Sommersemester 2015 - Universität Bremen

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Auslandssemester in Südafrika
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Ich studiere zu diesem Zeitpunkt Mathematik und
Englisch im 6. Semester, und habe die letzten sechs Monate in Südafrika verbracht und an
der Universität Stellenbosch studiert. Meine Ursprüngliche Motivation war vielseitig und ein
Auslandssemester in Stellenbosch
schien die perfekte Konsequenz.
Zunächst fand ich es im
Rahmen meines Englischstudiums
stets interessant, mehr über die
englischsprachigen Kulturen Abseits
des angloamerikanischen
Mainstreams zu erfahren. Des
weiteren war für mich als Surfer und
Kiteboarder Cape Town seit je her
eine Faszination und mir war klar,
dass ein Semester dort mein
Leistungsniveau enorm steigern
würde. Schlussendlich hatte ich aus
verschiedenen Quellen gehört, dass
die Universität Stellenbosch zu den
besten des Kontinents gehört und
insbesondere im Bereich der (reinen)
Mathematik das Niveau sehr gut ist. Dies sollte sich, wohl auch aufgrund meiner Kurswahl,
durchaus bestätigen.
Die Vorbereitung war, mit Ausnahme des Bewerbungsverfahrens, formal gesehen
nicht sonderlich Aufwändig. Es ist lediglich darauf zu achten, dass man rechtzeitig- also
mindestens acht Wochen vor Abflug- alle für das Study-permit erforderlichen Unterlagen
vollständig(!) beim Südafrikanischen Konsulat in Berlin einreicht. Die südafrikanischen
Einreisebestimmungen sind sehr streng und wurden während meines Aufenthalts hier noch
einmal verschärft - die Kulanz ist bisweilen beschränkt. Wer beispielsweise sein 3-monatiges
Touristenvisum überzieht, der erhält prompt ein 5-jähriges Einreiseverbot. Die erforderlichen
Unterlagen sind auf der Website des Konsulats aufgelistet und umfassen zwei medizinische
Gutachten, weswegen man sich wirklich frühzeitig und gründlich um alles kümmern sollte!
Wie bereits erwähnt war das akademische Angebot an der Universität sowohl
interessant als auch fordernd. Die
gelegentlich von Dozenten und
Mitstudenten wahrgenommenen
Äußerungen über das niedrigere
Niveau des angloamerikanischen
Hochschulsystems kann ich
zumindest im Hinblick auf meine
Kurswahl nicht bestätigen. Der Kurs
über Topologie z.B. wurde von mir
(jedoch allerdings auch von den
südafrikanischen Studenten) als
sehr anspruchsvoll wahrgenommen
und überbot bisweilen alles, was ich
an Abstraktionsgrad von der
Universität Bremen gewohnt war.
Dies lag jedoch wohl auch in der
Natur des Themas.
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Generell ist bei der Kurswahl
schon im Vorfeld darauf zu achten,
dass an der stark afrikanisch
geprägten Universität Stellenbosch
viele Vorlesungen auf Afrikaans
gehalten werden. Für mich bedeutete
dies eine deutliche Einschränkung und
hatte u.A. zur Folge, dass ich weniger
Kurse belegen konnte als ursprünglich
geplant.
Die Universitaet bietet zudem
sogenannte IPSU Kurse an, welche
sich ausschliesslich an internationale
Studenten richten und sehr breit
gefächert sind. So belegte ich z.B. , in
Ermangelung eines weiteren
anrechenbaren englischsprachigen Kurses, aus reinem Interesse einen Crashkurs in
Photographie, der mir sehr viel Spass und Wissen einbrachte.
