42 Werkstoffe | Mikro-/Nanotechnik Technische Rundschau Nr. 8/2010 Magnetische Partikel im Lab-on-a-Chip Professor Martin Gijs vom Labor für Mikrosysteme 2 an der EPFL erkundet neue Technologien der Mikrofabrikation für industrielle Anwendungen. In einem CCMX-Projekt wird ein Verfahren zur Handhabung magnetischer Partikel in mikrofluidischen Systemen entwickelt. Sein Lab-on-a-Chip detektiert Tumor-Biomarker gegen Brustkrebs, könnte aber auch in der Überwachung von Lebensmittelqualität, Umweltparametern und in der Medizin Dienste leisten. ELSBETH HEINZELMANN Mikrospulen-SPAD-Array mit der überlagerten mikrofluidischen PDMS-Kartusche, (a) seitliche Ansicht des Set-up und (b) Querschnitt mit Angabe der Abmessungen. (Bild: LMIS2-EPFL) Der Glas- oder Polymer-Chip ist von einem Netzwerk winziger, geätzter Kanäle durchzogen, welche durch Druck oder elektrokinetische Kräfte Flüssigkeiten im Pico- oder Nanoliterbereich auf die Reise schicken. Im daumennagelgrossen Minilabor wird gemischt und verdünnt, chromatografisch aufgetrennt, gefärbt und detektiert, und dies rasch, bei geringem Probenverschleiss, hoch reproduzierbar und einfach in der Handhabung. Magnetische Kräfte im Visier Der verdrahtete und gebondete CMOS-Chip über dem ganzen Tochterplatine-Hauptplatine-Komplex. Verbindungen zu einem PC und zu einem externen Netzteil sind markiert. (Bild: LMIS2-EPFL) Im Fokus stehen neue Mikrofabrikationstechnologien, Mikrofluidik, BioMEMS (Bio-Micro-Electro-Mechanical Systems) und magnetische Anwendungen. Bei letzteren handelt es sich um mikrofluidische Systeme für die Handhabung und den Transport von magnetischen Mikro- und Nanopartikeln. In einem Projekt, unterstützt vom CCMX (Competence Centre for Materials Science and Technology), nahmen die EPFL-Forscher verschiedene Aspekte des Lab-on-a-Chip-Konzepts unter die Lupe. In der Bioanalytik wächst das Interesse an Microbeads (Mikrokügelchen) als Trägermaterial für Immunoassays, um Analyten zu erkennen oder in flüssiger Phase ?,P@@NA'*#L!P DDD3/D>"M:8>$3<" Technische Rundschau Nr. 8/2010 Mikro-/Nanotechnik | Werkstoffe "!;226@!2)/B 013 $, A =DD 66 (8!9CA7 %0!8A 234 (!85/3<!8)@!2)/B Links mikrofluidische PDMS-Kartusche über dem CMOS-Chip auf der PCB-Platine. Rechts Mikrofotografie des Spulen-Arrays, unten Schema der internen Struktur des CMOS-Chips (Spulen und SPADs) mit dem mikrofluidischen Kanal oben. (Bild: LMIS2-EPFL) durch Bindung eines Antigens an einen Antikörper nachzuweisen. Grund dafür ist, dass magnetische Partikel leicht wechselwirken mit biologischen Fluids, wenn sie von magnetischen Kräften angetrieben werden, welche unabhängig von normalen biologischen Prozessen sind. In Labs-on-a-Chip dienen magnetische Partikel oft dazu, Biomoleküle oder Zellen einzufangen und sie an eine bestimmte Stelle zu transportieren, beispielsweise für die Erkennung oder die weitere Verarbeitung. Der Antrieb geschieht oft dadurch, dass ein Draht oder eine Mikrospule die magnetischen Partikel anzieht, wo sie als Labels mit magnetoresistiven Effekten detektierbar sind. Andere Methoden bestehen darin, fluoreszierend markierte Partikel optisch festzustellen oder durch das Mikroskop zu beobachten. Vorteil der optischen Detektion ist die Abwesenheit einer Wechselwirkung zwischen Antrieb und Detektion, was eine erhöhte Empfindlichkeit des Systems erlaubt. Raffiniertes Design für Technologiesprung In einem CCMX-Projekt ging es darum, auf demselben Chip ein Immunoassay-Protokoll und eine hoch empfindliche Detektion CCMX – Competence Centre for Materials Science and Technology Das Kompetenzzentrum für Materialwissenschaften und -technologie verknüpft die Bedürfnisse der Industrie mit akademischer Forschung. Im Brennpunkt stehen die vorwettbewerbliche Forschung, Weiterbildung, Interaktionen