Magnetische Partikel im Lab-on-a-Chip

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Werkstoffe | Mikro-/Nanotechnik
Technische Rundschau Nr. 8/2010
Magnetische Partikel
im Lab-on-a-Chip
Professor Martin Gijs vom Labor für Mikrosysteme 2 an der EPFL erkundet neue Technologien der Mikrofabrikation für industrielle Anwendungen. In einem CCMX-Projekt
wird ein Verfahren zur Handhabung magnetischer Partikel in mikrofluidischen Systemen
entwickelt. Sein Lab-on-a-Chip detektiert Tumor-Biomarker gegen Brustkrebs,
könnte aber auch in der Überwachung von Lebensmittelqualität, Umweltparametern
und in der Medizin Dienste leisten.
ELSBETH HEINZELMANN
Mikrospulen-SPAD-Array mit der überlagerten mikrofluidischen PDMS-Kartusche, (a) seitliche Ansicht des Set-up und (b) Querschnitt mit Angabe der Abmessungen. (Bild: LMIS2-EPFL)
Der Glas- oder Polymer-Chip ist von
einem Netzwerk winziger, geätzter
Kanäle durchzogen, welche durch
Druck oder elektrokinetische Kräfte
Flüssigkeiten im Pico- oder Nanoliterbereich auf die Reise schicken.
Im daumennagelgrossen Minilabor
wird gemischt und verdünnt, chromatografisch aufgetrennt, gefärbt
und detektiert, und dies rasch, bei
geringem Probenverschleiss, hoch
reproduzierbar und einfach in der
Handhabung.
Magnetische Kräfte
im Visier
Der verdrahtete und gebondete CMOS-Chip über dem ganzen Tochterplatine-Hauptplatine-Komplex. Verbindungen zu einem PC und zu
einem externen Netzteil sind markiert. (Bild: LMIS2-EPFL)
Im Fokus stehen neue Mikrofabrikationstechnologien, Mikrofluidik,
BioMEMS (Bio-Micro-Electro-Mechanical Systems) und magnetische
Anwendungen. Bei letzteren handelt
es sich um mikrofluidische Systeme für die Handhabung und den
Transport von magnetischen Mikro- und Nanopartikeln. In einem
Projekt, unterstützt vom CCMX
(Competence Centre for Materials
Science and Technology), nahmen
die EPFL-Forscher verschiedene Aspekte des Lab-on-a-Chip-Konzepts
unter die Lupe. In der Bioanalytik
wächst das Interesse an Microbeads
(Mikrokügelchen) als Trägermaterial für Immunoassays, um Analyten
zu erkennen oder in flüssiger Phase
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Technische Rundschau Nr. 8/2010
Mikro-/Nanotechnik | Werkstoffe
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Links mikrofluidische PDMS-Kartusche über dem CMOS-Chip auf der
PCB-Platine. Rechts Mikrofotografie des Spulen-Arrays, unten Schema
der internen Struktur des CMOS-Chips (Spulen und SPADs) mit dem
mikrofluidischen Kanal oben. (Bild: LMIS2-EPFL)
durch Bindung eines Antigens an
einen Antikörper nachzuweisen.
Grund dafür ist, dass magnetische
Partikel leicht wechselwirken mit
biologischen Fluids, wenn sie von
magnetischen Kräften angetrieben
werden, welche unabhängig von
normalen biologischen Prozessen
sind.
In Labs-on-a-Chip dienen magnetische Partikel oft dazu, Biomoleküle oder Zellen einzufangen
und sie an eine bestimmte Stelle
zu transportieren, beispielsweise
für die Erkennung oder die weitere
Verarbeitung. Der Antrieb geschieht
oft dadurch, dass ein Draht oder
eine Mikrospule die magnetischen
Partikel anzieht, wo sie als Labels
mit magnetoresistiven Effekten
detektierbar sind. Andere Methoden bestehen darin, fluoreszierend
markierte Partikel optisch festzustellen oder durch das Mikroskop
zu beobachten. Vorteil der optischen
Detektion ist die Abwesenheit einer
Wechselwirkung zwischen Antrieb
und Detektion, was eine erhöhte
Empfindlichkeit des Systems erlaubt.
