Fluchtentscheidungen – irreguläre Migration zwischen Zwang und

Call for Paper im Rahmen der Tagung „65 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention“
Fluchtentscheidungen – irreguläre Migration zwischen Zwang und Widerstand
In der medialen Darstellung und der politischen Auseinandersetzung in Europa dominieren
Begriffe wie „Flüchtlingsstrom“, „Ansturm“ oder „Welle“, um die gestiegenen
Zugangszahlen von Schutzsuchenden zu beschreiben. Doch verhehlen diese Begriffe, dass
Flüchtlinge und andere MigrantInnen keine „Naturgewalt“ darstellen, sondern selbst
EntscheidungsträgerInnen sind, die innerhalb (begrenzter) Handlungsspielräume agieren oder
diese sogar selbst hervorbringen. In den letzten Monaten verließen beispielsweise viele
Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak die Erstaufnahmestaaten in der Region, um nach Europa
weiterzureisen. Die wissenschaftliche Debatte zu „Fluchtursachen“ hat gezeigt, dass bei
derartigen Entwicklungen nicht nur push und pull-Faktoren, sondern auch soziale
Beziehungen und Netzwerke eine wichtige Rolle spielen. Dennoch besteht nach wie vor
Forschungsbedarf darüber, wie individuelle Fluchtentscheidungen genau (nicht) getroffen
werden, und ob und wie sich diese im Migrationsprozess wandeln. So lässt sich zunehmend
beobachten, dass MigrantInnen während der Flucht sowohl einzeln als auch im Kollektiv
aktiv werden, um ihre eigenen Vorstellungen kundzutun und bestimmte
Handlungsmöglichkeiten einzufordern. In verschiedenen Formen des Protests von
Demonstrationen bis hin zur Selbstverletzung treten sie für ihre Rechte und Interessen ein und
kreieren so neue politische Räume. Flüchtlinge, denen der Transit durch die Balkanregion
verweigert wird, fordern etwa die Möglichkeit zur Weiterreise nach Nordeuropa und erzeugen
so Druck auf die jeweiligen Grenzbehörden und betroffenen Regierungen.
Das Panel „Fluchtentscheidungen – irreguläre Migration zwischen Zwang und Widerstand“
stellt diese agency von Schutzsuchenden und deren Begrenzungen in den Mittelpunkt. Es
möchte unter anderem die Wahl von Fluchtrouten und –zielen sowie die Rolle von
„Schmugglern“ in diesem Prozess kritisch beleuchten. Letztere sind nicht allein (Zwang
ausübende) „Dienstleister“, sondern auch wichtige Broker in Informationsnetzwerken, die
Entscheidungen von Flüchtlingen beeinflussen können. Außerdem strebt das Panel die
Auseinandersetzung mit Widerstandsmomenten an: inwiefern leisten undokumentierte
MigrantInnen – explizit oder implizit – Widerstand gegen Grenzregime und andere Aspekte
der internationalen Migrationsordnung? Wie findet Politisierung statt, welche Wirkung hat sie
auf Flüchtlinge und auf die politische Praxis im Umgang mit Migrationsprozessen?
Willkommen sind empirische sowie konzeptionelle Beiträge, die sich diesen Themenfeldern
aus philosophischer, sozialwissenschaftlicher und/oder ethnographischer Perspektive nähern.
Das Panel wird organisiert von Dr. Svenja Gertheiss, Leibniz-Institut Hessische Stiftung
Friedens- und Konfliktforschung (HSFK).
Abstracts zur Bewerbung bitte bis 31.März 2016 an:
Email: [email protected]