich des Gutshofes................................................................................................................................8
2.4. Vom Frankenreich zum Deutschen Reich ................................................................................................................... 9
2.4.1. Das Erbe Karls des Grossen ....................................................................................................................................................9
2.4.2. Die Landgrafschaft Burgund ...................................................................................................................................................9
2.5. Die Herrschaften in und um Wichtrach ..................................................................................................................... 10
2.5.1. Über die Entstehung der Herrschaftsmarchen ....................................................................................................................... 10
2.5.2. Das Benediktinerkloster Einsiedeln ....................................................................................................................................... 10
2.5.3. Die Herrschaft Münsingen und die Herrschaft Niederwichtrach ........................................................................................... 10
2.5.4. Die Herrschaft Kiesen ........................................................................................................................................................... 11
2.5.5. Das Augustinerkloster Interlaken .......................................................................................................................................... 11
2.5.6. Die Herrschaft Diessbach ...................................................................................................................................................... 11
2.6. Die Auswirkung der Besitzverhältnisse auf die Gerichtsbarkeit................................................................................ 11
3. Wichtrachs Namen und Wappen ............................................................................................................. 12
3.1. Über die Herkunft des Namens „Wichtrach“ ............................................................................................................. 12
3.1.1. Wichtracher-Sage und erste Interpretationen......................................................................................................................... 12
3.1.2. Herkunftsinterpretationen des Sprachwissenschaftlers .......................................................................................................... 13
3.1.3. Der Ortsname „Wichtracho“ und andere Ausdrucksweisen .................................................................................................. 13
3.2. Das Geschlecht derer von Wichtrach ......................................................................................................................... 13
3.3. Zur Geschichte der Wichtracher-Wappen.................................................................................................................. 14
Anhänge .......................................................................................................................................................... 15
Anhang 1: Zeittabelle ....................................................................................................................................................... 15
Anhang 2: Ausschnitt aus dem geologischen Atlas der Schweiz...................................................................................... 16
Anhang 3: Landgrafschaft Klein-Burgund, 13.-15. Jahrhundert ...................................................................................... 18
Anhang 4: Keltische Männer assen mehr Fleisch als ihre Frauen .................................................................................... 19
Anhang 5: Konzept Wichtracher Hefte............................................................................................................................. 20
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Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406
1. Die Spuren unserer Herkunft
1.1. Zum historischen Rahmen der Periode1
Verfasser: Urs Maag
Die ältesten nachgewiesenen Funde in unserer Gegend stammen von Kelten. In der Nachbargemeinde Münsingen hat
man 1906 im Rain ein grosses keltisches Gräberfeld ausgegraben, das kurz nach 500 vor Christus begonnen und bis ins
zweite Jahrhundert vor Christus benutzt wurde. Es hat eine grosse Bedeutung, weil man an den Grabbeigaben über 300
Jahre lang die Entwicklung von Schmuck und Waffen verfolgen kann 2. Auch im Gemeindegebiet von Wichtrach wurden
Gräber aus dieser Zeit gefunden (siehe Kapitel 2.2.).
Für Wichtrach von besonderer Bedeutung ist die gallo-römischen Periode. Gut belegt ist ein Gutshof mit einer prächtigen
Villa und weiteren Bauten (siehe Kapitel 2.3.). Um die Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. plünderten und brandschatzten
Germanen nicht nur Helvetien 3. Um 400 n. Chr. wurden die römischen Truppen nach Italien zurückgezogen. Nur Kastelltruppen blieben zurück, die den wenigen Überlebenden in der Nähe einen gewissen Schutz boten. Das offene Land war
nur sehr dünn besiedelt.
Ab Mitte des 5. Jahrhunderts drangen von Norden die Alemannen und von Westen her die Franken, beides Germanenstämme, in unser Land. Diverse Funde im Aaretal bezeugen, dass hier nach den Römern die Alemannen siedelten, die
dann allerdings 496 von den Franken besiegt wurden. Die Alemannen lebten als Herren zwischen den keltischen Helvetiern, die ihnen wohl als Unfreie dienen mussten. Sie brachten eine gut entwickelte Bodenbebauung auf der Grundlage
der Dreifelderwirtschaft nach Helvetien. Sie kannten die Allmenden und weideten ihr Vieh auch in den Wäldern. Allmenden und Wälder waren Gemeinbesitz. Über Wald und Allmend verfügte die Marchgenossenschaft, die Versammlung der
freien Alemannen. Diese bestimmte, wie viele Stück Vieh jeder Teilhaber auf der Allmend weiden lassen durfte und
ordnete das Jagd- und Holzrecht in den Wäldern. Die Franken teilten ihr Reich in Gaue ein. Bis zum Sturz der Karolinger
(911) gehörte unser Land zum Gau Aargau. Ob in unserer Gegend Franken niedergelassen waren, ist nicht ersichtlich.
Die Franken führten in den Ländern, die sie eroberten, das Christentum ein. Sie unterstützten Klöster und Niederlassungen von Klöstern.
Der Einfall der Ungarn erforderte starke, gut geschulte Reiterarmeen statt des germanischen Fussvolks. Das führte zu
einer Veränderung der sozialen Struktur: Statt einer gewissen Anzahl Fusssoldaten war ein Reiter mit der nötigen Ausrüstung und Hilfskräften zu stellen. Damit wurden die Ritter in das Feudalsystem eingeführt. Klöster und Kirche wurden
immer wichtiger. Bei ihnen war dauerhaftes Wissen und Organisation. Sie führten zunehmend Schulen; ihre Hospize
sicherten den Betrieb der Alpenpässe, in Hungerjahren beschafften sie Hilfe für die Notleidenden. Daher suchten Klöster
Landbesitz in entfernten Gebieten, um ihren Besitz zu diversifizieren und bei Missernten in einem Gebiet auf Erträge an
andern Orten greifen zu können. So ist wohl das Interesse des Klosters Einsiedeln am Raum Wichtrach erklärlich.
Seuchen und die Völkerwanderung hatten Rom aufgelöst. Mit den Germanen kam eine Stammesherrschaft auf, oder die
Herrschaft des siegreichen Heerführers, des Königs. Dieser König belohnte seine Getreuen mit Lehen. Unter Karl dem
Grossen gab es eine gewisse Beruhigung im Abendland. Aber noch zu seinen Lebzeiten setzten die Wirren verstärkt
und in verschiedenen Gebieten wieder ein. Das Reich wurde aufgeteilt, die Wirren und Kriege dauerten noch sehr lange
an. Nach dem Abklingen der Kämpfe stritten viele Feudalherren miteinander oder mit der Bevölkerung. Wenn es den
Leuten und dem Staat besser gehen sollte, musste Ordnung geschaffen werden 4. Wo das gelang, gab es neuartige
Malereien und die Kathedralen der Gotik. In grossen Zentren wurden Universitäten geschaffen und überall erlebten Handel und Gewerbe einen Aufschwung. Landesherren versuchten mit Vögten ihre Anordnungen durchzusetzen und Ordnung zu halten. In bestimmten Gebieten oder in Städten einigten sich die Leute, wie sie miteinander umgehen wollten.
Diese Ordnung hatten sie gegenüber allen Bewohnern durchzusetzen und sich gegen feindliche Nachbarn zu behaupten. Gesinnungsfreunde waren eine wichtige Unterstützung.
Zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert fanden die Kreuzzüge statt, daraus ergaben sich erste Informationen über
Wichtrach im Zusammenhang mit der Schenkung des Freiherr Kuno von Buchsee (siehe Kapitel 3.1.3.). Die Stadt Bern
verbündete sich 1323 mit den Waldstätten und verschaffte sich in der Schlacht bei Laupen am 21. Juni 1339 mit ihren
Verbündeten Respekt. Nach der Bereinigung der Probleme mit Obwalden bezüglich des Oberhasli wurde 1353 der „ewige Bund" mit den Waldstätten abgeschlossen. 1406 erwarb die Stadt Bern die landgräflichen Rechte in Kleinburgund von den Kiburgern.
Im 14. Jahrhundert ging das “mittelalterliche Klimaoptimum“ zu Ende (11. – 13. Jahrhundert), worauf die Durchschnittstemperaturen sanken. Die anschliessende „kleine Eiszeit“ sollte bis ins 19. Jahrhundert dauern. 1322/1323 war ein
erster extrem kalter Winter. Das „Magdalenen-Hochwasser“ vom 21./22. Juli 1342, als die halbe normale Jahresregenmenge fiel, überschwemmte auch weite Teile der Schweiz und zerstörte grosse Mengen von Kulturland. Nach weiteren
nassen und teilweise extrem kalten Sommern folgte als nächste Katastrophe die aus Asien eingeschleppte Pest, die
1348/49 etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung hinwegraffte und fortan regelmässig wiederkehrte, etwa einmalpro Jahrzehnt 5. Dies führte in der Folge dazu, dass Arbeitskräfte Mangelware wurden und damit verschwand auch die
Leibeigenschaft 6.