Das Thema der Wohnungssuche vor Ort ist für mich unmittelbar mit der Frage nach
Nebenjobs verknüpft. Durch Kontakte fand ich Arbeit in einem Hostel in Bloubergstrand, etwa
eine Halbe Stunde außerhalb von Stellenbosch. Da ich dort auch wohnen konnte, musste ich
um zur Universität zu kommen etwas Anfahrt in Kauf nehmen, was sich aber dadurch
relativierte, dass ich ohnehin sehr häufig die gleiche Strecke ans Wasser gefahren wäre.
Zum Glück erlaubt das Studentenvisum Ausländern, in begrenztem Rahmen auch
entgeltlichte Tätigkeiten auszuüben, jedoch sollte hierbei gesagt werden, dass die
südafrikanischen Löhne im europäischen Vergleich und auch im Bezug auf die lokalen
Lebenshaltungskosten erschreckend gering sind. Domestic Workers, also HaushälterInnen,
erhalten z.B. eher selten einen Lohn von über zehn Euro am Tag (Der Mindestlohn liegt bei
ca. 6 Euro), ein Bier in der Kneipe kostet jedoch zwischen 1,20 und zwei Euro. Für Europäer
macht es somit also sowohl praktisch als auch ethisch viel mehr Sinn, in Europa
„vorzuarbeiten“, da so mit geringerem (Zeit-)Aufwand deutlich mehr erreicht werden kann,
und keiner der im Land ohnehin im Vergleich zur Nachfrage spärlich gesäten Jobs
beansprucht werden muss.
Wer bei Ankunft noch keine Wohnung hat, sollte sich vorübergehend in einem der, im
bei Touristen beliebten Stellenbosch glücklicherweise recht zahlreichen, Hostels einmieten.
Einige der anderen internationalen Studenten haben sich zudem dort erstmals kennengelernt
und letztendlich auch zusammen gewohnt.
An der Südafrikanischen Kultur hat mich vor allem die Vielfalt fasziniert, induziert
durch das Zusammenleben von
Afrikandern (im 17. Jahrhundert
eingewanderte Europäer
größtenteils niederländischer,
deutscher und französischer
Herkunft); den afrikanischen
Stämmen der Zulu, Xhosa u.A.; der
größtenteils britischen Einwanderer
des 19. Und 20. Jahrhunderts;
sowie indisch- und
arabischstaemmiger Menschen. Die
kulturelle Unterschiedlichkeit der
Menschen ist jedoch zugleich Segen
und Fluch, und stellt die
südafrikanische Gesellschaft vor
Herausforderungen, die wir selbst
im zusehends multikulturellen
Europa in der Form nicht kennen.
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Obwohl ich mir als
Außenstehender und mit Blick
auf die schwierige Geschichte
Südafrikas keinerlei Urteil
erlauben möchte, so glaube ich
doch, dass hinter dem von
außen vermeintlich als
Rassismus wahrgenommenem
Verhalten der genannten
Gruppen gegenüber einander
oftmals kulturelle
Missverständnisse stecken, die
nicht nur die Politik, sondern
auch die Wirtschaft und das
gesamte alltägliche
Zusammenleben der
Südafrikaner durchziehen.
In jedem Fall kann ich
feststellen, im Bezug auf kulturbedingte Verhaltensweisen deutlich sensibler geworden zu
sein, sowie gelernt zu haben, die in Europa leider überpräsenten, stark polarisierten und vor
ethnischer Generalisierung und Schuldzuweisungen triefenden Simplifikationen der
Vorgänge im Ausland zumindest mit größerer Vorsicht zu „genießen“.
Im Bezug auf die Freizeitgestaltung ist die Region um Kapstadt, die WestkapProvinz, sowie der ganze Rest von Südafrika ein schier endloses Paradies, in dem jeder
nach seiner Facon „seelig“ werden kann. Ich für meinen Teil verbrachte jede freie Sekunde
auf dem Wasser an der Westküste, der Kap- Halbinsel, der False- Bay oder im Auto auf der
Jagd nach den besten Bedingungen. Hierbei sei angemerkt, dass Kapstadt trotz aller Idylle
eine Großstadt ist und als solche mit den üblichen Problemen, insbesondere im
Verkehrsaufkommen, zu kämpfen hat. Während der Woche sollte man daher zu den
Stoßzeiten (ca. 6:00 – 9:00 und 16:00 – 19:00) die Hauptverkehrsadern in den Stadtkessel
hinein (morgens) und aus ihm
heraus (nachmittags) meiden,
wenn einem Zeit und Nerven
lieb sind.
