Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Geschichte Wichtrach Heft 1, Version 2.0 Übersicht: Heft 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Titel Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter Wichtrach unter Schultheiss und Rat von Bern Vom Niedergang des alten Bern bis zum demokratischen Volksstaat Vom Bundesstaat bis zum 1. Weltkrieg Die Zeit der Weltkriege Grosse Veränderungen Konsolidierung und Ausbau Die Migration zur Gemeinde Wichtrach Sonderheft „Wichtrachs Milleniumwerk: Die Fusion“ Sonderheft „Kirchgemeinde und Kirche Wichtrach“ Sonderheft „Wichtrachs Wirtschaft“ Periode 300 v. Chr. - 1406 1406 - 1740 1740 - 1848 1848 - 1914 1914 - 1945 1946 - 1975 1975 - 2003 2004 - 2011 1999 - 2004 1180 - 2011 1562 - 2011 Kritik, Ergänzungen, Verweise, Anregungen zu diesem Heft sind zu richten an: Peter Lüthi, Bergacker 3, 3114 Wichtrach; [email protected]; Tf. 031 781 00 38 Aufarbeitungen erfolgen möglichst mit der nächsten Version Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 1 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter Achtung: Das Konzept der Wichtracher Hefte ist in Anhang 5 zu lesen. Kursiv geschriebene Teile verweisen auf Pendenzen, zu bearbeitende oder in Bearbeitung stehende Beiträge. Anhang 1 zeigt die verschiedenen Geschehnisse in Wichtrach, der Kirchgemeinde, im wichtigen Umfeld in der zeitlichen Abfolge (Zeittabelle). Inhalt 1. Die Spuren unserer Herkunft ..................................................................................................................... 3 1.1. Zum historischen Rahmen der Periode ........................................................................................................................ 3 1.2. Zur Geologie des Aaretal ............................................................................................................................................. 4 1.3. Über die Verkehrswege ............................................................................................................................................... 4 1.3.1. Die Aare ..................................................................................................................................................................................4 1.3.2. Der Verkehrsweg durch das Aaretal (rechts der Aare) ............................................................................................................4 1.3.3.Der Verkehrsweg durch das Gürbetal (links der Aare, am Westhang des Belpbergs) ..............................................................4 2. Belegte frühzeitliche Aussagen zu Wichtrach ........................................................................................... 5 2.1. Die archäologischen Funde auf dem Gemeindegebiet Wichtrach ............................................................................... 5 2.2. LaTène-Zeit, die Kelten ............................................................................................................................................... 5 2.3. Die Römer.................................................................................................................................................................... 6 2.3.1. Der Gutshof in Wichtrach .......................................................................................................................................................7 2.3.2. Weitere Funde im Bereich des Gutshofes................................................................................................................................8 2.4. Vom Frankenreich zum Deutschen Reich ................................................................................................................... 9 2.4.1. Das Erbe Karls des Grossen ....................................................................................................................................................9 2.4.2. Die Landgrafschaft Burgund ...................................................................................................................................................9 2.5. Die Herrschaften in und um Wichtrach ..................................................................................................................... 10 2.5.1. Über die Entstehung der Herrschaftsmarchen ....................................................................................................................... 10 2.5.2. Das Benediktinerkloster Einsiedeln ....................................................................................................................................... 10 2.5.3. Die Herrschaft Münsingen und die Herrschaft Niederwichtrach ........................................................................................... 10 2.5.4. Die Herrschaft Kiesen ........................................................................................................................................................... 11 2.5.5. Das Augustinerkloster Interlaken .......................................................................................................................................... 11 2.5.6. Die Herrschaft Diessbach ...................................................................................................................................................... 11 2.6. Die Auswirkung der Besitzverhältnisse auf die Gerichtsbarkeit................................................................................ 11 3. Wichtrachs Namen und Wappen ............................................................................................................. 12 3.1. Über die Herkunft des Namens „Wichtrach“ ............................................................................................................. 12 3.1.1. Wichtracher-Sage und erste Interpretationen......................................................................................................................... 12 3.1.2. Herkunftsinterpretationen des Sprachwissenschaftlers .......................................................................................................... 13 3.1.3. Der Ortsname „Wichtracho“ und andere Ausdrucksweisen .................................................................................................. 13 3.2. Das Geschlecht derer von Wichtrach ......................................................................................................................... 13 3.3. Zur Geschichte der Wichtracher-Wappen.................................................................................................................. 14 Anhänge .......................................................................................................................................................... 15 Anhang 1: Zeittabelle ....................................................................................................................................................... 15 Anhang 2: Ausschnitt aus dem geologischen Atlas der Schweiz...................................................................................... 16 Anhang 3: Landgrafschaft Klein-Burgund, 13.-15. Jahrhundert ...................................................................................... 18 Anhang 4: Keltische Männer assen mehr Fleisch als ihre Frauen .................................................................................... 19 Anhang 5: Konzept Wichtracher Hefte............................................................................................................................. 