Zen-Gedichte - Brunnenhofzendo

Zen-Gedichte
Die Wolke (I)
Für eine freischwebende Wolke
Ist es schwer sich zu Tode zu regnen
Wenn sie Kittel und Titel trägt.
Vielleicht einfach über die Schatten zu reden,
die wir werfen,
wenn wir dieses Leben vollkommen leben
ist der beste Weg
- zumindest für mein Leben.
Die Wolke (II)
Die Wolke lebt mit einer Almhütte.
Der Lauf des Lebens
Verwittert die Hütte , die Wolke regnet sich aus
Weiter Himmel, grosser Berg
Rat
Ich folge dem letztem Rat meiner Wurzellehrerin:
Mehr gibt es nicht, ich stehe auf eigenen Füssen.
Befreiung
Eines Morgens
Plötzlich
Niemandem mehr genügen müssen
Loslassen
Andere als Massstab meiner Übung zu setzen
Einfach sitzen
Wie am Anfang
Und doch anders
Einfach Sein
Weil mich das Leben so haben will
Wie ich bin
Mich einfach hingeben
An den Weg
Nicht mehr herausfinden
Wo er ist
Oder wohin er mich führt
Einfach vertrauen
Mit jemandem üben zu dürfen
Die es auch nicht weiss
Die mir aber Raum gibt
Zu erforschen und zu spielen
Freiheit
Akzeptieren daß die Jacke zu klein ist
Und sie selber auszuziehen
Nicht mehr zu warten
Bis sie mir jemand vom Leib reisst
Ohne daß ich darauf vorbereitet bin
oder weil ich nicht mutig genug bin
mich selber zu entkleiden
Nackt sein und berührbar
Darauf vertrauen
Daß das Leben mich kleidet
Mit dem was das Leben braucht
Und solange ich lebe
Und dann sterben
In das absolute Nicht-Wissen hinein
Seit achtundvierzig Jahren
Brennt das Feuerholz lichterloh
Wie wird es wohl als Asche sein?
Einfach Dasein ist genug.
Gelübde
Ist man noch ganz bei Trost,
wenn man ein Gelübde nimmt,
von dem man weiss,
daß man es nicht halten kann?
Andererseits,
was am Leben ist lebenswert
ohne dieses Gelübde?
Hungergeister
Ein jegliches hat seinen Geist
und jeder Hungergeist unter dem Himmel seine Stunde
Armut ist ein Hungergeist
Beziehungsdynamik ist ein Hungergeist
Egozentrik ist ein Hungergeist
Und Praxis ist ein Hungergeist
Alltag vor dem Retreat im Gegensatz zu Retreat ist ein Hungergeist
Praxis im Gegensatz zu nicht Praxis ist ein Hungergeist
Intensität ist ein Hungergeist
Und nicht davon begeistert sein ist ein Hungergeist
Konkurrenz und Eifersucht sind Hungergeister
Sich davon abzusetzen in die Einsamkeit ist ein Hungergeist
Praxis für Verbundenheit ist ein Hungergeist
Der Wunsch nach besseren Bedingungen ist ein Hungergeist
Traumas der Gewalt und der Verlassenheit sind Hungergeister
Neugierde ist ein Hungergeist
Der Wunsch nach Publikum, Bestätigung und Anerkennung sind Hungergeister
Der Wunsch nach Verzeihen ist ein Hungergeist
Auschwitz ist ein Hungergeist
Der Blick auf andere ist ein Hungergeist
Der Wunsch Gutes zu tun ist ein Hungergeist
Die eigene Entwicklung ist ein grosser Hungergeist
Alle Hungergeister sind eine Manifestation von Buddhanatur
Ich gelobe sie alle zu nähren
Beziehungen
An diesem grimmig kalten Wintertag
Scheint die Sonne vor einen weiten Himmel
Ziehe mich auf den Marktplatz zurück,
um mit Rumi und Rilke
Ryokan und Mary Oliver
Fussball zu spielen.
Die erotische Leidenschaft des Lebens zu leben.
Eine vorüberziehende Wolke
Wirft ihren Schatten auf uns.
In ihrer Dunkelheit
Verletzen wir uns gegenseitig
Oder bringen uns gar um.
Trotzdem spielen wir weiter
Um uns zu wärmen und lebendig zu sein.
Mögen wir uns auch verzeihen
Das Leben lebt sich so.
Übung
Übung ist ein irreführendes Wort,
Wir üben das Dharma nicht,
Um es später zu beherrschen.
Wir sitzen über die Zeit hinaus mitten drin
Shikan....
Weil es nichts zu erreichen gibt
Was ich wohl übe?
Ich weiss nicht,
was ich übe.
Eigentlich wusste ich es ja noch nie.
Ich gab ihm Worte wie Zazen
Atembetrachtung oder Shikantaza.
Aber ich wusste auch noch nie,
was das ist.
