Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht

Gemeinsame Vortrags und Diskussionsveranstaltung
des Instituts für Unternehmenssteuerrecht (IUSt) und
des Instituts für Insolvenz und Sanierungsrecht (ISR)
Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht
Heinrich Heine Universität Düsseldorf, 8. Juni 2015
WP StB Dr. Jens Hageböke
Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht
A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der GewSt
B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
C. OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015
D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. § 184 Abs. 2 AO?
E. Fazit
Hageböke | Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht | Düsseldorf, den 8.6.2015
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Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht
A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der GewSt
B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
C. OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015
D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. § 184 Abs. 2 AO?
E. Fazit
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A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der GewSt
Steuern, die allein den Gemeinden zufließen, werden grds. durch die Länder verwaltet (Art. 108
Abs. 2 Satz 1 GG). Allerdings können die Länder die Verwaltung der GewSt durch Landesgesetz
ganz oder teilweise auf die Gemeinden übertragen (Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG).
•
Hiervon haben die meisten Länder hinsichtlich der GewSt Gebrauch gemacht; allerdings haben sie lediglich die
Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer auf die Gemeinden übertragen und die Festsetzung des GewSt
Messbetrages in der eigenen Zuständigkeit belassen („gesplittete Zuständigkeit“).
FinVerw und die Gemeinden vertreten derzeit die Auffassung, dass für die Durchführung von
Billigkeitsmaßnahmen im Bereich der GewSt ausschließlich die Gemeinden zuständig seien.
So aktuell auch OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015.
Der Sanierungserlass (BMF vom 27.3.2003, BStBl. I 2004, 240) enthält in Rz. 15 folgende Aussagen:
„1Für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer ist die jeweilige Gemeinde zuständig. 2Spricht die Gemeinde
Billigkeitsmaßnahmen aus, ist die Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG)
entsprechend zu mindern.“
Diese Aussagen sind zutreffend, betreffen aber kompetenzrechtlich „bloße Selbstverständlichkeiten“
(Seer, FR 2010, 306, 310).
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A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der GewSt
Die Festsetzung und Erhebung der GewSt obliegt i.d.R. der Gemeinde (Übertragung des
Festsetzungs und Erhebungsverfahrens durch Landesgesetz auf die Gemeinden nach Art. 108
Abs. 4 Satz 2 GG).
Stundung (§222 AO) und Erlass (§227 AO) betreffen das Erhebungsverfahren. Deshalb steht den
Gemeinden auch das Recht zu, nach §163 AO über eine abweichende Festsetzung der GewSt
und – erst recht – nach §222, §227 AO über die Stundung oder den Erlass der zuvor von ihr
festgesetzten GewSt zu entscheiden.
Darum geht es aber hier nicht !
Es lässt sich nicht begründen, dass das BMF in Rz. 15 damit zugleich (inzident) ausgesagt hätte, nur
die Gemeinden seien zu Billigkeitsentscheidungen mit gewerbesteuerlicher Wirkung befugt.
Rz. 15 enthält keine Aussage zu §184 Abs. 2 AO, der das vorgelagerte GewSt Messbetrags
verfahren der Finanzämter betrifft.
Zu klären ist, ob der Sanierungserlass im GewSt Messbetragsverfahren, das den Finanzämtern
obliegt, anzuwenden ist.
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A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der GewSt
FG Düsseldorf, Urteil vom 16.3.2011, 7 K 3831/10 AO, EFG 2011, 1685 (nachgehend aus anderen
Gründen aufgehoben durch BFH Urteil vom 25.4.2012 , I R 24/11, DStR 2012, 1544):
„I Der Beklagte ist nach dem Sanierungserlass zur abweichenden Steuerfestsetzung des
Gewerbe1steuermessbetrages nach §163 AO zuständig, insbesondere wird seine originäre
Zuständigkeit nicht auf die hebeberechtigten Gemeinden verlagert. Allerdings ist nach Rd.15 des
Sanierungserlasses für Stundung und Erlass der Gewerbesteuer die jeweilige Gemeinde zuständig.