20 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 2 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 1. Die Spuren unserer Herkunft 1.1. Zum historischen Rahmen der Periode1 Verfasser: Urs Maag Die ältesten nachgewiesenen Funde in unserer Gegend stammen von Kelten. In der Nachbargemeinde Münsingen hat man 1906 im Rain ein grosses keltisches Gräberfeld ausgegraben, das kurz nach 500 vor Christus begonnen und bis ins zweite Jahrhundert vor Christus benutzt wurde. Es hat eine grosse Bedeutung, weil man an den Grabbeigaben über 300 Jahre lang die Entwicklung von Schmuck und Waffen verfolgen kann 2. Auch im Gemeindegebiet von Wichtrach wurden Gräber aus dieser Zeit gefunden (siehe Kapitel 2.2.). Für Wichtrach von besonderer Bedeutung ist die gallo-römischen Periode. Gut belegt ist ein Gutshof mit einer prächtigen Villa und weiteren Bauten (siehe Kapitel 2.3.). Um die Mitte des 3. Jahrhunderts n.Chr. plünderten und brandschatzten Germanen nicht nur Helvetien 3. Um 400 n. Chr. wurden die römischen Truppen nach Italien zurückgezogen. Nur Kastelltruppen blieben zurück, die den wenigen Überlebenden in der Nähe einen gewissen Schutz boten. Das offene Land war nur sehr dünn besiedelt. Ab Mitte des 5. Jahrhunderts drangen von Norden die Alemannen und von Westen her die Franken, beides Germanenstämme, in unser Land. Diverse Funde im Aaretal bezeugen, dass hier nach den Römern die Alemannen siedelten, die dann allerdings 496 von den Franken besiegt wurden. Die Alemannen lebten als Herren zwischen den keltischen Helvetiern, die ihnen wohl als Unfreie dienen mussten. Sie brachten eine gut entwickelte Bodenbebauung auf der Grundlage der Dreifelderwirtschaft nach Helvetien. Sie kannten die Allmenden und weideten ihr Vieh auch in den Wäldern. Allmenden und Wälder waren Gemeinbesitz. Über Wald und Allmend verfügte die Marchgenossenschaft, die Versammlung der freien Alemannen. Diese bestimmte, wie viele Stück Vieh jeder Teilhaber auf der Allmend weiden lassen durfte und ordnete das Jagd- und Holzrecht in den Wäldern. Die Franken teilten ihr Reich in Gaue ein. Bis zum Sturz der Karolinger (911) gehörte unser Land zum Gau Aargau. Ob in unserer Gegend Franken niedergelassen waren, ist nicht ersichtlich. Die Franken führten in den Ländern, die sie eroberten, das Christentum ein. Sie unterstützten Klöster und Niederlassungen von Klöstern. Der Einfall der Ungarn erforderte starke, gut geschulte Reiterarmeen statt des germanischen Fussvolks. Das führte zu einer Veränderung der sozialen Struktur: Statt einer gewissen Anzahl Fusssoldaten war ein Reiter mit der nötigen Ausrüstung und Hilfskräften zu stellen. Damit wurden die Ritter in das Feudalsystem eingeführt. Klöster und Kirche wurden immer wichtiger. Bei ihnen war dauerhaftes Wissen und Organisation. Sie führten zunehmend Schulen; ihre Hospize sicherten den Betrieb der Alpenpässe, in Hungerjahren beschafften sie Hilfe für die Notleidenden. Daher suchten Klöster Landbesitz in entfernten Gebieten, um ihren Besitz zu diversifizieren und bei Missernten in einem Gebiet auf Erträge an andern Orten greifen zu können. So ist wohl das Interesse des Klosters Einsiedeln am Raum Wichtrach erklärlich. Seuchen und die Völkerwanderung hatten Rom aufgelöst. Mit den Germanen kam eine Stammesherrschaft auf, oder die Herrschaft des siegreichen Heerführers, des Königs. Dieser König belohnte seine Getreuen mit Lehen. Unter Karl dem Grossen gab es eine gewisse Beruhigung im Abendland. Aber noch zu seinen Lebzeiten setzten die Wirren verstärkt und in verschiedenen Gebieten wieder ein. Das Reich wurde aufgeteilt, die Wirren und Kriege dauerten noch sehr lange an. Nach dem Abklingen der Kämpfe stritten viele Feudalherren miteinander oder mit der Bevölkerung. Wenn es den Leuten und dem Staat besser gehen sollte, musste Ordnung geschaffen werden 4. Wo das gelang, gab es neuartige Malereien und die Kathedralen der Gotik. In grossen Zentren wurden Universitäten geschaffen und überall erlebten Handel und Gewerbe einen Aufschwung. Landesherren versuchten mit Vögten ihre Anordnungen durchzusetzen und Ordnung zu halten. In bestimmten Gebieten oder in Städten einigten sich die Leute, wie sie miteinander umgehen wollten. Diese Ordnung hatten sie gegenüber allen Bewohnern durchzusetzen und sich gegen feindliche Nachbarn zu behaupten. Gesinnungsfreunde waren eine wichtige Unterstützung. Zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert fanden die Kreuzzüge statt, daraus ergaben sich erste Informationen über Wichtrach im Zusammenhang mit der Schenkung des Freiherr Kuno von Buchsee (siehe Kapitel 3.1.3.). Die Stadt Bern verbündete sich 1323 mit den Waldstätten und verschaffte sich in der Schlacht bei Laupen am 21. Juni 1339 mit ihren Verbündeten Respekt. Nach der Bereinigung der Probleme mit Obwalden bezüglich des Oberhasli wurde 1353 der „ewige Bund" mit den Waldstätten abgeschlossen. 1406 erwarb die Stadt Bern die landgräflichen Rechte in Kleinburgund von den Kiburgern. Im 14. Jahrhundert ging das “mittelalterliche Klimaoptimum“ zu Ende (11. – 13. Jahrhundert), worauf die Durchschnittstemperaturen sanken. Die anschliessende „kleine Eiszeit“ sollte bis ins 19. Jahrhundert dauern. 1322/1323 war ein erster extrem kalter Winter. Das „Magdalenen-Hochwasser“ vom 21./22. Juli 1342, als die halbe normale Jahresregenmenge fiel, überschwemmte auch weite Teile der Schweiz und zerstörte grosse Mengen von Kulturland. Nach weiteren nassen und teilweise extrem kalten Sommern folgte als nächste Katastrophe die aus Asien eingeschleppte Pest, die 1348/49 etwa ein Drittel der europäischen Bevölkerung hinwegraffte und fortan regelmässig wiederkehrte, etwa einmalpro Jahrzehnt 5. Dies führte in der Folge dazu, dass Arbeitskräfte Mangelware wurden und damit verschwand auch die Leibeigenschaft 6. 1 Historisches Lexikon Schweiz >Bern (Kanton) > Von der Urzeit bis ins Hochmittelalter Christin Osterwalder, Die ersten Schweizer, 1977, Seite 183 ff Christin Osterwalder, Die ersten Schweizer, 1977, Seite 291 ff 4 Werner Näf, Die Epochen der neueren Geschichte, 1945, Seite 18 ff. 5 Thomas Maissen, Geschichte der Schweiz, Seite 20 6 Wikipedia, das Spätmittelalter 2 3 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 3 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 1.2. Zur Geologie des Aaretal Zur Geologie des Aaretal im Raume Wichtrach wird auf Anhang 2, einen Auszug aus dem Geologischen Atlas der Schweiz, sowie auf das Kapitel „Von der Natur- zur Kulturlandschaft“ in „Münsingen, Geschichte und Geschichten“, verwiesen. 1.3. Über die Verkehrswege Verfasser: Peter Lüthi 1.3.1. Die Aare 7 Die Aare gehört mit Sicherheit zu den ältesten Verkehrswegen im Aaretal zwischen Bern und Thun; sie wurde für den Warentransport bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts genutzt. Erst durch die Konkurrenz der Eisenbahn kam der Schiffsverkehr innert weniger Jahre zum Erliegen. Die Erwähnung einer Korporation der AareAbbildung 1: Rückzug Aaregletscher vor etwa 15'000 Jahren, in der schiffer in Aventicum auf einer Inschrift Mitte Belpberg zeigt, dass die Aare schon in römischer Zeit als Verkehrsweg benutzt wurde. Da sowohl Bern (Engehalbinsel) als auch Thun (Heiligtum Thun-Allmendingen) damals regionale Zentren waren, ist anzunehmen, dass zwischen diesen beiden Orten neben den wohl vorhandenen römischen Strassen (siehe BE 10.1, historische Verkehrswege) der Fluss als Transportweg diente, da der Wasserweg der einfachste und billigste war. Auch im Mittelalter war der Warentransport auf dem Wasser effizienter. Alle grösseren Gewässer hatten den Status von Reichsstrassen, die im Prinzip für alle offen stehen mussten. Die Aare war somit klar der wichtigste Verkehrsweg zwischen Bern und Thun. Über den Thunersee bestand Anschluss in Richtung Grimsel, von Bern aus gelangte man bis nach Koblenz und zur Messe in Zurzach. In einer Urkunde von 1341 wird die Schifffahrt zwischen Thun und Bern erstmals schriftlich belegt. Darin musste Freiburg einen Vertrag zwischen den beiden Städten vermitteln. Für den Schiffstransport bis nach Thun waren die Berner verantwortlich. Die Aare war auf dieser Strecke nicht einfach zu befahren. Der Flusslauf änderte sich ständig. Die Ratsmanuale Berns enthalten verschiedene Räumungsbefehle, in denen die Amtleute aufgefordert wurden, die Wasserwege zu säubern. 1491 wurden zum Beispiel diejenigen von Wichtrach aufgefordert, „die bäum, so in der Ar ligen und die güterswellen, abzuhowen und führer zu wissen“. Ein Unfall führte dazu, dass 1681 ein Schiffahrtsreglement eingeführt wurde, das bis zum Niedergang der Aareschiffahrt gültig blieb. In diesem Reglement wurden fünf Meister bestellt, die als einzige das Recht hatten, die Aare zwischen Thun und Bern zu befahren. Ein Aufseher musste kontrollieren, ob die Schiffleute nüchtern waren, zur rechten Zeit abfuhren, die Tarifordnungen einhielten und die Schiffe nicht überluden. Die Stadt Thun wurde aufgefordert, diese Ordnung „bei Zeiten zu introductieren und die erforderlichen Inspectores beizustellen“. Flussaufwärts wurden die Schiffe auf Treidelpfaden gezogen. Zwischen Bern und Thun gab es wohl keinen festen Reckweg 8, da sich die Ufer immer wieder veränderten. 