Folien Probeklausur SPB 5

Professor Dr. Martin Franzen
Probeklausur
Schwerpunktbereich 5
Wintersemester 2015/2016
Frage 1
Frage 1: Rechtsgutachten hinsichtlich der von R
erwogenen Maßnahmen
Vorbemerkung
•
Wegen § 15 Abs. 1 KSchG kommt nur eine außerordentliche Kündigung in Betracht
I. Außerordentliche Kündigung
1. Erfordernisse der Kündigung als Willenserklärung
•
Schriftform, § 623 BGB
•
Zugang, § 130 BGB: Aus Beweisgründen Kündigungsschreiben entweder durch
Boten zustellen lassen oder Einschreiben mit Rückschein.
•
Vertretung: Wegen § 174 BGB empfiehlt es sich, die Vollmachtsurkunde dem
Kündigungsschreiben beizulegen
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Frage 1
2. Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung nach § 103
BetrVG
•
Bei Kündigung eines Betriebsratsmitglieds positiver Zustimmungsbeschluss des
Betriebsrats nach § 103 BetrVG erforderlich
•
BR muss ausreichend über den Vorgang in Kenntnis gesetzt sein: B war als
Vorsitzender in alle Einzelheiten eingebunden (+)
•
Beschlussfähigkeit des BR
– nach § 33 Abs. 2 BetrVG (+), da 5 von 7 Mitgliedern an der Abstimmung
teilgenommen haben
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Frage 1
•
Wirksamkeit des Beschluss?
– § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG
- Ordnungsgemäße Ladung grds. erforderlich: Die Angelegenheit nach
§ 103 BetrVG ist nicht auf der Tagesordnung aufgeführt
- BAG früher: Änderung der Tagesordnung möglich, wenn alle BRMitglieder anwesend und der Änderung zustimmen. Hier (-)
- BAG nun: Änderung möglich, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäß
geladen und alle Anwesenden der Änderung zustimmen. Hier (+)
- Lit.: Änderung möglich, wenn Mehrheit der Mitglieder des BR für
Änderung stimmen. Hier (+)
- Jede Ansicht gut vertretbar: Je nachdem (+/-)
– Ordnungsgemäße Besetzung des Betriebsrats
- M ist wegen Befangenheit ausgeschlossen: Es hätte nach § 25 I S. 2
BetrVG ein Ersatzmitglied geladen werden müssen
- Besetzungsfehler ist kausal: Hätte Ersatzmitglied gegen den Antrag
gestimmt, wäre er mit 3:3 Stimmen abgelehnt worden, vgl. § 33 Abs. 1 S.
2 BetrVG
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Frage 1
•
Folge des Besetzungsfehlers?
– Teile der Lit.: Wenden Sphärentheorie im Rahmen des § 102 BetrVG auch bei
§ 103 BetrVG an, d.h. Verfahrensfehler in der Sphäre des Betriebsrats gehen
nicht zu Lasten des Arbeitgebers
– ABER: § 102 BetrVG: lediglich Anhörung; § 103 BetrVG: positiver
Zustimmungsbeschluss
– BAG: Gewährt Vertrauensschutz für Arbeitgeber
– ABER: Läuft letztlich auf eine Art Sphärentheorie hinaus
– Jede Ansicht gut vertretbar
- Folgt man BAG: Vertrauensschutz wohl (+)
- Lehnt man BAG ab: Arbeitgeber ist es zuzumuten sich nach den
Modalitäten des Beschlusses zu erkundigen. Demnach wäre der Beschluss
wegen des Besetzungsfehlers unwirksam
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Frage 1
3. Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 S. 3
BetrVG
•
Anhörung nach § 102 BetrVG ist im Zustimmungsbeschluss nach § 103 BetrVG
mitenthalten
•
Denkbar Anhörungsfehler, der über den Wortlaut des § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG
hinaus zur Unwirksamkeit der Kündigung führt
•
Aber hier wendet die h.M. die Sphärentheorie an: Besetzungsfehler liegt in der
Sphäre des BR
•
Kündigung wäre nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam
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Frage 1
4. Wichtiger Grund nach § 626 BGB
a) Tatkündigung
•
Pflichtverletzung des M: Ausdruck von falschen Leergutbons und Entwertung
aa) Wie könnte diese Pflichtverletzung im Prozess bewiesen
werden?