Zu Unrecht folgert der Beklagte hieraus, dass die Gemeinde auch für eine abweichende Festsetzung
des Gewerbesteuermessbetrages zuständig sei. Zum einen betrifft die Regelung ausschließlich die
Stundung und den Erlass nach §§ 222, 227 AO, nicht aber auch die abweichende Steuerfest
setzung gem. §§ 163, 184 AO (I). Zum anderen bezieht sie sich auch nur auf die Gewerbesteuer,
nicht aber auf den Gewerbesteuermessbetrag. I Nur dieses Verständnis des Sanierungserlasses ist
auch sachgerecht und verwaltungsökonomisch (I). Bei der Entscheidung, ob und in welcher Höhe
ein Sanierungsgewinn vorliegt, handelt es sich um eine materiell rechtliche Prüfung, für die ein
beachtliches steuer und insolvenzrechtliches Fachwissen erforderlich ist . Mit einer solchen
Entscheidung sind die Kommunen in der Regel überfordert, da sie regelmäßig nicht über die
erforderliche Personalausstattung mit dem notwendigen fachlichen Beurteilungsvermögen verfügen.
Hinzu kommt die Gefahr widersprechender Entscheidungen, wenn sich die Betriebsstätten eines
Unternehmens über mehrere Gemeinden erstrecken. I“
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A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der GewSt
Nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO a.F. waren nur „Richtlinien“ maßgeblich, die in allgemeinen
Verwaltungsvorschriften „der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde“ aufgestellt
worden sind.
BFH Urteil vom 25.4.2012, I R 24/11, DStR 2012, 1544, Leitsatz:
„Der sog. Sanierungserlass (BMF Schreiben vom 27. März 2003, BStBl I 2003, 240) ist weder eine allgemeine
Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landes
finanzbehörde i.S. des § 184 Abs. 2 AO. Aus dem Sanierungserlass kann sich damit bei der Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrags grundsätzlich keine Zuständigkeit des FA zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen
Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 AO ergeben; zuständig dafür sind die Gemeinden.“
Da nach Ansicht des BFH das Urteil der Vorinstanz FG Düsseldorf aus den vorstehenden Gründen
aufzuheben war, ließ der BFH es in Rz. 16 offen, ob er der Auffassung der Vorinstanz folgt:
„b) Dementsprechend erübrigen sich die weiteren Überlegungen der Vorinstanz, inwieweit der Erlassgeber in
Randnummer 15 des Sanierungserlasses ausschließlich die Stundung und den Erlass nach §§ 222, 227 AO, nicht
aber auch die abweichende Steuerfestsetzung gemäß §§ 163, 184 AO (vgl. Seer, Finanz Rundschau 2010, 306,
310) regeln wollte und dies auch nur bezogen auf die Gewerbesteuer, nicht aber auf den Gewerbesteuermessbetrag.
Gleiches gilt für die Ausführungen zur Verwaltungsökonomie (s. auch VG Halle, a.a.O., juris, Rz 46).“
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A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der GewSt
Die Auffassung des BFH, das BMF Schreiben keine „Richtlinien“ der Bundesregierung oder der
obersten Landesfinanzbehörde sind, ist isoliert betrachtet zwar zutreffend, das Urteil „springt aber zu
kurz“ .
Vgl. z.B. Hageböke/Stangl, Ubg 2012, 598; Stangl/Hageböke, Ubg 2013, 299; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO,
§4 AO, Rz. 80 (Aug. 2014).
Der BFH hat nicht erkannt, dass BMF Schreiben, die sich ausschließlich an die obersten Finanz
behörden der Länder als Adressaten richten, gegenüber den Finanzämtern nicht aus sich heraus
unmittelbare Bindungswirkung entfalten (anders als „Richtlinien“ gem. Art. 108 Abs. 7 GG), sondern
auf Länderebene stets der Umsetzung („Transformation“) in eine eigene „allgemeine Verwal1
tungsvorschrift“ der obersten Landesfinanzbehörde durch sog. „Umsetzungserlass“ bedürfen.
Die Erlasskompetenz der obersten Landesfinanzbehörde folgt der Verwaltungskompetenz.
