„Leibniz in Brüssel“ 84. Ausgabe März 2016 VORWORT Liebe Leserinnen und Leser, wenngleich wir in dieser Ausgabe unseres monatlichen Rundbriefs wie immer über EUforschungsrelevante Themen berichten, so war dieser Monat zumindest im letzten Drittel von völlig anderen, tragischen und erschütternden Ereignissen überschattet. Dabei kam dies für uns nicht ganz überraschend. Seit den Pariser Attentaten vom letzten November sind wir auch auch in Brüssel an die verschiedenen Terror-Alarmstufen gewöhnt, an die Omnipräsenz der belgischen Armee im täglichen Leben, an erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollen an Flughäfen, Bahnhöfen und einigen Schulen und auch daran, dass man bei der Planung von Workshops und Veranstaltungen in Brüssel bis zum Schluss hofft, diese müssten nicht in letzter Minute wegen erneuter akuter Terrorwarnung abgesagt werden. Aber dann kann ich es doch nicht fassen, als ich die Nachricht von einer Explosion am Brüsseler Flughafen erhalte … bis ich auf dem Fußweg ins Büro nur noch Sirenen höre, Streifen- und Krankenwagen, einen nach dem anderen, Richtung Zaventem rasen sehe. An der zu dem Zeitpunkt noch nicht vom Terror getroffenen Métrostation Maalbeek vorbeilaufend, ertappe ich mich beim Gedanken, dass möglicherweise gleich noch woanders etwas passieren könnte (Pariser Déjà-vu!); und wenige Minuten später passiert es dann tatsächlich genau dort (fünf Gehminuten von unserem Büro entfernt). Ohne Unterlass kreisen Hubschrauber über dem Viertel, immer wieder hören wir die Sirenen der Einsatzwagen und fragen uns ständig, ob noch irgendwo anders eine Bombe explodiert, ob wir im Bürogebäude wirklich sicher sind oder doch besser nach Hause gehen sollten. In größter Sorge erkundigen wir uns nach Familienmitgliedern, Freunden, Kolleginnen und Kollegen und beantworten besorgte Anfragen. Auch aus den Leibniz-Einrichtungen erreichten uns zahlreiche besorgte Nachfragen. Für diese herzliche Anteilnahme möchten wir uns heute noch einmal bedanken; sie hat uns in diesen Momenten des Schreckens, der Beklemmung und der Verunsicherung sehr gut getan. An diesem Tag wollte eine unserer Kolleginnen ohnehin später kommen, die andere war ausnahmsweise mit dem Auto da; keine von uns war somit an diesem Morgen zur gegebenen Zeit an der Metrostation und auch nicht, wie sonst so oft um diese Zeit, am Flughafen. Wir hatten Glück! Anders als die 35 Toten und mehr als 350 Verletzten hatten wir, unsere Familien und Freunde sowie unsere Kolleginnen und Kollegen in der Rue du Trône 98 wirklich sehr viel Glück! Claudia Labisch Leiterin Brüssel-Büro NEUES am Horizont 2020 Science Europe Workshop zur Zukunft der Europäischen Forschungsförderung Am 17. März 2016 organisierte die Horizon 2020 Working Group von Science Europe einen Workshop zum Thema „The Interplay of European and National Research Funding: Reflecting on the Future of the Framework Programmes“. In seiner Einführung betonte Science Europe Präsident Michael Matlosz, wie wichtig ihm eine mit den Mitgliedsorganisationen abgestimmte Stellungnahme zur Horizon 2020-Zwischenevaluierung sowie zum zukünftigen Rahmenprogramm für Forschung und Innovation sei. Von dem Workshop erhoffe er sich deshalb erste gemeinsame Positionen und Visionen, die er gegenüber der Europäischen Kommission vertreten könne. Kurt Vandenberghe, Direktor der Abteilung A (Policy Development and Coordination) der Generaldirektion Forschung und Innovation, präsentierte den weiteren Zeitplan. Die Vorbereitung der Zwischenevaluierung (die nicht mit der Zwischenevaluierung des Mehrjährigen Finanzrahmens MFF verwechselt werden sollte) habe begonnen und im Herbst werde dazu eine öffentliche Konsultation durchgeführt. Er erläuterte, dass bis Ende 2017 ebenfalls eine Einigung zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-28 erzielt werden müsse. Dessen Bestandteil sei auch das Budget für das Rahmenprogramm für Forschung und Innovation. Eindeutige Tendenz sei, dass die EU 2020-Strategie zunehmend in den Hintergrund rücke und von