1
Historisches Lexikon Schweiz >Bern (Kanton) > Von der Urzeit bis ins Hochmittelalter
Christin Osterwalder, Die ersten Schweizer, 1977, Seite 183 ff
Christin Osterwalder, Die ersten Schweizer, 1977, Seite 291 ff
4
Werner Näf, Die Epochen der neueren Geschichte, 1945, Seite 18 ff.
5
Thomas Maissen, Geschichte der Schweiz, Seite 20
6
Wikipedia, das Spätmittelalter
2
3
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1.2. Zur Geologie des Aaretal
Zur Geologie des Aaretal im Raume
Wichtrach wird auf Anhang 2, einen Auszug
aus dem Geologischen Atlas der Schweiz,
sowie auf das Kapitel „Von der Natur- zur
Kulturlandschaft“ in „Münsingen, Geschichte
und Geschichten“, verwiesen.
1.3. Über die Verkehrswege
Verfasser: Peter Lüthi
1.3.1. Die Aare 7
Die Aare gehört mit Sicherheit zu den ältesten Verkehrswegen im Aaretal zwischen
Bern und Thun; sie wurde für den Warentransport bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts
genutzt. Erst durch die Konkurrenz der
Eisenbahn kam der Schiffsverkehr innert
weniger Jahre zum Erliegen.
Die Erwähnung einer Korporation der AareAbbildung 1: Rückzug Aaregletscher vor etwa 15'000 Jahren, in der
schiffer in Aventicum auf einer Inschrift
Mitte Belpberg
zeigt, dass die Aare schon in römischer Zeit
als Verkehrsweg benutzt wurde. Da sowohl Bern (Engehalbinsel) als auch Thun (Heiligtum Thun-Allmendingen) damals
regionale Zentren waren, ist anzunehmen, dass zwischen diesen beiden Orten neben den wohl vorhandenen römischen
Strassen (siehe BE 10.1, historische Verkehrswege) der Fluss als Transportweg diente, da der Wasserweg der einfachste und billigste war.
Auch im Mittelalter war der Warentransport auf dem Wasser effizienter. Alle grösseren Gewässer hatten den Status von
Reichsstrassen, die im Prinzip für alle offen stehen mussten. Die Aare war somit klar der wichtigste Verkehrsweg zwischen Bern und Thun. Über den Thunersee bestand Anschluss in Richtung Grimsel, von Bern aus gelangte man bis
nach Koblenz und zur Messe in Zurzach.
In einer Urkunde von 1341 wird die Schifffahrt zwischen Thun und Bern erstmals schriftlich belegt. Darin musste Freiburg
einen Vertrag zwischen den beiden Städten vermitteln. Für den Schiffstransport bis nach Thun waren die Berner verantwortlich.
Die Aare war auf dieser Strecke nicht einfach zu befahren. Der Flusslauf änderte sich ständig. Die Ratsmanuale Berns
enthalten verschiedene Räumungsbefehle, in denen die Amtleute aufgefordert wurden, die Wasserwege zu säubern.
1491 wurden zum Beispiel diejenigen von Wichtrach aufgefordert, „die bäum, so in der Ar ligen und die güterswellen,
abzuhowen und führer zu wissen“. Ein Unfall führte dazu, dass 1681 ein Schiffahrtsreglement eingeführt wurde, das bis
zum Niedergang der Aareschiffahrt gültig blieb. In diesem Reglement wurden fünf Meister bestellt, die als einzige das
Recht hatten, die Aare zwischen Thun und Bern zu befahren. Ein Aufseher musste kontrollieren, ob die Schiffleute nüchtern waren, zur rechten Zeit abfuhren, die Tarifordnungen einhielten und die Schiffe nicht überluden. Die Stadt Thun
wurde aufgefordert, diese Ordnung „bei Zeiten zu introductieren und die erforderlichen Inspectores beizustellen“.
Flussaufwärts wurden die Schiffe auf Treidelpfaden gezogen. Zwischen Bern und Thun gab es wohl keinen festen
Reckweg 8, da sich die Ufer immer wieder veränderten. 1505 machte Bern den Schiffleuten die Auflage „so söllen si die
wägsame nebent der Ar obsig uf dem land allzytt versechen, bessren und in eren hallten“.
1.3.2. Der Verkehrsweg durch das Aaretal (rechts der Aare) 9
Auf Grund der römischen Siedlungen in Bern und Thun und den Villen in Muri, Münsingen und Wichtrach darf angenommen werden, dass eine Strasse auf der rechten Seite des Aaretals seit römischer Zeit bestand. Im Frühmittelalter
wurde die Strasse rechts der Aare wohl ebenfalls begangen, dies zeigen die Gräberfunde in Gümligen/Muri, Rubigen
und die Kirche in Kleinhöchstetten.
1262 wird die Strasse von Bern nach Muri in einer Urkunde genannt, 1321 wird deren Fortsetzung nach Münsingen als
„strada publica“ erwähnt. Die Zähringer dachten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in ihren Plänen der Strasse
eine wichtige Rolle zu als Zubringerin zur Grimsel oder einen anderen Berner Pass als Transit- und Handelsroute durch
die Alpen. Nach dem Aussterben der zähringischen Dynastie waren vor allem ihre Erben, die Kiburger und das Kloster
Interlaken an der Verbindung interessiert, da sie längs der Linienführung über Grund- und Herrschaftsrechte verfügten.
Die Nutzung des Gemmipasses durch die Römer ist nicht belegt.
1.3.3.Der Verkehrsweg durch das Gürbetal (links der Aare, am Westhang des Belpbergs) 10
Dass die heutige Strassenführung von Belp über Gelterfingen nach Kirchdorf und Uttigen schon zu römischer Zeit bestand, ist durch archäologische Funde nicht belegt. Die Route dürfte spätestens seit dem Hochmittelalter bestanden
7
8
9
Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 80, www.ivs-gis.admin.ch
Arbeitsweg unmittelbar dem Fluss entlang
Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 10.1, www.ivs-gis.admin.ch
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haben; darauf deuten die Lagen der Hohburg in Belp, der Chramburg und der Ruine Uttigen sowie die Erwähnung der
Strasse im Jahr 1354 hin.
Im Inventar historischer Verkehrswege sind keine Informationen zu finden über eine römische Strasse, welche das Gürbetal querend über den Raum Gerzensee-Kirchdorf weiter nach Wichtrach führt.
2. Belegte frühzeitliche Aussagen zu Wichtrach
2.1. Die archäologischen Funde auf dem Gemeindegebiet Wichtrach
Zusammenfassung: Peter Lüthi
Auf Grund der Unterlagen des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, Stand 19.1.2010, gibt es in Wichtrach 4
archäologische Schutzgebiete (Bild 2) und 11 Fundstellen. Die Schutzgebiete sind:
•
Unterrain-Bachtelen: Grab/Gräberfeld; 14 Gräber aus der späten LaTène-Zeit.
•
Seinfeldgrube: 3 Gräber, eines davon aus der frühen/mittleren LaTène-Zeit, mit Beigaben.
•
Kirche bis Kirchgemeindehaus: Fundamente und Funde aus römischer Zeit; Fundationen von Herrschaftshaus,
Mauerwerke und Oekonomiegebäude.
•
Oberwil: Mauerreste und Ziegelreste aus römischer Zeit. Hier stiess man beim Bau einer Telefonlinie vor allem auf
Ziegelreste. Es wurden keine weiteren Grabungen durchgeführt
Abbildung 2: Archäologische Schutzgebiete
Die Fundstellen sind ausschliesslich östlich der Eisenbahn und betreffen zumeist Einzelobjekte (Münzen, Schmuckstücke, Werkzeuge) aus der Eisenzeit bis ins Mittelalter.
2.2. LaTène-Zeit, die Kelten
Die LaTène-Periode gilt als eine voll entwickelte vorrömische Eisenperiode. Der Begriff LaTène geht zurück auf Funde
am Neuenburgersee beim Ort La Tène. Die frühe LaTène-Periode gilt etwa von 500 bis 300 v.Chr., die mittlere LaTènePeriode von 300 bis 150 v. Chr., die späte LaTène-Periode von 150-30 v. Chr. Die Bevölkerung wurde den Kelten zugerechnet. Von Julius Cäsar ist bekannt, dass zu dieser Zeit der keltische Stamm der Helvetier das schweizerische Mittelland bewohnte, also auch unser Gebiet 11.
10
11
Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 10.3, www.ivs-gis.admin.ch
Dorf und Herrschaft Münsingen in alter Zeit, Dr. E. Burkhard, Seite 7
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Im Juli 1904 stiessen Arbeiter bei der Kiesgrube im Rain (Koordinate 609 850 / 190
900) südlich des Dorfes Münsingen, auf ein
Gräberfeld, eine der berühmtesten Fundstätten dieser Periode mit mehr als 200 Gräbern
und ungefähr 1'200 Objekten. Die räumliche
Ausdehnung konnte über eine Zeitspanne
von nahezu 300 Jahren rekonstruiert werden.
Auf Grund des Reichtums der Grabbeigaben
wird auf eine privilegierte Oberschicht, eine
lokalen Adelssippe geschlossen 12. Über
jüngste Forschungsresultate siehe Anhang 4.
Die Grabstätten in Wichtrach-Bachtelen datieren wie die Grabstätte MünsingenSchulhausgasse aus der jüngsten LaTèneZeit.