Dieser Umsetzungserlass – der trotz seiner Inhaltsgleichheit streng vom BMF Schreiben zu trennen
ist – ist ein eigener Erlass der obersten Landesfinanzbehörde, der „allgemeine Weisungen“ enthält,
mag dies auch technisch – wie es exemplarisch in dem in juris veröffentlichten Umsetzungserlass des
FM NRW vom 13.6.1997 zum Ausdruck kommt – durch eine antizipative Weisung der obersten
Landesfinanzbehörde erfolgen:
„I Die Weisung ergibt sich vielmehr unmittelbar aus dem im BStBl Teil I veröffentlichten BMF Schreiben,
welches vorbehaltlich einer anderslautenden Weisung gleichzeitig Erlaß des Finanzministeriums des Landes
NRW ist. I“
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Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht
A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der GewSt
B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
C. OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015
D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. § 184 Abs. 2 AO?
E. Fazit
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B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
Reaktion des Gesetzgebers im ZollKodexAnpG (BGBl. I 2014, 2417): „Nichtanwendungsgesetz“:
§184 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO lauten:
„Die Befugnis, Realsteuermessbeträge festzusetzen, schließt auch die Befugnis zu Maßnahmen nach §163 Satz 1
ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten
Bundesfinanzbehörde oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Eine Maßnahme
nach §163 Satz 2 wirkt, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Ein
kommen beeinflusst, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.“
Die Neuregelung läuft jedoch leer (vgl. Hageböke, FR 2015, erscheint Ende Juni):
•
Die Kompetenz zur Verwaltung einer Steuer ist in Art. 108 GG abschließend geregelt. Die Befugnis zum
Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften ist eine Annexkompetenz zur Verwaltungskompetenz
(BVerfG). Da für die Verwaltung der GewSt die Länder zuständig sind, soweit die Länder die Verwaltung nicht an
die Gemeinden übertragen haben (Art. 108 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 GG), und die GewSt auch nicht im
Auftrag des Bundes verwaltet wird (Art. 108 Abs. 1 GG), sind ausschließlich die Länder bzw. die Gemeinden
zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften zur GewSt zuständig.
•
Soweit in BMF Schreiben Anweisungen zur Anwendung von gewerbesteuerlichen Vorschriften enthalten sind,
verstößt dies gegen die Kompetenzordnung des Art. 108 GG, das BMF hat verfassungsrechtlich keine
Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsanweisungen „nur“ oder „auch“ zur GewSt.
•
Allerdings werden BMF Schreiben regelmäßig durch Umsetzungserlass der obersten Landesfinanzbehörde in
einen eigenen Verwaltungserlass der Länder umgesetzt (s.o.). Daher ist die Neuregelung überflüssig, aber
verfassungsrechtlich (wegen der Umsetzung auf Länderebene) im Ergebnis unproblematisch.
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B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
Einordnung von § 184 Abs. 2 AO in das Kompetenzgefüge
§184 Abs. 2 Satz 1 AO (eingefügt durch die AO 1977) betrifft ausweislich seiner Überschrift das
Steuermessbetragsverfahren und enthält eine klare gesetzliche Botschaft:
Fälle der Gruppenunbilligkeit sollen im Steuermessbetragsverfahren gelöst werden, sofern
hierfür „Richtlinien“ durch die genannten Stellen erlassen worden sind.
Sinn und Zweck des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO ist es, in Fällen der Gruppenunbilligkeit durch die
Verlagerung der Zuständigkeit auf die Landesfinanzbehörden im Interesse der Gleichmäßigkeit der
Besteuerung eine weitgehende gleichmäßige Ermessensausübung zu gewährleisten.
Systematisch gehören Maßnahmen aus sachlichen Billigkeitsgründen zum Steuermessbetrags
verfahren, da in diesem Verfahren der steuerliche Tatbestand gewürdigt und über die Höhe des
Steueranspruchs entschieden wird („Prinzip der Sachnähe“).
Definiert eine der in § 184 Abs. 2 Satz 1 AO genannten Stellen in einer allgemeinen Verwaltungs
anweisung einen Fall der Gruppenunbilligkeit, kommt automatisch § 184 Abs. 2 Satz 1 AO für
das Steuermessbetragsverfahren zur Anwendung.
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B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
Einordnung von § 184 Abs. 2 AO in das Kompetenzgefüge
Es besteht kein Wahlrecht der FinVerw, ob es § 163 Satz 1 AO im GewSt Messbetragsverfahren
anwenden will oder nicht (kein kompetenzrechtliches „opt1out“), wenn eine „Richtlinie“ zur
Gruppenunbilligkeit im Interesse des einheitlichen, gleichmäßigen Steuervollzugs (synonym:
„Ermessensrichtlinie“, „Billigkeitsrichtlinie“) vorliegt.
