„Jugendlicher“ Blutdruck im Alter schützt auch vor Schlaganfall

Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der
Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
„Jugendlicher“ Blutdruck im Alter schützt auch vor
Schlaganfall
Schlaganfallexperten fordern: Risikofaktor Bluthochdruck ernst nehmen
19. November 2015 – Die meisten Menschen, die einen Schlaganfall erleiden, hatten zuvor
über viele Jahre einen erhöhten Blutdruck. Eine konsequente Blutdruckkontrolle ist
deshalb die beste Präventivmaßnahme, um Behinderungen zu reduzieren oder einen
vorzeitigen Tod durch einen Schlaganfall zu verhindern, empfehlen die Deutsche
Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN). Die
jetzt veröffentlichten Ergebnisse der US-amerikanischen SPRINT-Studie zeigen, dass auch
ältere Menschen einen „jugendlichen“ Blutdruck anstreben sollten. Ein gesunder jüngerer
Mensch hat einen Blutdruck von 120 zu 80 mm Hg. Bei den meisten Menschen steigen mit
zunehmendem Alter die Blutdruckwerte langsam an. Das lässt sich mit Medikamenten
ausgleichen.
„Früher galt die Regel, dass der obere Wert 100 plus dem Lebensalter entsprechen darf“, sagt DSGPressesprecher Professor Dr. med. Joachim Röther, Chefarzt an der Asklepios Klinik in HamburgAltona: „Für einen 60-Jährigen wurde deshalb ein oberer Wert von 160 mm Hg als normal, ja sogar
als gesund angesehen.“ Auch in den Leitlinien werden relativ hohe Werte toleriert. Das „Joint
National Committee“ (JNC 8), das in den USA Leitlinien zur Blutdruckkontrolle herausgibt, vertrat
noch im vergangenen Jahr die Ansicht, dass bei Menschen über 60 ein Blutdruck bis 150/90 mm Hg
toleriert werden sollte. „Die Begründung lautete, dass die Blutdrucksenkung im Alter schwierig und
der Nutzen einer aggressiven Blutdrucksenkung nicht belegt sei“, erinnert sich Professor Röther.
Diese Haltung wird nach Ansicht des Experten jetzt durch die Ergebnisse der SPRINT-Studie
relativiert.
An der Studie hatten mehr als 9000 Hochdruckpatienten im Alter über 50 Jahre teilgenommen (keine
Diabetiker). Bei der Hälfte strebten die Ärzte eine Blutdrucksenkung auf den Wert von 120 mm Hg
an, bei der anderen Hälfte waren 140 mm Hg der Zielwert. Die jetzt auf der Jahrestagung der
American Heart Association in Orlando/Florida vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass die intensivere
Blutdruckkontrolle bereits nach wenigen Jahren die Zahl der Herz-Kreislauf-Ereignisse um 25 Prozent
und die Zahl der Herz-Kreislauf-Todesfälle um 43 Prozent vermindert hat. Zwar kam es in der
Patientengruppe mit niedrigem Blutdruck zu einer höheren Rate an Hypotension (niedrigem
Blutdruck), Synkopen (plötzlicher Bewusstlosigkeit) und Nierenfunktionsstörungen, aber die positiven
Effekte waren so eindrucksvoll, dass die Studie vorzeitig beendet wurde. Professor Röther: „Dies wird
in den USA und sicherlich auch in Deutschland zu einer Veränderung der Empfehlungen führen.“
Pressemitteilung der DGN und DSG vom 19. November 2015, Seite 1
„Die konsequente Normalisierung der Blutdruckwerte wird langfristig auch die Zahl der Schlaganfälle
senken“, vermutet Professor Dr. med. Hans-Christoph Diener, Direktor der Klinik für Neurologie am
Uniklinikum Essen. „In der SPRINT-Studie nahm die Zahl der Schlaganfälle zwar nur um 11 Prozent ab
und der Unterschied war statistisch nicht signifikant“, berichtet der Pressesprecher der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie. Dieser geringe Einfluss könnte jedoch mit der kurzen Beobachtungszeit
von etwas über drei Jahren zusammenhängen, so Professor Diener: „Die meisten Schlaganfälle sind
die Folge einer allmählichen Gefäßverkalkung in den Hals- und Hirnarterien, die sich über viele Jahre
entwickelt. Viele Langzeitstudien zeigen, dass ein normaler Blutdruck der beste Schutz vor einem
Schlaganfall ist.“
Zwar wurden Schlaganfallpatienten nicht in die SPRINT-Studie eingeschlossen, dennoch vermutet
Professor Röther, dass sich niedrigere Zielwerte langsam durchsetzen werden. „Es wird sicher nicht
gleich eine generelle Empfehlung für einen Zielwert unter 120 mm Hg systolisch geben, aber die JNC8-Empfehlung, Patienten, die älter als 60 Jahre sind, erst ab einem Blutdruck von 150 mm Hg zu
behandeln, dürfte wieder vom Tisch sein. Wir werden die Patienten allerdings auch überzeugen
müssen, mehr Wirkstoffe als bisher einzunehmen“, sagt der DSG-Pressesprecher. Am langfristigen
Nutzen ist aus Sicht der beiden Experten nicht zu zweifeln. In den Industrieländern, in denen die
Blutdruckkontrolle sehr ernst genommen wird und entsprechend weit verbreitet ist, sei die Zahl der
Schlaganfälle gesunken.
Literatur
The SPRINT Research Group: A Randomized Trial of Intensive versus Standard Blood-Pressure Control. NEJM,
November 9, 2015DOI: 10.1056/NEJMoa1511939 http://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMoa1511939
Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. med. Joachim Röther
Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG)
Chefarzt Neurologische Abteilung, Asklepios Klinik Altona, Paul-Ehrlich-Straße 1, 22763 Hamburg
Tel.: +49 (0)40-181881-1401
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener
Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Essen, Hufelandstr. 55, 45122 Essen
Tel.: +49 (0)201-7232-460, E-Mail: [email protected]
Pressestelle der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft
Tel.: +49 (0)711-8931-380, Fax: +49 (0)711-8931-167, E-Mail: [email protected]
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
Tel.: +49 (0)89-46148-622, Fax: +49 (0)89-46148-625, E-Mail: [email protected]
Pressemitteilung der DGN und DSG vom 19. November 2015, Seite 2