1505 machte Bern den Schiffleuten die Auflage „so söllen si die wägsame nebent der Ar obsig uf dem land allzytt versechen, bessren und in eren hallten“. 1.3.2. Der Verkehrsweg durch das Aaretal (rechts der Aare) 9 Auf Grund der römischen Siedlungen in Bern und Thun und den Villen in Muri, Münsingen und Wichtrach darf angenommen werden, dass eine Strasse auf der rechten Seite des Aaretals seit römischer Zeit bestand. Im Frühmittelalter wurde die Strasse rechts der Aare wohl ebenfalls begangen, dies zeigen die Gräberfunde in Gümligen/Muri, Rubigen und die Kirche in Kleinhöchstetten. 1262 wird die Strasse von Bern nach Muri in einer Urkunde genannt, 1321 wird deren Fortsetzung nach Münsingen als „strada publica“ erwähnt. Die Zähringer dachten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in ihren Plänen der Strasse eine wichtige Rolle zu als Zubringerin zur Grimsel oder einen anderen Berner Pass als Transit- und Handelsroute durch die Alpen. Nach dem Aussterben der zähringischen Dynastie waren vor allem ihre Erben, die Kiburger und das Kloster Interlaken an der Verbindung interessiert, da sie längs der Linienführung über Grund- und Herrschaftsrechte verfügten. Die Nutzung des Gemmipasses durch die Römer ist nicht belegt. 1.3.3.Der Verkehrsweg durch das Gürbetal (links der Aare, am Westhang des Belpbergs) 10 Dass die heutige Strassenführung von Belp über Gelterfingen nach Kirchdorf und Uttigen schon zu römischer Zeit bestand, ist durch archäologische Funde nicht belegt. Die Route dürfte spätestens seit dem Hochmittelalter bestanden 7 8 9 Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 80, www.ivs-gis.admin.ch Arbeitsweg unmittelbar dem Fluss entlang Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 10.1, www.ivs-gis.admin.ch Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 4 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 haben; darauf deuten die Lagen der Hohburg in Belp, der Chramburg und der Ruine Uttigen sowie die Erwähnung der Strasse im Jahr 1354 hin. Im Inventar historischer Verkehrswege sind keine Informationen zu finden über eine römische Strasse, welche das Gürbetal querend über den Raum Gerzensee-Kirchdorf weiter nach Wichtrach führt. 2. Belegte frühzeitliche Aussagen zu Wichtrach 2.1. Die archäologischen Funde auf dem Gemeindegebiet Wichtrach Zusammenfassung: Peter Lüthi Auf Grund der Unterlagen des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, Stand 19.1.2010, gibt es in Wichtrach 4 archäologische Schutzgebiete (Bild 2) und 11 Fundstellen. Die Schutzgebiete sind: • Unterrain-Bachtelen: Grab/Gräberfeld; 14 Gräber aus der späten LaTène-Zeit. • Seinfeldgrube: 3 Gräber, eines davon aus der frühen/mittleren LaTène-Zeit, mit Beigaben. • Kirche bis Kirchgemeindehaus: Fundamente und Funde aus römischer Zeit; Fundationen von Herrschaftshaus, Mauerwerke und Oekonomiegebäude. • Oberwil: Mauerreste und Ziegelreste aus römischer Zeit. Hier stiess man beim Bau einer Telefonlinie vor allem auf Ziegelreste. Es wurden keine weiteren Grabungen durchgeführt Abbildung 2: Archäologische Schutzgebiete Die Fundstellen sind ausschliesslich östlich der Eisenbahn und betreffen zumeist Einzelobjekte (Münzen, Schmuckstücke, Werkzeuge) aus der Eisenzeit bis ins Mittelalter. 2.2. LaTène-Zeit, die Kelten Die LaTène-Periode gilt als eine voll entwickelte vorrömische Eisenperiode. Der Begriff LaTène geht zurück auf Funde am Neuenburgersee beim Ort La Tène. Die frühe LaTène-Periode gilt etwa von 500 bis 300 v.Chr., die mittlere LaTènePeriode von 300 bis 150 v. Chr., die späte LaTène-Periode von 150-30 v. Chr. Die Bevölkerung wurde den Kelten zugerechnet. Von Julius Cäsar ist bekannt, dass zu dieser Zeit der keltische Stamm der Helvetier das schweizerische Mittelland bewohnte, also auch unser Gebiet 11. 10 11 Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 10.3, www.ivs-gis.admin.ch Dorf und Herrschaft Münsingen in alter Zeit, Dr. E. Burkhard, Seite 7 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 5 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Im Juli 1904 stiessen Arbeiter bei der Kiesgrube im Rain (Koordinate 609 850 / 190 900) südlich des Dorfes Münsingen, auf ein Gräberfeld, eine der berühmtesten Fundstätten dieser Periode mit mehr als 200 Gräbern und ungefähr 1'200 Objekten. Die räumliche Ausdehnung konnte über eine Zeitspanne von nahezu 300 Jahren rekonstruiert werden. Auf Grund des Reichtums der Grabbeigaben wird auf eine privilegierte Oberschicht, eine lokalen Adelssippe geschlossen 12. Über jüngste Forschungsresultate siehe Anhang 4. Die Grabstätten in Wichtrach-Bachtelen datieren wie die Grabstätte MünsingenSchulhausgasse aus der jüngsten LaTèneZeit. Abbildung 3: Fibeln, Fundort am Rain Nicht vom archäologischen Dienst bestätigt ist die Fundstelle im Deiholz, gefunden 1865 von einem G. de Bonstetten, Koordinate 611 000/186 750 13. 2.3. Die Römer Die Expedition von Cäsar in der Zeit von 58 bis 52 v. Chr. unterwarf die Gallier westlich und südlich des Rheins. Sofort begann Cäsar damit, seine Veteranen mit Land abzufinden, das er 15 v. Chr. in Gallien enteignete. Mit dem Alpenfeldzug von Kaiser Augustus begann die flächendeckende Einflussnahme im Gebiet der Helvetier und Rauriker, sowohl militärisch wie kulturell. Aus helvetischer Sicht ist auf die vernichtende Niederlage der Helvetier gegen die Römer bei Bibracte im Jahre 58 v. Chr. zu verweisen, wo die Überlebenden in ihre Stammlande im Mittelland zurückgeschickt und unter römische Verwaltung gestellt wurden. Mit den römischen Gründungen von Militärbasen, Kolonien, Städten und grösseren Dörfern wurde auch die gallische Grundbevölkerung langsam sesshaft. Der steigende Bedarf an Lebensmitteln für die Ballungen verlangte eine effiziente Landwirtschaft mit Überproduktion für die Städte. Das Gebiet von Bern war in römischer Zeit besiedelt, das Zentrum war der Vicus in der Enge. In Allmendingen/Thun lag ein römisches Heiligtum, frequentiert wurde die Anlage vom 1. bis 4. Jahrhundert aus der näheren Umgebung und aus dem Mittelland 14. Auf Grund der Villen in Muri, Münsingen und Oberwichtrach wird angenommen, dass eine Strasse von Bern ins Oberland seit römischer Zeit bestand 15. Abbildung 4: Die Schweiz während der Römerzeit 12 www.hls-dhs-dss, Münsingen, das keltische Gräberfeld Oberwichtrach Gestern und Heute, Seite 15 14 Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 10, Strecke Bern-Thun 15 Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz, BE 10.1, Aaretalstrasse 13 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 6 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 2.3.1. Der Gutshof in Wichtrach Verfasser: Karl Heinrich von Grote Nicht von ungefähr findet sich in Wichtrach ein «Römerweg». Er verlängert die Schulhausstrasse nach Osten bis an den Lercheberg und endet dort nach einem Bogen unvermittelt. Er erinnert nicht etwa an Heerstrassen eines Gajus Julius Caesar, sondern an einen römischen Gutshof mit grossem Herrenhaus am Hang unmittelbar hinter der Kirche. Erste Funde sind in den Unterlagen des Archäologischen Dienstes dokumentiert in der Zeit von 1830. Immer wieder stiess man auf Fundamentreste und Kleinfunde in der Umgebung der Kirche. 1969 sollte der Lercheberg für die geplante Überbauung mit einer Hangstrasse, ausgehend vom heutigen Römerweg, bis auf die Höhe erschlossen werden. Als man im neuen Weg Leitungen verlegen wollte, stiess man unerwartet auf alte Mauerreste. Eigentlich waren es ja nur Steine, die der Trax ausbaggerte. Dennoch, man ging dem nach und rief Archäologen herbei. Diese legten rasch die ersten Mauern frei und ordneten sie einer gallo-römischen Siedlung aus dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zu (Bild 5). Auf Grund eines ersten archäologischen Gutachtens sprach der Kanton einen beschränkten Kredit für vorläufige Ausgrabungen, um den Umfang der Fundstelle zu erforschen. Als die nationale Bedeutung des Fundes klar wurde, kaufte der Staat das ganze Hanggrundstück, belegte es mit einem Bauverbot und liess zur Bestandessicherung alles wieder mit Erdreich zudecken. Das Geld für eine ausführliche und erschöpfende Ausgrabung und eine Konservierung der offengelegten Mauern war damals nicht verfügbar. So ruht also der ganze Fund wieder unter der Erde hinter der Friedhofmauer. Abbildung 5: Fundstelle Römerhof Weitergehende Sondierungen haben ausserdem 1974/75 noch Mauern zu Tage gefördert, die sich hinter dem Schulhaus bis zum Pfarrhausweg erstrecken. Hinter dem Schulhaus ist ein Stück dieser alten Mauerreste sichtbar (Bild 10). 