§ 184 Abs. 2 Satz 1 AO macht die Zuständigkeit der Finanzämter damit von keiner Zuständigkeits
bestimmung durch die obersten Finanzbehörden abhängig. Aus Rz. 15 des Sanierungserlasses folgt
richtigerweise nichts Gegenteiliges (s.o.).
Zutreffend Seer, FR 2010, 306, 311:
„Ob der Sanierungserlass diese Zuständigkeit besonders betont, sie verschweigt oder gar
verneint, ist unerheblich.“
Die Finanzbehörde ist dann von Gesetzes wegen für die Durchführung der Billigkeitsmaßnahme im
GewSt Messbetragsverfahren zuständig (Art. 20 Abs. 3 GG, § 85 AO).
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Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht
A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewerbesteuer
B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
C. OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015
D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. § 184 Abs. 2 AO?
E. Fazit
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C. OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015
Mit Vfg. vom 6.2.2015 , DB 2015, 345, hat die OFD NRW zur „Zuständigkeit der Gemeinden für
Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewerbesteuer“ nach der Änderung von §184 Abs. 2 Satz 1 AO durch
das ZollKodexAnpG Stellung genommen.
Der Sanierungserlass ermögliche u.a. die Gewährung von Billigkeitsmaßnahmen gem. §163 Satz 2
AO dergestalt, dass in Sanierungsfällen einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern mindern,
zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.
Die vorrangige Verlustverrechnung nach Rz. 8 Satz 2 des Sanierungserlasses sei ausschließ1
lich Maßnahme nach § 163 Satz 2 AO (und nicht nach §163 Satz 1 AO).
Nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO wirke eine Maßnahme nach §163 Satz 2 AO nur insoweit auch für
den Gewerbeertrag, wie sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer
vom Einkommen beeinflusst. Dies sei bei der Verlustverrechnung nach §10a GewStG nicht der Fall.
Anm.: Dass § 184 Abs. 2 Satz 2 AO bei der vorrangigen Verlustverrechnung – isoliert betrachtet – nicht
einschlägig ist, ist (da sie keine Auswirkung auf die gewerblichen Einkünfte hat) zutreffend, aber hierum geht es
bei der vorrangigen Verlustverrechnung nicht.
Der Sanierungserlass normiere nach Auffassung der OFD NRW keine Billigkeitsmaßnahmen
nach § 163 Satz 1 AO, so dass die Änderung des §184 Abs. 2 Satz 1 AO durch das
ZollKodexAnpG zu keiner Änderung der Zuständigkeit der Gemeinden für Billigkeitsmaßnahmen zur
GewSt bei Sanierungsgewinnen geführt habe.
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C. OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015
§ 184 Abs. 2 AO i.d.F. ZollKodexAnpG [Festsetzung von Steuermessbeträgen] :
Satz 1: „Die Befugnis, Realsteuermessbeträge festzusetzen, schließt auch die Befugnis zu
Maßnahmen nach §163 Satz 1 ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen
Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, der obersten Bundesfinanzbehörde oder einer
obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind.“
Satz 2: „Eine Maßnahme nach §163 Satz 2 wirkt, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als
Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst, auch für den
Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags.“
§163 Satz 1 und 2 AO [Abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen] :
Satz 1: „Steuern können niedriger festgesetzt werden, und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die
die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben,
wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.“
Satz 2: „Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen
werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der
Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon
zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.“
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Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht
A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewerbesteuer
B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
C. OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015
D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
E. Fazit
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Die Kernfrage lautet also: Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.v. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO,
die – zwingend – auf das GewSt Messbetragsverfahren nach §163 Satz 1 AO „durchschlagen“?
OFD NRW: Nein.
OFD NRW: Der Sanierungserlass enthalte keine „Richtlinien“ i.S.v. §184 Abs. 2 Satz 1 AO, sondern
nur Billigkeitsmaßnahmen i.S.v. § 163 Satz 2 AO, die sich aber wg. § 184 Abs. 2 Satz 2 AO nicht
auf den GewSt Messbetrag auswirken.
Ist dies zutreffend? Antwort: Nein, die Auffassung der OFD NRW ist u.E. rechtswidrig.