•
Nur durch Vorlage der Aufzeichnungen der Videokamera im Wege der
Augenscheinnahme, § 371 ZPO
bb) Ist die Videoaufnahme im Kündigungsschutzprozess
verwertbar?
 Das ist nicht der Fall, wenn die Videoüberwachung unzulässig war und dies zu
einem Beweisverwertungsverbot führt
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Frage 1
(1) Unzulässigkeit der Videoüberwachung
•
§ 6b BDSG
– Tatbestand (+)
- Öffentlich zugänglicher Raum (+)
- Umstand der Beobachtung nicht kenntlich gemacht (+)
– Rechtsfolge?
- § 6b BDSG bloße Ordnungsvorschrift  führt nicht zur Unzulässigkeit
- Arg: § 6b BDSG würden andernfalls §§ 38, 32 BDSG verdrängen, was zu
Wertungswidersprüchen führen würde
•
§ 32 Abs. 1 S. 2 BDSG
– Unklar, ob die zu dokumentierenden tatsächlichen Anhaltspunkte bereits auf
den Betroffenen hinweisen müssen
– BAG: heimliche Videoüberwachung zulässig, wenn
- der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen
schweren Verfehlung zu Lasten des AG besteht
- keine milderen Mittel
- insgesamt nicht unverhältnismäßig
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Frage 1
•
§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
–
–
–
–
Einführung einer Videokamera zur Überwachung erfüllt Tatbestand
Vorherige Zustimmung (-)
Heilung des Verstoßes durch Zustimmung des BR zur Kündigung? (-)
Folge: Videoüberwachung verstößt gg. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
(2) Beweisverwertungsverbot
•
Abwägung zwischen den durch die Verbotsnorm geschützten Interessen mit dem
Aufklärungsinteresse des Arbeitgebers
•
§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG: Schützt das kollektive Interesse der Belegschaft an
präventivem Schutz vor Überwachung  Wiegt nicht schwer genug, dass es das
Aufklärungsinteresse übersteigt
•
 kein Beweisverwertungsverbot
•
Anderes Ergebnis denkbar, wenn oben weitere Verbotsnorm bejaht wird
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Frage 1
cc) Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626
Abs. 2 BGB
•
Fristbeginn: Mit Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen
– Hier: Mit Anhörung des M
•
Ab Anhörung: zwei Wochen
dd) Abmahnung als milderes Mittel
•
Ausdruck des ultima-ratio-Prinzips
•
Ausnahmsweise entbehrlich, wenn Arbeitnehmer davon ausgehen musste, dass
sein Verhalten keinesfalls geduldet wird. Hier der Fall
•
Abmahnung entbehrlich (+)
ee) Interessenabwägung
•
Zu Gunsten des M zu berücksichtigen: Lange Betriebszugehörigkeit
•
Zu Lasten des M zu berücksichtigen: Fehlende Bereitschaft zur Aufklärung; Höhe
des Schadens
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Frage 1
b) Verdachtskündigung
•
Kommt in Betracht, wenn Straftat nicht bewiesen werden kann
•
Voraussetzungen:
–
–
–
–
•
Auf objektiven Tatsachen beruhender Verdacht
Dringender Tatverdacht
Erhebliche Pflichtverletzung
Pflicht des Arbeitgebers zur Aufklärung des Sachverhalts
Voraussetzungen liegen nur dann vor, wenn man die Videoaufzeichnungen im
Prozess zulässt
•
BR hat nur einer Tatkündigung zugestimmt, nicht aber einer Verdachtskündigung:
erneuter Beschluss erforderlich
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Frage 1
II. Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahren
nach § 103 Abs. 2 BetrVG
1. Arbeitgeber hält Beschluss des BR für wirksam
•
Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 2 BetrVG nicht
notwendig und nicht zulässig
•
 AG müsste bald (§ 626 Abs. 2 BGB) kündigen
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Frage 1
2. Arbeitgeber hält Beschluss des BR für unwirksam
•
Nach Ablauf der 3-Tagesfrist des § 102 Abs. 2 S. 3 BetrVG analog muss AG innerhalb
der Frist des § 626 Abs. 2 BGB den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung stellen
•
 NUR: Hält das ArbG den Beschluss des BR für unwirksam, ist das
Zustimmungsersetzungsverfahren gegenstandslos und die Frist des § 626 Abs. 2
BGB nicht gehemmt
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Frage 1
3. Problem: AG trägt Risiko, dass ArbG die Wirksamkeit des
BR-Beschluss anders bewertet als AG
•
Beste Lösung: AG kündigt im Vertrauen auf wirksame Beschlussfassung des BR und
leitet nochmals Zustimmungsverfahren beim BR ein.