1984, beim Bau des Kirchgemeindehauses, wurde dort beim Abtragen der Humusschicht das Fundament eines kleinen Steinhauses aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert freigelegt und archäologisch vollständig dokumentiert (Bild 9). Die Funde südlich der Kirche sind durch die fortschreitende Überbauung weitgehenzerstört worden. Plan Bild 8 lassen den Umfang des Gutshofes mit Nebengebäuden erahnen. Abbildung 6: Rekonstruktion Römerhof Diese sogenannten gallo-römischen Villen umfassten nicht nur ein geräumiges Wohnhaus, sondern nebst Gebäuden für die Ökonomie auch solche für Personal und handwerkliche Tätigkeiten. Die Gebäudekomplexe waren auf eine grosse Landfläche verteilt und häufig durch Umfassungsmauern geschützt. Bild 6 zeigt eine mögliche Rekonstruktion des Gutshofes: Treppenaufgang mit Portikus (Säulenvorbau), dahinter der Haupttrakt mit den Wohnräumen. Links und rechts verschiedene Neben- und Anbauten für Heizung, Bad, Aborte usw 16. Nicht von ungefähr kommt also die Herleitung des Ortsnamens Wichtrach durch den Sprachwissenschafter Dr. E. Blatter: Victriacum, der Landsitz des Victrius. Von besonderer Bedeutung sind Reste von Wandmalereien sowie der Heizanlage 17. Abbildung 7: Wandfresken Römerhof Bemerkenswert ist, wie gut die Farben der Fresken 16 17 Oberwichtrach, Gestern und Heute, Seite 18 Bilder vom Archäologischen Dienst Kt. Bern Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 7 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 erhalten sind (Bild 7). Mit einem besonderen Verfahren wurden die erhalten gebliebenen Teile der Wandmalerei – es handelt sich um Fresken auf Kalkputz – vom Mauerwerk bzw. vom Unterputz abgenommen und auf 8 Tafeln aufgezogen. 2006 wurden die Fresken erstmals anlässlich einer Ausstellung in Münsingen gezeigt. Die Ausgrabungen sind nordseitig nicht vollständig abgeschlossen. Auf Grund der Fresken wird die Baute in die Zeit vom 1. bis 3. Jahrhundert datiert. Wertvoll ist die Bodenheizanlage, aus Backsteinplatten errichtete Pfeiler tragen den darüber errichteten Raumboden und ermöglichen den Durchzug der Heissluft zu den in den Wänden eingebauten Kaminen. Lichte Höhe etwa 60 cm. 2.3.2. Weitere Funde im Bereich des Gutshofes Aus den Quellen des Archäologischen Dienstes Bei der Erstellung des Turnplatzes zum Schulhaus Kirchstrasse sowie beim Abriss und Neubau der Liegenschaft Römerweg 1 konnten in den Jahren 1972 bis 1975 Mauern aus der Römerzeit sichergestellt werden. Beim Bau des Kirchgemeindehauses wurden 1984/85 schlussendlich die Fundamente eines „Oekonomiegebäudes“ gefunden Bild 9). Das Gebäude gehört zum Gutshof und muss im Laufe des 1. Jahrhunderts n.Chr. in Gebrauch gewesen sein. Abbildung 8: Fundstellen im Raume Kirche, Schulhaus, Kirchgemeindehaus Abbildung 10: Mauerrest beim Schulhaus Kirchstrasse Abbildung 9: Fundament eines Oekonomiegebäudes 1984 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 8 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 2.4. Vom Frankenreich zum Deutschen Reich 18 Zusammenfassung: Peter Lüthi Das frühmittelalte Frankenreich stellte die dauerhafteste germanische Reichsgründung dar; zu ihm zählten ab 536 auch sämtliche nördlich der Alpen gelegenen Gebiete der heutigen Schweiz. Aus seiner Auflösung entstanden in einem längeren Prozess Westfranken-Frankreich, Ostfranken-Deutschland und das Königreich Burgund 19. 2.4.1. Das Erbe Karls des Grossen 843 teilten die drei Enkel Karls des Grossen im Vertrag von Verdun das Frankenreich. Unsere Gegend kam ins Mittelreich, das keinen langen Bestand hatte. So entstand 888 das Königreich Hochburgund, dem 922 auch unsere Gegend angegliedert wurde. 1032 kam ganz Hochburgund zum Deutschen Reich. Der deutsche König war oberster Landesherr. 2.4.2. Die Landgrafschaft Burgund 20 Die zunehmende Bevölkerungsdichte hatte zur Folge, dass der grosse fränkische Aargau in kleinere Herrschaftsgebiete zerlegt wurde. Der Name Gau verschwand. Seit dem 12. Jahrhundert entstanden die Landgrafschaften. Die Landgrafen besassen geringere Machtbefugnisse als die früheren Gaugrafen. Das Schwergewicht lag auf dem Gebiet der Rechtspflege. Als Richter übte der Landgraf anfangs die volle Gerichtsbarkeit aus. Doch überliess er in der Folge die Behandlung der kleineren Frevel seinen Unterbeamten. So entwickelte sich die im späteren Mittelalter bestehende Trennung zwischen hoher und niederer Gerichtsbarkeit. Wichtigstes Recht der hohen Gerichtsbarkeit war der Blutbann, die Entscheidung über Leben und Tod. Die Landgrafen waren bestrebt, die Rechte des Königs zu ihren Gunsten zu schmälern. So erreichten einige von ihnen einen hohen Grad von Selbständigkeit. Landesherr in unserer Gegend wurde Graf Rudolf von Rheinfelden. Nach seinem Tod (1080) kamen ausgedehnte Güter in der Westschweiz an die Herzoge von Zähringen, so auch unsere Gegend. 1191 gründete Herzog Berchtold V. die Stadt Bern. Nach seinem Hinschied im Jahr 1218, erbten die Grafen von Kiburg zusammen mit anderen Besitzungen unsere Gegend. Die Landgrafschaft Burgund umfasste ab dem 12. Jahrhundert das Gebiet rechts der mittleren Aare, von Thun bis Aarwangen. Inhaber des Landgrafenamtes waren zuerst die Grafen von Buchegg, dann die von NeuKyburg, bevor das Amt nach deren Aussterben an die Stadt Bern übertragen wurde (Karte Anhang 3). Sie entstand gleichzeitig wie die Landgrafschaft Aarburgund wahrscheinlich erst nach der Auflösung des Herzogtums der Zähringer und des Rektorats von Burgund, also nach 1218. Ihre wichtigste Funktion war das Standesgericht für Adel, Klerus und die freien Bauern. Sie diente daneben auch der Sicherung des Landfriedens und der Wahrung des ReichsguAbbildung 11: Ausschnitt aus der Schenkungsurkunde von 1266, 4. Zeile: superites. Die Grafen von Buchegg ori wichtrach, 5. Zeile: inferiori wichtrach werden erstmals 1252 als Landgrafen (lancravius), 1286 als langravius Burgundie urkundlich erwähnt. 1313 mussten sie auf Druck der Habsburger zugunsten der habsburgischen Seitenlinie der Grafen von Neu-Kyburg auf das Amt verzichten. Im Verlauf des 14. Jahrhunderts gewannen die Landgerichte gegenüber der Landgrafschaft an Gewicht. Die Landgrafschaft geriet erstmals unter den Einfluss der Reichsstadt Bern, als die Grafen von Neu-Kyburg 1384 in das ewige Burgrecht der bernischen Untertanenstadt Laupen eintreten mussten. 1383/4 hatten die Berner und ihre Verbündeten den Kiburgern die beiden Städte Thun und Burgdorf abgenommen 21. Am 28.August 1406 kaufte Bern von den Grafen Berchtold und Egon von Kiburg die landgräflichen Rechte in Kleinburgund ab. Das ist das Gebiet rechts der Aare bis zur Grenze mit dem Kanton Luzern, im Süden geht es bis nach Thun, im Norden an den Bucheggberg und bis in den Oberaargau hinein (Anhang 3). Zudem erreichte Bern den Verzicht der Herzöge von Österreich auf die Lehenshoheit über das Gebiet. Diese Rechtstitel dienten Bern bis ins 17. Jahrhundert als Grundlage ihrer Landesherrschaft, die sie durch die sukzessive Erwerbung aller Herrschaftsrechte ausbaute. 18 Dorf und Herrschaft Münsingen in alter Zeit, Dr. E. Burkhard, Seite 12 Historisches Lexikon Schweiz, Frankenreich 20 Wikipedia, Landgrafschaft Burgund 21 Historisches Lexikon der Schweiz, Burdorferkrieg 19 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 9 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 2.5. Die Herrschaften in und um Wichtrach Zusammenfassung: Peter Lüthi 2.5.1. Über die Entstehung der Herrschaftsmarchen Die Grundherrschaften innerhalb der Landgrafschaften bildeten anfänglich keine zusammenhängenden Bezirke, sondern waren Streubesitz. Die Mächtigen des Landes suchten aber ihre Rechte über ihren Grundbesitz hinaus auf das Gebiet eines grösseren Bezirks auszudehnen, indem sie die niedere Gerichtsbarkeit („Twing und Bann“) oder Vogteirechte an sich brachten. So wurden Grundherrschaften auf dem Gebiet eigenen und fremden Eigentums zugleich zu örtlich abgerundeten Gerichtsherrschaften. Die Art ihrer Entstehung dürfte eher auf hoheitlicher Verleihung als auf gewaltsamer Aneignung beruhen. Später vollzog sich der Verkehr mit solchen Rechten durch Kauf, Tausch, Erbgang, Teilung, Schenkung, Verpfändung oder andere Rechtsgeschäfte 22. 