[s. ausf. Hageböke/Hasbach, Gewerbesteuerliche Kompetenzfragen beim Sanierungserlass
– Kritische Anmerkungen zur Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 der OFD NRW vom 6.2.2015,
erscheint voraussichtlich in DStR 31/2015]
Hageböke | Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht | Düsseldorf, den 8.6.2015
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Was sind „Richtlinien“ i.S.d. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO ?
§ 163 Satz 1 AO 1977 (abweichende Festsetzung) und § 227 AO 1977 (Erlass im Erhebungsver
fahren) gehen auf § 131 Abs. 1 Sätze 1 und 2 RAO zurück.
Dies erklärt auch, warum eine abweichende Steuerfestsetzung nach §163 AO wie der Erlass nach
§ 227 AO in § 47 AO 1977 unter dem Begriff „Erlass“ im Klammerzusatz „(163, 227)“
zusammengefasst worden sind. Die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist
historisch eine Variante des „Erlasses“.
§131 Abs. 2 RAO lautete:
„Für bestimmte Gruppen von gleichgelagerten Fällen können für die entsprechende
Anwendung des Absatzes 1 Richtlinien erlassen werden.“
Der Gesetzgeber ging schon in der RAO davon aus, dass der Erlass einer Steuerschuld nicht nur für
den einzelnen Fall, sondern meistens für eine Gruppe gleichgelagerter Fälle in einer allgemeinen
Anordnung („Richtlinien“) ausgesprochen wird (Identifizierung von Gruppenunbilligkeit).
Die Regelung knüpfte an „Richtlinien“ an, in denen Merkmale der Gruppenunbilligkeit aufgestellt
wurden; nicht erforderlich war aber, dass die Richtlinien eine konkrete Maßnahme i.S.d. § 131 Abs. 1
Satz 1 oder Satz 2 RAO vorsahen.
Hageböke | Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht | Düsseldorf, den 8.6.2015
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Was sind „Richtlinien“ i.S.d. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO ?
Der in § 184 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 verwendete Begriff der „Richtlinie“ geht auf § 131 Abs. 2 RAO
zurück.
Die AO 1977 sollte zunächst eine mit § 131 Abs. 2 RAO vergleichbare Ermächtigung zum Erlass von
Billigkeitsrichtlinien bei Gruppenunbilligkeit enthalten (vgl. EAO 1974, BT Drs. VI/1982).
Der Gesetzgeber zur AO 1977 sah aber später eine Kompetenzermächtigung nicht mehr für
erforderlich an, da sich die Kompetenz zum Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften (auch zur
Gruppenunbilligkeit) (= Erlasskompetenz) aus der allgemeinen Verwaltungskompetenz ergibt
– Annexkompetenz (s.o.).
Auch der Begriff der „Richtlinie“ in § 184 Abs. 2 Satz 1 AO bezieht sich auf durch die Verwaltung
aufgestellte Merkmale, anhand derer Fälle der Gruppenunbilligkeit näher konkretisiert werden.
Dies ist beim Sanierungserlass zweifellos der Fall (s. sogleich).
Nicht erforderlich ist, dass die „Richtlinien“ konkrete Maßnahmen vorsehen, wie die
Gruppenunbilligkeit zu beheben ist.
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Die „Nichtbesteuerung“ eines Sanierungsgewinns geht auf eine lange Rechtshistorie zurück.
Lange vor Einführung des § 3 Nr. 66 EStG 1977 im Jahre 1976 wurden bereits Sanierungsgewinne
im Ergebnis nach vorrangiger Verrechnung mit vorhandenen Verlusten steuerfrei gestellt.
Einkommensteuer: Die Herausnahme aus der Steuerbemessungsgrundlage basierte zunächst auf
zwei Entscheidungen des RFH vom 30.6.1927 und vom 12.12.1928, die den Sanierungsgewinn im
Wege einer teleologischen Einschränkung des Gewinnbegriffs von vornherein als nicht steuerbar
behandelten. Als Kehrseite war damit insoweit aber auch ein Ausschluss des Verlustvortrags (VV)
bzw. eine vorrangige Verlustverrechnung lfd. Verluste verbunden.