Abbildung 3: Fibeln, Fundort am Rain
Nicht vom archäologischen Dienst bestätigt
ist die Fundstelle im Deiholz, gefunden 1865
von einem G. de Bonstetten, Koordinate 611
000/186 750 13.
2.3. Die Römer
Die Expedition von Cäsar in der Zeit von 58 bis 52 v. Chr. unterwarf die Gallier westlich und südlich des Rheins. Sofort
begann Cäsar damit, seine Veteranen mit Land abzufinden, das er 15 v. Chr. in Gallien enteignete. Mit dem Alpenfeldzug von Kaiser Augustus begann die flächendeckende Einflussnahme im Gebiet der Helvetier und Rauriker, sowohl
militärisch wie kulturell. Aus helvetischer Sicht ist auf die vernichtende Niederlage der Helvetier gegen die Römer bei
Bibracte im Jahre 58 v. Chr. zu verweisen, wo die Überlebenden in ihre Stammlande im Mittelland zurückgeschickt und
unter römische Verwaltung gestellt wurden.
Mit den römischen Gründungen von Militärbasen, Kolonien, Städten und grösseren Dörfern wurde auch die gallische
Grundbevölkerung langsam sesshaft. Der steigende Bedarf an Lebensmitteln für die Ballungen verlangte eine effiziente
Landwirtschaft mit Überproduktion für die Städte.
Das Gebiet von Bern war in römischer Zeit besiedelt, das Zentrum war der Vicus in der Enge. In Allmendingen/Thun lag
ein römisches Heiligtum, frequentiert wurde die Anlage vom 1. bis 4. Jahrhundert aus der näheren Umgebung und aus
dem Mittelland 14. Auf Grund der Villen in Muri, Münsingen und Oberwichtrach wird angenommen, dass eine Strasse von
Bern ins Oberland seit römischer Zeit bestand 15.
Abbildung 4: Die Schweiz während der Römerzeit
12
www.hls-dhs-dss, Münsingen, das keltische Gräberfeld
Oberwichtrach Gestern und Heute, Seite 15
14
Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 10, Strecke Bern-Thun
15
Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 10.1, Aaretalstrasse
13
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2.3.1. Der Gutshof in Wichtrach
Verfasser: Karl Heinrich von Grote
Nicht von ungefähr findet sich in Wichtrach ein «Römerweg». Er verlängert die Schulhausstrasse nach Osten bis an den
Lercheberg und endet dort nach einem Bogen unvermittelt. Er erinnert nicht etwa an Heerstrassen eines Gajus Julius
Caesar, sondern an einen römischen Gutshof mit grossem Herrenhaus am Hang unmittelbar hinter der Kirche.
Erste Funde sind in den Unterlagen des Archäologischen Dienstes dokumentiert in der Zeit von 1830.
Immer wieder stiess man auf Fundamentreste und
Kleinfunde in der Umgebung der Kirche.
1969 sollte der Lercheberg für die geplante Überbauung mit einer Hangstrasse, ausgehend vom
heutigen Römerweg, bis auf die Höhe erschlossen
werden. Als man im neuen Weg Leitungen verlegen
wollte, stiess man unerwartet auf alte Mauerreste.
Eigentlich waren es ja nur Steine, die der Trax ausbaggerte. Dennoch, man ging dem nach und rief
Archäologen herbei. Diese legten rasch die ersten
Mauern frei und ordneten sie einer gallo-römischen
Siedlung aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zu (Bild 5).
Auf Grund eines ersten archäologischen Gutachtens
sprach der Kanton einen beschränkten Kredit für
vorläufige Ausgrabungen, um den Umfang der
Fundstelle zu erforschen. Als die nationale Bedeutung des Fundes klar wurde, kaufte der Staat das
ganze Hanggrundstück, belegte es mit einem Bauverbot und liess zur Bestandessicherung alles wieder mit Erdreich zudecken. Das Geld für eine ausführliche und erschöpfende Ausgrabung und eine
Konservierung der offengelegten Mauern war damals nicht verfügbar. So ruht also der ganze Fund
wieder unter der Erde hinter der Friedhofmauer.
Abbildung 5: Fundstelle Römerhof
Weitergehende Sondierungen haben ausserdem
1974/75 noch Mauern zu Tage gefördert, die sich
hinter dem Schulhaus bis zum Pfarrhausweg erstrecken. Hinter dem Schulhaus ist ein Stück dieser
alten Mauerreste sichtbar (Bild 10). 1984, beim Bau
des Kirchgemeindehauses, wurde dort beim Abtragen der Humusschicht das Fundament eines kleinen
Steinhauses aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert freigelegt und archäologisch vollständig
dokumentiert (Bild 9). Die Funde südlich der Kirche
sind durch die fortschreitende Überbauung weitgehenzerstört worden. Plan Bild 8 lassen den Umfang
des Gutshofes mit Nebengebäuden erahnen.
Abbildung 6: Rekonstruktion Römerhof
Diese sogenannten gallo-römischen Villen umfassten
nicht nur ein geräumiges Wohnhaus, sondern nebst
Gebäuden für die Ökonomie auch solche für Personal und handwerkliche Tätigkeiten. Die Gebäudekomplexe waren auf eine grosse Landfläche verteilt
und häufig durch Umfassungsmauern geschützt. Bild
6 zeigt eine mögliche Rekonstruktion des Gutshofes:
Treppenaufgang mit Portikus (Säulenvorbau), dahinter der Haupttrakt mit den Wohnräumen. Links und
rechts verschiedene Neben- und Anbauten für Heizung, Bad, Aborte usw 16.
Nicht von ungefähr kommt also die Herleitung des
Ortsnamens Wichtrach durch den Sprachwissenschafter Dr. E. Blatter: Victriacum, der Landsitz des
Victrius. Von besonderer Bedeutung sind Reste von
Wandmalereien sowie der Heizanlage 17.
Abbildung 7: Wandfresken Römerhof
Bemerkenswert ist, wie gut die Farben der Fresken
16
17
Oberwichtrach, Gestern und Heute, Seite 18
Bilder vom Archäologischen Dienst Kt. Bern
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erhalten sind (Bild 7). Mit einem besonderen Verfahren wurden die erhalten gebliebenen Teile der Wandmalerei – es
handelt sich um Fresken auf Kalkputz – vom Mauerwerk bzw. vom Unterputz abgenommen und auf 8 Tafeln aufgezogen. 2006 wurden die Fresken erstmals anlässlich einer Ausstellung in Münsingen gezeigt. Die Ausgrabungen sind
nordseitig nicht vollständig abgeschlossen. Auf Grund der Fresken wird die Baute in die Zeit vom 1. bis 3. Jahrhundert
datiert.
Wertvoll ist die Bodenheizanlage, aus Backsteinplatten errichtete Pfeiler tragen den darüber errichteten Raumboden und
ermöglichen den Durchzug der Heissluft zu den in den Wänden eingebauten Kaminen. Lichte Höhe etwa 60 cm.
2.3.2. Weitere Funde im Bereich des Gutshofes
Aus den Quellen des Archäologischen Dienstes
Bei der Erstellung des Turnplatzes zum Schulhaus Kirchstrasse sowie beim Abriss und
Neubau der Liegenschaft Römerweg 1 konnten in den Jahren 1972 bis 1975 Mauern aus
der Römerzeit sichergestellt
werden.
Beim Bau des Kirchgemeindehauses
wurden
1984/85
schlussendlich die Fundamente
eines
„Oekonomiegebäudes“
gefunden Bild 9). Das Gebäude
gehört zum Gutshof und muss
im Laufe des 1. Jahrhunderts
n.Chr. in Gebrauch gewesen
sein.
Abbildung 8: Fundstellen im Raume Kirche, Schulhaus, Kirchgemeindehaus
Abbildung 10: Mauerrest beim Schulhaus Kirchstrasse
Abbildung 9: Fundament eines Oekonomiegebäudes 1984
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2.4. Vom Frankenreich zum Deutschen Reich 18
Zusammenfassung: Peter Lüthi
Das frühmittelalte Frankenreich stellte die dauerhafteste germanische Reichsgründung dar; zu ihm zählten ab 536 auch
sämtliche nördlich der Alpen gelegenen Gebiete der heutigen Schweiz. Aus seiner Auflösung entstanden in einem längeren Prozess Westfranken-Frankreich, Ostfranken-Deutschland und das Königreich Burgund 19.
2.4.1. Das Erbe Karls des Grossen
843 teilten die drei Enkel Karls des Grossen im Vertrag von Verdun das Frankenreich. Unsere Gegend kam ins Mittelreich, das keinen langen Bestand hatte. So entstand 888 das Königreich Hochburgund, dem 922 auch unsere Gegend
angegliedert wurde. 1032 kam ganz Hochburgund zum Deutschen Reich. Der deutsche König war oberster Landesherr.
