VG Augsburg: VwZVG, Gewerbeuntersagung

VG Augsburg, Urteil v. 30.07.2015 – 5 K 15.243
Titel:
VG Augsburg: VwZVG, Gewerbeuntersagung, Steuerschätzung,
Vollstreckungsauftrag, unmittelbarer Zwang, Sanierungskonzept, Rechtsquelle,
Beklagte, Steuerschuld, Geschäftsbeginn, Vollstreckungsschuldner, Insolvenzregister,
Gross, Zwang, mündliche Verhandlung, Leasing, Schuldnerverzeichnis,
Gläubigerbefriedigung, Eintrag, Verfahrenseröffnung
Normenketten:
GewO §§ 34, 34c, 35 I 1
GG Art. 12 I
VwZVG Art. 18, 19, 29, 34 S. 1, 35 I 2, 36
VwGO §§ 101 II, 113 I 1, 114
AO § 162
VwZVG Art. 29 II Nr. 1, 31 II, 34 S. 1, 36
§ 35 Abs. 1 Satz 2 GewO
§ 35 GewO
§ 35 Abs. 1 Satz 1 GewO
Art. 34 Satz 1 VwZVG
Schlagworte:
Erweiterte Gewerbeuntersagung, Steuerschuld, Steuerschätzung, Vollstreckungsauftrag,
Sanierungskonzept, Unmittelbarer Zwang, Landratsamt, Unzuverlässigkeit, Bescheidserlass,
Untersagungsverfügung, Ermessensbetätigung, Gebührenfestsetzung, Gewerbebetrieb, Gemeinde,
Verwaltungsgericht
Rechtsmittelinstanz:
VGH München Urteil vom 26.10.201522 ZB 15.2022
Entscheidungsgründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg
Aktenzeichen: Au 5 K 15.243
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 30. Juli 2015
5. Kammer
Sachgebiets-Nr. 421
Hauptpunkte: Erweiterte Gewerbeuntersagung; Steuerschulden; Steuerschätzungen;
Vollstreckungsaufträge; Fehlendes Sanierungskonzept; Unmittelbarer Zwang
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Kläger -
bevollmächtigt: ...
gegen
...
- Beklagter wegen Gewerbeuntersagung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 5. Kammer, durch die Vorsitzende Richterin am
Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die
ehrenamtliche Richter ..., die ehrenamtliche Richter ... ohne mündliche Verhandlung am 30. Juli 2015
folgendes Urteil:
I.
Der Bescheid des Landratsamtes ... vom 19. Januar 2015 wird in Ziffer 3. aufgehoben. Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der
jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen eine einfache sowie erweiterte Gewerbeuntersagung, die
Aufforderung zur Einstellung seiner gewerblichen Tätigkeit sowie die Androhung unmittelbaren Zwangs.
2
Der am ... 1967 geborene Kläger meldete am 23. September 2003 bei der Gemeinde ... das selbstständige
Gewerbe „Vermittlung von Versicherungen, Leasing-Vermittlung, Finanzvermittlung (keine Tätigkeit nach §
34c Gewerbeordnung - GewO) sowie Groß- und Einzelhandel sowie Export mit Kraftfahrzeugen“ an. Als
Betriebsstätte wurde die Anschrift ... (...) angeführt. Als Geschäftsbeginn wurde der 1. Oktober 2003
genannt. Bereits zuvor hat der Kläger in den Jahren 1988 bis 2003 ein selbstständiges Gewerbe
„Autohandel“ im Landkreis ... betrieben.
3
Mit Schreiben vom 11. April 2014 beantragte die Firma ... GmbH aufgrund rückständiger Forderungen des
Klägers die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens.
4
Im Vollstreckungsportal bzw. Schuldnerverzeichnis sind elf Einträge zulasten des Klägers für den Zeitraum
6. November 2013 bis 21. August 2014 enthalten. Der Schuldnerverzeichniseintrag im Vollstreckungsportal
erfolgte jeweils aufgrund ausgeschlossener Gläubigerbefriedigung.
5
Ausweislich einer Auskunft des Amtsgerichtes ... vom 10. November 2014 ist im Insolvenzregister keine
Verfahrenseröffnung bzw. Abweisung mangels Masse gegen den Kläger eingetragen.
6
Führungszeugnis bzw. Gewerbezentralregister enthalten keine Einträge zulasten des Klägers.