Körperschaftsteuer: Sanierungsgewinn war zwar nach Ansicht des RFH steuerpflichtig; er wurde
aber primär mit bestehenden Verlustvorträgen verrechnet; ein übersteigender Betrag war nach
Auffassung des RFH aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.
Gesetzgeber: § 11 Nr. 4 KStG 1934: Sanierungsgewinne sind steuerfrei. Gesetzgeber strebte
Gleichbehandlung von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer an. Der RFH und der BFH folgten
dem. Verluste/VV waren unverändert vorrangig zu verrechnen.
Rechtsprechungsänderung durch den GrS des BFH vom 15.7.1968 (BStBl. II 1968, 666): Zwischen
Sanierungsgewinnen und vorhandenen Verlusten/Verlustvorträgen bestehe kein wirtschaftlicher
Zusammenhang, so dass § 11 Nr. 4 KStG 1934 auch dann Anwendung finde, wenn Verluste/VV
vorhanden seien, d.h. keine Verrechnung mit Verlusten/VV mehr.
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Reaktion des Gesetzgebers auf die Entscheidung des GrS des BFH vom 15.7.1968: Vereinheitlichung
durch den Gesetzgeber mit § 3 Nr. 66 EStG 1977.
§ 3 Nr. 66 EStG 1977 wurde zum 31.12.1997 durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortsetzung der
Unternehmensteuerreform vom 29.10.1997 abgeschafft.
Nach Wegfall der zeitlichen Begrenzung des VV wurde in der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen
und dem Bestehenbleiben von VV eine nicht sachgemäße Doppelbegünstigung gesehen, was zur
Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG 1977 führte. Aber Gesetzesbegründung (BT Drs. 13/7480, 192):
„Einzelnen persönlichen oder sachlichen Härtefällen kann im Stundungs oder Erlasswege
begegnet werden.“
Die Streichung dieser Norm beutet allerdings nicht, dass sog. „Sanierungsgewinne“ (nach vorheriger
Verlustverrechnung) nun ohne weiteres steuerpflichtig geworden sind, sondern es wurde nur der
„vorkonstitutionelle Rechtszustand“ vor der Einfügung des § 3 Nr. 66 EStG 1977 bzw. vor der
Entscheidung des Großen Senats vom 15.7.1968 wieder hergestellt.
Daher ist der Sanierungserlass richtigerweise nicht rechtswidrig (aber z.T. str.).
Etwaige Gewinne aus dem Verzicht auf Forderungen durch Gläubiger zum Zweck der Sanierung sind
mit Hilfe von Billigkeitsmaßnahmen im Ergebnis steuerfrei zu stellen, soweit diese vorhandene
Verluste bzw. VV übersteigen.
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Die Finanzverwaltung hat die Unbilligkeit der Besteuerung eines Sanierungsgewinns erkannt und im
sog. „Sanierungserlass“ (BMF vom 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240) hierzu Stellung genommen.
Der Sanierungserlass lässt sich in drei Regelungsbereiche unterteilen:
(1)
Tz. I. und II.: Begriffsbestimmungen und Anwendungsbereich (Rz. 1 bis Rz. 7),
(2)
Tz. III.: Rechtsfolgen (Rz. 8 bis Rz. 12) und
(3)
Tz. IV. bis VI.: Ergänzende Regelungen (Rz. 13 bis Rz. 15).
Der Erlassgeber hat zu Beginn des Sanierungserlasses zunächst definiert, welche Sanierungs1
maßnahmen (Tz. I. „Sanierung“, Rz. 1), in welchem Umfang (Tz. II. „Sanierungsgewinn“, Rz. 3) und
bei welchen Unternehmen (Rz. 4) nach dem Sanierungserlass begünstigt werden sollen, und damit
zugleich den sachlichen Anwendungsbereich festgelegt.
Es werden dementsprechend Gruppen von Steuerpflichtigen identifiziert (die zu sanierenden
Unternehmen, bei denen es durch Forderungsverzicht der Gläubiger zum Zwecke der Sanierung zu
einem Buchgewinn kommt – unternehmensbezogene Sanierung).
In Rz. 7 stellt der Erlassgeber sodann zutreffend fest, dass die Besteuerung eines Sanierungsgewinns
(nach Streichung von § 3 Nr. 66 EStG) in Zielkonflikt mit der InsO steht.