•
Je nach Ausgang des Verfahrens vor dem BR kann AG kündigen oder Verfahren nach
§ 103 Abs. 2 BetrVG einleiten; allerdings nur innerhalb der Frist § 626 Abs. 2 BGB
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Frage 1
III. Unwiderrufliche Freistellung bis zum Auspruch der
Kündigung
•
G sollte M von der Arbeit unwiderruflich freistellen und die Urlaubstage bis zum
Zugang der Kündigung anrechnen, um einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7
Abs. 4 BUrlG zu vermeiden
•
Freistellung nur unter engen Voraussetzungen möglich
– Wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers dies
erfordern
– Etwa wenn die Weiterbeschäftigung zu erheblichen Gefahren des Betriebs
oder der dort tätigen Arbeitnehmer führen würden
– Hier wohl (+) wegen des Schutzes des Betriebsratamts
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Frage 2
Frage 2: Können die Verhaltensweisen von G, B und des
Betriebsrats insgesamt „geahndet“ werden?
I. § 23 BetrVG
1. Für G als Vertreter der A-GmbH
•
Pflichtverletzung: Verletzung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 BetrVG
•
Grobe Pflichtverletzung: G hat den Vorsitzenden B informiert, daher eher (-)
2. Für B
•
Pflichtverletzung: B hat Betriebsrat nicht über die Videoüberwachung informiert
•
Grobe Pflichtverletzung: B wurde von G zur Verschwiegenheit verpflichtet und
meinte sich daran halten zu müssen. Daher eher (-)
3. Für den Betriebsrat
•
Der Beschluss ist nicht pflichtwidrig: Mitglieder müssen nach pflichtgemäßem
Ermessen entscheiden
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Frage 2
II. Einleitung eines Beschlussverfahrens gegen A-GmbH
•
Antrag beim Arbeitsgericht auf Feststellung, dass die konkrete Videoüberwachung
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verletzt hat
•
Antrag nur zulässig, wenn die Verletzungshandlung noch für die Zukunft fortwirkt,
also insbesondere eine Wiederholungsgefahr zu bejahen ist. Hier wohl (-)
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Frage 3
Frage 3: Steht M ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu?
1. Voraussetzungen nach § 137 Abs. 1 SGB III
•
§ 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, arbeitslos: § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III (+)
•
§ 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, arbeitslos gemeldet: (+)
•
§ 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB III, Anwartschaftszeit erfüllt: in den letzten 2 Jahren (§ 143
Abs. 1 SGB III) mindestens 12 Monate (§ 142 Abs. 1 SGB III) in einem
Versicherungspflichtverhältnis (+)
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Frage 3
2. Sperrzeit nach § 159 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III
•
Verstreichenlassen der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage: (-) da kein
aktives Handeln
•
Veranlassung der arbeitgeberseitigen Kündigung durch vertragswidriges Verhalten
– Die Kündigung muss arbeitsrechtlich zu Recht erfolgt sein: hier Manipulation
mit Leergutbons; ob zu Recht hängt von der Verwertbarkeit des Videos ab
– Kausalität zw. Veranlassung und Arbeitslosigkeit (+)
– Grobes Verschulden im Hinblick auf die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit (+)
– Kein wichtiger Grund (+)
3. Ergebnis: Sperrzeit von 12 Wochen nach § 159 Abs. 1 Nr.
1 iVm. Abs. 3, S. 1 SGB III
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