7
Das Finanzamt ... führte mit Schreiben vom 19. November 2014 gegenüber dem Landratsamt ... aus, dass
die Steuererklärungen lediglich bis einschließlich des Jahres 2010 vorlägen. Für die Jahre 2011 und 2012
seien zulasten des Klägers Schätzungen durchgeführt worden, da dieser es versäumt habe,
Jahresabschlüsse einzureichen. Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen seien pünktlich bis zum 3. Quartal
2014 übermittelt worden. Der Steuerrückstand des Klägers betrage aktuell 36.728,55 EUR. In der 48.
Kalenderwoche des Jahres 2014 entstehe zugunsten des Klägers ein verrechenbares Guthaben von
5.467,54 EUR, so dass sich die Rückstände auf insgesamt 31.261,01 EUR verringerten. Zahlungen seien
im Jahr 2014 nicht erfolgt.
8
Mit Schreiben des Landratsamtes ... vom 21. November 2014 wurde der Kläger zur beabsichtigten
Gewerbeuntersagung angehört.
9
Die Industrie- und Handelskammer ... teilte dem Landratsamt ... unter dem 18. Dezember 2014 mit, dass die
Einschätzung, der Kläger sei unzuverlässig, geteilt werde. Für den Kläger bestünden bei der Industrie- und
Handelskammer ... keine offenen Beitragsrückstände.
10
Eine unmittelbar vor Bescheidserlass eingeholte Auskunft des Finanzamtes ... vom 19. Januar 2015 ergab,
dass der Steuerrückstand des Klägers 23.464,83 EUR betrage. Die Reduzierung der Rückstände sei durch
eine Verrechnung eines Vorsteuerguthabens in Höhe von 8.417,00 EUR erreicht worden. Zahlungen des
Klägers im Jahr 2014 seien nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2014 sei der Kläger zur Abgabe
eines Zahlungsvorschlags aufgefordert worden. Hierauf sei keine Rückmeldung erfolgt. Auch die
Steuererklärungen für die Jahre 2011 und 2012 stünden nach wie vor aus.
11
Mit Bescheid des Landratsamtes ... vom 19. Januar 2015 wurde dem Kläger die Ausübung des Gewerbes
„Vermittlung von Versicherungen, Leasing-Vermittlung, Finanzvermittlung, Groß- und Einzelhandel sowie
Export mit Kraftfahrzeugen“ sowie die Ausübung aller übrigen Gewerbe im gesamten Bundesgebiet
untersagt. Die Untersagung wurde auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines
Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragter Person erstreckt (Ziffer 1.
des Bescheids). In Ziffer 2. wurde der Kläger aufgefordert, die ausgeübten Gewerbetätigkeiten innerhalb
von drei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides einzustellen. Für den Fall der nicht fristgerechten
Folgeleistung gegen die Aufforderung zur Betriebsschließung wurde dem Kläger in Ziffer 3. des Bescheides
unmittelbarer Zwang (z. B. durch Wegnahme von Geschäftsunterlagen und
Geschäftsausstattungsgegenständen, Versiegelung von Betriebsräumen u. a.) angedroht.
12
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO die Ausübung eines
Gewerbes zu untersagen sei, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit in Bezug auf dieses
Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit erforderlich sei. Nach ständiger
höchstrichterlicher Rechtsprechung sei unzuverlässig, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens
nicht die Gewähr dafür biete, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß führen werde. Nach den
Feststellungen des Landratsamtes besitze der Kläger die zur selbstständigen Gewerbeausübung
erforderliche Zuverlässigkeit nicht. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige
ordnungsgemäße Gewerbeausübung. Die Unzuverlässigkeit des Klägers ergebe sich insbesondere aus der
Tatsache, dass er trotz wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit und Überschuldung nicht von sich aus die
Konsequenzen aus seiner wirtschaftlichen Situation gezogen habe, sondern nach wie vor an seinem Betrieb
festhalte. Der Kläger sei insbesondere seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht
ordnungsgemäß nachgekommen. Der Leistungswille eines Gewerbetreibenden stelle auch ein wesentliches
Element seiner Zuverlässigkeit dar, so dass sich aus dem Fehlen dieses Willens in der Regel bereits eine
gewerberechtliche Unzuverlässigkeit schließen lasse. Ein Gewerbetreibender, der seine Gläubiger faktisch