2.5.2. Das Benediktinerkloster Einsiedeln Im Mittelalter waren die Klöster Frienisberg (Zisterzienser, gegründet 1131-38), Fraubrunnen (Zisterzienserinnen, gegründet 1246-50), und Interlaken (Augustiner, gegründet 1127-28) in unserem Raum begütert. Das Kloster Einsiedeln (Benediktiner, gegründet 934) besass schon um 1002 und 1024 Güter in Kleinburgund 23 und ist 1266 als Grund-, Gerichts- und Kirchenherr in Oberwichtrach bezeugt 24, siehe Bilder 11, 12 aus dem Burkhardenbuch zur Schenkung an Johannes von Ried. Wann und wie das Kloster dazu kam, ist unbekannt; auch der Verfasser des ersten verfügbaren Pfrundurbars der Kirchgemeinde Wichtrach von 1572 konnte darüber keine Aussagen machen 25. Im „Liber decimationis“ des Bistums Konstanz von 1275, einem Amtsbuch, angelegt zum Zweck der Einziehung eines päpstlichen Kreuzzugzehnts, das einen weitgehend vollständigen Überblick gibt über die damals bestehenden Pfarreien und Klöster des Bistums, findet sich auch der Leutpriester von Wichtrach. Die Kirche gehörte zur Diözese Langnau 26. Am 7. Februar 1333 verlieh Abt Johann dem Philip Hagenauer die Kirche zu Wichtrach mit allen Rechten 27. Bemerkenswert ist die Abschrift der Schenkungsurkunde aus dem Burkardenbuch von 1444 im Archiv des Klosters Einsiedeln (Bilder 11. 12). Nach dieser Urkunde erhielt ein Johannes von Ried und seine Frau am 11. Juli 1266 als Erblehen vom Abt und Kloster Einsiedeln eine Hube 28 und drei Schupposen 29 in Oberwichtrach und eine Schuppose zu Niederwichtrach (Bild 11). Es ist die erstmalige bekannte Erwähnung von Ober- und Niederwichtrach (superiori wichtrach für Oberwichtrach und inferiori wichtrach für Niederwichtrach) 30. Bis 1527 war das Kloster Grundherr, hatte also Twing und Bann 31. 1527 schenkte das Kloster „Kirchensatz und niederes Gericht“ dem Ritter und Burger Sebastian von Stein zu Bern. Als Grund für die Schenkung vermutete der Verfasser des ersten Pfrundurbars von Wichtrach, dass „ihnen us gerichts twang und collatur dieser pfrund nit vil nutzes gangen“ 32. Sebastian von Stein verkaufte das Geschenk kurz darauf der Stadt Bern. Interessant an dieser Transaktion: Zum Zeitpunkt der Schenkung sass Sebastian von Stein im Rat von Bern. Er wurde dann als Anhänger des alten Glaubens aus dem Rat verstossen und zog nach Freiburg 33. So war der Verkauf an die Stadt wohl eine Folge der Reformation. Abbildung 12: Das Burkardenbuch von 1444 im Kloster Einsiedeln 2.5.3. Die Herrschaft Münsingen 34 und die Herrschaft Niederwichtrach Die ersten Informationen aus dem Mittelalter stammen aus der Zeit von 993-1010, als König Rudolf III von Burgund dem Pfalzgrafen Kuno unter anderem Münsingen zu Lehen gab. 1218 erschienen die Schlösser Diessbach und Münsingen im Besitz der Kiburger. Diese setzten Dienstleute über ihre Eigengüter ein. Im Jahr 1223 ist ein Ritter Senno aktenkundig, ihm entstammt wohl das Geschlecht „Senn“. 1278 erhielt sein ältester Sohn, Ritter Konrad Senn, von König Rudolf von Habsburg als Pfand für eine Schenkung den Zehnten von Niederwichtrach und Land an der Aare zwischen Münsingen und Niederwichtrach (Seinfeld), belegt durch die Akten im Rechtsstreit um den Heu- und Emdzehnt 35. Das Pfand wurde nicht eingelöst, somit blieben sie im Besitz der Herrschaft von Münsingen. Konrads Sohn, Ritter Burkhart I., stand 22 Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite LXI Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXII 24 www.hls.ch, Stichwort Oberwichtrach, Anne-Marie Dubler 25 Archiv Kirchgemeinde Wichtrach, Zehndenkonkontrolle Buch 9, 1572-1723 26 Freiburger Diözesan-Archiv 1 (1865) 27 www.klosterarchiv.ch/urkunde/id/271 und Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXII 28 Hube oder Hufe entspricht einer Fläche, die von einer Familie bewirtschaftet werden konnte (Wikipedia) 29 Eine Schupose entspricht einer Fläche, die mit der Arbeitskraft eines Kleinbauern bewirtschaftet werden konnte (Richard Feller, Geschichte Berns Band 1, Seite 17) 30 www.klosterarchiv.ch/urkunde/id/87 und Oberwichtrach Gestern und Heute, Seite 25 31 Oberwichtrach, Gestern und Heute, Seite 27 und Seite 175 32 Archiv Kirchgemeinde Wichtrach, Zehndenkontrolle Buch 9, 1572-1723 33 Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXIII 34 Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXXI 35 Wichtracher Heft 2, Kapitel 4 23 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 10 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 mit der Stadt Bern auf gespanntem Fuss. Am 11. November 1311 verbrannten die Berner die Burgen der Senn in Münsingen und Balmegg 36. Über verschiedene Handänderungen kamen schlussendlich zwei Drittel der Herrschaft Münsingen an die Familie von Stein und etwas später der dritte Drittel an die Familie Nägeli. Im Jahr 1463 gelangte die Herrschaft an Hartmann von Stein. Laut Kaufbrief von 1377, wie auch nach dem Urbar von 1463, gehörten zur Herrschaft Münsingen die Dörfer Münsingen, Niederwichtrach, Tägertschi, Ursellen und Rubigen. Der Herrschaft Münsingen wurden mit Kaufbrief vom 5. Dezember 1377 noch „alle und ganze Gerichte“ zugesprochen, die hohen Gerichte aber dann am 12. Dezember 1469 aberkannt als Folge des „Twingherrenstreits“ 37. Herrschaftsherr war damals Hartmann von Stein. Im Jahre 1498 (Mentag nach san Verenen tag) wurde ein „Weistum“ über die Gerichtsmarchen zwischen Münsingen, Niederwichtrach und Häutligen abgeschlossen. Die bestimmten Ziele und Marchen sollen die „gericht, twing und bann“ von Münsingen, Niederwichtrach und Häutligen voneinander scheiden, „doch jedermann an siner gerechtigkeit, veldfart, wunn und weyd ganz unvergriffen und an schaden, dann wie die von altershar von jemand gehept, geübt und gebrucht sind..“ 38. Dieses Datum kann somit wohl als „Gründung der Herrschaft Niederwichtrach“ mit eigener Gerichtsbarkeit verstanden werden. 1525/26 erfolgten weitere Marchbereinigungen zwischen Münsingen und Niederwichtrach. 2.5.4. Die Herrschaft Kiesen 39 Früheste Dokumente gehen zurück bis 1236 und 1250, als Konrad von Walkringen sowie Werner und Heinrich von Kien auf Vogteirechte verzichteten. Offensichtlich wurde die Herrschaft unter verschiedenen Berner Geschlechtern stark gehandelt. 2.5.5. Das Augustinerkloster Interlaken 40 Das Augustinerkloster Interlaken (gegründet 1130 und aufgehoben 1528) war Besitzerin von Herrschaftsrechten in Oppligen. Erste Dokumente gehen zurück auf die Zeit von 1236. Nach der Aufhebung des Klosters übernahm die Stadt Bern die Gerichtsbarkeit Oppligen und liess sie von der Schaffnerei Interlaken verwalten. Am 13. November 1601 wurde das Gericht Oppligen auf Wunsch der Gemeinde vom Freigericht Steffisburg getrennt und mit dem Vennergericht Oberwichtrach im Landgericht Konolfingen vereinigt. 2.5.6. Die Herrschaft Diessbach 41 Man geht davon aus, dass die Herrschaft über die Grafen von Kiburg als Dienstlehen an die Familie der Senn von Münsingen kam. Am 29. November 1378 verkaufte die letzte Erbin aus dem Hause Senn unter anderem Burg und Herrschaft an Mathias Bogkess von Thun. Im Jahr 1427 kam die Herrschaft zur Hälfte an Niklaus von Diessbach, den Rest 1469 an seine Enkel Niklaus und Wilhelm von Diessbach. 1467 kam die Herrschaft an das Geschlecht von Wattenwyl. Diese Herrschaft war die einzige in unserer Nachbarschaft im Besitz der hohen Gerichtsbarkeit 42, die allerdings durch verschiedene Ratsbeschlüsse im Lauf der Zeit abgeschwächt wurde 43. 2.6. Die Auswirkung der Besitzverhältnisse auf die Gerichtsbarkeit Auf Grund der verschiedenen Besitzverhältnisse ergaben sich für Wichtrach und Umgebung bis 1798 folgende Gerichtsverhältnisse: Weltliches Gericht (niederes Gericht): Für die Ortsgemeinden Oberwichtrach, Oppligen und Häutligen war der Venner des Landgerichtes Konolfingen zuständig. Das Gericht tagte üblicherweise „im Gasthaus“ (Kreuz) zu Oberwichtrach, Stellvertreter des Venners war der Ammann von Oberwichtrach Für die Ortsgemeinde Niederwichtrach gab es nach der Festlegung der „Herrschaft Niederwichtrach“ ein eigenes Gericht unter der Zuständigkeit des Herrschaftsherrn von Münsingen. Das Gericht tagte in der „Schenke“ zu Niederwichtrach, Stellvertreter des Herrschaftsherrn war der Ammann von Niederwichtrach. Die Ortsgemeinde Kiesen hatte ein eigenes Gericht unter dem Herrschaftsherrn von Kiesen. Kirchliches Gericht: Das kirchliche Gericht (Chorgericht) war zuständig für die Kirchgemeinde Wichtrach, bestehend aus den Ortsgemeinden Oberwichtrach, Niederwichtrach, Kiesen, Oppligen. Die Vereidigung des Chorgerichtes erfolgte durch den Venner des Landgerichtes Konolfingen. 