Motivation: gemäß dem Motto „Wissen wird mehr wenn man es teilt“ möchte ich meine Erfahrungen mit Personal Kanban weitergeben Warum habe ich Personal Kanban ausprobiert? Zwei Gründe: - Ich wollte Kanban ausprobieren da wir in Projektteams auch im letzten Jahr den Einsatz von Kanban gestartet haben - Ich habe ein Werkzeug gesucht, um meine Arbeit effizienter zu organisieren Begonnen habe ich also vor einem Jahr und möchte jetzt heute in Form einer Pecha Kucha berichten, wie es mir ergangen ist und welche Erfahrungen ich gemacht habe. 1 Was ist Kanban? Kanban kommt aus dem Japanischen und bedeutet Signalkarte. Kanban wurde ursprünglich in der Automobilindustrie eingesetzt um dort die Arbeitsprozesse zu optimieren. Seit einigen Jahren hält Kanban auch Einzug in der IT-Welt. Kanban ist aber kein Prozess, es ist auch keine Software-Entwicklungsmethode und auch nur eingeschränkt ein Projektmanagementtool. Es ist primär eine evolutionäre Change-Management-Methode! Und was ist dann Personal Kanban? Es verwendet ein Subset der Kanban-Regeln und dient dazu, den eigenen Arbeitsprozess zu optimieren. Sehen wir uns die Regeln an. 2 In Personal Kanban gibt es nur zwei Regeln: 1. Visualisiere alle Arbeit. Alle meint wirklich alle, wie das im Detail aussieht, sehen wir uns nachher an. In der Wissensarbeit, wie wir sie in der IT üblicherweise vorfinden, ist es sehr schwer abzuschätzen, wieviel Arbeit welcher Art eigentlich zu tun ist. Wenn sie heute in z.B. auf eine Baustelle gehen und dort sehen, dass Keller und EG gemauert sind, aber noch eine Menge Ziegelsteine zur Verarbeitung bereit stehen, dann bekommen wir in der Regel sehr rasch ein grobes Bild über den Status des Bauvorhabens. In unserer täglichen Arbeit als Itler ist das eher selten der Fall, hier soll uns die Visualisierung in Kanban helfen. 2. Begrenze die Menge der gleichzeitig in Arbeit befindlichen Aufgaben, in Kanban sagt man dazu Work in Progress oder abgekürzt WIP. Kanban und damit auch Personal Kanban hat das Ziel, die Durchlaufzeiten zu verkürzen. Wer sich ein bisschen mit Warteschlangentheorie auskennt weiß, dass Auslastung und Durchsatz eines Systems voneinander abhängen, d.h. wenn wir den Durchsatz erhöhen wollen müssen wir die Auslastung begrenzen. Wie kann man mit Personal Kanban starten? 3 Dazu gibt es vier sehr einfache Schritte: 1. Zuerst visualisiert man seinen Wertschöpfungs- oder Arbeitsprozess, üblicherweise gibt es da Schritte wie „Geplant“, „In Arbeit“ oder „Erledigt“, das können aber auch detailliertere Schritte sein wie z.B. „Konzeption“ oder „Test“. 2. Als nächstes baut man sich sein Backlog auf. Das Backlog ist eine Sammlung aller Arbeit die erledigt werden muss, das Backlog muss priorisiert werden, damit klar ist, mit was man als nächstes anfängt. Zum Priorisieren sehen wir uns nachher noch eine gut geeignete Technik an. 4 3. Im dritten Schritt legen wir ein WIP-Limit fest, wir überlegen uns also, wieviele Aufgaben wir zu einem Zeitpunkt gleichzeitig maximal bearbeiten wollen. Zu Beginn ist das WIP-Limit noch sehr willkürlich, im Laufe unserer Arbeit werden wir es aber sehr wahrscheinlich anpassen. 4. Der letzte Schritt ist dann der Beginn einer immer wiederkehrenden Abfolge: Arbeit aus dem Backlog ziehen, bearbeiten, abschließen und wieder neue Arbeit ziehen. Wenn wir die Schritte durchlaufen haben, dann kann ein Kanban-Board zum Beispiel so aussehen: 5 Hier sehen wir mein erstes Kanban-Board, wie es vor ca. 1,5 Jahr ausgesehen hat. Ganz links das Backlog, die Spalte „Geplant“ stellt meinen für den jeweiligen Tag geplanten Arbeitsvorrat dar und hat ein WIP-Limit von 4. Die Spalte „In Arbeit“ ist mit einem WIP-Limit von 1 versehen, mehr als eine Aufgabe gleichzeitig zu bearbeiten habe ich als nicht für sinnvoll erachtet. Die Spalte „Wartend“ bildet alle Aufgaben ab, wo ich für eine Erledigung noch auf Zulieferung warten muss. Auch die habe ich initial mit einem WIP-Limit versehen, die