! Auslandssemester in Südafrika ! ! Ich studiere zu diesem Zeitpunkt Mathematik und Englisch im 6. Semester, und habe die letzten sechs Monate in Südafrika verbracht und an der Universität Stellenbosch studiert. Meine Ursprüngliche Motivation war vielseitig und ein Auslandssemester in Stellenbosch schien die perfekte Konsequenz. Zunächst fand ich es im Rahmen meines Englischstudiums stets interessant, mehr über die englischsprachigen Kulturen Abseits des angloamerikanischen Mainstreams zu erfahren. Des weiteren war für mich als Surfer und Kiteboarder Cape Town seit je her eine Faszination und mir war klar, dass ein Semester dort mein Leistungsniveau enorm steigern würde. Schlussendlich hatte ich aus verschiedenen Quellen gehört, dass die Universität Stellenbosch zu den besten des Kontinents gehört und insbesondere im Bereich der (reinen) Mathematik das Niveau sehr gut ist. Dies sollte sich, wohl auch aufgrund meiner Kurswahl, durchaus bestätigen. Die Vorbereitung war, mit Ausnahme des Bewerbungsverfahrens, formal gesehen nicht sonderlich Aufwändig. Es ist lediglich darauf zu achten, dass man rechtzeitig- also mindestens acht Wochen vor Abflug- alle für das Study-permit erforderlichen Unterlagen vollständig(!) beim Südafrikanischen Konsulat in Berlin einreicht. Die südafrikanischen Einreisebestimmungen sind sehr streng und wurden während meines Aufenthalts hier noch einmal verschärft - die Kulanz ist bisweilen beschränkt. Wer beispielsweise sein 3-monatiges Touristenvisum überzieht, der erhält prompt ein 5-jähriges Einreiseverbot. Die erforderlichen Unterlagen sind auf der Website des Konsulats aufgelistet und umfassen zwei medizinische Gutachten, weswegen man sich wirklich frühzeitig und gründlich um alles kümmern sollte! Wie bereits erwähnt war das akademische Angebot an der Universität sowohl interessant als auch fordernd. Die gelegentlich von Dozenten und Mitstudenten wahrgenommenen Äußerungen über das niedrigere Niveau des angloamerikanischen Hochschulsystems kann ich zumindest im Hinblick auf meine Kurswahl nicht bestätigen. Der Kurs über Topologie z.B. wurde von mir (jedoch allerdings auch von den südafrikanischen Studenten) als sehr anspruchsvoll wahrgenommen und überbot bisweilen alles, was ich an Abstraktionsgrad von der Universität Bremen gewohnt war. Dies lag jedoch wohl auch in der Natur des Themas. ! Generell ist bei der Kurswahl schon im Vorfeld darauf zu achten, dass an der stark afrikanisch geprägten Universität Stellenbosch viele Vorlesungen auf Afrikaans gehalten werden. Für mich bedeutete dies eine deutliche Einschränkung und hatte u.A. zur Folge, dass ich weniger Kurse belegen konnte als ursprünglich geplant. Die Universitaet bietet zudem sogenannte IPSU Kurse an, welche sich ausschliesslich an internationale Studenten richten und sehr breit gefächert sind. So belegte ich z.B. , in Ermangelung eines weiteren anrechenbaren englischsprachigen Kurses, aus reinem Interesse einen Crashkurs in Photographie, der mir sehr viel Spass und Wissen einbrachte. Das Thema der Wohnungssuche vor Ort ist für mich unmittelbar mit der Frage nach Nebenjobs verknüpft. Durch Kontakte fand ich Arbeit in einem Hostel in Bloubergstrand, etwa eine Halbe Stunde außerhalb von Stellenbosch. Da ich dort auch wohnen konnte, musste ich um zur Universität zu kommen etwas Anfahrt in Kauf nehmen, was sich aber dadurch relativierte, dass ich ohnehin sehr häufig die gleiche Strecke ans Wasser gefahren wäre. Zum Glück erlaubt das Studentenvisum Ausländern, in begrenztem Rahmen auch entgeltlichte Tätigkeiten auszuüben, jedoch sollte hierbei gesagt werden, dass die südafrikanischen Löhne im europäischen Vergleich und auch im Bezug auf die lokalen Lebenshaltungskosten erschreckend gering sind. Domestic Workers, also HaushälterInnen, erhalten z.B. eher selten einen Lohn von über zehn Euro am Tag (Der Mindestlohn liegt bei ca. 6 Euro), ein Bier in der Kneipe kostet jedoch zwischen 1,20 und zwei Euro. Für Europäer macht es somit also sowohl praktisch als auch ethisch viel mehr Sinn, in Europa „vorzuarbeiten“, da so mit geringerem (Zeit-)Aufwand deutlich mehr erreicht werden kann, und keiner der im Land ohnehin im Vergleich zur Nachfrage spärlich gesäten Jobs beansprucht werden muss. Wer bei Ankunft noch keine Wohnung hat, sollte sich vorübergehend in einem der, im bei Touristen beliebten Stellenbosch glücklicherweise recht zahlreichen, Hostels einmieten. Einige der anderen internationalen Studenten haben sich zudem dort erstmals kennengelernt und letztendlich auch zusammen gewohnt. An der Südafrikanischen Kultur hat mich vor allem die Vielfalt fasziniert, induziert durch das Zusammenleben von Afrikandern (im 17. Jahrhundert eingewanderte Europäer größtenteils niederländischer, deutscher und französischer Herkunft); den afrikanischen Stämmen der Zulu, Xhosa u.A.; der größtenteils