Konsequenzen der Sozialversicherungen für den Arbeitsmarkt

Von der Theorie zur Empirie: Konsequenzen der
Sozialversicherungen für den Arbeitsmarkt
Dr. Lukas Inderbitzin
27.04.2015
27.04.2015
1 / 25
Agenda: Vorlesungsreihe
Einführung in das Thema: ein Blick in die Schweiz
Einführung in die makroökonomische Theorie: makroökonomische
Konsequenzen der Arbeitsmarktpolitik
Von der Theorie zu Empirie: Konsequenzen der
Sozialversicherungen für den Arbeitsmarkt
Einführung in die empirische Evaluation: Evaluation von
Arbeitsmarktpolitiken
Von der Theorie zur Praxis: Arbeitsmarktpolitik und deren Umsetzung
- Ein Blick in die Schweiz
27.04.2015
2 / 25
Agenda: Diese Vorlesung
Beschäftigung der 50+ in der Schweiz
Bestandesaufnahme: Sozialversicherungen Schweiz
Theorie: Optimale Versicherung, Zielkonikte
Empirie: Ansätze und Herausforderungen
Beispiel aus meiner Forschung: Interaktion von Sozialversicherungen
und Arbeitsmarkt
Schlussfolgerungen
Diese Präsentation basiert auf meiner Dissertation an der Universität St. Gallen.
Weitergehende Ausführungen sind meine persönliche Meinung.
27.04.2015
3 / 25
Motivation: Starke Anreizeekte durch Sozialversicherungen
Beschäftigung 50+ von Männer (links) und Frauen (rechts):
Quelle: OECD (2014).
27.04.2015
4 / 25
Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
Aufgabe:
Sicherstellung von hinreichend nanziellen Mitteln im Ruhestand
Ansparen von nanziellen Mittel während des Erwerbslebens
Versicherung gegen Langlebigkeit
Arbeitsmarkteekte:
Ordentliches Rentenalter für Frauen (64) und Männer (65)
Setzt starke nanzielle Anreize
Psychologischer Referenzpunkt
Beruiche Vorsorge folgt typischerweise AHV bezüglich Rentenalter
Spätere Pensionierung tendenziell bestraft
27.04.2015
5 / 25
Invalidenversicherung (IV)
Aufgabe:
Gewährleisten von Ersatzeinkommen bei Erwerbsunfähigkeit
Beurteilung des IV-Grades nach Einkommenseinbussen
Wiedereingliederung vor Rente
Arbeitsmarkteekte:
Tiefe Wiedereingliederungsraten
Oftmals schwierig messbare Eintrittskriterien (siehe nächste Folie).
27.04.2015
6 / 25
Invalidenversicherung(IV)
27.04.2015
7 / 25
Arbeitslosenversicherung (ALV)
Aufgabe:
Gewährleisten von Ersatzeinkommen bei Arbeitslosigkeit
Kündigung durch Arbeitgeber
Pech bei Arbeitssuche
Arbeitsmarkteekte:
Direkter Eekt eher tief in der Schweiz
Für ältere ArbeiterInnen oftmals Eintrittsschwelle für Frühverrentung
27.04.2015
8 / 25
Theorie: Sozialversicherung I
Nutzen der Versicherung am Beispiel der ALV:
Risiko arbeitslos zu werden (zu bleiben) verteilen
Einfaches Beispiel: In welchem Land würden Sie lieber leben?
Land A (ohne ALV)
Land B (mit ALV)
Arbeitsmarktstatus
Arbeit
Keine Arbeit
Arbeit
Keine Arbeit
Wahrscheinlichkeit
95%
5%
95%
5%
Konsum
100
0
95
95
Nutzen der ALV:
In beiden Länder ist der erwartete Konsum 95 Einheiten
In Land B ist man jedoch abgesichert
27.04.2015
9 / 25
Theorie: Sozialversicherung II
Land B ist jedoch nicht nanzierbar:
Keinen Anreiz Arbeit zu suchen
→
Moral Hazard (Annahme: lieber
Freizeit als Arbeit)
Keine Steuereinnahmen um ALV Ausgaben zu bezahlen
27.04.2015
10 / 25
Theorie: Sozialversicherung III
Gesamtwirtschaftlicher
«Nettonutzen»
Nutzen aus Konsumglättung
dominiert
Keine ALV
Optimales ALV Level
Kosten aus Moral Hazard dominieren
Vollversicherung durch ALV
Dieses Prinzip ndet sich praktisch in allen Versicherungen (z.B.
Franchise bei Krankenkassen).
27.04.2015
11 / 25
Theorie: Sozialversicherung IV
Gesamtwirtschaftlicher
«Nettonutzen»
Nutzen aus Konsumglättung
dominiert
Optimales ALV Level
Kosten aus Moral Hazard dominieren
Keine ALV
Vollversicherung durch ALV
Sozialversicherungspolitik wird zum Optimierungsproblem (in der
Praxis oft inkrementelle Vorgehensweise).
27.04.2015
12 / 25
Theorie: Sozialversicherung V
Viele Dinge beeinussen diese Kurve. Tendenziell gilt:
Höhere Risikoaversion
→
mehr Sozialversicherung
Vorhandensein von privaten Versicherung
→
weniger
Sozialversicherung
Alternative Sozialversicherungen→ unklar (mehr später)
Funktionierendes Finanzsystem, Liquidität
→
weniger
Sozialversicherung
Und vieles mehr ...