Auswirkungen werden wir uns nachher noch ansehen. In der Spalte „Erledigt“ landet dann alles wenn es wie der Name schon sagt erledigt wurde. Wie geht man nun beim Priorisieren des Backlogs vor? 6 Dazu gibt es in Personal Kanban die sogenannte Personal-Kanban-Matrix, die vergleichbar mit der vielleicht dem ein oder anderen bekannten Covey-Matrix ist. Im Gegensatz zur Covey-Matrix haben die Quadranten aber eine deutlich andere Bedeutung. Bei Covey lernt man, dass alles was weder wichtig noch dringend genug ist, nicht gemacht werden soll. Personal Kanban hat hier einen etwas anderen Ansatz. Auch der Umgang mit Aufgaben, die sehr wichtig und dringend sind, ist etwas anders, denn Ziel von Personal Kanban ist es, möglichst keine Aufgaben zu haben, die gleichzeitig dringlich und wichtig sind, deswegen der Name „Panikquadrant“. Mehr dazu nachher bei den Erfahrungen. Neue Aufgaben werden ins Backlog immer entsprechend ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit nach einsortiert, dabei überprüfe ich auch immer wieder in regelmäßigen Abständen die Positionierung der bereits im Backlog befindlichen Aufgaben. Bei manchen Aufgaben verändert sich mit fortschreitender Verweildauer im Backlog auch die Dringlichkeit, d.h. sie wandern nach rechts. 7 Hier nochmal eine etwas andere Sicht auf die Kanban-Matrix. Notfälle sollten wir wie gesagt vermeiden, wir wollen primär die Aufgaben aus dem Kaizen-Quadrant links oben bearbeiten, sie bringen i.d.R. bei richtiger Einpriorisierung einer nachhaltige Qualität. Lassen wir Aufgaben dort zu lange unbearbeitet rutschen sie i.d.R. in den Panikquadranten. Es gibt aber zumindest in meiner Arbeit immer wieder auch Aufgaben, wo andere Kollegen oder auch Vorgesetzte Dinge von mir relativ rasch erledigt haben wollen. So muss ich z.B. monatlich Rechnungen der im CoC Agile beschäftigten externen Mitarbeiter fachlich prüfen und freigeben. Diese Arbeit ist sicherlich von der Wichtigkeit her eher in der unteren Hälfte anzusiedeln, muss aber doch relativ zeitnah erledigt werden. Aufgaben im Quadrant der sozialen Investition, wie er in Personal Kanban heisst, sind in der Regel bei mir also Aufgaben, die für andere Personen in der Fiducia wichtiger sind als für mich selbst, die aber rasch erledigt werden müssen. Hier investiere ich also in soziale kontakte in dem ich Dinge für andere erledige. Aufgaben im organischen Quadranten links unten stellen oft Ideen dar, die es ggf. schaffen von ihrer Wichtigkeit her schaffen nach oben zu rutschen. 8 Beim Ziehen von Aufgaben gehe ich üblicherweise so vor, dass ich auf einer gedachten Linie, hier weiß eingezeichnet, Aufgaben von links oben nach rechts unten abarbeite, so dass in diesem Fall zuerst eine sehr wichtige, aber noch nicht so dringliche Aufgabe dran ist, dann eine dringliche, aber weniger wichtige. Finden sich auf der gedachten Linie keine weiteren Aufgaben, verschiebe ich sie etwas mehr nach links unten, dargestellt durch den weißen Pfeil, und starte neu. Auf diese Weise werden sowohl wichtige als auch dringende Aufgaben einigermaßen gleichmäßig abgearbeitet. Klar ist auch, dass Aufgabe aus dem Organischen Quadranten links unten eher selten abgearbeitet werden, es sei denn ihre Dringlichkeit verschiebt sich im Laufe der Zeit oder wir erkennen sie irgendwann als wichtiger an. 9 Schauen wir uns als nächstes noch die „Erledigt“-Spalte an. Wie gehen wir mit dieser Spalte um? Für mich hat sich zu Beginn vor allem die Frage gestellt, wann ich die Spalte leere. Dazu gibt Personal Kanban keine feste Regel vor, bei mir hat sich aber bewährt, die Spalte einmal wöchentlich zu entleeren. Dabei nehme ich mir ein paar Minuten Zeit und reflektiere, welche der Aufgaben länger gedauert haben und warum das so war. D.h. ich versuche hier zu reflektieren, ob ich in meinem Arbeitsprozess noch Dinge verbessern kann. Ähnlich einer Retrospektive in Scrum sollte man sich also auch in Kanban oder Personal Kanban die Zeit nehmen, Verbesserungspotentiale zu identifizieren und umzusetzen. Wer sich keine Zeit nimmt, die Säge zu schärfen, wird irgendwann kein Holz mehr schneiden können. Bei meiner wöchentlichen Reflektion erfasse ich auch ein paar Metriken, die mir helfen, meine Arbeit besser zu verstehen und zu planen. 