Raffiniertes Design
für Technologiesprung
In einem CCMX-Projekt ging es
darum, auf demselben Chip ein
Immunoassay-Protokoll und eine
hoch empfindliche Detektion
CCMX – Competence
Centre for Materials
Science and Technology
Das Kompetenzzentrum für Materialwissenschaften und -technologie verknüpft die Bedürfnisse der
Industrie mit akademischer Forschung. Im Brennpunkt stehen die
vorwettbewerbliche Forschung,
Weiterbildung,
Interaktionen
auf verschiedenen Ebenen und
Netzwerkmöglichkeiten für alle
in der Schweizer Werkstoffszene
Involvierten. Wichtig ist die komplementäre Zusammenarbeit verschiedener Forschungsgruppen
mit der Industrie. So kooperieren
im Lab-on-a-chip-Projekt das Laboratory for Microsystems 2 der
EPF Lausanne, die Nanotechnology and Life Sciences Division
des CSEM sowie sechs weitere
Gruppen der EPFL (Quantum Architecture Group of the Computer Architecture Laboratory, Microelectronic Systems Laboratory,
Ceramics Laboratory, Polymers
Laboratory, Integrated Systems
Laboratory und das Laboratory of
Polymer and Composite Technology). Seitens der Privatwirtschaft
beteiligen sich ein Grosskonzern
und ein KMU, spezialisiert auf integrierte Sensortechnologie.
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Werkstoffe | Mikro-/Nanotechnik
Technische Rundschau Nr. 8/2010
Kurzinterview mit Professor Martin Gijs, EPFL
Herr Professor Gijs, Sie entwickeln
seit Jahren neuartige Mikrofabrikationstechnologien und untersuchen diese auf industrielle Anwendungen. Was ist an Labs-on-a-Chip
interessant?
Im
Lab-on-a-Chip-Konzept
schlummert unausgeschöpftes Potenzial. Interessant ist, dass selbst
geringste Mengen für eine Analyse
reichen. Das Vorgehen ist individuell, zeigt rasch Resultate und
erzielt eine hohe Qualität bei ge-
Mikrofluidische PDMS-Kartusche – der Mikrokanal hat
eine Abmessung von 35a200 μm. (Bild: Elsbeth Heinzelmann)
durchzuführen. Dies sollte eine
höhere Sensibilität als ELISA-Tests
und Immunoassays mit wesentlich kleineren Substanzmengen
ermöglichen. Die EPFL-Forscher
realisierten einen Schaltkreis, den
sie in einer standardmässigen Viermetall-CMOS-Technologie fertigten. Sie entkoppelten Antrieb und
Detektion, verhinderten dadurch
eine Interferenz zwischen diesen
beiden und erhielten so eine höhere
Empfindlichkeit. Mit Mikrospulen
schufen sie den magnetischen Gradienten, um die Partikel zu handhaben, welche in einer Art Kartusche
Erstellt im Auftrag des CCMX von
Elsbeth Heinzelmann, Journalistin
Technik und Wissenschaft
ringen Kosten. Zudem lassen sich
Routineuntersuchungen ohne geschultes Personal durchführen.
Welches sind die heutigen und zukünftigen Anwendungsbereiche von
Labs-on-a-Chip?
Zum einen die In-vitro-Diagnostik. Allein Vor-Ort-Tests dürften
ein Drittel der In-vitro-Diagnosen ausmachen, beispielsweise
Selbsttests für Diabetiker oder
Herzmarkertests in der Notfall-
medizin. Zwei Drittel des Marktes betreffen die laborbasierten
Untersuchungen. Zum anderen
die Arzneimittelforschung in der
pharmazeutischen Industrie, einerseits das High Throughput Screening (Hochdurchsatztests) und
anderseits die zellbasierten Tests.
Schliesslich die Überwachung von
Umweltparametern mit landwirtschaftlichen und Wasser-Analysen
sowie die innere Sicherheit.
http://lmis2.epfl.ch
PDMS-Kartusche auf dem CMOS-Chip, angebracht auf dem Tochter-/
Hauptplatine-Komplex. (Bild: Elsbeth Heinzelmann)
auf dem Chip transportiert werden.
Wandern die Partikel zwischen der
Mikroskop-Lichtquelle und einer
SPAD (single-photon-valanchediode) im Zentrum der Spulen
vorbei, nimmt die Anzahl Photonen ab als Resultat der Verdeckung.
Die integrierte Fotodiode dient
auch zur Unterscheidung zwischen
fluoreszierend markierten und nicht
markierten Partikeln und arbeitet so
als Detektor für on-chip Immunoassays.