Ehrlich war:
„I just sit“
Ich sitze einfach.
Kein heroisches Shikantaza,
sondern einfach sitzen,
weil ich wusste, daß es einfach richtig ist
einfach zu sitzen
Nun sitzt es mich,
weil das Leben sich durch Sitzen selbst erfüllt.
Auschwitz
A Place of Cruelty and Hope (after the 2013 Retreat)
In 1942 none had the vision
That in the gas chamber at Auschwitz
A German Zen Buddhist woman
Would take an American male Rabbi
In her arms
Till he stops crying and comes back to life.
In 1944 none had the vision
That an American male Rabbi
And a German Zen Buddhist woman
Would sit behind the fence together
Both sobbing and bearing witness
To those inside the fence
Exposed to the arrivals of new victims
Seen as prisoners while they knew the destiny
Of those walking on the road of the death.
In 1945
None had the vision
That an American male Rabbi
Would comfort a German Zen Buddhist Woman
In her heartbreak about those liberated
Who had to find a way back into life
By telling her stories of his family history
And their mastery of survival.
2013 it happened
Let’s not deny the evil and cruelty of this place
Nor the good and love that arises there.
We would deny humanity.
Stacheldrahtzaun (nach Auschwitz 2012)
Nie so allein,
Nie so ausgestellt,
Nie so traurig,
Nie war da ein solches Nicht-Denken.
Verhastetster Zaun der Welt,
Ich verstehe warum Menschen
Ihr Leben in dich warfen.
Ich hasse dich auch.
Manifestation des Grauens und der Trennung
Vierundzwanzig Stunden am Tag
Definierend wer drin ist und wer draussen.
Jenen darin
Hatte ich nichts zu bieten als meine Tränen.
Schrecklichster aller Zäune
Jetzt in mich eingraviert;
Wie viele solcher Zäune errichte ich selbst?
Du hast mir das Herz aufgebrochen,
Danke für diese Belehrung.
Am Mittelmeer
Wenn es jenseits des rauschenden Meeres
Nichts zu sagen gibt,
warum dann etwas sagen?
Warum Gedanken zum Tee einladen
Manchmal stimmig ist und manchmal nicht
Ist ein Geheimnis.
Wie können wir wissen,
wann sich dieses Geheimnis durch uns offenbart?
Wann sind wir gefragt,
diese Gedanken durch Worte
durch uns und aus uns heraus
sich manifestieren zu lassen?
Gedanken fragen nicht nach Erlaubnis,
sie erscheinen und vergehen
sie erscheinen und vergehen
Manchmal vergehen sie in Worte,
dann vergehen sie ins Nirgendwo.
Oder sie vergehen sich an anderen,
an jene, für die sie Tee sind
und die sie einladen,
um selbst Gedanke zu werden.
Ein Meer voll Tee rauscht vor mir.
Kommend und gehend,
gebe ich meinen Senf dazu,
als ob meine Gedanken¨
dem Meer etwas zu sagen hätten.
Wer bin ich
Jenseits der Welle meiner Gedanken?
Batsch
Und schon wieder zerbricht eine vor mir an sich selbst.
Die Blase
Über das Leben und den Tod,
da gibt’s nicht viel zu sagen.
Während man sich im einen meint,
hat man über den anderen nur Klagen.
Dabei ist das Ganze,
nicht mehr als eine Blase
und wenn der andere dann kommt
Blubb, wer war se.
Do I wear my rakusu or does the rakusu wear me?
Can I give my life over to the Buddhadharma
And live it, as the rakusu already does?
Can I stop picking and choosing
But manifest and live as an expression of Buddhadharma,
Emptiness-Form, Practice-Enlightenment?
Has giving over already happened and I just can’t see it?
A love song for the robes:
Vast is the robe of liberation
A formless field of benefaction
May the Tatagatha teaching wear me
Saving all sentient beings
Over and over and over and over and over…
Till I’m nothing else then the rakusu
I wear it as a polar star
And then?
On the river Styx,
In this empty boat
no ferryman holding the helm.
Which ever shore it will be drifted,
This is it.
Der kleine Mönch
Er verweilt uns gegenüber und läßt alles, wie es kommt und geht.
Bescheiden lächelt er vor sich hin, in geduldiger Ruhe.
Alle Abneigung macht einen Bogen um ihn, ertappt geht sie weiter.
Alles Begehren schlägt einen Umweg ein, schämt sich.
Alle Freundlichkeit geht durch ihn hindurch, ohne Anhangen gibt er sie weiter.
Wenn man nur für begrenzte Zeit die Bescheidenheit ausstrahlen könnte, die ihm so eigen ist,
aber allein dieses Wollen widerspricht seinem Ursprung.
Zufrieden verweilend, unseren Eifer belächelnd, lädt er uns ein,
uns zu ihm zu setzen
und manchmal in dieser Zweisamkeit steigt eine Ahnung auf,
wie frei der Mensch sein könnte.