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Sodann folgt in Rz. 8 Satz 1 die Kernaussage, aus der sich zweifelsfrei und in Einklang mit der
Rechtsprechung des BFH und des RFH zur Freistellung eines Sanierungsgewinns nach
vorrangiger Verlustverrechnung (vor Einfügung des § 3 Nr. 66 EStG 1977) das Vorliegen einer
Gruppenunbilligkeit für die eingangs in Rz. 1 ff. identifizierten Stpfl., deren Unternehmen durch einen
Forderungsverzicht saniert werden sollen, ergibt:
„Die Erhebung der Steuer auf einen nach Ausschöpfen der ertragsteuerrechtlichen
Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn I bedeutet für den
Steuerpflichtigen aus sachlichen Billigkeitsgründen eine erhebliche Härte.“
Die FinVerw hat damit eine bei einer Gruppe von Stpfl. auftretende Fallgestaltung erkannt, in denen
die Erhebung der Steuer im Einzelfall unbillig ist (dies ist die Steuer auf einen nach Verlust
verrechnung verbleibenden Sanierungsgewinn) und hierzu im Sanierungserlass unter Rz. 1 bis 5
Kriterien aufgestellt, wie diese Fälle zu identifizieren sind (s.o.).
Dies ist für die Anwendung von § 184 Abs. 2 Satz 1 AO in Anlehnung an § 131 Abs. 2 RAO
ausreichend; nicht erforderlich ist, dass der Sanierungserlass ausdrücklich § 184 Abs. 2 Satz 1 AO
oder § 163 Satz 1 AO für anwendbar erklärt.
Die Kompetenz und Rechtspflicht zur Beachtung dieser „Richtlinie“ durch die Finanzbehörde
folgt unmittelbar aus § 184 Abs. 2 Satz 1 AO.
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Weitere Regelungen des Sanierungserlasses stehen Anwendung im Gewerbesteuer1
messbetragsverfahren nicht entgegen
Sanierungserlass ist nicht auf Maßnahmen nach §163 Satz 2 AO beschränkt (so aber OFD NRW
vom 6.2.2015, DB 2015, 345).
Sanierungserlass spricht allgemein von „§163 AO“; eine Beschränkung auf §163 Satz 2 AO lässt
sich dem Sanierungserlass schon sprachlich nicht entnehmen.
Der Sanierungsgewinn ist eine einzelne „Besteuerungsgrundlage“ i.S.v. § 163 Satz 1 Hs. 1, 2. Alt.
AO 1977, die nach vorheriger Verlustverrechnung außer Ansatz bleibt (so schon RFH, BFH).
Bei der Nichtbesteuerung des Sanierungsgewinns nach Verlustverrechnung geht es in der Sache
nicht um das temporäre Verschieben einer Besteuerungsgrundlage, sondern um die endgültige
Nichtbesteuerung einer Besteuerungsgrundlage.
Dies ist jedoch ein typischer Anwendungsfall von §163 Satz 1 AO, nicht von Satz 2.
Die vorrangige Verlustverrechnung mit dem Sanierungsgewinn ist keine Maßnahme i.S.d. §163
Satz 2 AO. Die vorhandenen Verluste sind lediglich Bestandteil der Berechnung des endgültig
nicht zu besteuernden Sanierungsgewinns nach Satz 1.
Dies wird auch dadurch belegt, da auch bei Stpfl. ohne VV (z.B., weil es vorher zu einem
Verlustuntergang nach § 8c KStG gekommen ist) der Sanierungsgewinn außer Ansatz zu lassen ist.
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D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 AO?
Weitere Regelungen des Sanierungserlasses stehen Anwendung im Gewerbesteuer1
messbetragsverfahren nicht entgegen
Regelungen in Rz. 8, Sätze 2 ff., beschreiben lediglich den Grundfall, wie eine Besteuerung des
Sanierungsgewinns vermieden werden kann. Dies funktioniert bei der ESt und der KSt, nicht aber bei
der GewSt.
Da die Finanzämter bei der GewSt mangels Kompetenz keine Billigkeitsentscheidungen im
Erhebungsverfahren treffen können, bleibt es bei dem Gesetzesbefehl des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO,
die erkannte Gruppenunbilligkeit durch abweichende Festsetzung des GewSt1Messbetrages
umzusetzen und die Nichtbesteuerung des Sanierungsgewinns auf diesem Wege zu gewährleisten.