27.04.2015
13 / 25
Von den Daten zur optimalen Sozialpolitik
Evidenzbasierte Politik als Ideal der wissenschaftlich fundierten Politik
Inkrementelle (Reform) versus globale Methoden (Simulation).
Im Rahmen der Sozialversicherungen gibt es hier zwei zentrale Punkte:
Gewünschter Versicherungseekt:
Empirie: Welche gewünschte Umverteilung ndet eektiv statt (z.B. in
CHF)?
Theorie: Was ist diese Konsumglättung zu bewerten?
Unerwünschte Ezienzverluste (Moral hazard)
Empirie: Wie gross sind die unerwünschten Eekte (z.B. in CHF)?
Theorie: Wie sind diese Ezienzverluste zu bewerten?
27.04.2015
14 / 25
Empirie: Ansätze und Herausforderungen
Frage:
Welcher Eekt hat die Erhöhung von Arbeitslosengelder auf das
Verhalten der Arbeitssuchenden?
Quantizierung von kausalen Eekten herausfordernd:
Datenverfügbarkeit
Umfragedaten meist zu wenig umfangreich und nicht hinreichend
vertrauenswürdig
Daten von Sozialversicherungen zwar akkurat, aber oft sehr wenig
Informationen vorhanden
Identikationsprobleme
Experiment (wie in der Medizin) wäre optimal, oftmals nicht
durchführbar.
Suche nach geeigneter Vergleichsgruppe: Reformen betreen meistens
alle im Arbeitsmarkt
27.04.2015
15 / 25
Beispiel aus der Forschung: Das REBP in Österreich
Kurze Zusammenfassung:
Forschungsarbeit mit Stefan Staubli (U Calgary) und Josef Zweimüller
(UZH)
Österreich hat Ende der 80er Jahren die Arbeitslosengelder für
Arbeiter 50+ massiv erweitert
Interessantes Beispiel für Arbeitsmarkteekte von älteren Arbeiter.
27.04.2015
16 / 25
Regionale Verteilung
Control regions (CRs)
Treated regions 1 (TR1s)
Treated regions 2 (TR2s)
Quelle: Inderbitzin, Staubli und Zweimüller (2014).
Massive Ausweitung der Arbeitslosengelder von 1 Jahr zu 4 Jahren in
den blauen Regionen für ältere Arbeitslose (50+)
Vergleich von den Regionen erlaubt isolieren von kausalen
Zusammenhängen (da die Regionen vergleichbar sind)
27.04.2015
17 / 25
Empirische Fragenstellungen
Hat die Arbeitslosigkeit aufgrund des REBPs zugenommen?
Haben die Arbeitslosen ihr Verhalten in Bezug auf das
Rentenverhalten angepasst?
Eekt auf die Ausgaben der Sozialversicherungen?
27.04.2015
18 / 25
Zunahme von Arbeitslosigkeit?
Quelle: Inderbitzin, Staubli und Zweimüller (2014).
27.04.2015
19 / 25
Eekt auf Frühverrentung
Eekte der verlängerten ALV Bezugsdauer auf die Frühverrentung:
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
CRs
TRs
.8
0
.2
Fraction
.4
.6
.8
Fraction
.4
.6
.2
0
0
.2
Fraction
.4
.6
.8
1
After REBP
1
During REBP
1
Before REBP
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
CRs
TRs
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
CRs
TRs
Quelle: Inderbitzin, Staubli und Zweimüller (2014).
Massive Zunahme von Frühverrentung
→
hier unerwünschte Eekte
27.04.2015
20 / 25
Eekt auf IV-Renten
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
CRs
TRs
.8
0
.2
Fraction
.4
.6
.8
Fraction
.4
.6
.2
0
0
.2
Fraction
.4
.6
.8
1
After REBP
1
During REBP
1
Before REBP
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
CRs
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
TRs
CRs
TRs
Quelle: Inderbitzin, Staubli und Zweimüller (2014).
Substitutions- und Komplementaritätseekte
27.04.2015
21 / 25
Eekt auf Altersrenten
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
CRs
TRs
.8
0
.2
Fraction
.4
.6
.8
Fraction
.4
.6
.2
0
0
.2
Fraction
.4
.6
.8
1
After REBP
1
During REBP
1
Before REBP
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
CRs
45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59
Age at UI entry
TRs
CRs
TRs
Quelle: Inderbitzin, Staubli und Zweimüller (2014).
Substitutions- und Komplementaritätseekte
27.04.2015
22 / 25
Ausgaben für das REBP
27.04.2015
23 / 25
Beispiel aus der Forschung: Von den Daten zur optimalen
ALV
Grosse Eekte bei der Frühverrentung durch ALV Reform, jedoch
geringere Eekte auf Ausgabenseite (Komplementarität und
Substitution gegenläuge Wirkung).
Interaktion zwischen Sozialversicherung vorhanden.
Wohlfahrtsanalyse zeigt dass diese Reform zu grosszügig war
(Inkrementeller Ansatz).
27.04.2015
24 / 25
Schlussfolgerungen
ALV zwar tendenziell klein, aber wichtige Funktion als
Eintrittsschwelle zur Frührente.
Sozialversicherungen haben für 50+ einen sehr starken Einuss auf
Arbeitsmarkt.
Optimale Arbeitslosenversicherung schwierig zu bestimmen, da
Zusammenspiel von vielen Faktoren.
ForscherInnen benötigen besseren Zugang zu den
Sozialversicherungsdaten.
Ausgewogener Mix von angebots- und nachfrageseitigen Massnahmen
zentral.
27.04.2015
25 / 25