dazu zwinge, ihre berechtigten und rechtsverbindlichen Forderungen unter Anwendung von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beizutreiben, sei entweder nicht willens oder außerstande, seinen
Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Im gewerberechtlichen Sinne als unzuverlässig müsse
angesehen werden, wer anhaltend seine Mitwirkungspflichten gegenüber dem Finanzamt nicht oder nur
verspätet erfülle. Auch sei ein Vorgehen nach einem tragfähigen, zielführenden Sanierungskonzept nicht
festzustellen. Die Rückstände beim Finanzamt ... seien lediglich aufgrund einer Verrechnung gesunken, es
bestehe weder eine Rückzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt, noch seien Zahlungen auf die Schuld
selbst geleistet worden. Auch seinen Erklärungspflichten komme der Kläger nach wie vor nicht nach. Die
Jahressteuererklärungen fehlten für die Jahre 2011 und 2012. Die Maßnahme sei auch zum Schutz der
Allgemeinheit erforderlich. Der Kläger sei nicht bereit oder in der Lage, seinen finanziellen Verpflichtungen
gegenüber seinen Gläubigern von sich aus nachzukommen. Auch die Missachtung steuerlicher
Erklärungspflichten mache eine Untersagung erforderlich. Der Staat sei zur Erfüllung seiner Aufgaben
gegenüber der Allgemeinheit auf die zuverlässige Mitwirkung der Unternehmer angewiesen. Die
Gewerbeuntersagung sei daher das einzig mögliche und damit verhältnismäßige Mittel, die Allgemeinheit
vor weiteren Schäden zu schützen. Dem gegenüber habe das Interesse des Klägers an der Fortsetzung
seines Gewerbes zurückzutreten. Die Berufsfreiheit stehe dem nicht entgegen, da diese nur im Rahmen der
gesetzlichen Bestimmungen gelte. Die Gewerbeuntersagung werde nach pflichtgemäßem Ermessen
gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines
Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragter Person sowie auf die
Ausübung aller anderen Gewerbe ausgedehnt, da sich die Unzuverlässigkeit des Klägers auch auf diese
Bereiche erstrecke. Eine derartige Erstreckung sei nach Anwendung pflichtgemäßen Ermessens zum
Schutze der Allgemeinheit erforderlich geworden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger
in Zukunft auf die Ausübung anderer Gewerbe bzw. auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter oder als
Betriebsleiter ausweiche. Die Wahrscheinlichkeit einer anderweitigen Gewerbeausübung folge bereits
daraus, dass der Kläger trotz Unzuverlässigkeit und Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens an
seiner gewerblichen Tätigkeit festhalte. Hierbei werde auch nicht die Intensität des Eingriffs in die durch Art.
12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Berufsfreiheit verkannt. Die Schutzinteressen der Allgemeinheit vor
den beschriebenen Risiken, die durch die Unzuverlässigkeit des Klägers bedingt seien, seien höherrangig.
Eine wesentliche Verbesserung der klägerischen Situation habe sich seit Einleitung des Verfahrens nicht
abgezeichnet und sei auch nicht zu erwarten. Schließlich komme es im Gewerberecht nicht auf ein
persönliches Verschulden bzw. subjektive Gründe an. Auch die mögliche drohende Inanspruchnahme von
sozialen Leistungen könne nicht als Argument zur Abwendung einer Gewerbeuntersagung greifen. Die
Zwangsmittelandrohung stütze sich auf Art. 18, 19, 29, 34 Satz 1 und Art. 36 Bayerisches
Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Nach Abwägung aller Möglichkeiten und
Umstände erscheine die Androhung unmittelbaren Zwangs als geeignetes und erforderliches Mittel, um den
Kläger zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anzuhalten. Die Androhung eines Zwangsgeldes verspreche im
Hinblick auf die finanzielle Situation und das bisherige Zahlungsverhalten des Klägers keinen Erfolg. Auf die
weiteren Gründe des Bescheides des Landratsamtes ... vom 19. Januar 2015 wird ergänzend verwiesen.
13
Der Kläger hat gegen diesen ihm mit Postzustellungsurkunde am 24. Januar 2015 zugestellten Bescheid
mit Schriftsatz vom 24. Februar 2015 Klage erhoben und beantragt:
14
Der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2014, Nr. 30, Az. ..., dem Kläger zugestellt am 24. Januar
2015, wird aufgehoben.
