Saubere Bauteile - VDA-QMC

MESSEN UND PRÜFEN
Optische Techniken
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MIKROSKOPBASIERTES MESSSYSTEM FÜR AUTOMATISIERTE PARTIKELANALYSE
Saubere Bauteile
Kontaminationsempfindliche Produkte
und Bauteile für das Transportwesen, die
Mikroelektronik und das Gesundheitswe­
sen unterliegen äußerst strengen Sauber­
keitsanforderungen. In der Automobil­
branche hat es sich bewährt, den in
VDA 19 [1, 2] und ISO 16232 festgelegten
Richtlinien für die quantitative Bestim­
mung der Partikelverschmutzung auf
Baugruppen und Bauteilen zu folgen.
Es gibt verschiedene Methoden zur
Sauberkeitsvalidierung, die den Sauber­
keitsgrad über einen quantitativen Ansatz
mit Partikelanalyse bestimmen. Die Über­
prüfung erfolgt
WW direkt durch eine Untersuchung der
Bauteiloberflächen ohne Partikelex­
traktion oder
WW indirekt durch die Extraktion der Par­
tikel von den Bauteiloberflächen.
Bei der indirekten Methode werden die
Partikel mithilfe unterschiedlicher Ex­
traktionsverfahren wie z. B. Beschallung,
Druckspülen oder Schütteln von den
Bauteil­oberflächen entfernt und auf einen
Membranfilter transferiert. Dazu wird
beispielsweise die Extraktionsflüssigkeit
filtriert.
Für die anschließende Partikelanalyse
kommen verschiedene Verfahren infrage.
Je nach Größe und Materialeigenschaften
der Partikel werden Lichtmikroskopie,
Raster-Elektronenmikroskopie
(SEM)
oder energiedispersive Röntgenspektros­
kopie (EDS) eingesetzt. Es gibt mehrere
grundlegende Kontaminationsarten [3, 4]:
WW partikuläre Verschmutzungen: unbe­
lebt und anorganisch, z. B. Rückstände
eines Herstellungsprozesses wie Ab­
rieb- bzw. Schleifpartikel oder Staub
aus der Arbeitsumgebung, oder biolo­
gisch und organisch, z. B. Bakterien,
Schimmel, Sporen, Hautschuppen oder
Zellfragmente;
WW molekulare Verunreinigungen: organi­
sche und anorganische Filme wie z. B.
Rückstände von Zusatzstoffen, die im
Laufe des Herstellungsprozesses beige­
geben
werden
(Tieftemperatur­
schmierstoffe, Konservierungsmittel),
oder Fingerabdrücke.
Für die abbildende Partikelanalyse ist die
Lichtmikroskopie sicherlich das am wei­
testen verbreitete Verfahren. Im Hinblick
auf Anforderungen der Sauberkeitskont­
rolle ist sie im Vergleich zu anderen Me­
thoden mit den geringsten Investitionen
verbunden. Auch in puncto Analysege­
schwindigkeit schneidet sie mit am besten
ab. Die Verfahren SEM und EDS werden
P1
P2
P3
P4
P5
P6
P7
P8
P9
P 10
Partikel 10
69
Partikel 9
100
1148
417
84
0
1151
462
73
Partikel 1
1172
427
86
Partikel 2
1172
417
86
Partikel 3
1178
420
93
Partikel 4
1180
428
91
Partikel 5
1183
407
83
Partikel 6
1187
405
97
Partikel 7
1188
397
83
Partikel 8
1194
404
200
300
400
500
600
700
800
900
1000 1100 1200
Höhe (µm)
Breite (µm)
Länge (µm)
Bild 1. Analyse standardisierter Partikel. Die Partikelhöhe wird aus dem Unterschied
zwischen den beiden Höhenwerten (Z-Werte) ermittelt.
© Carl Hanser Verlag, München
QZ Jahrgang 60 (2015) 6
© Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden.
© QZ – Qualität und Zuverlässigkeit
Die technische Sauberkeit von Bauteil­
oberflächen lässt sich auf verschiedene
Weise ermitteln. Bei der indirekten Me­
thode werden die Partikel extrahiert
und mit mikroskopbasierten Messsys­
temen analysiert. Damit können der
Reinheitsgrad und die Wirksamkeit der
Partikelreinigung überprüft werden.
Optische Techniken
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Literatur
50 < x < 100µm
26
Partikelgröße (x) Umfang
100 < x < 150µm
© QZ – Qualität und Zuverlässigkeit
130
21
3
150 < x < 200µm
2
200 < x < 400µm
6
7
0
400 < x < 600µm
5
0
600 < x < 1000µm 1
0
1000µm < x
0
2
0
10
20
Nicht gereinigt
30
40
50
60
70
80
90
100
110
120
130
140
150
Gereinigt
Anzahl der Partikel
Bild 2. Partikelanalyse vor und nach der Reinigung. Für die Sauberkeitsüberprüfung wurde
ein indirektes Verfahren angewendet. Die Reinigungsmethode reduziert deutlich die Partikel
im Bereich von 50 bis 600 µm auf der Bauteiloberfläche.
eher für anspruchsvolle Forschungsaufga­
ben wie Ursachenforschung eingesetzt,
für die detailliertere Informationen wie
z. B. die elementare Zusammensetzung
der Partikel benötigt werden.
