Klassifizierung und Ausschlachtung

Tier
■ BAUERNBLATT l 9. Mai 2015
tenfreie Leistung je erzeugter Färse
beträgt im Mittel aller ausgewerteten Betriebe minus 107 €. Die Erfolgsbetriebe hatten gegenüber den
weniger erfolgreichen 659 € geringere Direktkosten, zirka 80 % davon
sind in niedrigeren Futterkosten begründet.
Die ermittelten Gemeinkosten lagen mit 457 € nur 12 € über dem
Vorjahreswert. Den größten Teil davon macht mit 299 € die Arbeitserledigung aus, gefolgt von den Gebäudekosten in Höhe von 135 € je
aufgezogener Färse. Sonst gab es
nur geringfügige Verschiebungen
gegenüber dem Vorjahr. Auch bei
den Gemeinkosten waren die Erfolgsbetriebe im Vorteil. Die Gemeinkosten waren 133 € niedriger
als in den weniger erfolgreichen Betrieben.
Die gesamten Produktionskosten
einer erzeugten Färse betragen somit im Durchschnitt aller ausgewerteten Betriebe 2.130 €, das sind
131 € mehr als im vergangenen Jahr.
Wenn man die Ansätze für die Be-
wertung der eigenen Faktoren (Kapital und Arbeit) von 405 € herausrechnet, bleiben noch Kosten von
1.725 € je erzeugter Färse. Die Differenz der gesamten Produktionskosten je erzeugter Färse zwischen
den Erfolgsbetrieben und den weniger erfolgreichen Betrieben betrug
792 € – die Gründe wurden erläutert.
Bei
Produktionskosten
von
2.130 € je aufgezogener Färse, einer
Reproduktionsrate von 32,2 % und
einer Milchleistung je Kuh von
8.363 kg ist jedes Kilogramm Milch
mit 8,2 ct aus der Jungviehaufzucht
belastet. In der geschlossenen Produktion, die die Milchviehhaltung
und die Jungviehaufzucht mit der
dazugehörigen Futterproduktion
als eine nicht teilbare Produktionseinheit versteht, wird diese Kostenbetrachtung unumgänglich sein. National und international wird grundsätzlich immer die Jungviehaufzucht
der Milchproduktion zugerechnet
und ist deshalb als einzelne Kostenposition nicht sichtbar.
Auswertungen zeigen, dass sich ein
niedriges Erstkalbealter lohnt und
hohe Erstkalbealter von über 30 MoVon den 515 ausgewerteten Be- naten zu vermeiden sind.
trieben hatten fünf keine eigene
Jungviehaufzucht. Von den verbliebenen 510 Betrieben (Übersicht 2) zeigten 138 (27 %) ein ErstIn der Jungviehaufzucht gibt es
kalbealter (EKA) von weniger als
noch große Reserven. Dies kann
27 Monaten. Die Mehrzahl von
anhand der Auswertungen der
232 Betrieben (45 %) wies ein EKA
Rinderspezialberatung eindeuzwischen 27 und 30 Monaten auf,
tig belegt werden. Die Schwachweitere 100 Betriebe (20 %) eines
stellen sollten aufgedeckt wervon 30 bis 33 Monaten, und 40 Beden, dazu dient eine detaillierte
triebe (8 %) lagen im ErstkalbealBetriebszweigauswertung. Mitter sogar über 33 Monaten. Diese
hilfe der Beratung sollten die
letzte Gruppe fällt durch einen
Milchviehbetriebe ihre individudeutlich höheren Weide- und Geelle Strategie für die Jungviesamtflächenverbrauch etwas aus
haufzucht ausarbeiten. Dann
dem Rahmen, was sich auch auf
wird sich die angestrebte Kosdie Futter- und Produktionskosten
tensenkung positiv auf den Beauswirkt.
triebserfolg auswirken.