15
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gründe des Bescheids die vorgenommene
Gewerbeuntersagung nicht rechtfertigten, da sich hieraus eine Unzuverlässigkeit des Klägers nicht ableiten
lasse. Im Einzelnen sei hierzu auszuführen, dass der Kläger durch persönliche Schicksalsschläge (schwere
eigene Erkrankung, Totgeburt der Lebensgefährtin) vorübergehend in wirtschaftliche Probleme geraten sei,
deren Bewältigung er sich jedoch bereits angenommen habe. Auch wenn die Vorschrift des § 35 GewO ein
Verschulden nicht voraussetze, so sei im Rahmen der Ausübung des Ermessens unter Würdigung der
Zuverlässigkeit des Klägers gleichwohl das Gesamtbild des Gewerbetreibenden zu berücksichtigen und
entsprechend zu würdigen. Auch seien die Steuerschulden beim Finanzamt ... bereits erheblich reduziert
worden. Die offenen Forderungen der Finanzbehörde gegen den Kläger seien bereits unter einen Betrag in
Höhe von 20.000,00 EUR zurückgeführt worden. Weitere Zahlungen seien beabsichtigt. Der Kläger sei über
seinen Steuerberater in ständigem Kontakt mit der Finanzverwaltung, um eine abschließende Lösung für
die Restforderungen zu finden. Auch habe der Kläger bereits mehrere Gläubiger, in deren Angelegenheiten
Einträge im Schuldnerverzeichnis vorgenommen worden seien, befriedigt. In jedem Fall die Erstreckung der
Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden
unverhältnismäßig und nicht hinreichend konkret, da sich aus der bisherigen selbstständigen Tätigkeit des
Klägers keine zwingenden Rückschlüsse darauf ergäben, dass der Kläger z. B. als Geschäftsführer oder
Prokurist einer von ihm nicht beherrschten GmbH gleichfalls unzuverlässig sei. Eine Gewerbeuntersagung
zulasten des Klägers dürfe nicht zu einem Berufsverbot führen.
16
Auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 24. Februar 2015 wird ergänzend Bezug genommen.
17
Das Landratsamt ... ist der Klage für den Beklagten mit Schriftsatz vom 4. März 2015 entgegengetreten und
beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Die Klage sie unbegründet. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Gewerbeuntersagung
hätten erhebliche Rückstände beim Finanzamt ... bestanden. Trotz Aufforderung sei vom Kläger kein
Zahlungsvorschlag unterbreitet und Steuererklärungen seien trotz Fälligkeit nicht eingereicht worden. Auch
obliege es dem Kläger persönlich, die Löschung von Einträgen für bereits beglichene Forderungen beim
zentralen Vollstreckungsgericht ... zu beantragen. Der Eintrag der ausgeschlossenen Gläubigerbefriedigung
zeige schließlich anderen Gläubigern und dem Beklagten im Rahmen einer Kontrolle auf, dass der Kläger
vermögenslos und wirtschaftlich leistungsunfähig sei. Solange der Eintrag zulasten des Klägers bestehe, sei
dieser Status fortbestehend. Löschungen im Schuldnerverzeichnis seien vom Kläger selbst zu veranlassen.
20
Auf den weiteren Inhalt des Klageerwiderungsschriftsatzes vom 4. März 2015 wird ergänzend verwiesen.
21
Am 18. Juni 2015 fand mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf die hierüber
gefertigte Niederschrift verwiesen. Die Beteiligten vereinbarten Gespräche hinsichtlich einer
vergleichsweisen Einigung führen zu wollen. Für den Fall einer fehlgeschlagenen außergerichtlichen
Einigung haben die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer weiteren mündlichen
Verhandlung verzichtet.
22
Mit Schreiben vom 23. Juli 2015 teilte das Landratsamt ... dem Gericht mit, dass die Gespräche zu einer
vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits gescheitert seien und bat um Entscheidung im schriftlichen
Verfahren. Der Kläger habe bereits im Jahr 2010 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben und sich als
vermögenslos bezeichnet. Der aktuelle Steuerrückstand des Klägers betrage 21.744,62 EUR. Es sei
lediglich eine Verrechnung aus Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 2.334,39 EUR erfolgt. Freiwillige
Zahlungen habe der Kläger nicht geleistet. Auf den weiteren Inhalt des Schriftsatzes des Beklagten vom 23.
Juli 2015 wird verwiesen.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vom
Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
24
Die zulässige Klage, über die nach der fehlgeschlagenen außergerichtlichen Einigung der Beteiligten und
deren übereinstimmender Verzichtserklärung in der mündlichen Verhandlung im schriftlichen Verfahren
entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), ist nur teilweise
begründet.