10 Jede Aufgabe, die bei mir ins Backlog aufgenommen wird, versehe ich mit dem aktuellen Tagesdatum. Beginne ich die Arbeit an dieser Aufgabe, notiere ich wiederum das aktuelle Tagesdatum. Und schließlich halte ich noch fest, wann ich eine Aufgabe erledigt habe. Mit diesen drei Daten lassen sich zwei Zeiten ermitteln: 1. Die Vorlaufzeit sagt mir, wie lange eine Aufgabe vom Eintreffen bis zur Fertigstellung benötigt. Ermittle ich die durchschnittliche Vorlaufzeit meiner Aufgaben, kann ich Aussagen machen, wann ich eine bestimmte Aufgabe inklusive aller Wartezeiten und unter Berücksichtigung aller anderen Aufgaben i.d.R. erledigt haben werde. Über die Standardabweichung kann ich feststellen, wie lange üblicherweise (z.B. in 95% aller Fälle) die Vorlaufzeit ist. 2. Die Durchlaufzeit wiederum gibt mir darüber Auskunft, wie lange ich tatsächlich für die Bearbeitung brauche. Sie hängt natürlich sehr stark von Typ der Aufgabe ab aber auch, ob ich die Aufgabe ohne Zuarbeit anderer erledigen kann. 11 Dann kann ich anhand meiner Metriken Aussagen zum wahrscheinlichen Fertigstellungstermin machen. So weiß ich, dass Stand heute eine neue Aufgabe nach durchschnittlich 11,8 Kalendertagen erledigt sein wird und neue Aufgaben in 95% aller Fälle in weniger als 24 Kalendertagen. Will der Chef, dass ich sofort mit etwas beginne bzw. halte ich es selbst für dringend erforderlich sofort zu beginnen, dann weiß ich dass die Aufgabe im Schnitt nach 1,7 Kalendertagen erledigt sein wird (in 95% der Fälle in weniger als 4,4 Kalendertagen). Kann ich die Aufgabe ganz ohne Zulieferungen anderer erledigen, schaffe ich es sogar i.d.R. in weniger als einem Arbeitstag. Vor Personal Kanban wusste ich das nicht, ich konnte nur grob schätzen und lag meistens doch daneben. Würde ich jetzt meine Aufgaben noch je nach ihrer Art erfassen und bewerten, könnte ich auch Aussagen machen, wie lange z.B. eine konzeptuelle Aufgabe dauert. 12 Eine der positivsten Erfahrungen die ich gemacht habe ist es, Aufgabenkarten in die „Erledigt“-Spalte zu hängen. Das verschafft einem das Gefühl etwas geschafft zu haben, ich kann es sehen und kurz genießen. Kommen im Laufe des Tages oder Woche weitere Karten dazu, steigert das immer meine Zufriedenheit. Seitdem gehe ich abends selten aus dem Büro und frage mich, was hast Du denn heute den ganzen Tag gemacht. Ein positiver Nebeneffekt der Erledigt-Spalte: wenn ich meine Arbeitszeiten erfasse tue ich dies inzwischen sehr stark mit Hilfe der Erledigt-Spalte, d.h. irgendwelche Nebenaufzeichnungen für die Zeiterfassung entfallen. 13 Eine der ersten und immer noch mit am positivsten Erfahrungen ist: „aus dem Kopf auf das Board“, der Kopf bleibt frei und ich muss mich nicht mit Dingen beschäftigen, die ich noch erledigen aber nicht vergessen darf. Einfache ToDo-Listen helfen dabei natürlich auch, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Listen sehr schlecht zu priorisieren sind. Mit den Post-Ist auf meinem Board und der Kanban-Matrix geht das deutlich einfacher. 14 Wie eingangs erwähnt, ist eines der Grundprobleme von Wissens- bzw. Geistesarbeit, dass sie nicht sicht- oder greifbar ist. Ein Kanban-Board bietet mir die Möglichkeit die Menge und Art meiner Arbeit jederzeit auf einen Blick erfassen zu können. Natürlich kann man ein Kanban-Board auch elektronisch ablegen oder das Board in einem Notizbuch führen. Der Vorteil einer Visualisierung an einem Board an der Wand im Büro ist aber, dass Kollegen und Vorgesetzte ebenfalls sehen, wieviel Arbeit ansteht. Die Frage „was machst Du eigentlich gerade“ lässt sich mit einem Blick auf das Board schnell beantworten. 