Interview der Angestellten Schweiz mit Urs Hofmann, Regierungsrat des Kantons Aargau Freitag, 15. Jan 2016 Im Zusammenhang mit der Ankündigung der General Electric 1305 Stellen im Kanton Aargau abzubauen, haben die Angestellten Schweiz den Kontakt mit Regierungsrat Urs Hofmann gesucht. Der Austausch ist nachstehend festgehalten. Der Regierungsrat wird übrigens – wie heute bekannt gegeben – eine Taskforce u.a. unter Einbezug der Sozialpartner (mit Beteiligung der Angestellten Schweiz) und der Personalvertretung ins Leben rufen. Es besteht die feste Entschlossenheit, sich für den Technologiestandort Aargau einzusetzen. Was löste die Bekanntgabe der Kündigungsabsicht der General Electric bei Ihnen aus? Betroffenheit, Bedauern, aber auch Wut. Vor allem wenn man an die persönlichen Folgen für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern denkt. Auf der andern Seite ist immerhin positiv zu werten, dass keine Standorte geschlossen werden und es zumindest nicht zu einem völligen Kahlschlag kommt, der bei gewissen Szenarien rund um den Alstom-Verkauf befürchtet werden musste. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass der Abbau von 1300 Stellen ein harter Schlag, ein schmerzlicher Einschnitt ist. Wir sind seit Jahren intensiv mit der ALSTOM und ihren Herausforderungen befasst. Hatten Sie Kenntnis von den besonderen Schwierigkeiten der ALSTOM? Alstom ist für uns schon seit einigen Jahren ein Thema. Das Unternehmen gehört zu den grössten Arbeitgebern im Kanton. Deshalb verfolgten wir aufmerksam, was alles rund um Alstom passierte. Wir sahen, dass sich das Marktumfeld für die Energiebranche markant zum Schlechteren verändert hat. Wir haben aber auch festgestellt, dass das lange Hin und Her bei den Verkaufsverhandlungen die Geschäftstätigkeit von Alstom noch zusätzlich belastete. Waren Sie in den Prozess der Betriebsübertragung an GE involviert? Nein, einen direkten Einbezug gab es nicht. Der Aargauer Regierungsrat hat jedoch in Gesprächen mit der Leitung von Alstom und GE alles daran gesetzt, Einfluss zu nehmen. Wir haben in diesem Zusammenhang stets die Standortvorteile unseres Kantons aufgezeigt. Dieser Teil unserer Botschaft ist auch angekommen. Es sind nicht die Standortqualität oder die Rahmenbedingungen, die für den von GE angekündigten Stellenabbau ausschlaggebend waren. Konnten Sie die Standortvorteile der Schweiz GE gegenüber zum Ausdruck bringen? Wir haben unmittelbar nach dem Entscheid für den Verkauf von Alstom an GE mit dem neuen Eigentürmer Kontakt aufgenommen und die zahlreichen Standortvorteile der Schweiz und vor allem des Kantons Aargau aufgezeigt. Konkret haben wir auf die Chancen und Möglichkeiten aufmerksam gemacht, die der Energie- und Forschungs-Cluster in der Region Baden bietet. Mit dem Paul Scherrer Institut PSI ist hier ja die grösste und wichtigste Forschungseinrichtung der Schweiz angesiedelt. Denken Sie, dass es möglich gewesen wäre die GE von der Massenentlassung abzubringen? Ich bin überzeugt, dass wir durch unser Engagement massgeblich dazu beigetragen haben, das GE die Schweiz auch in Zukunft als wichtigen Standort in der Energiesparte betrachtet und auch zwei globale Headquarters in Baden ansiedelt. Von einem Stellenabbau in der nun angekündigten Dimension konnten wir aufgrund unserer Informationen nicht ausgehen. Der Regierungsrat wird alles daran setzen, zusammen mit den Vertretungen der Arbeitnehmer und dem Unternehmen nach Wegen und Mitteln zu suchen, wie der Stellenabbau möglichst gering gehalten werden kann. Bevor die Details der Überlegungen von GE bekannt sind, können jedoch keine konkreten Vorschläge unterbreitet werden. Was denken Sie, braucht es jetzt um die Situation zu entschärfen? Bereits am Mittwoch hat eine vom Regierungsrat