25
Die Klage ist nur teilweise - bezogen auf die Ziffer 3. des angefochtenen Bescheides des Beklagten
(Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs) - begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Die
Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 3. des Bescheides vom 19. Januar 2015 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt
den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass dieser keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides im
Übrigen hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
26
1. Das Landratsamt ... hat dem Kläger rechtmäßig das ausgeübte Gewerbe „Vermittlung von
Versicherungen, Leasing-Vermittlung, Finanz-Vermittlung (keine Tätigkeit nach § 34 GewO), Groß- und
Einzelhandel sowie Export mit Kraftfahrzeugen“ untersagt (Ziffer 1. Satz 1 des Bescheides).
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Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn
Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe
dartun, sofern sie Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten
erforderlich ist.
28
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. BVerwG, B. v. 26.9.1991 - 1 B 115/91 juris Rn. 7; U. v. 2.2.1982 - 1 C 146/80 - BVerwGE 65, 1 ff.; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand:
Oktober 2014, § 35 Rn. 29) ist unzuverlässig, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die
Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird, ohne dass es hierbei auf
ein persönliches Verschulden ankäme. Vielmehr ist auf die im maßgeblichen Zeitpunkt des
Bescheidserlasses verwirklichten Unzuverlässigkeitstatbestände abzustellen (vgl. BVerwG, B. v. 9.4.1997 1 B 81/97 - GewArch 1999, 72 f.). Ergibt das Gesamtbild danach eine ungünstige Prognose, so ist der
Tatbestand der Unzuverlässigkeit erfüllt und die Gewerbeausübung, soweit erforderlich, zwingend zu
untersagen.
29
Die Annahme der Unzuverlässigkeit kann hierbei aus einer lang andauernden wirtschaftlichen
Leistungsunfähigkeit abzuleiten sein, die in Folge des Fehlens von Geldmitteln eine ordnungsgemäße
Betriebsführung im allgemeinen und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten im Besonderen
verhindert, ohne dass - insbesondere durch die Erarbeitung eines tragfähigen Sanierungskonzeptes Anzeichen für eine Besserung erkennbar sind. Dem zu Folge muss eine Prognose des Inhalts darüber
angestellt werden, ob der Gewerbetreibende künftig das Gewerbe ordnungsgemäß ausüben wird oder nicht
(vgl. BVerwG, B. v. 26.2.1997 - 1 B 34/97 - GewArch 1997, 242 ff.). Es ist dabei die gesamte Situation des
Gewerbetreibenden einschließlich seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu bewerten, wobei es auf ein
Verschulden des Gewerbetreibenden hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht ankommt.
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Insbesondere Steuerrückstände sind geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig anzusehen,
denn zum ordnungsgemäßen Betrieb eines Gewerbes gehört es auch, dass der Gewerbetreibende die mit
der Gewerbeausübung zusammenhängenden steuerlichen Zahlungs- und Erklärungspflichten erfüllt. Bei
dieser Beurteilung ist sowohl die absolute Höhe der Steuerrückstände als auch ihr Verhältnis zur
Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht; auch die Zeitdauer, während derer der
Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung
(BVerwG, B. v.19.1.1994 - 1 B 5/94 - GewArch 1995, 115).
31
Mit dem Beklagten ist davon auszugehen, dass zulasten des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt des
Bescheidserlasses (19. Januar 2015) erhebliche Steuerrückstände aufgelaufen sind, die zusammen mit den
sonstigen vom Beklagten gewonnenen Erkenntnissen ohne Weiteres den Schluss auf eine Überschuldung
und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit des Klägers zulassen.
32
Allein die beim Kläger nach der Sachstandserhebung vom 19. Januar 2015 vorhandenen Steuerrückstände
in Höhe von 23.464,83 EUR sind aufgrund der absoluten Höhe des Betrages bereits geeignet, eine
gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers zu begründen. Zwar ist es dem Kläger im Jahr 2014
gelungen, die Steuerrückstände von ursprünglich 36.728,55 EUR auf den Betrag von 23.464,83 EUR zu
reduzieren. Nach Auskunft des Finanzamtes ... - Vollstreckungsstelle - vom 19. Januar 2015 ist diese
Reduzierung jedoch lediglich Folge einer möglich gewordenen Verrechnung mit einem Vorsteuerguthaben
in Höhe von 8.417,00 EUR. Der Kläger selbst hat im Jahr 2014 keine Zahlungen auf seine Steuerschuld
geleistet. Der Aufforderung zur Abgabe eines Zahlungsvorschlags zum weiteren Abbau seiner
Steuerschulden beim Finanzamt ... ist der Kläger nicht nachgekommen.