2.4.2. Die Landgrafschaft Burgund 20
Die zunehmende Bevölkerungsdichte hatte zur Folge, dass der grosse fränkische Aargau in kleinere Herrschaftsgebiete
zerlegt wurde. Der Name Gau verschwand. Seit dem 12. Jahrhundert entstanden die Landgrafschaften. Die Landgrafen
besassen geringere Machtbefugnisse als die früheren Gaugrafen. Das Schwergewicht lag auf dem Gebiet der Rechtspflege. Als Richter übte der Landgraf anfangs die volle Gerichtsbarkeit aus. Doch überliess er in der Folge die Behandlung der kleineren Frevel seinen Unterbeamten. So entwickelte sich die im späteren Mittelalter bestehende Trennung
zwischen hoher und niederer Gerichtsbarkeit. Wichtigstes Recht der hohen Gerichtsbarkeit war der Blutbann, die Entscheidung über Leben und Tod.
Die Landgrafen waren bestrebt, die Rechte des Königs zu ihren Gunsten zu schmälern. So erreichten einige von ihnen
einen hohen Grad von Selbständigkeit. Landesherr in unserer Gegend wurde Graf Rudolf von Rheinfelden. Nach seinem
Tod (1080) kamen ausgedehnte Güter in der Westschweiz an die Herzoge von Zähringen, so auch unsere Gegend.
1191 gründete Herzog Berchtold V. die Stadt Bern. Nach seinem Hinschied im Jahr 1218, erbten die Grafen von Kiburg
zusammen mit anderen Besitzungen unsere Gegend.
Die Landgrafschaft Burgund
umfasste ab dem 12. Jahrhundert das Gebiet rechts der mittleren Aare, von Thun bis Aarwangen. Inhaber des Landgrafenamtes waren zuerst die Grafen von
Buchegg, dann die von NeuKyburg, bevor das Amt nach
deren Aussterben an die Stadt
Bern übertragen wurde (Karte
Anhang 3). Sie entstand gleichzeitig wie die Landgrafschaft
Aarburgund wahrscheinlich erst
nach der Auflösung des Herzogtums der Zähringer und des
Rektorats von Burgund, also
nach 1218. Ihre wichtigste Funktion war das Standesgericht für
Adel, Klerus und die freien Bauern. Sie diente daneben auch
der Sicherung des Landfriedens
und der Wahrung des ReichsguAbbildung 11: Ausschnitt aus der Schenkungsurkunde von 1266, 4. Zeile: superites. Die Grafen von Buchegg
ori wichtrach, 5. Zeile: inferiori wichtrach
werden erstmals 1252 als Landgrafen (lancravius), 1286 als
langravius Burgundie urkundlich erwähnt. 1313 mussten sie auf Druck der Habsburger zugunsten der habsburgischen
Seitenlinie der Grafen von Neu-Kyburg auf das Amt verzichten.
Im Verlauf des 14. Jahrhunderts gewannen die Landgerichte gegenüber der Landgrafschaft an Gewicht. Die Landgrafschaft geriet erstmals unter den Einfluss der Reichsstadt Bern, als die Grafen von Neu-Kyburg 1384 in das ewige Burgrecht der bernischen Untertanenstadt Laupen eintreten mussten. 1383/4 hatten die Berner und ihre Verbündeten den
Kiburgern die beiden Städte Thun und Burgdorf abgenommen 21. Am 28.August 1406 kaufte Bern von den Grafen
Berchtold und Egon von Kiburg die landgräflichen Rechte in Kleinburgund ab. Das ist das Gebiet rechts der Aare
bis zur Grenze mit dem Kanton Luzern, im Süden geht es bis nach Thun, im Norden an den Bucheggberg und bis in den
Oberaargau hinein (Anhang 3). Zudem erreichte Bern den Verzicht der Herzöge von Österreich auf die Lehenshoheit
über das Gebiet. Diese Rechtstitel dienten Bern bis ins 17. Jahrhundert als Grundlage ihrer Landesherrschaft, die sie
durch die sukzessive Erwerbung aller Herrschaftsrechte ausbaute.
18
Dorf und Herrschaft Münsingen in alter Zeit, Dr. E. Burkhard, Seite 12
Historisches Lexikon Schweiz, Frankenreich
20
Wikipedia, Landgrafschaft Burgund
21
Historisches Lexikon der Schweiz, Burdorferkrieg
19
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Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406
2.5. Die Herrschaften in und um Wichtrach
Zusammenfassung: Peter Lüthi
2.5.1. Über die Entstehung der Herrschaftsmarchen
Die Grundherrschaften innerhalb der Landgrafschaften bildeten anfänglich keine zusammenhängenden Bezirke, sondern
waren Streubesitz. Die Mächtigen des Landes suchten aber ihre Rechte über ihren Grundbesitz hinaus auf das Gebiet
eines grösseren Bezirks auszudehnen, indem sie die niedere Gerichtsbarkeit („Twing und Bann“) oder Vogteirechte an
sich brachten. So wurden Grundherrschaften auf dem Gebiet eigenen und fremden Eigentums zugleich zu örtlich abgerundeten Gerichtsherrschaften. Die Art ihrer Entstehung dürfte eher auf hoheitlicher Verleihung als auf gewaltsamer
Aneignung beruhen. Später vollzog sich der Verkehr mit solchen Rechten durch Kauf, Tausch, Erbgang, Teilung, Schenkung, Verpfändung oder andere Rechtsgeschäfte 22.
2.5.2. Das Benediktinerkloster Einsiedeln
Im Mittelalter waren die Klöster Frienisberg (Zisterzienser, gegründet 1131-38), Fraubrunnen (Zisterzienserinnen, gegründet 1246-50), und Interlaken (Augustiner, gegründet 1127-28) in unserem Raum begütert. Das Kloster Einsiedeln
(Benediktiner, gegründet 934) besass schon um 1002 und 1024 Güter in Kleinburgund 23 und ist 1266 als Grund-, Gerichts- und Kirchenherr in Oberwichtrach bezeugt 24, siehe Bilder 11, 12 aus dem Burkhardenbuch zur Schenkung an
Johannes von Ried. Wann und wie das Kloster dazu kam, ist unbekannt; auch der Verfasser des ersten verfügbaren
Pfrundurbars der Kirchgemeinde Wichtrach von 1572 konnte darüber keine Aussagen machen 25.
Im „Liber decimationis“ des Bistums Konstanz von 1275, einem Amtsbuch, angelegt
zum Zweck der Einziehung eines päpstlichen Kreuzzugzehnts, das einen weitgehend vollständigen Überblick gibt über die damals bestehenden Pfarreien und Klöster des Bistums, findet sich auch der Leutpriester von Wichtrach. Die Kirche gehörte zur Diözese Langnau 26.
Am 7. Februar 1333 verlieh Abt Johann dem Philip Hagenauer die Kirche zu
Wichtrach mit allen Rechten 27.
Bemerkenswert ist die Abschrift der Schenkungsurkunde aus dem Burkardenbuch
von 1444 im Archiv des Klosters Einsiedeln (Bilder 11. 12). Nach dieser Urkunde
erhielt ein Johannes von Ried und seine Frau am 11. Juli 1266 als Erblehen vom
Abt und Kloster Einsiedeln eine Hube 28 und drei Schupposen 29 in Oberwichtrach
und eine Schuppose zu Niederwichtrach (Bild 11). Es ist die erstmalige bekannte
Erwähnung von Ober- und Niederwichtrach (superiori wichtrach für Oberwichtrach
und inferiori wichtrach für Niederwichtrach) 30. Bis 1527 war das Kloster Grundherr,
hatte also Twing und Bann 31.
1527 schenkte das Kloster „Kirchensatz und niederes Gericht“ dem Ritter und Burger Sebastian von Stein zu Bern. Als Grund für die Schenkung vermutete der Verfasser des ersten Pfrundurbars von Wichtrach, dass „ihnen us gerichts twang und
collatur dieser pfrund nit vil nutzes gangen“ 32. Sebastian von Stein verkaufte das
Geschenk kurz darauf der Stadt Bern. Interessant an dieser Transaktion: Zum
Zeitpunkt der Schenkung sass Sebastian von Stein im Rat von Bern. Er wurde
dann als Anhänger des alten Glaubens aus dem Rat verstossen und zog nach
Freiburg 33. So war der Verkauf an die Stadt wohl eine Folge der Reformation.