britischen Einwanderer des 19. Und 20. Jahrhunderts; sowie indisch- und arabischstaemmiger Menschen. Die kulturelle Unterschiedlichkeit der Menschen ist jedoch zugleich Segen und Fluch, und stellt die südafrikanische Gesellschaft vor Herausforderungen, die wir selbst im zusehends multikulturellen Europa in der Form nicht kennen. ! Obwohl ich mir als Außenstehender und mit Blick auf die schwierige Geschichte Südafrikas keinerlei Urteil erlauben möchte, so glaube ich doch, dass hinter dem von außen vermeintlich als Rassismus wahrgenommenem Verhalten der genannten Gruppen gegenüber einander oftmals kulturelle Missverständnisse stecken, die nicht nur die Politik, sondern auch die Wirtschaft und das gesamte alltägliche Zusammenleben der Südafrikaner durchziehen. In jedem Fall kann ich feststellen, im Bezug auf kulturbedingte Verhaltensweisen deutlich sensibler geworden zu sein, sowie gelernt zu haben, die in Europa leider überpräsenten, stark polarisierten und vor ethnischer Generalisierung und Schuldzuweisungen triefenden Simplifikationen der Vorgänge im Ausland zumindest mit größerer Vorsicht zu „genießen“. Im Bezug auf die Freizeitgestaltung ist die Region um Kapstadt, die WestkapProvinz, sowie der ganze Rest von Südafrika ein schier endloses Paradies, in dem jeder nach seiner Facon „seelig“ werden kann. Ich für meinen Teil verbrachte jede freie Sekunde auf dem Wasser an der Westküste, der Kap- Halbinsel, der False- Bay oder im Auto auf der Jagd nach den besten Bedingungen. Hierbei sei angemerkt, dass Kapstadt trotz aller Idylle eine Großstadt ist und als solche mit den üblichen Problemen, insbesondere im Verkehrsaufkommen, zu kämpfen hat. Während der Woche sollte man daher zu den Stoßzeiten (ca. 6:00 – 9:00 und 16:00 – 19:00) die Hauptverkehrsadern in den Stadtkessel hinein (morgens) und aus ihm heraus (nachmittags) meiden, wenn einem Zeit und Nerven lieb sind. Ansonsten kann ich jedem nur empfehlen die Gegend nach Möglichkeiten zu erkunden, und jeden Moment des Daseins an diesem einzigartigen Ort zu genießen. Was die Sicherheit dabei anbelangt, so sollte man sich stets bewusst machen, dass man sich in einem Land mit extremen(!) sozioökonomischen Unterschieden und daraus resultierenden Spannungen befindet. Die daraus resultierenden räumlichen Unterschiede im Bezug auf das Kriminalitätsrisiko sollte man stehts bedenken, bevor man bis datu unbekannte Eine einschneidendes persönliches Erlebnis im Bezug auf Kriminalität war der Einbruch in mein Auto, der sich kurz vor Sonnenuntergang ereignete, während ich auf dem Wasser war. Ich bemerkte den Einbruch erst beim Losfahren und durch Fehlen des Autoradios. Die Diebe hatten die Scheibe eingeschlagen und meine Kleidung, sowie etwas ! Geld und das (kaputte) Autoradio entwendet. Glücklicherweise hatte einer der (selbsternannten, und ansonsten nicht selten alkoholisierten und mitunter zwielichtigen) Parkwächter eine „verdächtige Gestalt“ vom Tatort verschwinden sehen, und so nahmen wir unter seiner Richtungsvorgabe die Verfolgung auf. Tatsächlich gelang es uns, den Täter aufzuspüren und festnehmen zu lassen, wobei er einen Großteil der Beute leider bereits hat „verschwinden“ lassen. Trotz des Erfolgs der Aktion sei gesagt, dass sie aus der Hitze des Moments geboren war und derartige „Eigeninitiative“ durchaus mit einem hohen Risiko (z.B. wenn der Täter bewaffnet ist) verbunden ist. Generell wird man von allen Seiten angehalten, im Falle einer Bedrohung zu kooperieren, da die Gewaltbereitschaft unter südafrikanischen Kriminellen nach landläufiger Ansicht sehr hoch ist. Ansonsten habe ich persönlich zum Glück keine nennenswerten Erfahrungen mit Gewalt oder Aggressivität mir gegenüber gemacht, jedoch wurden mit allerlei Geschichten von unterschiedlicher Seite zugetragen. Wer jedoch obiges im Hinterkopf behält und die üblichen Regeln des gesunden Menschenverstandes befolgt, sollte meiner Meinung nach nicht viel gefährlicher Leben als in Europa auch. Zum Ende meines Aufenthalts in Südafrika, und nach Abschluss der Klausurenphase, verbrachte ich noch zweieinhalb Wochen in Jeffreys Bay in der Ostkapprovinz, und wurde u.A. Zeuge des Kräftemessens der Weltelite im Wellenreiten beim „Jbay Open“. Diese Reise machte mir noch einmal klar, wie vielfältig dieses nach europäischen Massstaeben riesige Land ist, von dem ich trotz meines sechsmonatigen Aufenthalts nur einen Bruchteil bestaunen durfte. Mir wurde bewusst das trotz ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit die „Mother City“, wie die Südafrikaner Cape Town liebevoll nennen, eine doch sehr europäische Geprägte Enklave ist und sich je weiter man nach Osten reist, sowohl landschaftlich als auch klimatisch und kulturell, ein vollkommen anderes Südafrika entpuppt, welches es auch für mich noch zu entdecken gibt. !
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