33
Gegen die Zuverlässigkeit des Klägers spricht weiter, dass dieser seinen steuerlichen Erklärungspflichten
nicht nachgekommen ist. Nach Auskunft des Finanzamtes ... vom 19. Januar 2015 (Behördenakte Bl. 53)
stehen die Steuererklärungen des Klägers für die Jahre 2011 und 2012 nach wie vor aus. Nach der
Erklärung des Finanzamtes ... vom 19. November 2014 (Behördenakte Bl. 34) mussten beim Kläger
mangels Vorlage der erforderlichen Erklärungen die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abgabenordnung
(AO) in Bezug auf die Einkommensteuer für die Jahre 2011 und 2012 geschätzt werden. Ergänzend wird
darauf hingewiesen, dass es unerheblich für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Klägers ist, ob sich
dessen Steuerschulden gemäß § 162 AO aus geschätzten oder exakt ermittelten Besteuerungsgrundlagen
ergeben (vgl. BVerwG, B. v. 29.1.1988 - 1 B 164/87 - GewArch - 1988, 162 f.).
34
Anzeichen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation waren zum maßgeblichen Zeitpunkt des
Erlasses der Untersagungsverfügung nicht gegeben und sind auch danach nicht erkennbar. Die
anzustellende Gesamtbetrachtung lässt letztlich nur den Schluss auf die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit
des Klägers zu.
35
Weiteres Indiz für die Vermögenslosigkeit bzw. massive Überschuldung des Klägers sind die im
Vollstreckungsportal bzw. Schuldnerverzeichnis zulasten des Klägers enthaltenen elf Einträge für den
Zeitraum vom 6. November 2013 bis zum 21. August 2014. Der Schuldnerverzeichniseintrag im
Vollstreckungsportal ist jeweils mit dem Hinweis auf eine ausgeschlossene Gläubigerbefriedigung versehen.
Darüber hinaus hat der Beklagte in seinem Schreiben vom 23. Juli 2015 nachgewiesen, dass der Kläger
bereits im Jahr 2010 eine eidesstattliche Versicherung infolge Vermögenslosigkeit abgegeben hat. Die
Einträge im Schuldnerverzeichnis bzw. Vollstreckungsportal lassen nur den Schluss auf eine
gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers zu, da die Bestimmungen des § 35 GewO insbesondere
auch dem Gläubigerschutz dienen.
36
Der Kläger verfügt auch nicht über ein nachvollziehbares und erfolgversprechendes Sanierungskonzept,
das eine zeitnahe Abtragung seiner beträchtlichen Schulden, insbesondere der Steuerschulden in Höhe von
23.464,83 EUR zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses, bei öffentlichen Gläubigern und damit eine Rückkehr
zu geordneten Vermögensverhältnissen erwarten ließ. Hierfür fehlt es bereits an der erforderlichen
Mitwirkung des Klägers. Da ausweislich der Akte eine Schuldenreduzierung beim Finanzamt ... lediglich
über eine möglich gewordene Verrechnung erreicht wurde, der Kläger selbst aber keinerlei Zahlungen auf
seine Steuerschuld geleistet hat, ist nicht zu erwarten, dass es dem Kläger gelingen wird, seine
Verbindlichkeiten bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern nennenswert zu reduzieren.
37
Es mag zwar sein, dass die Augenerkrankung des Klägers bzw. der erlittene Schicksalsschlag (Totgeburt
der Lebensgefährtin) den Beginn der finanziellen Misere des Klägers darstellt bzw. diese Umstände die
Finanzkrise des Klägers weiter verschärft haben. Entgegen der Auffassung des Klägers setzt die
Feststellung einer Unzuverlässigkeit im Sinne des § 35 Abs. 1 GewO jedoch kein Verschulden voraus. Es
ist letztlich belanglos, welche Ursachen zu der Überschuldung und der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit
des Klägers geführt haben. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss
von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt
(vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 146.80 - GefArch 1982, 294 f.) bzw. organisatorische Maßnahmen zur
wirtschaftlichen Fortführung des selbstständigen Gewerbebetriebs ergreift. Überdies hat der Beklagte
zutreffend darauf hingewiesen, dass die wirtschaftliche Schieflage des Klägers bereits vor dessen
Erkrankung im Jahr 2012 bestand.