Je größer die Zahl der aufgezogenen Färsen im Betrieb war, desto
Johannes Thomsen
niedriger war das Erstkalbealter. Je
Landwirtschaftskammer
niedriger das Erstkalbealter, desto
Tel.: 0 43 81-90 09-47
geringer der Weide- [email protected]
weise Futterflächenverbrauch. Die
Einfluss
des Erstkalbealters
FAZIT
Schlachtkühe
Klassifizierung und Ausschlachtung
Der Landwirt ist enttäuscht: Der
Schlachtkuhabrechnung
seines
Viehhandelsunternehmens ist wenig Erfreuliches zu entnehmen.
Schlachtgewichte unter 300 kg, diverse Kühe in der Handelsklasse
„P“, entsprechend mager fällt der
Schlachterlös aus. Im folgenden
Beitrag wird die Klassifizierung
und Ausschlachtung von Schlachtkühen analysiert.
sive Mägen und Darm sowie Euter,
Kopf und Fell die Ausschlachtung
unter 50 % – dies insbesondere bei
den mageren Kühen mit gesundheitlichen Problemen.
Neben der Zucht spielen andere
Faktoren eine Rolle. Ist es sinnvoll, eine Kuh, die für die Schlachtung vorgesehen ist, nach oder während des
Abmelkens noch auffleischen zu lassen? Vorbei sind die Zeiten, als solche
Kühe dann mit den Färsen noch auf
die Weide kamen. Futterflächen sind
mittlerweile knapp, Stallplätze sowie
Gülleentsorgung teuer, und Zeit ist
Mangelware. Kühe mit gesundheitlichen Mängeln inklusive Fundamentproblemen fleischen ohnehin nicht
auf, und die Futterverwertung ist für
den Fleischansatz meist miserabel.
Die Option, mittels Einkreuzung von
Fleckvieh der „Magersucht“ entgegenzuwirken, hat bislang nur wenig
Verbreitung gefunden.
Ein Blick in die amtliche Handelsklassenstatistik zu Beginn des Jahres
2015 zeigt das Ergebnis dieser Entwicklung. Da viele Bundesländer
nicht alle Handelsklassen veröffentlichen und schon gar nicht deren Gewichte, sei hier die amtliche Handelsklassenstatistik des Landes Nordrhein-Westfalen angeführt. In diesem Bundesland, wie in anderen
auch, wird Milchviehhaltung sowohl
auf reinen Grünlandstandorten als
auch in Acker-/Grünlandmischgebieten durchgeführt.
Der Eindruck täuscht nicht. Die
Klassifizierung der milchbetonten
rot- und schwarzbunten Schlachtkühe und Färsen ist in den letzten Jahren schlechter geworden. Das gilt sowohl für die Handelsklasseneinstufung als auch für die Schlachtgewichte. Die Gründe sind nachvollziehbar. Die Zucht auf „Milchadel“ Tabelle 1: Schlachtkühe: Klassifizierung und Schlachtgewichte
hat zu einer wohl noch rahmigeren, gemäß amtlicher Notierung in Nordrhein-Westfalen
aber umsatzbetonten Milchkuh geführt. Fleischansatz ist in diesem Fall Handelsklasse Schlachtkühe Ø- Schlachtgewicht warm Kuhschlachtungen relativ
R3
368 kg
3,8 %
nicht gefragt; er ist physiologisch soO3
332 kg
33,7 %
gar unerwünscht. Diese Kühe haben
ein enormes FutteraufnahmevermöO2
302 kg
10,8 %
gen; selbst über 50 kg FrischsubsP3
279 kg
4,8 %
tanzaufnahme pro Tag sind schnell
P2
266 kg
13,5 %
erreicht. Wenn solche Kühe, die
P1
242 kg
21,2 %
nicht genüchtert wurden, ans
87,8
%*
Schlachtband kommen, sinkt nach
*
Rest:
Handelsklassen
Schlachtkühe:
U2,
U3,
R2,
R4,
O4
Blutentzug, Organentnahme inklu-
Vorab: Die Schlachtkühe aus den
reinen Grünlandgebieten sind deutlich leichter als aus den Ackerbauregionen und erreichen in der Mehrzahl nur die Handelsklassen „P“. Die
Maissilage und oft auch energiereichere Grassilagen aus Niederungen
sind in den Grundfutterrationen
kaum zu ersetzen!