den Juncker-Prioritäten sowie den von Kommissar Moedas proklamierten „drei O’s“ abgelöst würden. Ebenso spiele der Europäische Forschungsraum für die Europäische Kommission immer weniger eine Rolle. Diese habe die Grundlagen für einen Europäischen Forschungsraum geschaffen, nun liege die Verantwortung bei den Mitgliedstaaten. Vandenberghe deutete außerdem an, dass sich in der zweiten Halbzeit von Horizon 2020 sowie im zukünftigen Rahmenprogramm die Tendenz zur Anwendung neuer Finanzinstrumente - statt der Vergabe von Zuwendungen - fortsetzen werde. Die Teilnehmer des Workshops machten auf die Tragweite und Problematik einer solchen Entwicklung aufmerksam, denn keine der vertretenen Mitgliedsorganisationen von Science Europe könne ihre Forschungsaktivitäten über Kredite finanzieren. Auch in einem weiteren Punkt waren sich alle Anwesenden einig: Verbundprojekte sind der Schlüssel zur Abbildung der gesamten Wertschöpfungskette, solange sie auch die notwendigen Forschungsanteile beinhalten. Damit zeichnen sich bereits zwei Schwerpunkte der Science Europe Position zur Horizon 2020-Zwischenevaluierung und dem 9. FRP ab; weitere Punkte sollen in den kommenden Wochen diskutiert und formuliert werden. ESFRI-Roadmap 2016 Im vergangenen Monat wurde die neue ESFRI-Roadmap 2016 im Rahmen einer Konferenz in Amsterdam unter niederländischer Ratspräsidentschaft, in Kooperation mit ESFRI und der Europäischen Kommission, veröffentlicht. Die Roadmap enthält 21 ESFRI-Projekte sowie 29 ESFRI-Landmarks. Zehn Jahre nach Veröffentlichung der ersten ESFRI-Roadmap und nach zweimaliger Aktualisierung 2008 und 2010 wurde sie nun erneut aktualisiert. Der Roadmap 2016 ging eine umfassende Analyse der Forschungsinfrastrukturlandschaft in Europa sowie die Evaluierung bereits existierender ESFRI-Projekte und neuer Anträge voraus. Erstmalig ist das Evaluierungsverfahren hinsichtlich der Methodik und des Anwendungsbereichs weiterentwickelt worden. Zu den wesentlichen Bestandteilen des neuen Verfahrens gehören beispielsweise die zeitliche Befristung von Projekten auf der ESFRI-Roadmap auf maximal zehn Jahre, die Fortschrittsbemessung bei der Implementierung von Projekten früherer Roadmaps sowie die Definierung von sogenannten Landmarks, d.h. von ESFRI-Projekten, deren Implementierung abgeschlossen ist. Von den 21 ESFRI-Projekten stammen neun von der Roadmap 2008 und sechs von der Roadmap 2010. Fünf neue Projekte sind hinzugekommen sowie eines mit neuer Ausrichtung. An sechs dieser Projekte sind Leibniz Einrichtungen beteiligt: ACTRIS (TROPOS), ERINHA (BNI), EUOPENSCREEN (FMP als Koordinator), Euro-BioImaging (LIN), MIRRI (DSMZ als Koordinator) und EST (KIS). Bei den Landmark-Projekten handelt es sich um Infrastrukturen, die bereits wissenschaftliche Dienstleistungen erbringen oder deren Aufbauphase sichtbar voranschreitet. So wurden zwei der ESFRI-Anträge für die Roadmap 2016 der Landmark-Liste zugeordnet. An acht der 29 Landmark-Projekte sind Leibniz-Einrichtungen beteiligt: IAGOS (TROPOS), BBMRI ERIC (DPZ, DSMZ), INSTRUCT (FMP), E-ELT (AIP), CESSDA (GESIS), CLARIN ERIC (IDS), DARIAH ERIC (IDS) und ESS ERIC (GESIS). Diese Liste gilt als Beweis dafür, dass das Ziel der Leitinitiative Innovationsunion, 60 Prozent der ESFRI-Projekte der Roadmap 2010 bis 2015 entweder abgeschlossen oder mit deren Bauphase begonnen zu haben, erreicht wurde. Die ESFRI-Landmarks zählen deshalb zu den herausragenden Elementen der Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Forschungsraumes. http://ec.europa.eu/research/infrastructures/index_en.cfm?pg=esfri Open Access: Gold oder Grün Die niederländische Ratspräsidentschaft widmet sich verstärkt dem Thema Open Access. Dabei stellt sie insbesondere den Goldenen Weg in den Vordergrund, der in den Niederlanden das vorherrschende Modell ist und daher auch für die EU-Ebene favorisiert wird. Weitere Länder, die diese Variante unterstützen, sind bisher Ungarn, Rumänien, Schweden und Großbritannien. Die nun veröffentlichte Studie der Europäischen Kommission