36 Dorf und Herrschaft Münsingen in alter Zeit, Dr. E. Burkhard, Seite 22 ff Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite 38, Ortsgeschichte Münsingen, Seite 285 38 Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite LXIV 39 Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXXI 40 Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, 4. Band, Seite XX 41 Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XXVIII 42 Hohe Gerichtsbarkeit = Blutgericht, Entscheid über Leben und Tod 43 Sammlung schweizerischer Rechtsquellen, 2. Teil, Band 4, Seite XVIII 37 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 11 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 3. Wichtrachs Namen und Wappen 3.1. Über die Herkunft des Namens „Wichtrach“ 3.1.1. Wichtracher-Sage und erste Interpretationen 44 Verfasser: Hermann Vogel 45, Mittelschullehrer in Oberwichtrach, 1904 - 1936 Nach der Sage soll der Name Wichtrach herrühren von einem Drachen, der vor Zeiten in einer Höhle im Haubenwald wohnte. Dieser Drache raubte Menschen und Tiere und machte das ganze Aaretal unsicher. Die Leute litten grosse Not, denn sie wussten sich des Untiers nicht zu erwehren. Manch starker Mann, der mit dem Drachen kämpfte, musste eines jämmerlichen Todes sterben. Da kam ein fahrender Schüler, der hörte von dem bösen Drachen. Er sprach zu den Leuten: „Ich will euch helfen, höret auf meinen Rat. Nehmet eine starke Lanze, besprengt sie mit geweihtem Wasser, dann ziehet damit gegen den Drachen und wenn er kommt, ruft dreimal „Wiich-Drach““ So zogen die Leute aus dem Aaretal in feierlicher Prozession den Haubenberg hinan, voran der Priester mit der geweihten Lanze. Bald kam der Drache mit mächtigem Schnauben herangeflogen und spie Feuer und Rauch aus dem Maule. Aber der wackere Priester fürchtete sich nicht, schrie so laut er mochte „Wiich Drach“- und stiess dem Untier die Lanze in den Rachen, dass es tot zusammenbrach. Jetzt jubelte das Volk und freute sich, als es nun von diesem bösen Tiere erlöst war. Ein langer Zug bewegte sich der Kirche zu, um Gott zu danken und zu lobpreisen für die gnädige Erlösung. Zum Andenken stellten sie die Lanze in der Kirche auf. Von der Zeit an nannten sie ihr Dorf Wiichdrach und führten einen Spiess im Wappen bis auf den heutigen Tag. Wahrscheinlicher aber ist es, dass der Name Wichtrach herkommt vom römischen Vicus trajectus. Schon zur Zeit der Helvetier gab es auf den Schuttkegeln der beiden Waldbäche, die hier in die Aare mündeten, zwei Siedelungen, bestehend aus mit Schilf gedeckten Hütten. Die Bewohner nannten diese Ansiedlung Vich-traigh = Uferdorf. (Vich = Dorf, traigh = angeschwemmtes Gelände). Die Römer bauten dann ihre Häuser aus Stein am Abhange des Lerchenberges und gaben der Ortschaft den Namen Vicus-trajectus, d. h. Ort der Überfahrt, denn sie sollen hier eine Fähre über den Fluss Arula eingerichtet haben. Diese Fähre verband die Strasse durch das Aaretal mit derjenigen durch das Gürbetal, welche nach Allmendingen und Dunum führte 46. Noch heute gibt es hier einen Flurnamen: «Auf der Leueren», das heisst: Landungsplatz. Die Aare floss damals da, wo sich heute die Landstrasse durch das Tal hinab zieht. Vicustrajectus mag auch eine Pferdewechselstation gewesen sein. Nach den Mauerresten und sonstigen Funden, auf welche man im Friedhof und in der weiteren Umgebung von Kirche, Schulhaus und Pfarrhaus stösst, von der «Fuhren» bis zum «Breitenbach» und hinauf zur «Grossmatt», an der ganzen Seite des Lerchenberges, darf man annehmen, dass Vicustrajectus eine recht bedeutende Ortschaft gewesen ist. In der Nähe der Kirche fand man 1830 einen Boden von Tuffsteinen und anderes Gemäuer. Lehmziegel fand man viele auf dem ganzen Friedhof, 1907 auch viele auf dem Turnplatz des Primarschulhauses, grosse aus Lehm gebrannte, quadratische Platten beim Eingang zum Friedhof. Ein vollständiger Heizraum (Hypocaustum) einer römischen Villa wurde 1842 blossgelegt. Der damalige Pfarrer Neuhaus fand auch Fragmente einer römischen Hängelampe. Mehrmals hat man am Lerchenberg, am Hängert, in Oppligen, im Hasliwald und in Häutligen römische Gold- und Kupfermünzen gefunden, darunter eine des Kaisers Augustus. Der Schreiber dieser Zeilen ist im Besitze von Fragmenten einer röm. Schale aus Terra sigilata mit schönen Tierfiguren. Der frühere Besitzer hat mit einem Nagel seinen Namen eingeritzt: Res. = Resistus. Diese Scherben wurden nebst Münzen vor etwa 20 Jahren auf einem Bauplatze beim Primarschulhause gefunden. Chr. Lädrach in der Grossmatt soll eine ganze «Bsetzi» ausgegraben und die Steine davon zum Bauen verwendet haben. Auch auf dem «Berg» und im Weiler Maurachern ist man auf Gemäuer römischen Ursprungs gestossen. Oppligen (Oponlengis) war ebenfalls schon zur Römerzeit bekannt. Vermutlich stand auf dem Oppligenbergli ein römischer Wachtturm. Oppligen kam im Jahre 1005 durch Schenkung an das Kloster Agaunum (St. Moritz) im Wallis. Es werden wohl römische Veteranen, ausgediente Soldaten, gewesen sein, die sich hier am sonnigen Lerchenberg angesiedelt hatten. Wenn wir uns im Geiste zurückversetzen in jene Zeit, dann sehen wir ihre rebenumrankten Villen mit Rosengärten, blumengeschmückten Trockenmauern, unter Kastanien und Nussbäumen versteckten Badebassins am windgeschützten Hang. Aprikosen- und Pfirsichspaliere zierten die Wände der Steinhäuser. Das Wasser zur Berieselung ihrer Gärten und Weinberge werden die Bewohner von Vicus-trajectus vermittelst eines Kanals vom Haubenberg herabgeleitet haben. Am Ufer der Arula und im lieblichen Tälchen am breiten Bach weideten sie ihr Vieh. Wenn an warmen Sommerabenden nach heissem Tagewerk helvetische Sklavinnen den Becher kredenzten und ihren Herren den köstlichen «Lerchenberger» einschenkten, dann glaubten sie sich daheim im sonnigen Heimatlande zu finden und ihre Gesänge schwebten zum Klange der Cythara weit über das breite Tal dahin. Schon zur Römerzeit mag durch flüchtende Soldaten der thebäischen Legion das Christentum in das Aaretal gekommen sein. Die Kirchen von Thun, Wichtrach und Münsingen sind in romanischem Style gebaut und waren dem hl. Mauritius geweiht. Die wilden Alemannen, die ums Jahr 406 in Helvetien einbrachen, legten auch Vicus-trajectus in Schutt und Asche 47. 44 Jahrbuch Amt Konolfingen 1944, K 01.02 Herrmann Vogel, Mittelschullehrer in Oberwichtrach, 1904- 1936 46 Diese Auslegung ist nach dem Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz nicht bestätigt, siehe Kapitel zum Aaretal. 47 Auf Grund neuerer Forschungsresultate wird die nachfolgende Auslegung von Dr. E. Blatter zur Namensgebung favorisiert, so auch P. Glatthard (Ortsnamen zwischen Aare und Saane, 1977, der einen Namensbezug macht: Victorius oder Victrius) 45 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 12 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 3.1.2. Herkunftsinterpretationen des Sprachwissenschaftlers Verfasser: Dr. Erich Blatter Erstmals erscheint Wichtrach in einer Urkunde von 1180 als Wichtracho. Diese Form liegt auffällig nahe an der gegenwärtigen Schreibweise. Basierend auf dieser Ersterwähnung und auf weiteren urkundlichen Notierungen, kann die Namenforschung eine ursprüngliche, zweigliedrige Namen-Vollform erschliessen (sie ist allerdings nicht schriftlich bezeugt), die in gallo-römische Zeit hinabreicht und [fundus] Victoriâcum oder – zusammengezogen – Victriâcum gelautet haben muss. Im ersten Namenglied steckt ein römischlateinischer Personenname Victorius oder Victrius. Das zweite Namenglied besteht aus der gallischen (keltischen) Adjektiv-Nachsilbe -âkos/-âkon, welches sich die Römer von ihren Siedlungsvorgängern entlehnt und in ihrer lateinischen Sprache als -âcus/-âcum angepasst haben. Dieses hat besitzanzeigenden Charakter und meint etwa so viel wie «gehört zu». Die Blütezeit dieser Art der Ortsnamenbildung (sie illustriert übrigens aufs Schönste den damaligen Sprachkontakt und die schon zu jener Zeit existierende kulturelle und sprachliche Durchmischung in unserem Land) fällt in die Zeit römischer Verwaltung auf gallischem Boden, und sie ist eng geknüpft an das römische Fundus- System: Benannt wurden, nach ihrem (Erst-) Besitzer, die römischen Landgüter, die Fundi. Diesen Landbesitz übertrug der römische Staat einem Bürger für geleistete Dienste zu vollem Eigentum. In der Kombination des Besitzernamens mit der Nachsilbe -âcus/-âcum wird nun – wie angetönt – das Besitzverhältnis des Landguts (des Fundus) zum Ausdruck gebracht und in einem Steuerregister fixiert: Eben zum Beispiel fundus Victoriâcum. Auch zur Leuere hat sich Dr. Blatter geäussert 48: Das Benennungsmotiv für das Siedlungsgebiet Leuere (mundartnäher Löiere) vermuten einige Ortsansässige eine Ruhestätte für Pferde, indem sie den Namen in Zusammenhang bringen mit dem schweizerdeutschen Verb lüü(w)en, leu(j)en im Sinne von <ausruhen>. Zieht man aber historische Forschungen bei (1638-1641:ab der Löüweren) oder wertet archäologische Funde aus (in Wichtrach stiess man auf hallstattzeitliche Grabhügel), so liegt als Ursprung das schweizerdeutsche Substantiv Leewere(n), Leebere(n) gerundet Lööwere(n) [weiblich] näher, ein Wort, das bereits in althochdeutscher Zeit als (h)lêo [männlich] und mittelhochdeutsch als lêwer [männlich] nachgewiesen ist und <(Grab) Hügel> bedeutet. Die mittelhochdeutsche Form lêwer ist dann später mit der schweizerdeutschen Endung –ere erweitert worden. Mit dieser Ableitungssilbe drückt man aus, da etwas in grosser Zahl vorkommt, daraus entsteht die Interpretation der Leuere als ein Ort, wo es viele Gräber hat(te). 