15 Die Durchlaufzeit, also die Zeit die ich tatsächlich an einer Aufgabe arbeite, hängt sehr stark davon ab, ob ich Zulieferungen anderer benötige. Ich habe ermittelt, dass sich die Durchlaufzeit um bis zu 400% erhöhen kann, wenn ich auf Zulieferungen warten muss. Das ist auch ein Grund, warum ich die Wartend-Spalte mit einem WIP-Limit versehen habe. Erreiche ich das WIP-Limit hake ich z.B. aktiv bei meinen Zulieferern nach und nerve manchmal. Da ich aber auch oft Zulieferer von anderen bin, versuche ich auch diese Zulieferungen an andere entsprechend dringlich einzupriorisieren um die Gesamtdurchlaufzeit zu reduzieren. 16 Warum brauchen wir eigentlich ein WIP-Limit? Mal abgesehen von Warteschlangentheorie und Abhängigkeiten zwischen Auslastung und Durchlaufzeit hat das WIP-Limit für mich einen ganz praktischen Nutzen: ich fange nicht zu viele Dinge an, das WIP-Limit sorgt dafür, dass ich Dinge erledige, ganz nach dem Kanban-Motto „Stop starting – start finishing“. Wenn ich weniger zwischen verschiedenen Aufgaben wechseln muss entfallen auch die Rüstzeiten um sich immer wieder in eine Aufgabe reinzudenken und den Faden aufzunehmen. Policies oder Regeln helfen mir zusätzlich, z.B. die Regel, dass alle Aufgaben im Backlog die älter als 24 Tage sind sofort begonnen oder aber vom Backlog entfernt werden. Das WIP-Limit wirkt natürlich erst dann, wenn ich es auch konsequent einhalte. 17 Eigentlich dachte ich vor der Benutzung von Personal Kanban, dass ich schon sehr selbstdiszipliniert arbeite und an meinen Aufgaben dran bleibe. Aber dem war nicht so, das habe ich sehr schnell gemerkt. Hier eine Mail die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht, dort der Kollege der nur schnell was wissen will, der Chef der ganz dringend noch eine Aufgabe platzieren möchte und der Vortrag müsste auch längst abgegeben werden. Am Anfang habe ich mich oft ertappt, wie ich zwar an einer Aufgabe gearbeitet, parallel dann aber doch noch schnell was anderes dazwischen geschoben habe. Der Schlüssel ist deswegen, sich konsequent an das WIP-Limit zu halten, Aufgaben abzuschließen und erst dann neue Aufgaben anzufangen. Und was macht man dann, wenn der Kollege plötzlich im Zimmer steht und noch dringend was will? Dann schreibe ich in seinem Beisein eine Karte, hänge sie an mein Board, er sieht gleich wie dringend und wichtig ich die Aufgabe einpriorisiere und kann ggf. noch darauf einwirken. Damit ist die Aufgabe platziert, aber ich habe sie nicht begonnen. Klar, schöner wäre es ohne Störungen durchzuarbeiten, aber so ist das Arbeitsleben selten. Auch mit allen anderen „Störungen“ gehe ich so um. Und was wenn der Chef sofort eine Aufgabe erledigt haben möchte? Dazu habe ich mein WIP-Limit so angepasst, dass ich immer noch die Gelegenheit habe, eine dringende & wichtige Aufgabe sofort zu bearbeiten, alle anderen Aufgaben warten natürlich. Das muss auch die Ausnahme bleiben, deswegen ist die Prioriserung des Backlogs nach dringend und wichtig eben so wichtig J 18 Damit wären wir schon beim Fazit. Mir hat Personal Kanban sehr geholfen, - Und einfach ein besseres Gefühl über die Menge und Art meiner Arbeit zu bekommen und dadurch weniger zu vergessen - Durch Kenntnis der Vorlauf- und Durchlaufzeiten meine eigene Planung zu verbessern - Und damit insgesamt viel weniger Stress zu haben. 19 Wer jetzt Lust bekommen hat, Personal Kanban selbst auszuprobieren, dem kann ich zum einen das PK-Buch empfehlen, es beschreibt vieles von dem was ich hier erzählt habe und erläutert vor allem auch die theoretischen Hintergründe von Kanban und WIPLimits. In diesem Zusammenhang auch sehr empfehlenswert ist das Buch über die PomodoroTechnik, was zwar mit PK erstmal nichts zu tun hat, aber eigentlich die gleichen Ansätze verfolgt, nämlich nicht zu viel auf einmal anzufangen und Dinge erledigt zu bekommen. Vielen Dank fürs Zuhören! 20 21
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