Klassifizierung
ist gewichtsabhängig
Im Grunde erfolgt die subjektive
Einstufung in die Handelsklassen
durch den neutralen Klassifizierer
immer noch nach dem alten DLGSchnittführungsschema vergangener Jahrzehnte. Würde sie in
„Reinform“ angewandt, wäre der
Anteil der P-Kühe noch höher.
Denn wo findet sich bei den HFMilchkühen noch ein nennenswerter Keulenansatz? Und wenn die
Kuh am Haken hängt, zieht sich die
schwach ausgeprägte Keule noch
weiter nach innen. Trotzdem, theoretisch müsste es leichte Kühe mit
guter Klassifizierung geben. Aber
das Gewicht beeindruckt eben
auch den neutralen Sachverständigen. Jedenfalls zeigt die Praxis ein
klares Bild (Tabelle 1).
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Tier
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350 kg realisieren Ausschlachtungen
von 56 %; selten unter 52 %. Eine
Kuh mit guter Ausschlachtung ist übrigens selten schlecht klassifiziert:
P3-Kühe mit mehr als 50 % Ausschlachtung hätten wohl eher in die
Handelsklasse O2 eingestuft werden
müssen. Nicht tragend gewordene
HF-Färsen der HKL O3 von 280 bis
340 kg SG schlachten zwischen 51,5
und 58 % aus, mit einem Mittel von
54,4 %. Hier variiert die Ausschlachtung aber deutlich weniger als bei
den Kühen.
Unterschiede zwischen den
Schlachtunternehmen?
Eine ordentlich bemuskelte HF-Kuh – am Haken eine sichere O3-Kandidatin.
Nur noch etwa ein Drittel unserer
HF-Schlachtkühe wird in die Handelsklasse „O3“ eingestuft. Sie erreichen ein Schlachtgewicht von über
330 kg. Noch vor Jahren lag dieser
Wert konstant bei 320 kg. Die HFTiere brauchen heute höhere Gewichte für eine sichere „O“-Klassifizierung. Das zeigt sich insbesondere
bei den gemerzten (nicht tragend
gewordenen) HF-Färsen. Diese Tiere
gehen heute nach der Trächtigkeitsuntersuchung früher und damit
leichter an den Haken und landen
zunehmend in den P-Klassen. Selbst
die O3-Färsen erreichen im Durchschnitt nur noch ein Schlachtgewicht
von zirka 295 kg. Ein Blick in die Tabelle zeigt, welche Gewichte für
welche Handelsklasse typisch sind.
Für eine O3- oder O2-Klassifizierung
müssen es 300 kg Schlachtgewicht
sein, und unter 250 kg Schlachtgewicht heißt das Ergebnis meistens
„P1“. Übrigens: Nicht verwunderlich, aber auffällig ist die Tatsache,
dass in Zeiten eines knappen Angebotes der Anteil der P-Kühe in der
Statistik fast so groß ist wie die Klassen O, R und U.
Ausschlachtung:
Große Differenzen
Ein ganz besonderes Kapitel ist
die Ausschlachtung von Schlachtkühen. Sie variiert aufgrund der oben
angeführten hohen Futteraufnahme und der meist fehlenden beziehungsweise nicht definierten Nüchterung von Schlachtkühen unglaublich stark. Von „nüchtern“ bis „voll-
Tabelle 2: Ausschlachtung* von Färsen und Kühen
Bezeichnung
Durchschnitt
56,0
Ausschlachtung in %
von … bis
Extremwerte von … bis
52,0 - 59,0
50,0 - 60,0
Kühe R3
320 - 400 kg SG
Kühe O3
50,8
47,0 - 54,0
310 - 360 kg SG
Färsen O3
54,4
51,5 - 58,0
280 - 340 kg SG
46,0 - 53,0
Kühe O2
49,2
250 - 330 kg SG
44,0 - 50,0
Kühe P2
48,0
240 - 320 kg SG
Kühe P1
46,5
43,0 - 49,0
200 - 280 kg SG
* nach Abzug von 7% Nüchterung vom Lebendgewicht
44,5 - 58,2
50,0 - 59,0
49,0 - 55,0
41,0 - 51,0
40,0 - 51,0
Foto: Dr. Frank Greshake
gefressen“ kommt alles an den Haken.