38
2. Auch die ausgesprochene Ausdehnung der Gewerbeuntersagung auf jegliche Tätigkeit als
selbstständiger Gewerbetreibender im stehenden Gewerbe sowie als Vertretungsberechtigter bzw. leitender
Angestellter ist zu Recht erfolgt (Nr. 1. Satz 1 und 2 des Bescheides).
39
Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Gewerbeuntersagung erweitert werden, soweit die festgestellten
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeit oder Gewerbe
unzuverlässig ist.
40
Die erweiterte Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erfordert, dass der Gewerbetreibende
nicht nur für den bisherigen Gewerbebetrieb oder dessen Vertretung unzuverlässig ist, sondern in Bezug
auf die anderen oder alle gewerblichen Tätigkeiten, die untersagt worden sind (BVerwG, B. v. 12.1.1993 - 1
B 1/93 - GewArch 1993, 155 f.).
41
Die Verletzung von Verpflichtungen, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur Bezug zu einer
bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben, insbesondere die Verletzung von steuer- und abgaberechtlichen
Verpflichtungen, können eine erweiterte Gewerbeuntersagung rechtfertigen (vgl. BVerwG, B. v. 19.1.1994 1 B 5/94 - GewArch 1995, 115 f.; B. v. 29.1.1988 - 1 B 164/87 - GewArch 1988, 162 f.).
42
Darüber hinaus ist Voraussetzung für eine erweiterte Gewerbeuntersagung, dass von dem
Gewerbetreibenden ein Ausweichen in andere gewerbliche Tätigkeiten oder in eine leitende
unselbstständige Tätigkeit zu erwarten ist (vgl. BVerwG, U. v. 2.2.1982 - 1 C 74/78 - Buchholz 451.20 § 35
GewO Nr. 36; Marcks in Landmann/Rohmer, a. a. O. § 35 Rn. 94). Soweit die erweiterte
Gewerbeuntersagung voraussetzt, dass der Gewerbetreibende in Bezug auf das von ihm tatsächlich
ausgeübte Gewerbe unzuverlässig ist und die Untersagung dieser Gewerbeausübung - wie hier - zum
Schutze der Allgemeinheit auch erforderlich ist, folgt die Wahrscheinlichkeit des Ausweichens in eine
anderweitige selbstständige gewerbliche Tätigkeit oder eine leitende unselbstständige Tätigkeit bereits
daraus, dass der Gewerbetreibende trotz andauernder Unzuverlässigkeit überhaupt an einer gewerblichen
Tätigkeit festhält. Denn durch sein Festhalten an dem tatsächlich ausgeübten Gewerbe bekundet der
Gewerbetreibende regelmäßig seinen Willen, sich auf jeden Fall irgendwie gewerblich zu betätigen
(BVerwG, U. v. 2.2.1982, a. a. O.). Eine positive Feststellung besonderer, dass Ausweichen wahrscheinlich
machender Umstände ist dabei nicht geboten. Die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung
lässt sich bereits daran festmachen, dass der Betroffene trotz hoher Steuerschulden und
Zahlungsunfähigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festhält und diese fortsetzt. Ist der Gewerbetreibende
gewerbeübergreifend und zuverlässig und ist die Untersagung erforderlich, so steht der Ausschluss dieses
Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der
Ausprägung durch Art. 12 GG in Einklang (vgl. BVerwG, U. v. 16.3.1982 - 1 C 124/80 - GewArch 1982, 303
f.).
43
Gegen die Ermessensausübung im Rahmen der erweiterten Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2
GewO durch den Beklagten bestehen im Rahmen des insoweit eingeschränkten gerichtlichen
Überprüfungsrahmens gemäß § 114 VwGO keine Bedenken. Das Landratsamt ... hat die es leitenden
Ermessensgesichtspunkte in einer für das Gericht nachvollziehbaren und schlüssigen Weise dargelegt. Es
hat das ihm im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zustehende Ermessen erkannt und im Rahmen
seiner Ermessensbetätigung auf die vorrangigen Schutzinteressen der Allgemeinheit, die vorliegend die
Interessen des Klägers an einer Fortsetzung seiner gewerblichen Tätigkeit überwiegen, abgestellt.
