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Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
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04.01.2016
Von: Rolf Winkel
Rechtsratgeber
Glatteis auf dem Arbeitsweg
Mit dem neuen Jahr ist auch der Winter in Deutschland eingekehrt. Arbeitnehmer sollten für die kalte
Jahreszeit besonders gewappnet sein, denn wer zu spät kommt, kann das schlechte Wetter nicht immer als
Ausrede benutzen. Wir geben Antwort, worauf Beschäftigte achten müssen.
Foto: detailblick - Fotolia.com
Wenn jemand aus Witterungsgründen zu spät zur Arbeit kommt, muss dann für die Verspätungszeit
Lohn gezahlt werden?
Nein. Der Lohn ist eine Gegenleistung für Arbeit. Ohne Arbeit gibt es keinen
Lohn. Ausnahmen gelten unter anderem für Urlaub und Arbeitsunfähigkeit. Paragraf 616 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) regelt zwar, dass ein Arbeitnehmer, der "durch einen in seiner Person liegenden Grund
ohne sein Verschulden" der Arbeit fernbleibt, für eine kurze Zeit weiter Anspruch auf Arbeitsentgelt hat.
Doch wenn er wegen Schneefall oder Glatteis zu spät zur Arbeit kommt, liegt ein objektiver Grund für die
Verspätung vor – und kein "in seiner Person" liegender. Das gilt genauso bei Hochwasser, Demonstrationen,
allgemeinen Verkehrssperren, Fahrverboten oder auch bei Streiks in Verkehrsbetrieben. All dies gehört zum
allgemeinen Wegerisiko des Arbeitnehmers.
Was können die betroffenen Arbeitnehmer dagegen tun?
Sie müssen versuchen, die Arbeitsstelle trotzdem pünktlich zu erreichen. Gegebenenfalls sollten sie den
Wecker eine halbe Stunde vorstellen und auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Das hat das
Bundesarbeitsgericht (BAG) schon am 8. Dezember 1982 klargestellt. Damals ging es um einen
Bergbauarbeiter, der wegen Glatteis seine Schachtanlage nicht erreichen konnte. Das sei "höhere Gewalt",
befand das BAG. Das bedeutet: Der Arbeitgeber ist in diesem Fall aus dem Schneider, sprich: nicht zur
Zahlung on Lohn verpflichtet.
Kann der Arbeitgeber witterungsbedingte Verspätungen auch sanktionieren?
Bei einem kurzfristigen Wintereinbruch oder wenn es wegen eines Unfalls zum Verkehrschaos kommt, mit
Sicherheit nicht. Aber grundsätzlich müssen sich Arbeitnehmer auf die Witterungssituation einstellen und
entsprechend Vorsorge treffen. Mit anderen Worten: Am dritten oder vierten Tag zieht die Entschuldigung
"Wegen Glatteis und Schnee konnte ich nicht rechtzeitig kommen" nicht mehr. Wer dann noch immer zu spät
zur Arbeit kommt, riskiert möglicherweise eine Abmahnung.
Wenn es mit der Pünktlichkeit witterungsbedingt nicht klappt, kann der Arbeitgeber im Prinzip auch den
Lohn kürzen oder die verpasste Arbeitszeit muss nachgearbeitet werden – wenn das im Betrieb möglich und
für den Arbeitnehmer zumutbar ist. Das gilt natürlich nicht, wenn er zu Hause eingeschneit ist und wirklich
nicht (rechtzeitig) zur Arbeitsstelle gelangen kann.
Was gilt, wenn die Schule oder der Kindergarten winterbedingt geschlossen wird?
Wenn die Kinderbetreuung dann nicht anders zu regeln ist, darf in solchen Fällen ein Elternteil der Arbeit
fernbleiben, was natürlich der Firma unverzüglich mitgeteilt werden muss. Der Arbeitgeber ist dann nach
Ansicht zahlreicher Juristen verpflichtet, den Lohn fortzuzahlen. Hier greift – anders als wenn der
Arbeitnehmer selbst witterungsbedingt nicht oder zu spät zur Arbeit kommt – der oben erwähnte § 616 BGB.
Denn der Grund für die Arbeitsverhinderung liegt „in der Person des Arbeitnehmers“. Schließlich braucht
sein eigenes Kind Betreuung. Dies ist – so sieht es beispielsweise Rechtsanwalt Jörg Brodbeck aus
Seligenstadt – „bei der streikbedingten Schließung einer Kita der Fall, aber auch bei persönlichen
Unglücksfällen, unaufschiebbaren Arztbesuchen, Wahrnehmung von öffentlichen Ehrenämtern, im
Katastrophenschutz oder bei Geburt, Heirat, Tod und bei einer Schließung der Kita aus Witterungsgründen“.
Anzumerken ist dabei, dass Arbeitgeber dies zum Teil anders sehen dürften. Soweit es in bestimmten
Regionen zu witterungsbedingten (oder auch streikbedingten) Schließungen von Kindergärten oder
Kindertagesstätten und im Zusammenhang damit zu Fehlzeiten von Arbeitnehmern kommt, ist es für
Arbeitnehmer immer von Vorteil, wenn es hierzu entsprechende betriebliche Vereinbarungen gibt, die durch
den Betriebsrat ausgehandelt wurden.
Welche Regelungen gelten bei witterungsbedingten Unfällen auf dem Weg zur Arbeit?
Nichts anderes als sonst auch. Falls der Unfall auf dem direkten Weg zur Arbeit stattgefunden hat, gilt er als
Arbeitsunfall und ist ein Fall für die Berufsgenossenschaft. Diese kommt für die Behandlungskosten auf und
zahlt gegebenenfalls auch eine Verletztenrente. Bei Schnee und Glatteis sind unter Umständen auch Umwege
mitversichert, die erforderlich werden, weil der übliche Arbeitsweg schlecht passierbar oder zu gefährlich
(etwa zu steil) ist.
Was passiert, wenn die Arbeit überhaupt nicht stattfinden kann, weil es zu größeren Störungen des
Betriebsablaufs kommt?
Das ist Problem des Arbeitgebers. Nach der Betriebsrisiko-Lehre und Rechtsprechung gehören Störungen des
Betriebsablaufs, die es Arbeitnehmern unmöglich machen, die Arbeitsleistung zu erbringen, zum Risiko, das
der Unternehmer zu tragen hat. In diesen Fällen muss der Lohn auch ohne Arbeitsleistung weitergezahlt
werden. Das gilt übrigens auch, wenn in einem Betrieb im Winter die Heizung ausfällt und die Arbeit
kältebedingt unzumutbar wird. Auch hier hat das BAG entschieden, dass es sich um einen typischen Fall des
Betriebsrisikos des Arbeitgebers handelt.
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