Abbildung 12: Das Burkardenbuch von 1444 im Kloster Einsiedeln
2.5.3. Die Herrschaft Münsingen 34 und die Herrschaft Niederwichtrach
Die ersten Informationen aus dem Mittelalter stammen aus der Zeit von 993-1010, als König Rudolf III von Burgund dem
Pfalzgrafen Kuno unter anderem Münsingen zu Lehen gab. 1218 erschienen die Schlösser Diessbach und Münsingen
im Besitz der Kiburger. Diese setzten Dienstleute über ihre Eigengüter ein. Im Jahr 1223 ist ein Ritter Senno aktenkundig, ihm entstammt wohl das Geschlecht „Senn“. 1278 erhielt sein ältester Sohn, Ritter Konrad Senn, von König Rudolf
von Habsburg als Pfand für eine Schenkung den Zehnten von Niederwichtrach und Land an der Aare zwischen Münsingen und Niederwichtrach (Seinfeld), belegt durch die Akten im Rechtsstreit um den Heu- und Emdzehnt 35. Das Pfand
wurde nicht eingelöst, somit blieben sie im Besitz der Herrschaft von Münsingen. Konrads Sohn, Ritter Burkhart I., stand
22
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite LXI
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXII
24
www.hls.ch, Stichwort Oberwichtrach, Anne-Marie Dubler
25
Archiv Kirchgemeinde Wichtrach, Zehndenkonkontrolle Buch 9, 1572-1723
26
Freiburger Diözesan-Archiv 1 (1865)
27
www.klosterarchiv.ch/urkunde/id/271 und Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXII
28
Hube oder Hufe entspricht einer Fläche, die von einer Familie bewirtschaftet werden konnte (Wikipedia)
29
Eine Schupose entspricht einer Fläche, die mit der Arbeitskraft eines Kleinbauern bewirtschaftet werden konnte (Richard Feller,
Geschichte Berns Band 1, Seite 17)
30
www.klosterarchiv.ch/urkunde/id/87 und Oberwichtrach Gestern und Heute, Seite 25
31
Oberwichtrach, Gestern und Heute, Seite 27 und Seite 175
32
Archiv Kirchgemeinde Wichtrach, Zehndenkontrolle Buch 9, 1572-1723
33
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXIII
34
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXXI
35
Wichtracher Heft 2, Kapitel 4
23
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Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406
mit der Stadt Bern auf gespanntem Fuss. Am 11. November 1311 verbrannten die Berner die Burgen der Senn in
Münsingen und Balmegg 36.
Über verschiedene Handänderungen kamen schlussendlich zwei Drittel der Herrschaft Münsingen an die Familie von
Stein und etwas später der dritte Drittel an die Familie Nägeli. Im Jahr 1463 gelangte die Herrschaft an Hartmann von
Stein. Laut Kaufbrief von 1377, wie auch nach dem Urbar von 1463, gehörten zur Herrschaft Münsingen die Dörfer
Münsingen, Niederwichtrach, Tägertschi, Ursellen und Rubigen. Der Herrschaft Münsingen wurden mit Kaufbrief vom 5.
Dezember 1377 noch „alle und ganze Gerichte“ zugesprochen, die hohen Gerichte aber dann am 12. Dezember 1469
aberkannt als Folge des „Twingherrenstreits“ 37. Herrschaftsherr war damals Hartmann von Stein.
Im Jahre 1498 (Mentag nach san Verenen tag) wurde ein „Weistum“ über die Gerichtsmarchen zwischen Münsingen,
Niederwichtrach und Häutligen abgeschlossen. Die bestimmten Ziele und Marchen sollen die „gericht, twing und bann“
von Münsingen, Niederwichtrach und Häutligen voneinander scheiden, „doch jedermann an siner gerechtigkeit, veldfart,
wunn und weyd ganz unvergriffen und an schaden, dann wie die von altershar von jemand gehept, geübt und gebrucht
sind..“ 38. Dieses Datum kann somit wohl als „Gründung der Herrschaft Niederwichtrach“ mit eigener Gerichtsbarkeit verstanden werden. 1525/26 erfolgten weitere Marchbereinigungen zwischen Münsingen und Niederwichtrach.
2.5.4. Die Herrschaft Kiesen 39
Früheste Dokumente gehen zurück bis 1236 und 1250, als Konrad von Walkringen sowie Werner und Heinrich von Kien
auf Vogteirechte verzichteten. Offensichtlich wurde die Herrschaft unter verschiedenen Berner Geschlechtern stark gehandelt.
2.5.5. Das Augustinerkloster Interlaken 40
Das Augustinerkloster Interlaken (gegründet 1130 und aufgehoben 1528) war Besitzerin von Herrschaftsrechten in Oppligen. Erste Dokumente gehen zurück auf die Zeit von 1236. Nach der Aufhebung des Klosters übernahm die Stadt Bern
die Gerichtsbarkeit Oppligen und liess sie von der Schaffnerei Interlaken verwalten. Am 13. November 1601 wurde das
Gericht Oppligen auf Wunsch der Gemeinde vom Freigericht Steffisburg getrennt und mit dem Vennergericht
Oberwichtrach im Landgericht Konolfingen vereinigt.
2.5.6. Die Herrschaft Diessbach 41
Man geht davon aus, dass die Herrschaft über die Grafen von Kiburg als Dienstlehen an die Familie der Senn von
Münsingen kam. Am 29. November 1378 verkaufte die letzte Erbin aus dem Hause Senn unter anderem Burg und Herrschaft an Mathias Bogkess von Thun. Im Jahr 1427 kam die Herrschaft zur Hälfte an Niklaus von Diessbach, den Rest
1469 an seine Enkel Niklaus und Wilhelm von Diessbach. 1467 kam die Herrschaft an das Geschlecht von Wattenwyl.
Diese Herrschaft war die einzige in unserer Nachbarschaft im Besitz der hohen Gerichtsbarkeit 42, die allerdings durch
verschiedene Ratsbeschlüsse im Lauf der Zeit abgeschwächt wurde 43.
2.6. Die Auswirkung der Besitzverhältnisse auf die Gerichtsbarkeit
Auf Grund der verschiedenen Besitzverhältnisse ergaben sich für Wichtrach und Umgebung bis 1798 folgende Gerichtsverhältnisse:
Weltliches Gericht (niederes Gericht):
Für die Ortsgemeinden Oberwichtrach, Oppligen und Häutligen war der Venner des Landgerichtes Konolfingen zuständig. Das Gericht tagte üblicherweise „im Gasthaus“ (Kreuz) zu Oberwichtrach, Stellvertreter des Venners war der Ammann von Oberwichtrach
Für die Ortsgemeinde Niederwichtrach gab es nach der Festlegung der „Herrschaft Niederwichtrach“ ein eigenes Gericht
unter der Zuständigkeit des Herrschaftsherrn von Münsingen. Das Gericht tagte in der „Schenke“ zu Niederwichtrach,
Stellvertreter des Herrschaftsherrn war der Ammann von Niederwichtrach.
Die Ortsgemeinde Kiesen hatte ein eigenes Gericht unter dem Herrschaftsherrn von Kiesen.
Kirchliches Gericht:
Das kirchliche Gericht (Chorgericht) war zuständig für die Kirchgemeinde Wichtrach, bestehend aus den Ortsgemeinden
Oberwichtrach, Niederwichtrach, Kiesen, Oppligen. Die Vereidigung des Chorgerichtes erfolgte durch den Venner des
Landgerichtes Konolfingen.
36
Dorf und Herrschaft Münsingen in alter Zeit, Dr. E. Burkhard, Seite 22 ff
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite 38, Ortsgeschichte Münsingen, Seite 285
38
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite LXIV
39
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXXI
40
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, 4. Band, Seite XX
41
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXVIII
42
Hohe Gerichtsbarkeit = Blutgericht, Entscheid über Leben und Tod
43
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XVIII
37
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3. Wichtrachs Namen und Wappen
3.1. Über die Herkunft des Namens „Wichtrach“
3.1.1. Wichtracher-Sage und erste Interpretationen 44
Verfasser: Hermann Vogel 45, Mittelschullehrer in Oberwichtrach, 1904 - 1936
Nach der Sage soll der Name Wichtrach herrühren von einem Drachen, der vor Zeiten in einer Höhle im Haubenwald
wohnte. Dieser Drache raubte Menschen und Tiere und machte das ganze Aaretal unsicher. Die Leute litten grosse Not,
denn sie wussten sich des Untiers nicht zu erwehren. Manch starker Mann, der mit dem Drachen kämpfte, musste eines
jämmerlichen Todes sterben. Da kam ein fahrender Schüler, der hörte von dem bösen Drachen. Er sprach zu den Leuten: „Ich will euch helfen, höret auf meinen Rat. Nehmet eine starke Lanze, besprengt sie mit geweihtem Wasser, dann
ziehet damit gegen den Drachen und wenn er kommt, ruft dreimal „Wiich-Drach““ So zogen die Leute aus dem Aaretal in
feierlicher Prozession den Haubenberg hinan, voran der Priester mit der geweihten Lanze. Bald kam der Drache mit
mächtigem Schnauben herangeflogen und spie Feuer und Rauch aus dem Maule. Aber der wackere Priester fürchtete
sich nicht, schrie so laut er mochte „Wiich Drach“- und stiess dem Untier die Lanze in den Rachen, dass es tot zusammenbrach. Jetzt jubelte das Volk und freute sich, als es nun von diesem bösen Tiere erlöst war. Ein langer Zug bewegte
sich der Kirche zu, um Gott zu danken und zu lobpreisen für die gnädige Erlösung. Zum Andenken stellten sie die Lanze
in der Kirche auf. Von der Zeit an nannten sie ihr Dorf Wiichdrach und führten einen Spiess im Wappen bis auf den heutigen Tag.