Access to and Preservation of Scientific Information in Europe ermittelte im vergangenen Jahr allerdings den Grünen Weg als bevorzugte Variante der Mehrzahl der europäischen Staaten. Darunter sind Belgien, Zypern, Dänemark, Estland, Griechenland, Irland, Litauen, Malta, Norwegen, Portugal, Spanien und die Slowakei. Ziel der niederländischen Ratspräsidentschaft ist es, bis Mai 2016 einen Entwurf für eine EUweite Open Access Strategie zu erarbeiten und diese zum Mai-Treffen des Wettbewerbsfähigkeits-Rates vorzulegen. Im Vorfeld hat nun das Tauziehen um die besseren Argumente für den „richtigen“ Weg begonnen. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Mit Open Access Gold wird eine Publikationsgebühr verlangt, die entweder vom Autor oder der fördernden Forschungseinrichtung zu bezahlen ist. In diesem Zusammenhang reservierte beispielsweise Großbritannien für die Jahre 2015 und 2016 einen Betrag in Höhe von ca. 25 Mio. Euro für Publikationsgebühren, eine Summe, die alternativ auch in Forschungsarbeit hätte fließen können. Mit Open Access Green hält man am bewährten Subskriptionsmodell fest und fordert Embargofristen. Die Europäische Kommission hat sich bisher auf keinen der beiden Wege festgelegt und akzeptiert beide Varianten. Für die im Rahmen von Open Access Gold anfallenden Kosten läuft derzeit ein Pilotprojekt, das aus Horizon 2020-Mitteln finanziert wird. Aufgrund der führenden Rolle der Niederlande im Thema Open Access geht man allerdings davon aus, dass der geplante Strategieentwurf bereits einen richtungsweisenden Charakter enthalten wird, der die Weichen für den weiteren Diskussionsprozess entsprechend stellen könnte. http://ec.europa.eu/research/openscience/pdf/openaccess/npr_report.pdf#view=fit&pagemod e=none (Un)Bekannte im EU-Jargon Der Rat „Wettbewerbsfähigkeit“ Der Wettbewerbsfähigkeits-Rat ist eine der zehn unterschiedlichen Formationen, in denen der Rat der Europäischen Union tagt. Diese Ratsformation beschäftigt sich mit der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Wachstums in der EU und ist für die Politikbereiche Binnenmarkt, Industrie, Forschung und Innovation sowie Raumfahrt zuständig. Nach Tagungen im Januar und Februar steht das nächste von mindestens vier Treffen der Fachminister pro Jahr am 26. und 27. Mai 2016 in Brüssel an. Der jeweilige Ratsvorsitz, den derzeit turnusgemäß die Niederlande innehaben, übernimmt die Planung, Vorbereitung und Leitung der Tagungen. http://www.consilium.europa.eu/de/council-eu/configurations/compet/ Tipps: International Science Conference in Köln Am 3. und 4. Mai 2016 findet in Köln die Internationale Science Conference statt. Neben Vorträgen zu den Themen Open Access und Open Data wird die European Open Science Cloud im Mittelpunkt stehen. Anmeldungen zur Veranstaltung sind möglich http://www.science20-conference.eu/ 1st European Citizen Science Association Conference in Berlin Vom 19. bis 21. Mai 2016 findet in Berlin die erste Konferenz der European Citizen Science Association (ECSA) statt. Unter dem Motto Citizen Science – Innovation in Open Science, Society and Policy bieten zahlreiche Sessions über drei Tage die Gelegenheit für Diskussionen und Austausch. Eine Anmeldung ist bereits möglich. http://www.ecsa2016.eu/ GESTERN, HEUTE, MORGEN 17. Februar 24. Februar 31. Mai 29. Juni Widening Participation and Strengthening Global Cooperation through Collaborative Research in Brüssel Veranstalter: Leibniz-Europa-Büro Kontakt: Claudia Labisch A Digital Revolution in Higher Education in Brüssel Veranstalter: IWM und Leibniz-Europa-Büro Kontakt: Elisabeth Hasse AK Europa in Brüssel Veranstalter: Leibniz-Europa-Büro Kontakt: Elisabeth Hasse 10 Jahre Europa-Büro der Leibniz-Gemeinschaft Veranstalter: Leibniz-Europa-Büro Kontakt: Elisabeth Hasse und Regina Völk Beate Feuerstein, Elisabeth Hasse, Claudia Labisch, Anna B. Martinez, Regina Völk e-mail: [email protected]; Rue du Trône 98, B-1050 Brüssel, Tel.: +32 2 274 20-60
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