Ansonsten kann ich
jedem nur empfehlen die
Gegend nach Möglichkeiten zu
erkunden, und jeden Moment
des Daseins an diesem
einzigartigen Ort zu genießen.
Was die Sicherheit dabei
anbelangt, so sollte man sich
stets bewusst machen, dass
man sich in einem Land mit
extremen(!) sozioökonomischen
Unterschieden und daraus
resultierenden Spannungen
befindet. Die daraus
resultierenden räumlichen
Unterschiede im Bezug auf das Kriminalitätsrisiko sollte man stehts bedenken, bevor man
bis datu unbekannte
Eine einschneidendes persönliches Erlebnis im Bezug auf Kriminalität war der
Einbruch in mein Auto, der sich kurz vor Sonnenuntergang ereignete, während ich auf dem
Wasser war. Ich bemerkte den Einbruch erst beim Losfahren und durch Fehlen des
Autoradios. Die Diebe hatten die Scheibe eingeschlagen und meine Kleidung, sowie etwas
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Geld und das (kaputte) Autoradio entwendet. Glücklicherweise hatte einer der
(selbsternannten, und ansonsten nicht selten alkoholisierten und mitunter zwielichtigen)
Parkwächter eine „verdächtige Gestalt“ vom Tatort verschwinden sehen, und so nahmen wir
unter seiner Richtungsvorgabe die Verfolgung auf. Tatsächlich gelang es uns, den Täter
aufzuspüren und festnehmen zu lassen, wobei er einen Großteil der Beute leider bereits hat
„verschwinden“ lassen.
Trotz des Erfolgs der Aktion sei gesagt, dass sie aus der Hitze des Moments geboren
war und derartige „Eigeninitiative“ durchaus mit einem hohen Risiko (z.B. wenn der Täter
bewaffnet ist) verbunden ist. Generell wird man von allen Seiten angehalten, im Falle einer
Bedrohung zu kooperieren, da die Gewaltbereitschaft unter südafrikanischen Kriminellen
nach landläufiger Ansicht sehr hoch ist.
Ansonsten habe ich persönlich zum Glück keine nennenswerten Erfahrungen mit
Gewalt oder Aggressivität mir gegenüber gemacht, jedoch wurden mit allerlei Geschichten
von unterschiedlicher Seite zugetragen. Wer jedoch obiges im Hinterkopf behält und die
üblichen Regeln des gesunden Menschenverstandes befolgt, sollte meiner Meinung nach
nicht viel gefährlicher Leben als in Europa auch.
Zum Ende meines Aufenthalts in Südafrika, und nach Abschluss der Klausurenphase,
verbrachte ich noch zweieinhalb Wochen in Jeffreys Bay in der Ostkapprovinz, und wurde
u.A. Zeuge des Kräftemessens der Weltelite im Wellenreiten beim „Jbay Open“. Diese Reise
machte mir noch einmal klar, wie vielfältig dieses nach europäischen Massstaeben riesige
Land ist, von dem ich trotz meines sechsmonatigen Aufenthalts nur einen Bruchteil
bestaunen durfte. Mir wurde bewusst das trotz ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit die „Mother
City“, wie die Südafrikaner Cape Town liebevoll nennen, eine doch sehr europäische
Geprägte Enklave ist und sich je weiter man nach Osten reist, sowohl landschaftlich als auch
klimatisch und kulturell, ein vollkommen anderes Südafrika entpuppt, welches es auch für
mich noch zu entdecken gibt.
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