Innovativ an diesem System ist
die Integration empfindlicher, optischer Detektoren und magnetischer Handhabungsstrukturen in
einem einzigen, monolithischen
CMOS-Chip. Zwar gibt es schon
magnetische «microbeads»-basierte
Immunoassays als Lab-on-a-Chip
mit optischer oder Fluoreszenz-
Detektion. Doch brauchen sie alle
eine hochwertige Mikroskop-Detektionsplattform. Dies kann den
Anwendungsbereich limitieren.
Zudem werden dadurch die Analysekosten erhöht und die Benutzerfreundlichkeit reduziert. Mit dem
Lab-on-a-Chip wird eine komplette Immunoassay-Quantifizierung
direkt auf dem Chip durchgeführt.
Damit ist ohne Mikroskop eine
Fluoreszenz-Detektion hoher Sensitivität erreichbar.
Geistesblitze gefragt
Die Herausforderung im CCMXProjekt bestand in der magnetischen
Handhabung einzelner Mikrokügelchen. Dazu wurde die mikrofluidische Kartusche aus PDMS (Polydimethylsiloxane) entwickelt. Dabei
handelt es sich um ein organisches
Technische Rundschau Nr. 8/2010
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Mikro-/Nanotechnik | Werkstoffe
Einladung zum
«Technology Aperitif»
Mithilfe externer magnetischer
Felder lassen sich magnetische
Mikrokügelchen handhaben. Hier
eine Anhäufung magnetischer
Micro«beads» in einem Plastikrohr, angezogen von einem externen Permanentmagneten.
(Bild: Elsbeth Heinzelmann)
Polymer mit elastischen Eigenschaften wie Elastomere, welches ein
Ankleben an den Wänden verhindert. Die Kartusche ermöglicht eine
Funktionalisierung der Partikel mit
Antikörpern, womit ein Anbinden
spezifischer Biomoleküle möglich
wird. Dank der feinen Wand (20 bis
25 µm) gelang es, die Mikrokügelchen im Kanal so nah wie möglich
an die im Chip integrierten Handhabungs- und Detektionsrichtungen zu bringen.
Das Minilabor verbucht erste
Erfolge. Mit ihrem System konnten
die Forscher selektiv einen KrebsBiomarker gegen eine humane
Brustkrebs-Zelllinie bis auf 1 ng/
ml (1a10–9 g/ml!) feststellen, ohne den Einsatz eines FluoreszenzMikroskopaufbaus. Doch das Anwendungsspektrum ist wesentlich
grösser. Dank der Spezifizität und
der Empfindlichkeit der Immunoassay-Technik kann der Chip
für die Lebensmittelindustrie beispielsweise in der qualitativen und
quantitativen Detektion von Verfälschungen und Kontaminierung
dienen. Der clevere Lab-on-a-Chip
erschnüffelt Antibiotika, Pestizide,
Das CCMX lädt am 20. Oktober an
der Empa in Dübendorf zu einem
«Technology Aperitif» ein. Kompetente Referenten aus Forschung
und Industrie berichten über Aktivitäten in Werkstoffwissenschaft
und stellen neueste Entwicklungen vor. Das Programm bietet
nach der Einschreibung (16.30
Uhr) ab 17 Uhr eine Einführung
ins CCMX sowie die folgenden
Themen:
–Plasticity and fracture of small
structures: Insights from in-situ
experiments
– Scaling in the mechanical properties of materials – What happens at the nanometer length
scale?
– In-situ mechanical testing during x-ray and neutron diffraction
– Fracture toughness of replicated metallic foam
– Environmentally-assisted cracking of LWR structural materials
– Evolution of Ni – based superalloy development for gas turbine
blading
– Service-like thermo-mechanical
fatigue experiments for the validation of lifetime assessment
procedures
– ab 19 Uhr Apéro und Networking
Ihre auch?
Individuelle
Labor
Management
Systeme
Kontaktmanagement
Kalkulation und Abrechnung
Ressourcenplanung und
Prüfdurchführung
Berichterstellung und
Dokumentenmanagement
Normenverwaltung und
Messmittelüberwachung
Registrierung: www.ccmx.ch
Mikroorganismen und Mikroben
in Lebensmitteln ebenso zuverlässig
wie Antikörper in flüssigen Proben.
Denkbar ist aber auch das Auffinden von Salmonellen, spezifischen
Proteinen in Fleisch, Soya, Milch
und Getreide sowie Hormone oder
Arzneimittelrückstände.
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Competence Centre for Materials
Science and Technology CCMX
EPFL STI
Bâtiment MX Station 12, 1015 Lausanne
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www.dacore-dbs.com