eingesetzte Task Force ihre Arbeit aufgenommen. Eines ihrer wichtigsten Ziele ist es, die Zahl des Stellenabbaus sowie der Entlassungen möglichst gering zu halten. Für eine nähere Beurteilung sind wir wie gesagt auf nähere Angaben zu den Plänen von GE angewiesen. Erste Kontakte mit den Vertretungen der Arbeitnehmer haben bereits stattgefunden. Wir hoffen, dass das Unternehmen mit den neuen Besitzverhältnissen eine neue Dynamik entwickeln kann. Die Task Force wird gegenüber GE aufzuzeigen, dass der kurzfristige Abbau von spezialisierten Arbeitsplätzen mittel- und längerfristig Entwicklungschancen gefährdet. In diesem Zusammenhang steht unter anderem das Thema Kurzarbeit zur Diskussion. Was soll die Politik jetzt unternehmen? In erster Priorität geht es nun darum, dafür zu kämpfen, dass GE möglichst wenig Stellen abbaut. Gleichzeitig werden wir uns dafür einsetzen, dass Entlassungen möglichst sozialverträglich umgesetzt werden. Mittel- und Längerfristig muss sich die Politik zusammen mit der Wirtschaft mit den wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen und den daraus resultierenden Konsequenzen auseinandersetzen. Dazu gehört sicher auch das heuer am WEF in Davos schwerpunktmässig diskutierte Thema Industrie 4.0. Wichtig ist hier der Einbezug der Sozialpartner. Auch die Politik muss alles daran setzen, eine Desindustrialisierung in unserem Land zu verhindern. Denken Sie, dass die Arbeitnehmerrechte in der Schweiz stark genug ausgebaut sind? Ich würde es begrüssen, wenn sich der Bundesrat zusammen mit den Sozialpartnern intensivere Überlegungen macht, wie man die Industrie in der Schweiz stärken kann. Dazu gehört auch die Analyse, auf welche Weise die Arbeitnehmerrechte bei Umstrukturierungen besser ausgestaltet werden können, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz gegenüber ihren ausländischen Kolleginnen und Kollegen nicht benachteiligt werden. Was halten Sie von Fonds wie in der Waadt für Industrieinvestitionen? Der Kanton Aargau verfolgt einen andern Ansatz. Der Regierungsrat setzt sich schon seit längerer Zeit mit den neuen wirtschafts- und industriepolitischen Herausforderungen für den Kanton Aargau auseinander. Vor vier Jahren lancierte er das Innovationsförderungsprogramm Hightech Aargau, um den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen KMU, Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie international ausgerichteten Grossunternehmen zu fördern. Dazu gehört auch der aargauische Forschungsfonds, aus welchem Forschungsprojekte von Unternehmen mit den Hochschulen finanziell unterstützt werden können. Der Regierungsrat wird diese Plattform nun weiter entwickeln. In diesen Kontext gehört auch der Park innovAARE beim Paul Scherrer Institut PSI, der Teil des Schweizerischen Innovationsparks ist. Was halten Sie von einem Tripartiten Gremium auf nationaler Ebene zur Stärkung des gefährdeten Industriestandortes? Ich begrüsse diesen Ansatz ausdrücklich. Wichtig ist, dass nun ein Dialog und ein Prozess in Gang kommt, der sich mit den aktuellen und künftigen Herausforderungen für den Industriestandort Schweiz auseinandersetzt. Dabei darf es nicht einfach um Strukturerhaltung gehen, sondern darum, wie sich Grossunternehmen, KMU's, Bildungs- und Forschungsinstitutionen aufstellen beziehungsweise wandeln müssen, um die grossen Herausforderungen, welche zum Beispiel die Digitalisierung der Arbeitswelt mit sich bringt, als Chance nutzen zu können. Und die Politik muss sich Überlegungen machen, wie sie diesen Prozess mit ihren Mitteln und Möglichkeiten begünstigen, fördern und unterstützen kann. Das Interview führte Christof Burkard mit dem Regierungsrat des Kantons Aargau Urs Hofmann am 15. Januar 2016
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