44
3. Schließlich bestehen auch keine rechtlichen Bedenken hinsichtlich der in Ziffer 2. des Bescheides
getroffenen Anordnung der Betriebsschließung innerhalb von drei Wochen nach Bestandskraft des
angefochtenen Bescheides. Mit Eintritt der Bestandskraft der Gewerbeuntersagungsverfügung, bezogen auf
die vom Kläger konkret ausgeübten Gewerbe, hat dieser seinen Geschäftsbetrieb einzustellen. Die dem
Kläger insoweit gesetzte Frist erscheint als angemessen, um eine ordnungsgemäße Restabwicklung der
Geschäfte sicherzustellen. Da aus den Akten nicht ersichtlich ist, dass der Kläger Angestellte beschäftigt
und dies auch Rückschlüsse auf den Geschäftsumfang des Gewerbebetriebes des Klägers zulässt,
erscheint die dem Kläger gesetzte Frist jedenfalls nicht als unangemessen kurz.
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4. Erfolg hat die Klage hingegen gegen die in Ziffer 3. des angefochtenen Bescheides vom 19. Januar 2015
gegenüber dem Kläger getroffene Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs für den Fall der nicht
fristgerechten Folgeleistung gegen die Pflicht zur Betriebseinstellung.
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Ermächtigungsgrundlage für die Androhung unmittelbaren Zwangs ist Art. 34 und 36 VwZVG. Art. 34
VwZVG bestimmt insoweit u. a., dass, sofern die sonstigen zulässigen Zwangsmittel nicht zum Ziel führen
oder ihre Anwendung keinen zweckentsprechenden oder rechtzeitigen Erfolg erwarten lässt, die
Vollstreckungsbehörde den Verwaltungsakt durch unmittelbaren Zwang vollziehen kann.
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Diese Voraussetzungen erachtet die Kammer vorliegend als nicht gegeben. Bereits nach dem Wortlaut in
Art. 34 Satz 1 VwZVG handle es sich bei dem angedrohten unmittelbaren Zwang um die ultima ratio im
gestuftem System der Zwangsmittel, wie er in Art. 29 Abs. 2 VwZVG zum Ausdruck gelangt. Unmittelbarer
Zwang kann demnach nur dann angedroht werden, wenn die sonstigen zulässigen Zwangsmittel nicht zum
Ziel führen oder ihre Anwendung keinen zweckentsprechenden oder rechtzeitigen Erfolg erwarten ließen.
Demnach spricht bereits die gesetzgeberische Systematik aus Art. 34 Satz 1 VwZVG und der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dafür, die Androhung unmittelbaren Zwangs grundsätzlich nur nachrangig
zur Androhung insbesondere von Zwangsgeldern zuzulassen bzw. erhöhte Anforderungen an die
Androhung zu knüpfen. Es erscheint unverhältnismäßig, unmittelbaren Zwang anzudrohen, so lange ein
Zwangsmittel der Androhung von Zwangsgeld (Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 VwZVG) nicht wenigstens
versucht worden ist. Auch liegen im hier zu entscheidenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür
vor, dass die Androhung von Zwangsgeldern von vornherein keinen Erfolg versprochen hätte. So gilt es
insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag immer wieder zumindest
Teilbeträge zur Schuldentilgung und Gläubigerbefriedigung aufgewendet hat. Daher konnte gerade nicht
zulasten des Klägers davon ausgegangen werden, dass dieser gänzlich mittellos ist bzw. ist nicht belegt,
dass ein Zwangsgeld in entsprechender Höhe (vgl. Art. 31 Abs. 2 VwZVG) keinesfalls einbringlich gewesen
wäre.
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5. Da Einwände gegen die Gebührenfestsetzung in Ziffer 4. des Bescheides weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich sind, war der Klage nur im tenorierten Umfang stattzugeben. Im Übrigen war die Klage hingegen
abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die getroffene Kostenentscheidung trägt
dabei dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten Rechnung.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen
Verwaltungsgerichts... zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach
Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des
vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung
ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichts...,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts...s, des
Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des
Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird
und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichts... müssen sich die Beteiligten durch einen
Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren
vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichts... eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2
Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer
öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4
VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Ferner ergeht folgender Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nrn.
54.2.1 und 54.2.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichts...
zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen
worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache
Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht
Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung
gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde
auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses
eingelegt werden.