3.1.3. Der Ortsname „Wichtracho“ und andere Ausdrucksweisen Verfasser: Peter Lüthi Ein „sacerdote (Priester) Hugo de Wichroho“ ist 1180 als Zeuge erwähnt in einer Urkunde über Legate des „freien Cuno von Buchsee“. In einer späteren Übersetzung des Dokumentes steht „Hugo von Wichtrach 49. Der Grund für das Legat ist abzuklären: Zusammenhang mit Beteiligung an einem Kreuzzug? Abbildung 13: Ausschnitt aus Urkunde von 1180, in der 2. Zeile ist "hugo de wichroho" In der Regesta Episcoporum Constantiensium, Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Constanz von 517-1496 wird im Jahr 1180 unter Bischof Berthold von Bussnang diese Schrift erwähnt und da ist „Hugo de Wichtracho“ geschrieben. Am 11. Juli 1266 erhielt ein Johannes von Ried und seine Frau als Erblehen vom Abt und Kloster Einsiedeln eine Hube und drei Schupposen in Oberwichtrach und eine Schuppose zu Niederwichtrach (Bild 11). Es ist die erstmalige bekannte Erwähnung von Ober- und Niederwichtrach (superiori wichtrach für Oberwichtrach und inferiori wichtrach für Niederwichtrach) 50. Im „Liber decimationis“ des Bistums Konstanz von 1275, einem Amtsbuch, angelegt zum Zweck der Einziehung eines päpstlichen Kreuzzugzehnts, das einen weitgehend vollständigen Überblick gibt über die damals bestehenden Pfarreien und Klöster des Bistums, findet sich auch der Leutpriester von Wichtrach; Diese Schrift ist in lateinischer Sprache geführt. Dabei ist Wichtrach als „Withera“ geschrieben 51. 3.2. Das Geschlecht derer von Wichtrach Die Vorlage zum Oberwichtracher Wappen geht auf ein Siegel zurück, welches Ulrich von Wichtrach um 1303 geführt hat. Im 13. und 14. Jahrhundert existierte am Thunersee das Geschlecht derer von Wichtrach. Ein Conrad von Wichtrach und sein Sohn Johann erschienen von der Mitte des 13. Jahrhunderts weg als Burger zu Thun 52. Abbildung 14:Gut Wichterheer (Gemeinde Oberhofen) 48 Drachepost Nr. 22, Dezember 2009, Seite 8 Staatsarchiv Bern, C I b 61, alte Abteilung (0932-1903), Kt. Bern, Münchenbuchsee, Dokumentenbuch des Hauses Buchsee 50 Wichtracher Heft 1, Herrschaften in und um Wichtrach, Das Benediktinerkloster Einsiedeln – Dorfgericht Oberwichtrach 51 Freiburger Diözesan-Archiv 1 (1865) 52 Oberwichtrach Gestern und Heute, Seite 27 49 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 13 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Es ist aber kein Bezug derer von Wichtrach zu den Ortsgemeinden Ober- oder Niederwichtrach nachgewiesen. Ob der Sacerdote Hugo de Wichroho, 1180 (Kapitel 3.4.3.), ein Mitglied der Familie derer von Wichtrach war, bleibt nachzuweisen. Das Gut Wichterheer steht in Oberhofen (südlich des Schlosses Oberhofen), gehörte lange Zeit zu den grössten Rebgütern am Thunersee, gehörte zuerst zum Kloster Interlaken, dann den Freiherren von Wichtrach, später verschiedenen Berner Patrizierfamilien. 1948 erwarb der Kanton Bern die Liegenschaft, trat sie 1978 im Baurecht für ein Kultur- und Sportzentrum ab. Im Hauptgebäude befindet sich ein Uhrenmuseum, die oberen Geschosse können für Ausstellungen genutzt werden. Der Name „Wichterheer“ soll auf die Freiherren von Wichtrach zurückgehen 53 3.3. Zur Geschichte der Wichtracher-Wappen Amtlicher Beschrieb: "In Rot eine silberne Pflugschar schrägrechts". Geschichte: Das Wichtracher Wappen ist nach dem Siegel des ältesten Geschlechts derer von Wichtrach gestaltet. Es beinhaltet eine Pflugschar schräg rechts (die Spitze schaut also nach links). Es gehörte seinerzeit einem Peter von Wichtrach, Burger von Thun, und wurde als dessen Siegel von 1326 bis 1373 benutzt (silberne Pflugschar schräg rechts auf rotem Grund) 54. Oberwichtrach besass das Wappen seit dem 22.4.1938 mit einer roten Pflugschar, schrägrechts auf weissem Grund. Niederwichtrach hatte die Pflugschar gerade nach oben aufgestellt und zwar in den Farben silberne Pflugschar auf rotem Grund. Im Jahre 2003 hat die Projektleitung für die Fusion zum Thema des künftigen Wappens der fusionierten Gemeinde einen Wettbewerb ausgeschrieben. Der Schüler Jonas Galli hat mit dem Lösungsansatz gemäss Abbildung 5 diesen Wettbewerb gewonnen. Das neue Wappen entspricht wieder demjenigen von Wichtrach aus dem 14. Jahrhundert. Im Schweizer Archiv für Heraldik, Ausgabe Heft 2004-II wurde unter dem Titel „Gute Wappen, schlechte Wappen 55“ ein Artikel publiziert, der sich befasst mit den neu geschaffenen Wappen anlässlich von Fusionen von Gemeinden in den letzten Jahren. Zu Wichtrach wurde folgendes geschrieben: Abbildung 15: Wichtrach Am 23. April 2003 haben die beiden Berner Gemeinden Ober- und Niederwichtrach im Amtsbezirk Konolfingen mit überwältigender Ja- Mehrheit der Fusion zur neuen Gemeinde Wichtrach zugestimmt. Für das neue Wappen wurden im bisherigen Wappen von Oberwichtrach (Abb. 13 in Abb. 16) die Farben vom Niederwichtracher Wappen (Abb. 12 in Abb.16) übernommen bzw. die bisherigen gewechselt. Die Nachforschungen des Staatsarchivars ergaben, dass Abbildung 16: Wappenentwicklung Wichtrach mit ihrem Wappen über eines der ältesten belegten Wappen sämtlicher bernischen Gemeinden verfügt (14. Jahrhundert). Es geht auf die mittelalterliche Familie von Wichtrach zurück. Anzumerken ist noch, dass das Wappen der bisherigen Gemeinde Niederwichtrach (Abb. 12 in Abb.16) in denselben Farben und mit der Pflugschar in derselben Stellung auch von den Gemeinden Wil ZH, Lohn SH, Mellikon AG und Lampenberg BL geführt wird. Das neue Wappen (Abb. 14 in Abb.16 und Abb. 15) der fusionierten Gemeinde Wichtrach überzeugt in jeder Beziehung und besitzt unter den Schweizer Gemeinden keine „Doppelgänger“. Das einzige ähnliche Wappen ist dasjenige von Wanzwil im bernischen Amtsbezirk Wangen. Wanzwil führt ebenfalls in Rot eine rechtsschräg gestellte silberne Pflugschar, begleitet aber von zwei goldenen Sternen. Das Wanzwiler Wappen bezieht sich wie zahlreiche andere Wappen mit Pflugscharen auf den Landbau. Über die Entstehung des Oberwichtracher-Wappens wissen wir folgendes: Als im neuen Amtsgerichtssaal im umgebauten Amtshaus in Schlosswil zum Schmuck alle Gemeindewappen angebracht werden sollten, wurde auch der Gemeinderat von Oberwichtrach angefragt, ob die Gemeinde ein Wappen führe und der Rat stellte am 7. April 1937 fest, dass 53 Gebäudeversicherung Bern, Berner Hauswege Siehe Abschnitt über das Geschlecht derer von Wichtrach 55 H. Rüegg, Schweizerische Heraldische Gesellschaft 54 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 14 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 „die Wappenfrage bei uns noch ungelöst ist und wohl vorläufig nichts anderes übrig bleibt, als im fraglichen Saal für unsere Gemeinde ein Feld reservieren zu lassen“. Am 22. April 1938 legte der Sekretär dem Gemeinderat „einen neuen Entwurf eines Gemeindestempels mit Gemeindewappen vor, der nunmehr allseitig Anklang fand“. Der Gemeinderat von Niederwichtrach stand vor dem gleichen Problem, stellte aber fest, dass „das Wappen im roten Feld eine aufrecht stehende silberne Pflugschar zeige“, der Ursprung sei aber unbekannt. Er verweist aber auf eine Wappenscheibe in der Kirche Wichtrach für die 4 Gemeinden und stellt auch fest, dass die Wappenfrage in den letzten Jahren geprüft worden sei, als die Vereine neue Fahnen anfertigen liessen 56. Anhänge Anhang 1: Zeittabelle Die Zeittabelle enthält die Zeitangaben zu Wichtrach in diesem sowie allenfalls weiteren Heften zu dieser Zeitperiode. Periode, Datum 150-30 v. Chr. 58 v. Chr 1.