auf verschiedenen Ebenen und Netzwerkmöglichkeiten für alle in der Schweizer Werkstoffszene Involvierten. Wichtig ist die komplementäre Zusammenarbeit verschiedener Forschungsgruppen mit der Industrie. So kooperieren im Lab-on-a-chip-Projekt das Laboratory for Microsystems 2 der EPF Lausanne, die Nanotechnology and Life Sciences Division des CSEM sowie sechs weitere Gruppen der EPFL (Quantum Architecture Group of the Computer Architecture Laboratory, Microelectronic Systems Laboratory, Ceramics Laboratory, Polymers Laboratory, Integrated Systems Laboratory und das Laboratory of Polymer and Composite Technology). Seitens der Privatwirtschaft beteiligen sich ein Grosskonzern und ein KMU, spezialisiert auf integrierte Sensortechnologie. *88/ "!;226;16G13/35/37 4>/ 3.5>) @>347 4!6>5 />3 "!;226@H@5/6 @>9C/B 8?2+5E "!;226A'2<FH8>34/B - 4>/ /8/)!35/ &.@23) 26 /5I!@ F2 )B/>+/3E "!;226G26G/3 : #/>5/3;!3!8)/<8?@/ %E1 B4:/Q>M>8):1IQ$F8$:8 8><" !"1:8 ,8)61;:1F8$:8 )1>$:8 BQ: F80 >8+ *"-!$ (,'%#&! +) #>8;MQ8$ N>0<"Q8:8 B4:/Q>MD:1O/:F$: -K5J B<"9:1QO68 A:M3 2&5 (( G-J H. K. DDD3/D>"M:8>$3<" %>C 2&5 (( G-J H. K7 Q8)6=/D>"M:8>$3<" 44 Werkstoffe | Mikro-/Nanotechnik Technische Rundschau Nr. 8/2010 Kurzinterview mit Professor Martin Gijs, EPFL Herr Professor Gijs, Sie entwickeln seit Jahren neuartige Mikrofabrikationstechnologien und untersuchen diese auf industrielle Anwendungen. Was ist an Labs-on-a-Chip interessant? Im Lab-on-a-Chip-Konzept schlummert unausgeschöpftes Potenzial. Interessant ist, dass selbst geringste Mengen für eine Analyse reichen. Das Vorgehen ist individuell, zeigt rasch Resultate und erzielt eine hohe Qualität bei ge- Mikrofluidische PDMS-Kartusche – der Mikrokanal hat eine Abmessung von 35a200 μm. (Bild: Elsbeth Heinzelmann) durchzuführen. Dies sollte eine höhere Sensibilität als ELISA-Tests und Immunoassays mit wesentlich kleineren Substanzmengen ermöglichen. Die EPFL-Forscher realisierten einen Schaltkreis, den sie in einer standardmässigen Viermetall-CMOS-Technologie fertigten. Sie entkoppelten Antrieb und Detektion, verhinderten dadurch eine Interferenz zwischen diesen beiden und erhielten so eine höhere Empfindlichkeit. Mit Mikrospulen schufen sie den magnetischen Gradienten, um die Partikel zu handhaben, welche in einer Art Kartusche Erstellt im Auftrag des CCMX von Elsbeth Heinzelmann, Journalistin Technik und Wissenschaft ringen Kosten. Zudem lassen sich Routineuntersuchungen ohne geschultes Personal durchführen. Welches sind die heutigen und zukünftigen Anwendungsbereiche von Labs-on-a-Chip? Zum einen die In-vitro-Diagnostik. Allein Vor-Ort-Tests dürften ein Drittel der In-vitro-Diagnosen ausmachen, beispielsweise Selbsttests für Diabetiker oder Herzmarkertests in der Notfall- medizin. Zwei Drittel des Marktes betreffen die laborbasierten Untersuchungen. Zum anderen die Arzneimittelforschung in der pharmazeutischen Industrie, einerseits das High Throughput Screening (Hochdurchsatztests) und anderseits die zellbasierten Tests. Schliesslich die Überwachung von Umweltparametern mit landwirtschaftlichen und Wasser-Analysen sowie die innere Sicherheit. http://lmis2.epfl.ch PDMS-Kartusche auf dem CMOS-Chip, angebracht auf dem Tochter-/ Hauptplatine-Komplex. (Bild: Elsbeth Heinzelmann) auf dem Chip transportiert werden. Wandern die Partikel zwischen der Mikroskop-Lichtquelle und einer SPAD (single-photon-valanchediode) im Zentrum der Spulen vorbei, nimmt die Anzahl Photonen ab als Resultat der Verdeckung. Die integrierte Fotodiode dient auch zur Unterscheidung zwischen fluoreszierend markierten und nicht markierten Partikeln und arbeitet so als Detektor für on-chip Immunoassays. Innovativ an diesem System ist die Integration empfindlicher, optischer Detektoren und magnetischer Handhabungsstrukturen