Wahrscheinlicher aber ist es, dass der Name Wichtrach herkommt vom römischen Vicus trajectus. Schon zur Zeit der
Helvetier gab es auf den Schuttkegeln der beiden Waldbäche, die hier in die Aare mündeten, zwei Siedelungen, bestehend aus mit Schilf gedeckten Hütten. Die Bewohner nannten diese Ansiedlung Vich-traigh = Uferdorf. (Vich = Dorf,
traigh = angeschwemmtes Gelände). Die Römer bauten dann ihre Häuser aus Stein am Abhange des Lerchenberges
und gaben der Ortschaft den Namen Vicus-trajectus, d. h. Ort der Überfahrt, denn sie sollen hier eine Fähre über den
Fluss Arula eingerichtet haben. Diese Fähre verband die Strasse durch das Aaretal mit derjenigen durch das Gürbetal,
welche nach Allmendingen und Dunum führte 46. Noch heute gibt es hier einen Flurnamen: «Auf der Leueren», das
heisst: Landungsplatz. Die Aare floss damals da, wo sich heute die Landstrasse durch das Tal hinab zieht. Vicustrajectus mag auch eine Pferdewechselstation gewesen sein. Nach den Mauerresten und sonstigen Funden, auf welche
man im Friedhof und in der weiteren Umgebung von Kirche, Schulhaus und Pfarrhaus stösst, von der «Fuhren» bis zum
«Breitenbach» und hinauf zur «Grossmatt», an der ganzen Seite des Lerchenberges, darf man annehmen, dass Vicustrajectus eine recht bedeutende Ortschaft gewesen ist. In der Nähe der Kirche fand man 1830 einen Boden von Tuffsteinen und anderes Gemäuer. Lehmziegel fand man viele auf dem ganzen Friedhof, 1907 auch viele auf dem Turnplatz
des Primarschulhauses, grosse aus Lehm gebrannte, quadratische Platten beim Eingang zum Friedhof. Ein vollständiger
Heizraum (Hypocaustum) einer römischen Villa wurde 1842 blossgelegt. Der damalige Pfarrer Neuhaus fand auch
Fragmente einer römischen Hängelampe. Mehrmals hat man am Lerchenberg, am Hängert, in Oppligen, im Hasliwald
und in Häutligen römische Gold- und Kupfermünzen gefunden, darunter eine des Kaisers Augustus. Der Schreiber dieser Zeilen ist im Besitze von Fragmenten einer röm. Schale aus Terra sigilata mit schönen Tierfiguren. Der frühere Besitzer hat mit einem Nagel seinen Namen eingeritzt: Res. = Resistus. Diese Scherben wurden nebst Münzen vor etwa 20
Jahren auf einem Bauplatze beim Primarschulhause gefunden. Chr. Lädrach in der Grossmatt soll eine ganze «Bsetzi»
ausgegraben und die Steine davon zum Bauen verwendet haben. Auch auf dem «Berg» und im Weiler Maurachern ist
man auf Gemäuer römischen Ursprungs gestossen. Oppligen (Oponlengis) war ebenfalls schon zur Römerzeit bekannt.
Vermutlich stand auf dem Oppligenbergli ein römischer Wachtturm. Oppligen kam im Jahre 1005 durch Schenkung an
das Kloster Agaunum (St. Moritz) im Wallis.
Es werden wohl römische Veteranen, ausgediente Soldaten, gewesen sein, die sich hier am sonnigen Lerchenberg
angesiedelt hatten. Wenn wir uns im Geiste zurückversetzen in jene Zeit, dann sehen wir ihre rebenumrankten Villen mit
Rosengärten, blumengeschmückten Trockenmauern, unter Kastanien und Nussbäumen versteckten Badebassins am
windgeschützten Hang. Aprikosen- und Pfirsichspaliere zierten die Wände der Steinhäuser. Das Wasser zur Berieselung
ihrer Gärten und Weinberge werden die Bewohner von Vicus-trajectus vermittelst eines Kanals vom Haubenberg herabgeleitet haben. Am Ufer der Arula und im lieblichen Tälchen am breiten Bach weideten sie ihr Vieh. Wenn an warmen
Sommerabenden nach heissem Tagewerk helvetische Sklavinnen den Becher kredenzten und ihren Herren den köstlichen «Lerchenberger» einschenkten, dann glaubten sie sich daheim im sonnigen Heimatlande zu finden und ihre Gesänge schwebten zum Klange der Cythara weit über das breite Tal dahin.
Schon zur Römerzeit mag durch flüchtende Soldaten der thebäischen Legion das Christentum in das Aaretal gekommen
sein. Die Kirchen von Thun, Wichtrach und Münsingen sind in romanischem Style gebaut und waren dem hl. Mauritius
geweiht. Die wilden Alemannen, die ums Jahr 406 in Helvetien einbrachen, legten auch Vicus-trajectus in Schutt und
Asche 47.
44
Jahrbuch Amt Konolfingen 1944, K 01.02
Herrmann Vogel, Mittelschullehrer in Oberwichtrach, 1904- 1936
46
Diese Auslegung ist nach dem Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz nicht bestätigt, siehe Kapitel zum Aaretal.
47
Auf Grund neuerer Forschungsresultate wird die nachfolgende Auslegung von Dr. E. Blatter zur Namensgebung favorisiert, so auch
P. Glatthard (Ortsnamen zwischen Aare und Saane, 1977, der einen Namensbezug macht: Victorius oder Victrius)
45
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Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406
3.1.2. Herkunftsinterpretationen des Sprachwissenschaftlers
Verfasser: Dr. Erich Blatter
Erstmals erscheint Wichtrach in einer Urkunde von 1180 als Wichtracho. Diese Form liegt auffällig nahe an der gegenwärtigen Schreibweise. Basierend auf dieser Ersterwähnung und auf weiteren urkundlichen Notierungen, kann die Namenforschung eine ursprüngliche, zweigliedrige Namen-Vollform erschliessen (sie ist allerdings nicht schriftlich bezeugt),
die in gallo-römische Zeit hinabreicht und [fundus] Victoriâcum oder – zusammengezogen – Victriâcum gelautet haben
muss.
Im ersten Namenglied steckt ein römischlateinischer Personenname Victorius oder Victrius. Das zweite Namenglied
besteht aus der gallischen (keltischen) Adjektiv-Nachsilbe -âkos/-âkon, welches sich die Römer von ihren Siedlungsvorgängern entlehnt und in ihrer lateinischen Sprache als -âcus/-âcum angepasst haben. Dieses hat besitzanzeigenden
Charakter und meint etwa so viel wie «gehört zu». Die Blütezeit dieser Art der Ortsnamenbildung (sie illustriert übrigens
aufs Schönste den damaligen Sprachkontakt und die schon zu jener Zeit existierende kulturelle und sprachliche Durchmischung in unserem Land) fällt in die Zeit römischer Verwaltung auf gallischem Boden, und sie ist eng geknüpft an das
römische Fundus- System: Benannt wurden, nach ihrem (Erst-) Besitzer, die römischen Landgüter, die Fundi. Diesen
Landbesitz übertrug der römische Staat einem Bürger für geleistete Dienste zu vollem Eigentum. In der Kombination des
Besitzernamens mit der Nachsilbe -âcus/-âcum wird nun – wie angetönt – das Besitzverhältnis des Landguts (des Fundus) zum Ausdruck gebracht und in einem Steuerregister fixiert: Eben zum Beispiel fundus Victoriâcum.
Auch zur Leuere hat sich Dr. Blatter geäussert 48: Das Benennungsmotiv für das Siedlungsgebiet Leuere (mundartnäher
Löiere) vermuten einige Ortsansässige eine Ruhestätte für Pferde, indem sie den Namen in Zusammenhang bringen mit
dem schweizerdeutschen Verb lüü(w)en, leu(j)en im Sinne von <ausruhen>. Zieht man aber historische Forschungen bei
(1638-1641:ab der Löüweren) oder wertet archäologische Funde aus (in Wichtrach stiess man auf hallstattzeitliche
Grabhügel), so liegt als Ursprung das schweizerdeutsche Substantiv Leewere(n), Leebere(n) gerundet Lööwere(n)
[weiblich] näher, ein Wort, das bereits in althochdeutscher Zeit als (h)lêo [männlich] und mittelhochdeutsch als lêwer
[männlich] nachgewiesen ist und <(Grab) Hügel> bedeutet. Die mittelhochdeutsche Form lêwer ist dann später mit der
schweizerdeutschen Endung –ere erweitert worden. Mit dieser Ableitungssilbe drückt man aus, da etwas in grosser Zahl
vorkommt, daraus entsteht die Interpretation der Leuere als ein Ort, wo es viele Gräber hat(te).
3.1.3. Der Ortsname „Wichtracho“ und andere Ausdrucksweisen
Verfasser: Peter Lüthi
Ein „sacerdote (Priester) Hugo de Wichroho“ ist 1180 als Zeuge erwähnt in einer Urkunde über Legate des „freien Cuno
von Buchsee“. In einer späteren Übersetzung des Dokumentes steht „Hugo von Wichtrach 49. Der Grund für das Legat ist
abzuklären: Zusammenhang
mit Beteiligung an einem
Kreuzzug?
Abbildung 13: Ausschnitt aus Urkunde von 1180, in der 2. Zeile ist "hugo de wichroho"
In der Regesta Episcoporum
Constantiensium,
Regesten
zur Geschichte der Bischöfe
von Constanz von 517-1496
wird im Jahr 1180 unter Bischof Berthold von Bussnang
diese Schrift erwähnt und da
ist „Hugo de Wichtracho“
geschrieben.