Für die Partikelerkennung stellt die
optische Auflösung des Mikroskops den
begrenzenden Faktor dar. Kann ein Parti­
kel rein optisch nicht aufgelöst werden,
weil seine Dimensionen die Auflösungs­
grenze unterschreiten, ist auch keine Dif­
ferenzierung der einzelnen Partikelmerk­
male möglich.
Die Auflösung R eines Objektivs hängt
von der Wellenlänge λ des zur Beleuch­
tung der Probe dienenden Lichts sowie
von der numerischen Apertur des Objek­
tivs (NA = n sin α) ab:
R=
0.6 λ
NA
Dabei stellt n die Brechzahl des Mediums
des Immersionsobjektivs dar und α den
halben Öffnungswinkel des Lichtkegels,
der in das Objektiv eintritt bzw. dieses ver­
lässt [5, 6].
Zur genauen Erkennung der Partikel
ist ein ausreichender Kontrast der Parti­
kelhelligkeit gegen den Membranfilterhin­
tergrund ausschlaggebend. Nach Einstel­
lung eines Schwellenwerts anhand eines
gut definierten Grauwerts kann eine Ana­
lyse der im Bild erfassten Partikel mittels
Binarisierung erfolgen.
Jahrgang 60 (2015) 6
Ein Extrembeispiel bilden weiße Partikel
auf weißem Hintergrund. Hier ist es äu­
ßerst schwierig, einen Grauwert zu finden,
der eine Unterscheidung der Partikel zu­
lässt. Daher ist in diesem Fall eine auto­
matisierte Analyse beinahe unmöglich.
Für viele Bauteile in der Automobilin­
dustrie gelten hohe Anforderungen in Be­
zug auf die Partikelverschmutzung. Je
nach Bauteil könnten bestimmte Partikel
kritisch sein und Schäden verursachen. In
vielen Fällen werden sogar zusätzliche
Prüfungen durchgeführt, um die schädli­
che Wirkung unterschiedlich großer Par­
tikel systematisch zu untersuchen.
Für diese Prüfungen werden Partikel
mit einer möglichst gut definierten Mor­
phologie benötigt. Die Partikel wurden
mit dem System Leica Cleanliness Expert,
bestehend aus dem Lichtmikroskop
DM2700M und der Software Cleanliness
Expert, analysiert. Die kleinste zuverlässig
detektierbare und analysierbare Partikel­
größe beträgt 5 μm.
Zur Charakterisierung solcher Parti­
kel wurden Länge und Breite durch auto­
matisierte Softwareanalyse ermittelt, die
Partikelhöhe wurde durch eine zusätzli­
che manuelle Analyse gemessen. Zur Hö­
henmessung (Z-Wert) wurde ein Lichtmi­
kroskop mit einem Objektiv mit geringer
Schärfentiefe eingesetzt.
Durch Fokussierung auf einen Punkt
im Filterhintergrund und dann auf den
höchsten Punkt des Partikels konnte die
1 Rochowitz, M.: Unsichtbare Qualitätsgröße. In: QZ Qualität und Zuverlässigkeit 60 (2015) 3, Carl Hanser Verlag,
München
2 Rochowicz, M.: Große Schritte für die
Technische Sauberkeit. Journal für
Oberflächentechnik (JOT), Vol. 53, iss.
16 (June 2013), S. 10–11
3 Kreck, G.; Holzapfel, Y.: Reinheitsvalidierung von kontaminationskritischen
Produkten. reinraum online, 20 Dec.
2012, reinraum printline, Jan. 2013,
S. 4–9
4 Gail, L.; Gommel, U.; Hortig, H.-P.:
Reinraumtechnik, 3rd Edition, Springer,
Berlin, Heidelberg, 2012
5 Cremer, C.: Lichtmikroskopie unterhalb
des Abbe-Limits. Lokalisationsmikroskopie, Physik In Unserer Zeit, Band 42,
Heft 1, Januar 2011, S. 21–29, DOI:
10.1002/piuz.201101251
6 Borlinghaus, R.T.: Super-Resolution
– On a Heuristic Point of View About
the Resolution of a Light Microscope.
Leica Science Lab;
www.leica-microsystems.com/sciencelab/super-resolution-on-a-heuristicpoint-of-view-about-the-resolution-of-alight-microscope (Letzter Zugriff:
29.4.2015)
QZ-Archiv
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www.qz-online.de/1019651
Partikelhöhe aus dem Unterschied zwi­
schen den beiden Z-Werten ermittelt wer­
den (Bild 1).
Die Wirksamkeit der Reinigungsme­
thode wurde durch einen Vergleich der
Sauberkeitsanalysenergebnisse für ein
nicht gereinigtes und ein gereinigtes Bau­
teil überprüft (Bild 2). Beide wurden dem
indirekten Validierungsprozess unterzo­
gen.  q
James A. DeRose, Leica Microsystems;
Yvonne Holzapfel, Guido Kreck und
Markus Rochowicz, Fraunhofer-Institut
für Produktionstechnik und
Automatisierung (IPA)
OO Leica Microsystems GmbH
Anja Schué
T 06441 29-2201
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