Sie sind im Bereich der GewSt an den im Sanierungserlass in Rz. 8 Sätze 2 ff. beschriebenen
„Grundfall“ nicht gebunden, sondern müssen den Sanierungserlass nach vorheriger
Verlustverrechnung beim GewSt Messbetrag außer Ansatz lassen.
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Zuständigkeitsfragen im Sanierungssteuerrecht
A. Problem: Zuständigkeit für Billigkeitsmaßnahmen bei der Gewerbesteuer
B. Gesetzliche Kompetenzzuordnung in§184 Abs. 2 AO
C. OFD NRW, Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 vom 6.2.2015
D. Enthält der Sanierungserlass „Richtlinien“ i.S.d. § 184 Abs. 2 AO?
E. Fazit
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E. Fazit
Ein verfassungsrechtlicher Konflikt mit den Gemeinden besteht nicht
§ 184 Abs. 2 Satz 1 AO bringt die Entscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass
Billigkeitsmaßnahmen im Hinblick auf eine durch die Verwaltung erkannte Gruppenunbilligkeit im
Steuermessbetragsverfahren durchzuführen sind.
Dies führt zu keinem Eingriff in die Kompetenz der Gemeinden.
Nach Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG erfolgt die Verwaltung der Gemeindesteuern grds. durch die
Landesfinanzbehörden und nur soweit die Länder die Verwaltung übertragen haben, sind die
Gemeinden zur Verwaltung befugt (Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG).
Die Kompetenz der Gemeinden reicht nur soweit, wie sie ihnen von den Landesgesetzgebers jeweils
übertragen wurde.
Die Zuständigkeit für das GewSt Messbetragsverfahren haben die Länder jedoch bei den Landes
finanzbehörden belassen. Die Kompetenzen sind damit klar zwischen Landesfinanzbehörden und
Gemeinden aufgeteilt.
Billigkeitsmaßnahmen im GewSt Messbetragsverfahren in den Fällen der Gruppenunbilligkeit sind
daher von Vornherein nicht geeignet, den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden zu verletzen.
Die Anwendung des Sanierungserlasses bei der Ermittlung des GewSt1Messbetrags ist für die
Gemeinden bindend.
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E. Fazit
Die Kurzinformation GewSt Nr. 02/2015 der OFD NRW vom 6.2.2015 ist rechtswidrig.
§ 184 Abs. 2 Satz 1 AO knüpft an das Merkmal „Richtlinien“ an, in denen Fälle der Gruppenunbillig
keit definiert werden. Nicht erforderlich ist, dass in der allgemeinen Verwaltungsanweisung § 163
Satz 1 AO ausdrücklich für anwendbar erklärt wird.
Der Sanierungserlass vom 27.3.2003 enthält „Richtlinien“ i.S.d. §184 Abs. 2 Satz 1 AO. Daher ist der
GewSt Messbetrag im Hinblick auf einen nach Ausschöpfung von Verlustverrechnungsmöglichkeiten
verbleibenden Sanierungsgewinn von Amts wegen nach § 163 Satz 1 AO abweichend niedriger
festzusetzen (kein Wahlrecht des FA).
Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die FinVerw dies umgehend im Sanierungserlass durch
Ergänzung von Rz. 15 klarstellen, um die bestehenden Sanierungshindernisse in der Praxis durch die
uneinheitliche Rechtsanwendungspraxis der Gemeinden zu beseitigen.
Beratungsempfehlung für die Fälle, in denen die Gemeinden bisher die entsprechende Anwendung
des Sanierungserlasses ganz oder teilweise abgelehnt haben: Soweit noch kein Antrag auf abwei
chende Festsetzung des GewSt Messbetrages durch ein FA ablehnend beschieden wurde, kann
dieser grds. noch gestellt („nachgeholt“) werden. Wird der GewSt Messbetrag abweichend niedriger
festgestellt, ist dieser für die Gemeinden bindend. Ein Klagerecht der Gemeinde besteht nicht.
Hinweis: Insofern besteht derselbe Rechtszustand wie nach dem Urteil des FG Düsseldorf vom 16.3.2011 (aber
offen gelassen durch BFH Urteil vom 25.4.2012 , I R 24/11, Rz. 16, s.o. Chart 6 und 7).
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