Am 11. Juli 1266 erhielt ein Johannes von Ried und seine Frau als Erblehen vom Abt
und Kloster Einsiedeln eine Hube und drei Schupposen in Oberwichtrach und eine
Schuppose zu Niederwichtrach (Bild 11). Es ist die erstmalige bekannte Erwähnung von
Ober- und Niederwichtrach (superiori wichtrach für Oberwichtrach und inferiori
wichtrach für Niederwichtrach) 50.
Im „Liber decimationis“ des Bistums Konstanz von 1275, einem Amtsbuch, angelegt
zum Zweck der Einziehung eines päpstlichen Kreuzzugzehnts, das einen weitgehend
vollständigen Überblick gibt über die damals bestehenden Pfarreien und Klöster des
Bistums, findet sich auch der Leutpriester von Wichtrach; Diese Schrift ist in lateinischer
Sprache geführt. Dabei ist Wichtrach als „Withera“ geschrieben 51.
3.2. Das Geschlecht derer von Wichtrach
Die Vorlage zum Oberwichtracher Wappen geht auf ein Siegel zurück, welches Ulrich
von Wichtrach um 1303 geführt hat. Im 13. und 14. Jahrhundert existierte am Thunersee das Geschlecht derer von Wichtrach. Ein Conrad von Wichtrach und sein Sohn
Johann erschienen von der Mitte des 13. Jahrhunderts weg als Burger zu Thun 52.
Abbildung 14:Gut Wichterheer (Gemeinde Oberhofen)
48
Drachepost Nr. 22, Dezember 2009, Seite 8
Staatsarchiv Bern, C I b 61, alte Abteilung (0932-1903), Kt. Bern, Münchenbuchsee, Dokumentenbuch des Hauses Buchsee
50
Wichtracher Heft 1, Herrschaften in und um Wichtrach, Das Benediktinerkloster Einsiedeln – Dorfgericht Oberwichtrach
51
Freiburger Diözesan-Archiv 1 (1865)
52
Oberwichtrach Gestern und Heute, Seite 27
49
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Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406
Es ist aber kein Bezug derer von Wichtrach zu den Ortsgemeinden Ober- oder Niederwichtrach nachgewiesen. Ob der
Sacerdote Hugo de Wichroho, 1180 (Kapitel 3.4.3.), ein Mitglied der Familie derer von Wichtrach war, bleibt nachzuweisen.
Das Gut Wichterheer steht in Oberhofen (südlich des Schlosses Oberhofen), gehörte lange Zeit zu den grössten Rebgütern am Thunersee, gehörte zuerst zum Kloster Interlaken, dann den Freiherren von Wichtrach, später verschiedenen
Berner Patrizierfamilien. 1948 erwarb der Kanton Bern die Liegenschaft, trat sie 1978 im Baurecht für ein Kultur- und
Sportzentrum ab. Im Hauptgebäude befindet sich ein Uhrenmuseum, die oberen Geschosse können für Ausstellungen
genutzt werden. Der Name „Wichterheer“ soll auf die Freiherren von Wichtrach zurückgehen 53
3.3. Zur Geschichte der Wichtracher-Wappen
Amtlicher Beschrieb: "In Rot eine silberne Pflugschar schrägrechts".
Geschichte: Das Wichtracher Wappen ist nach dem Siegel des ältesten Geschlechts derer
von Wichtrach gestaltet. Es beinhaltet eine Pflugschar schräg rechts (die Spitze schaut also
nach links). Es gehörte seinerzeit einem Peter von Wichtrach, Burger von Thun, und wurde
als dessen Siegel von 1326 bis 1373 benutzt (silberne Pflugschar schräg rechts auf rotem
Grund) 54. Oberwichtrach besass das Wappen seit dem 22.4.1938 mit einer roten Pflugschar,
schrägrechts auf weissem Grund. Niederwichtrach hatte die Pflugschar gerade nach oben
aufgestellt und zwar in den Farben silberne Pflugschar auf rotem Grund.
Im Jahre 2003 hat die Projektleitung für die Fusion zum Thema des künftigen Wappens der
fusionierten Gemeinde einen Wettbewerb ausgeschrieben. Der Schüler Jonas Galli hat mit
dem Lösungsansatz gemäss Abbildung 5 diesen Wettbewerb gewonnen. Das neue Wappen
entspricht wieder demjenigen von Wichtrach aus dem 14. Jahrhundert. Im Schweizer Archiv
für Heraldik, Ausgabe Heft 2004-II wurde unter dem Titel „Gute Wappen, schlechte Wappen 55“ ein Artikel publiziert, der sich befasst mit den neu geschaffenen Wappen anlässlich
von Fusionen von Gemeinden in den letzten Jahren. Zu Wichtrach wurde folgendes geschrieben:
Abbildung 15:
Wichtrach
Am 23. April 2003 haben die beiden Berner Gemeinden Ober- und Niederwichtrach im Amtsbezirk Konolfingen mit
überwältigender Ja- Mehrheit der Fusion zur neuen Gemeinde Wichtrach zugestimmt. Für das neue Wappen wurden im
bisherigen Wappen von Oberwichtrach (Abb. 13 in Abb. 16) die Farben vom Niederwichtracher Wappen (Abb. 12 in
Abb.16) übernommen bzw. die bisherigen gewechselt. Die Nachforschungen des Staatsarchivars ergaben, dass
Abbildung 16: Wappenentwicklung
Wichtrach mit ihrem Wappen über eines der ältesten belegten Wappen sämtlicher bernischen Gemeinden verfügt (14.
Jahrhundert). Es geht auf die mittelalterliche Familie von Wichtrach zurück.
Anzumerken ist noch, dass das Wappen der bisherigen Gemeinde Niederwichtrach (Abb. 12 in Abb.16) in denselben
Farben und mit der Pflugschar in derselben Stellung auch von den Gemeinden Wil ZH, Lohn SH, Mellikon AG und Lampenberg BL geführt wird.
Das neue Wappen (Abb. 14 in Abb.16 und Abb. 15) der fusionierten Gemeinde Wichtrach überzeugt in jeder Beziehung
und besitzt unter den Schweizer Gemeinden keine „Doppelgänger“. Das einzige ähnliche Wappen ist dasjenige von
Wanzwil im bernischen Amtsbezirk Wangen. Wanzwil führt ebenfalls in Rot eine rechtsschräg gestellte silberne Pflugschar, begleitet aber von zwei goldenen Sternen. Das Wanzwiler Wappen bezieht sich wie zahlreiche andere Wappen
mit Pflugscharen auf den Landbau.
Über die Entstehung des Oberwichtracher-Wappens wissen wir folgendes: Als im neuen Amtsgerichtssaal im umgebauten Amtshaus in Schlosswil zum Schmuck alle Gemeindewappen angebracht werden sollten, wurde auch der Gemeinderat von Oberwichtrach angefragt, ob die Gemeinde ein Wappen führe und der Rat stellte am 7. April 1937 fest, dass
53
Gebäudeversicherung Bern, Berner Hauswege
Siehe Abschnitt über das Geschlecht derer von Wichtrach
55
H. Rüegg, Schweizerische Heraldische Gesellschaft
54
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Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406
„die Wappenfrage bei uns noch ungelöst ist und wohl vorläufig nichts anderes übrig bleibt, als im fraglichen Saal für
unsere Gemeinde ein Feld reservieren zu lassen“. Am 22. April 1938 legte der Sekretär dem Gemeinderat „einen neuen
Entwurf eines Gemeindestempels mit Gemeindewappen vor, der nunmehr allseitig Anklang fand“. Der Gemeinderat von
Niederwichtrach stand vor dem gleichen Problem, stellte aber fest, dass „das Wappen im roten Feld eine aufrecht stehende silberne Pflugschar zeige“, der Ursprung sei aber unbekannt. Er verweist aber auf eine Wappenscheibe in der
Kirche Wichtrach für die 4 Gemeinden und stellt auch fest, dass die Wappenfrage in den letzten Jahren geprüft worden
sei, als die Vereine neue Fahnen anfertigen liessen 56.
Anhänge
Anhang 1: Zeittabelle
Die Zeittabelle enthält die Zeitangaben zu Wichtrach in diesem sowie allenfalls weiteren Heften zu dieser Zeitperiode.
Periode,
Datum
150-30 v.
Chr.
58 v. Chr
1.-4. Jahrh.
Ab 5. Jahrh.