in einem einzigen, monolithischen CMOS-Chip. Zwar gibt es schon magnetische «microbeads»-basierte Immunoassays als Lab-on-a-Chip mit optischer oder Fluoreszenz- Detektion. Doch brauchen sie alle eine hochwertige Mikroskop-Detektionsplattform. Dies kann den Anwendungsbereich limitieren. Zudem werden dadurch die Analysekosten erhöht und die Benutzerfreundlichkeit reduziert. Mit dem Lab-on-a-Chip wird eine komplette Immunoassay-Quantifizierung direkt auf dem Chip durchgeführt. Damit ist ohne Mikroskop eine Fluoreszenz-Detektion hoher Sensitivität erreichbar. Geistesblitze gefragt Die Herausforderung im CCMXProjekt bestand in der magnetischen Handhabung einzelner Mikrokügelchen. Dazu wurde die mikrofluidische Kartusche aus PDMS (Polydimethylsiloxane) entwickelt. Dabei handelt es sich um ein organisches Technische Rundschau Nr. 8/2010 45 Mikro-/Nanotechnik | Werkstoffe Einladung zum «Technology Aperitif» Mithilfe externer magnetischer Felder lassen sich magnetische Mikrokügelchen handhaben. Hier eine Anhäufung magnetischer Micro«beads» in einem Plastikrohr, angezogen von einem externen Permanentmagneten. (Bild: Elsbeth Heinzelmann) Polymer mit elastischen Eigenschaften wie Elastomere, welches ein Ankleben an den Wänden verhindert. Die Kartusche ermöglicht eine Funktionalisierung der Partikel mit Antikörpern, womit ein Anbinden spezifischer Biomoleküle möglich wird. Dank der feinen Wand (20 bis 25 µm) gelang es, die Mikrokügelchen im Kanal so nah wie möglich an die im Chip integrierten Handhabungs- und Detektionsrichtungen zu bringen. Das Minilabor verbucht erste Erfolge. Mit ihrem System konnten die Forscher selektiv einen KrebsBiomarker gegen eine humane Brustkrebs-Zelllinie bis auf 1 ng/ ml (1a10–9 g/ml!) feststellen, ohne den Einsatz eines FluoreszenzMikroskopaufbaus. Doch das Anwendungsspektrum ist wesentlich grösser. Dank der Spezifizität und der Empfindlichkeit der Immunoassay-Technik kann der Chip für die Lebensmittelindustrie beispielsweise in der qualitativen und quantitativen Detektion von Verfälschungen und Kontaminierung dienen. Der clevere Lab-on-a-Chip erschnüffelt Antibiotika, Pestizide, Das CCMX lädt am 20. Oktober an der Empa in Dübendorf zu einem «Technology Aperitif» ein. Kompetente Referenten aus Forschung und Industrie berichten über Aktivitäten in Werkstoffwissenschaft und stellen neueste Entwicklungen vor. Das Programm bietet nach der Einschreibung (16.30 Uhr) ab 17 Uhr eine Einführung ins CCMX sowie die folgenden Themen: –Plasticity and fracture of small structures: Insights from in-situ experiments – Scaling in the mechanical properties of materials – What happens at the nanometer length scale? – In-situ mechanical testing during x-ray and neutron diffraction – Fracture toughness of replicated metallic foam – Environmentally-assisted cracking of LWR structural materials – Evolution of Ni – based superalloy development for gas turbine blading – Service-like thermo-mechanical fatigue experiments for the validation of lifetime assessment procedures – ab 19 Uhr Apéro und Networking Ihre auch? Individuelle Labor Management Systeme Kontaktmanagement Kalkulation und Abrechnung Ressourcenplanung und Prüfdurchführung Berichterstellung und Dokumentenmanagement Normenverwaltung und Messmittelüberwachung Registrierung: www.ccmx.ch Mikroorganismen und Mikroben in Lebensmitteln ebenso zuverlässig wie Antikörper in flüssigen Proben. Denkbar ist aber auch das Auffinden von Salmonellen, spezifischen Proteinen in Fleisch, Soya, Milch und Getreide sowie Hormone oder Arzneimittelrückstände. ■ Competence Centre for Materials Science and Technology CCMX EPFL STI Bâtiment MX Station 12, 1015 Lausanne einfach innovativ individuell www.dacore-dbs.com
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