-4. Jahrh. Ab 5. Jahrh. 536 922 934 1080 1095-1291 1130 1180 1191 1218 1223 1266 1275 1278 1311 1341 1383/84 1406 56 Bezeichnung, Ereignis Späte (jüngste) La Tène-Zeit; Funde in der Bachtelen, dem Keltenstamm der Helvetier zugeordnet Niederlage der Helvetier gegen die Römer bei Bibracte Römische Periode, der Gutshof in Wichtrach Einsickern der Germanen (Franken und Alemannen) Unser Raum kommt zum Frankenreich Unsere Gegend kommt zum Franken-Königreich Hochburgund Gründung Benediktinerkloster Einsiedeln Unsere Gegend kommt unter die Herzoge von Zähringen Kreuzzüge (1099 Eroberung Jerusalem; 1191 fällt Akkon); Belege zur Kirche Wichtrach Gründung Augustiner-Probstei Interlaken Erwähnung eines „Sacerdote Hugo de Wichroho“ Zeuge bei einer Schenkung Herzog Berchtold V von Zähringen gründet die Stadt Bern Nach dem Tod von Herzog Berchtold V von Zähringen gehen die Schlösser Münsingen und Oberdiessbach im Besitz der Kiburger Ritter Senno erhält Herrschaft Münsingen von den Kiburgern Erste urkundliche Erwähnung von Ober- und Niederwichtrach Erwähnung des Leutpriesters von Wichtrach im Liber decimationis zum Einzug des Kreuzzugzehnts Ritter Konrad Senn erhält den Zehnten von Niederwichtrach und Land im Seinfeld Die Berner verbrennen ua. die Burg der Senn in Münsingen Erste schriftl. Erwähnung der Schiffahrt von Thun nach Bern Bern und ihre Verbündeten nehmen den Kiburgern die Städte Thun und Burgdorf ab Stadt Bern kauft die landgräfliche Rechte in Kleinburgund von den Kiburgern Referenz (H=Heft, S=Seite) H 1: S 3, 5; Anh. 4 H 1: S 6 H 1: S 3, 6, 7, 8 H 1: S 3, 9 H 1: S 9 H 1: S 9 H 1: S 10 H 1, S 9 H 1: S 3 H 1: S 10 H 1: S 13 H 1: S 9 H 1: S 9 H 1: S 10 H 1: S 9 H 1: S 13 H 1: S 10 H 1: S 10 H 1: S 4 H 1: S 9 H 1. S 9, Anh. 3 GR Oberwichtrach, 1937-1940, Seite 20, 115; EWG+GR Niederwichtrach, 1935-1940, Seite 106 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 15 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Anhang 2: Ausschnitt aus dem geologischen Atlas der Schweiz Massstab 1:25'000, Ausschnitt aus Münsingen-Konolfingen-Gerzensee-Heimberg. Quelle: Bundesamt für Landestopographie (Art. 29 Abs.1 Geo IV) Das Kartenbild entspricht dem Kartenbild Siegfriedkarte 1916, Heft 5, Anhang 1 Erläuterungen zur Geologie, erstellt von der schweiz. Geologischen Kommission, von P. Beck und R.F. Rutsch, 1958. Legende siehe nächste Seite. Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 16 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 17 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Anhang 3: Landgrafschaft Klein-Burgund, 13.-15. Jahrhundert Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 18 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Anhang 4: Keltische Männer assen mehr Fleisch als ihre Frauen Im „Bund“ vom Samstag, 3. Januar 2015 wird über jüngste Forschungsarbeiten der Universität Bern an 2000 Jahre alten Skelette aus dem Gräberfeld Rain in Münsingen berichtet. Die Untersuchungen der Antropologinnen an den Skeletten aus dem Gräberfeld, die sich heute im historischen Museum in Bern befinden und aus dem 5. bis 3. Jahrhundert vor Christus stammen, hatten zum Ziel, Informationen über Ernährung, Migrationsverhalten und soziale Stellung der Menschen von damals zu erhalten. Das Forscherteam aus der Abteilung Anthropologie am Institut für Rechtsmedizin bestimmten mit einem Massenspektrometer die Isotopenverhältnisse von Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel in den Knochen, woraus die Anteile der tierischen Proteine ermittelt wurden. Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigten deutliche Unterschiede in der Ernährung von Frauen und Männern. Die keltische Bevölkerung ernährte sich grundsätzlich pflanzlich. Die Forscherinnen fanden bei erwachsenen Männern einen erhöhten Anteil an tierischen Proteinen aus Fleischkonsum. Bei Männern, bei denen Waffen in den Gräbern gefunden wurden, fand man einen nochmals erhöhten Anteil an tierischen Proteinen und so wird vermutet, dass diese zu Lebzeiten Krieger waren. Ihre besonders hohen Proteinwerte lassen vermuten, dass sie noch mehr Fleisch konsumierten. Es wird vermutet, dass die in Münsingen bestatteten Männer Teil einer Kriegerelite gewesen sind. Im 4. Und 3. Jahrhundert vor Christus waren keltische Gruppen aus dem Gebiet nördlich der Alpen unterwegs. Kriegerverbände drangen bis nach Rom vor. Die Forscherinnen gehen davon aus, dass die Münsinger-Gruppe eine relativ homogene Gemeinschaft ohne viele Zuzügler war. Abbildung 19: Grabungsarbeit im Rain 1906 Abbildung 20: Grabbeigaben aus Rain-Münsingen Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 19 von 20 Geschichte Wichtrach, Heft 1: Die vor- und frühgeschichtliche Zeit bis ins Mittelalter, 300 v. Chr. - 1406 Anhang 5: Konzept Wichtracher Hefte Zielsetzung Die Ortsgeschichte Wichtrach richtet sich primär an Wichtracherinnen und Wichtracher jeder Alterskategorie, die sich für Herkunft und Entwicklungen in unserem Raum interessieren. Schwergewicht ist naturgemäss Wichtrach. Zum Verständnis ist aber der Einbezug des Raumes um Wichtrach, definiert durch die Kirchgemeinde Wichtrach, das Landgericht und Amt Konolfingen sowie als Lebensraum das Aaretal unumgänglich (Perimeter). Auf ein Buch als Arbeitsresultat wird verzichtet, weil zu teuer und zu wenig flexibel in der Erarbeitung und Präsentation. Dagegen soll das moderne Kommunikationsmittel Internet genutzt werden. Über periodisch öffentlich gemachte „Versionen“ sollen Interessierte angezogen, neue Quellen eröffnet und die Qualität des Vorhandenen verbessert werden. Inhaltskonzept – Inhaltsverzeichnis Der „rote Faden“ ist die Zeit. Um den zeitlichen Verlauf der Geschichte besser darzustellen, werden Perioden definiert, wobei bei der Bildung der Perioden der Aspekt der Veränderung („Change“) wichtig ist: • • • • • • • • Die frühgeschichtliche Zeit bis zur Übernahme der landgräflichen Rechte durch Bern (bis 1406) Wichtrach unter Schultheiss und Rat von Bern (1406 – 1740) Vom Niedergang des alten Berns bis zum demokratischen Volksstaat (1740 – 1848) Vom Bundesstaat bis zum 1. Weltkrieg (1848 – 1914) Die Zeit der Weltkriege (1914 – 1945) Grosse Veränderungen (1945 – 1975) Konsolidierung und Ausbau (1975 – 2003) Die Migration zur Gemeinde Wichtrach (2004 – 2011) Am Anfang jeder Periode wird eine knappe Zusammenfassung der Geschehnisse im Perimeter der Ortsgeschichte zum Zwecke der Einordnung in den grösseren historischen Rahmen gegeben. Die Beiträge innerhalb der Perioden („Kapitel“) befassen sich dann mit den Geschehnissen und Gegenständen im Perimeter so, dass ein möglichst plastisches Abbild der Zeit entsteht. Wenn immer möglich ist ein Personenbezug sehr wertvoll („Menschen machen Geschichte“). Für besondere Ereignisse, z.B. die Fusion von Ober- und Niederwichtrach, oder spezielle Organisationen, für deren Verständnis der Zusammenhang wichtig ist, z.B. die Kirchgemeinde Wichtrach, werden Sonderhefte geführt werden. Bearbeitungskonzept – Vorgehensweisen Die Arbeit erhebt nicht den Anspruch eine historische Forschungsarbeit sein zu wollen. Es geht darum, das gefundene Material zu sichten und möglichst plastisch in die Entwicklungen im Perimeter der Ortsgeschichte zu bringen. Dabei ist aber der Nachweis der Quellen von grosser Bedeutung. Jede Periode wird als „Heft“ präsentiert, da durch den Einbezug von Bildern, Schemas und Tabellen das Datenvolumen schnell hoch werden kann. Zudem können Tabellen oder Abschriften von Dokumenten als Anhänge eines Heftes präsentiert werden, ohne die Berichterstattung zu überladen. Über die Aufnahme eines neuen Beitrages entscheidet das Redaktionsteam. Die Wichtracher Geschichte wird in Word-Format mit möglichst wenigen Formatierungen bearbeitet, periodisch in das .pdf-Format umgewandelt und im Internet im Rahmen der Rubrik „Ortsgeschichte / Wichtracherhefte“ unter www.wichtrach.ch dem interessierten Publikum als neue Version zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der jeweiligen Vorbereitung einer nächsten Version erfolgt eine „kritische Durchsicht“ der gesamten Version. Das Schwergewicht in der Version 1 besteht im „Sammeln und Ordnen“ von Informationen. Ab der Version 2 wird verstärkt Gewicht gelegt werden auf die Lesbarkeit. Aus dieser Arbeit entstehen Beiträge in der Rubrik „Geschichte und Geschichten“ der Drachepost. Ausgabe: 1.08.2015 Version 2.0 Seite 20 von 20
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