536
922
934
1080
1095-1291
1130
1180
1191
1218
1223
1266
1275
1278
1311
1341
1383/84
1406
56
Bezeichnung, Ereignis
Späte (jüngste) La Tène-Zeit; Funde in der Bachtelen, dem Keltenstamm der
Helvetier zugeordnet
Niederlage der Helvetier gegen die Römer bei Bibracte
Römische Periode, der Gutshof in Wichtrach
Einsickern der Germanen (Franken und Alemannen)
Unser Raum kommt zum Frankenreich
Unsere Gegend kommt zum Franken-Königreich Hochburgund
Gründung Benediktinerkloster Einsiedeln
Unsere Gegend kommt unter die Herzoge von Zähringen
Kreuzzüge (1099 Eroberung Jerusalem; 1191 fällt Akkon); Belege zur Kirche
Wichtrach
Gründung Augustiner-Probstei Interlaken
Erwähnung eines „Sacerdote Hugo de Wichroho“ Zeuge bei einer Schenkung
Herzog Berchtold V von Zähringen gründet die Stadt Bern
Nach dem Tod von Herzog Berchtold V von Zähringen gehen die Schlösser
Münsingen und Oberdiessbach im Besitz der Kiburger
Ritter Senno erhält Herrschaft Münsingen von den Kiburgern
Erste urkundliche Erwähnung von Ober- und Niederwichtrach
Erwähnung des Leutpriesters von Wichtrach im Liber decimationis zum Einzug
des Kreuzzugzehnts
Ritter Konrad Senn erhält den Zehnten von Niederwichtrach und Land im Seinfeld
Die Berner verbrennen ua. die Burg der Senn in Münsingen
Erste schriftl. Erwähnung der Schiffahrt von Thun nach Bern
Bern und ihre Verbündeten nehmen den Kiburgern die Städte Thun und Burgdorf ab
Stadt Bern kauft die landgräfliche Rechte in Kleinburgund von den Kiburgern
Referenz
(H=Heft, S=Seite)
H 1: S 3, 5; Anh. 4
H 1: S 6
H 1: S 3, 6, 7, 8
H 1: S 3, 9
H 1: S 9
H 1: S 9
H 1: S 10
H 1, S 9
H 1: S 3
H 1: S 10
H 1: S 13
H 1: S 9
H 1: S 9
H 1: S 10
H 1: S 9
H 1: S 13
H 1: S 10
H 1: S 10
H 1: S 4
H 1: S 9
H 1. S 9, Anh. 3
GR Oberwichtrach, 1937-1940, Seite 20, 115; EWG+GR Niederwichtrach, 1935-1940, Seite 106
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Anhang 2: Ausschnitt aus dem geologischen Atlas der Schweiz
Massstab 1:25'000, Ausschnitt aus Münsingen-Konolfingen-Gerzensee-Heimberg. Quelle: Bundesamt für Landestopographie (Art. 29 Abs.1 Geo IV)
Das Kartenbild entspricht dem Kartenbild Siegfriedkarte 1916, Heft 5, Anhang 1
Erläuterungen zur Geologie, erstellt von der schweiz. Geologischen Kommission, von P. Beck und R.F. Rutsch, 1958.
Legende siehe nächste Seite.
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Anhang 3: Landgrafschaft Klein-Burgund, 13.-15. Jahrhundert
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Anhang 4: Keltische Männer assen mehr Fleisch als ihre Frauen
Im „Bund“ vom Samstag, 3. Januar 2015 wird
über jüngste Forschungsarbeiten der Universität
Bern an 2000 Jahre alten Skelette aus dem Gräberfeld Rain in Münsingen berichtet. Die Untersuchungen der Antropologinnen an den Skeletten
aus dem Gräberfeld, die sich heute im historischen Museum in Bern befinden und aus dem 5.
bis 3. Jahrhundert vor Christus stammen, hatten
zum Ziel, Informationen über Ernährung, Migrationsverhalten und soziale Stellung der Menschen
von damals zu erhalten. Das Forscherteam aus
der Abteilung Anthropologie am Institut für
Rechtsmedizin bestimmten mit einem Massenspektrometer die Isotopenverhältnisse von Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel in den Knochen,
woraus die Anteile der tierischen Proteine ermittelt wurden.
Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten
deutliche Unterschiede in der Ernährung von
Frauen und Männern. Die keltische Bevölkerung
ernährte sich grundsätzlich pflanzlich. Die Forscherinnen fanden bei erwachsenen Männern
einen erhöhten Anteil an tierischen Proteinen aus
Fleischkonsum. Bei Männern, bei denen Waffen
in den Gräbern gefunden wurden, fand man einen
nochmals erhöhten Anteil an tierischen Proteinen
und so wird vermutet, dass diese zu Lebzeiten
Krieger waren. Ihre besonders hohen Proteinwerte lassen vermuten, dass sie noch mehr Fleisch
konsumierten.
Es wird vermutet, dass die in Münsingen bestatteten Männer Teil einer Kriegerelite gewesen sind.
Im 4. Und 3. Jahrhundert vor Christus waren
keltische Gruppen aus dem Gebiet nördlich der
Alpen unterwegs. Kriegerverbände drangen bis
nach Rom vor. Die Forscherinnen gehen davon
aus, dass die Münsinger-Gruppe eine relativ
homogene Gemeinschaft ohne viele Zuzügler
war.
Abbildung 19: Grabungsarbeit im Rain 1906
Abbildung 20: Grabbeigaben aus Rain-Münsingen
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Anhang 5: Konzept Wichtracher Hefte
Zielsetzung
Die Ortsgeschichte Wichtrach richtet sich primär an Wichtracherinnen und Wichtracher jeder Alterskategorie, die sich für
Herkunft und Entwicklungen in unserem Raum interessieren. Schwergewicht ist naturgemäss Wichtrach. Zum Verständnis ist aber der Einbezug des Raumes um Wichtrach, definiert durch die Kirchgemeinde Wichtrach, das Landgericht und
Amt Konolfingen sowie als Lebensraum das Aaretal unumgänglich (Perimeter).
Auf ein Buch als Arbeitsresultat wird verzichtet, weil zu teuer und zu wenig flexibel in der Erarbeitung und Präsentation.
Dagegen soll das moderne Kommunikationsmittel Internet genutzt werden. Über periodisch öffentlich gemachte „Versionen“ sollen Interessierte angezogen, neue Quellen eröffnet und die Qualität des Vorhandenen verbessert werden.
Inhaltskonzept – Inhaltsverzeichnis
Der „rote Faden“ ist die Zeit. Um den zeitlichen Verlauf der Geschichte besser darzustellen, werden Perioden definiert,
wobei bei der Bildung der Perioden der Aspekt der Veränderung („Change“) wichtig ist:
•
•
•
•
•
•
•
•
Die frühgeschichtliche Zeit bis zur Übernahme der landgräflichen Rechte durch Bern (bis 1406)
Wichtrach unter Schultheiss und Rat von Bern (1406 – 1740)
Vom Niedergang des alten Berns bis zum demokratischen Volksstaat (1740 – 1848)
Vom Bundesstaat bis zum 1. Weltkrieg (1848 – 1914)
Die Zeit der Weltkriege (1914 – 1945)
Grosse Veränderungen (1945 – 1975)
Konsolidierung und Ausbau (1975 – 2003)
Die Migration zur Gemeinde Wichtrach (2004 – 2011)
Am Anfang jeder Periode wird eine knappe Zusammenfassung der Geschehnisse im Perimeter der Ortsgeschichte zum
Zwecke der Einordnung in den grösseren historischen Rahmen gegeben. Die Beiträge innerhalb der Perioden („Kapitel“)
befassen sich dann mit den Geschehnissen und Gegenständen im Perimeter so, dass ein möglichst plastisches Abbild
der Zeit entsteht. Wenn immer möglich ist ein Personenbezug sehr wertvoll („Menschen machen Geschichte“).
Für besondere Ereignisse, z.B. die Fusion von Ober- und Niederwichtrach, oder spezielle Organisationen, für deren
Verständnis der Zusammenhang wichtig ist, z.B. die Kirchgemeinde Wichtrach, werden Sonderhefte geführt werden.
Bearbeitungskonzept – Vorgehensweisen
Die Arbeit erhebt nicht den Anspruch eine historische Forschungsarbeit sein zu wollen. Es geht darum, das gefundene
Material zu sichten und möglichst plastisch in die Entwicklungen im Perimeter der Ortsgeschichte zu bringen. Dabei ist
aber der Nachweis der Quellen von grosser Bedeutung. Jede Periode wird als „Heft“ präsentiert, da durch den Einbezug
von Bildern, Schemas und Tabellen das Datenvolumen schnell hoch werden kann. Zudem können Tabellen oder Abschriften von Dokumenten als Anhänge eines Heftes präsentiert werden, ohne die Berichterstattung zu überladen. Über
die Aufnahme eines neuen Beitrages entscheidet das Redaktionsteam.
Die Wichtracher Geschichte wird in Word-Format mit möglichst wenigen Formatierungen bearbeitet, periodisch in das
.pdf-Format umgewandelt und im Internet im Rahmen der Rubrik „Ortsgeschichte / Wichtracherhefte“ unter
www.wichtrach.ch dem interessierten Publikum als neue Version zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der jeweiligen
Vorbereitung einer nächsten Version erfolgt eine „kritische Durchsicht“ der gesamten Version.
Das Schwergewicht in der Version 1 besteht im „Sammeln und Ordnen“ von Informationen. Ab der Version 2 wird verstärkt Gewicht gelegt werden auf die Lesbarkeit.
Aus dieser Arbeit entstehen Beiträge in der Rubrik „Geschichte und Geschichten“ der Drachepost.
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