Die Pressemitteilung zum

Berlin, 21. März 2016
„Mit einem überall zerrissenen Herzen“
Dem Beethoven-Haus in Bonn gelang der Ankauf eines bedeutenden Briefs aus der Feder
Ludwig van Beethovens. Ungewöhnlich emotional schreibt der Komponist in dem im Januar
1813 verfassten Brief an Maria Eleonora Gräfin Fuchs über sein zu jener Zeit von vielfältigen
Schwierigkeiten geprägtes Leben. Die Kulturstiftung der Länder unterstützte den Ankauf.
Zu Beginn des Jahres 1813 durchlebte Ludwig van Beethoven (1770–1827) eine schwere persönliche Krise. Geplagt von künstlerischen Zweifeln und finanziellen Engpässen verfasste er
einen ungewöhnlich offenen Brief, der nun, nach Jahren im Privatbesitz, durch das BeethovenHaus in Bonn erworben werden konnte. Voll Kummer und Scham ob seines desolaten Gemüts- und Finanzzustands wendete er sich in dem Schreiben an Maria Eleonora Gräfin Fuchs,
geborene von Gallenberg (1786–1842), um sich für sein Fernbleiben zu entschuldigen: Er
könne der ausgesprochenen Einladung nicht nachkommen, da er aus Geldnot dringend etwas
erarbeiten müsse und mit seinem „überall zerrissenen Herzen“ sowieso nicht aufgelegt sei,
unter Menschen zu sein. Die Adressatin Gräfin Fuchs war mit Giulietta Guiccardi (1782–
1856) verschwägert, in die sich Beethoven rund elf Jahre zuvor verliebt hatte – eine Verbindung, die ihm damals über eine ähnliche Krise hinweghalf. Dass er persönliche Bedrängnisse
wie die Tuberkuloseerkrankung seines Bruders Kaspar Karl in der dreiseitig niedergeschriebenen Nachricht erwähnt, deutet auf ein vertrauensvolles Verhältnis mit der Gräfin hin.
Ausschnitt des Briefes, den Ludwig van Beethoven 1813 für Maria Eleonora Gräfin Fuchs verfasste
© Beethoven-Haus Bonn
Seite 2, Pressemitteilung vom 21. März 2016
Zwar erreichte Beethoven zu der Zeit, als er den Brief verfasste, den Höhepunkt seiner Berühmtheit – die tagespolitisch motivierte Komposition Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria op. 91 trug beispielsweise maßgeblich dazu bei –, dennoch lähmte ihn eine Schaffenskrise:
Nach dem Tod seines Förderers Ferdinand Fürst Kinsky im vorangegangen Jahr war
Beethoven darauf angewiesen, sein Auskommen mit Gelegenheitswerken zu bestreiten. Kompositorisch weniger herausfordernde Stücke, die vor allem patriotischen Zwecken dienten,
sowie die Überarbeitung von Volksliedern für einen Verleger in Edinburgh zur Sicherung seines Broterwerbs ließen wenig kreativen Freiraum. Sein stetig nachlassendes Hörvermögen
intensivierte die nagenden materiellen Ängste, was Beethovens Seelenzustand nur weiter verschlechterte.
Der Brief, in dem Beethoven in ehrlichen, überaus direkten Worten seine Befürchtungen und
die prekären Umstände formuliert, wie die Sorge „vor Hunger um[zu]kommen“, ist ein ergreifendes Zeugnis jener Lebensphase, in der sich, aus der Krise heraus, die Charakteristika
von Beethovens Spätwerk zu formieren beginnen. Aus dem Jahr 1813 ist nur eine Handvoll
Briefe des großen Komponisten erhalten geblieben. Unter ihnen sticht das jüngst durch das
Beethoven-Haus erworbene Schriftstück besonders hervor: Kaum einer der Briefe birgt vergleichbar Emotionales, lässt derart tief in die Seele des musikalischen Genies blicken. Die
Autographen gelten in der Forschung um Beethoven als intime Zeugnisse seines Lebens,
seines Charakters und seiner Arbeitsweise. Über 700 Beethoven-Briefe – jeder für sich eine
aufschlussreiche biographische Quelle – umfasst die Sammlung des Beethoven-Hauses in
Bonn. Viele von ihnen sind der Einrichtung durch den Schweizer Hans Conrad Bodmer
(1891–1956) vermacht worden, der mit großer Hingabe Autographen des Komponisten
sammelte. Seither verfügt das Beethoven-Haus über die weltweit größte Zahl an eigenhändigen Korrespondenzen Beethovens. Die Neuerwerbung des Briefes an die Gräfin Fuchs, realisiert mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und
Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, ist eine wichtige Erweiterung des Bestandes. Die
persönliche Nachricht gesellt sich dort unter anderem zu ebenfalls durch die Kulturstiftung
der Länder geförderten Autographen Beethovens, wie den berühmten Diabelli-Variationen
oder einem Brief an den Grafen Brunsvik.
Johannes Fellmann, Pressereferent
Tel +49 (0)30 / 89 36 35 29, [email protected]
Kulturstiftung der Länder
Lützowplatz 9, 10785 Berlin
www.kulturstiftung.de