Die Viehvermarktung Rheinland
im niederrheinischen Sonsbeck
wiegt alle diejenigen Kühe lebend,
die über die Sammelstelle vermarktet werden. Mit einem Lkw 30 Kühe
einzeln oder in kleinen Gruppen zu
sammeln und binnen acht Stunden
zum Schlachthof zu fahren, das geht
nicht.
Bevor aus Lebend- und Schlachtgewicht die Ausschlachtung ermittelt wird, werden 7 % vom Lebendgewicht als „Nüchterungsverlust“
abgezogen. Diese Vorgehensweise
ist allerdings fraglich: Für O- und
schwere P-Kühe passt ein solcher Abzug. Für Fleischrinderkühe und HFFärsen ist der Abzug wahrscheinlich
zu hoch, für leichte P-Kühe eventuell
zu gering. Das Ergebnis einer Auswertung von 1.050 Färsen und Kühen ist in Tabelle 2 dargestellt.
Festzuhalten ist: Selbst bei gut
konditionierten O-Kühen (280 bis
340 kg SG) variiert die Ausschlachtung von 48 bis 54 %, einzelne Ausreißer reichen von 46 bis 57 %. Natürlich gibt es einen Mittelwert von
etwa 50,8 %. O3-Kühe zwischen 290
und 310 kg Schlachtgewicht liegen
tendenziell bei Ausschlachtungswerten von 48 bis 50 %. Die O2-Kühe
liegen im Mittel bei gut 49 % Ausschlachtung, die P2 bei 48 und die
P1 bei 46,5 %. Fleischrinder- oder
Fleckviehkühe der Handelsklasse R3
mit Schlachtgewichten meist über
Für die vorgenannte Auswertung
wurden die Zahlen getrennt für
zwei der wesentlichen Rinderschlachtbetriebe in Nordrhein-Westfalen ausgewertet. Bezüglich der
Ausschlachtung zeigen sich geringe,
wahrscheinlich statistisch nicht absicherbare Differenzen. Aber: Die
Klassifizierung ist nicht gleich. Die
Viehvermarktung Rheinland taxiert
die Schlachtkühe an der Sammelstelle durch stets den gleichen Mitarbeiter auf die zu erwartende Klassifizierung. Der Grad der Übereinstimmung dieser „Lebendbeschau“ mit
den Ergebnissen auf der nachfolgenden Wiegeliste ist unterschiedlich.
Das gilt nicht für die schwere oder
durchschnittliche O-Kuh oder die
„Rotes Kreuz“-P1-Kuh. Unterschiede zeigen sich bei den Einstufungen
in die Handelsklassen P1 oder P2,
oder P3 oder O2. So war der Anteil
der „gerade noch“ in O2 eingestuften Kühe zwischen den Schlachtbetrieben unterschiedlich. Hierzu passt
auch die Feststellung, dass es in einem Betrieb nicht unerheblich viele
P2-Kühe über einem Schlachtgewicht von 320 kg gab, in einem anderen praktisch keine. Auch schwere
P1-Kühe über 280 kg gibt es bei dem
einen Schlachtbetrieb, bei dem anderen nicht. Andersherum: Ob an
einem Schlachtbetrieb „bauernfreundlich“ klassifiziert wird, zeigt
sich maßgeblich in der Bewertung
der Kühe mit noch akzeptablen Gewichten, aber knapper Bemuskelung.
In Geld ausgedrückt: Für die O2Kuh gibt es 50 ct mehr pro Kilo
Schlachtgewicht als für die P3-Kuh
und sogar 70 ct mehr als für die P2Kuh, und das macht unter dem Strich
doch einen erheblichen Unterschied.
Dr. Frank Greshake
Landwirtschaftskammer
Nordrhein-Westfalen
Tel.: 0 28 38-77 61-223
[email protected]